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Veröffentlicht am 20.06.2025

Starke Fortsetzung

Der Tod kennt verschwiegene Pfade
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Mord, Bohnenkaffee und kaputte Moral – der Schmied ermittelt wieder

Mit „Der Tod kennt verschwiegene Pfade“ schickt Ralf Lano seinen Dorfschmied Karl Bermes erneut ins Chaos der Nachkriegsjahre – irgendwo ...

Mord, Bohnenkaffee und kaputte Moral – der Schmied ermittelt wieder

Mit „Der Tod kennt verschwiegene Pfade“ schickt Ralf Lano seinen Dorfschmied Karl Bermes erneut ins Chaos der Nachkriegsjahre – irgendwo zwischen Schwarzmarkt, kaputter Infrastruktur und flackernden Moralresten. Und was soll man sagen? Es funktioniert wieder verdammt gut.

Ein Toter im Wald, ein Bürgermeister am Tatort, ein Kommissar ohne feste Strukturen – das Setup ist klassisch, aber Lano bringt frische Tiefe rein. Der Autor präsentiert ein ehrliches Nachkriegsgrau. Dass Bermes – kein Polizist, sondern Handwerker mit Hirn und Bauchgefühl – sich in eine Schmugglerbande einschleust, wirkt nicht erfunden, sondern logisch. Wenn keiner mehr weiß, wer Freund und Feind ist, hilft halt nur noch: selber machen.

Die Welt, die Lano zeichnet, ist kantig, glaubwürdig und bis in die Nebenrollen gut besetzt. Ob junger Polizeianwärter, dubioser Strippenzieher oder gebrochene Kriegsheimkehrer – jeder trägt sein Päckchen.

Lanos Stil bleibt schnörkellos, aber mit viel Gespür für Atmosphäre. Kein Satz zu viel, kein Pathos, aber immer dicht dran. Auch die historischen Details wirken nie aus dem Archiv gekramt, sondern wie gelebte Realität. Man erfährt viel, ohne belehrt zu werden.

Fazit: Ein historischer Krimi ohne Zuckerguss, mit Substanz, Tempo und einem Ermittler, der keine Marke braucht, um zu überzeugen. Wer auf echte Typen, klare Sprache und moralische Grauzonen steht, ist hier genau richtig.

9/10

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Veröffentlicht am 17.06.2025

Meisterwerk

Lyneham
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Das Sci-Fi-Meisterwerk, das uns vor Augen führt, warum der Mensch keine zweite Erde verdient

Mit Lyneham liefert Nils Westerboer einen Science-Fiction-Roman, der sich nicht in Raumschlachten, fremden ...

Das Sci-Fi-Meisterwerk, das uns vor Augen führt, warum der Mensch keine zweite Erde verdient

Mit Lyneham liefert Nils Westerboer einen Science-Fiction-Roman, der sich nicht in Raumschlachten, fremden Alien-Spezies oder Hochglanz-Zukunftsvisionen verliert. Stattdessen hält er uns den Spiegel vor: Was, wenn wir unsere zweite Chance bekommen — und wieder alles ruinieren?

Die Menschheit flieht auf den Exomond Perm, eine Welt voller Gefahren, fremder Ökosysteme und toxischer Schönheit. Statt Demut: Terraforming. Statt Respekt: Machthunger. Westerboer entwirft ein bitter realistisches Zukunftsszenario, das bedrückend nah an unsere Gegenwart rückt. Wir haben nichts gelernt. Und das macht den Roman so unangenehm aktuell. Hat die Menschheit überhaupt eine zweite Chance verdient?

Besonders stark: Westerboer verbindet wissenschaftliche Akribie mit emotionaler Tiefe. Biochemie, Ökologie, Terraforming – anspruchsvoll, aber größtenteils verständlich. Gleichzeitig begleitet man glaubhafte Figuren: den jungen Henry, der zwischen Sehnsucht und Angst schwankt, und seine Mutter Mildred, die sich immer stärker fragt, ob wir das überhaupt dürfen: einen fremden Planeten unserem Willen unterwerfen.

Lyneham ist Science-Fiction auf allerhöchstem Niveau: fordernd, klug, emotional und messerscharf. Kein seichtes Abenteuer, sondern ein unbequemes Meisterwerk, das lange nachwirkt. Wer Sci-Fi nur als Eskapismus sieht, wird hier gnadenlos geerdet.

Fazit: „Lyneham“ ist ein herausragendes, forderndes Meisterwerk, das mit wissenschaftlicher Präzision, emotionaler Tiefe und philosophischer Wucht die dunklen Seiten menschlicher Natur schonungslos beleuchtet.

10/10 Meisterwerk!

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Veröffentlicht am 15.06.2025

Bedrückend

Ein Hund kam in die Küche
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„Ein Hund kam in die Küche“ ist kein lauter, dramatisch inszenierter Roman über die NS-Zeit – gerade deshalb trifft er so stark. Sepp Mall erzählt aus der Perspektive des elfjährigen Ludi, der 1942 mit ...

„Ein Hund kam in die Küche“ ist kein lauter, dramatisch inszenierter Roman über die NS-Zeit – gerade deshalb trifft er so stark. Sepp Mall erzählt aus der Perspektive des elfjährigen Ludi, der 1942 mit seiner Familie Südtirol verlässt und ins Deutsche Reich umsiedelt. Die sogenannte „Option“ zwingt sie zu dieser Entscheidung – doch statt Sicherheit bringt sie Leid.

Schon zu Beginn wird der behinderte Bruder Hanno in einer „Nervenheilanstalt“ untergebracht. Was Ludi nicht weiß, er wird seinen Bruder nie wiedersehen. Er versteht nicht, was mit ihm passiert, doch für die Leser:innen ist klar: Euthanasie, Mord im Namen der Ideologie. Diese kindliche Unwissenheit wird zum emotionalen Kern der Geschichte. Was Ludi nicht versteht, schwebt als beklemmendes Wissen zwischen den Zeilen.

Die Verluste reißen nicht ab: Der Vater zieht in den Krieg, die Mutter zerbricht an der Situation, Ludi bleibt allein in einer fremden Umgebung. Seine Versuche, die Erwachsenenwelt zu begreifen, wirken hilflos und machen das Grauen nur noch spürbarer. Politik, Krieg, Propaganda – für das Kind bleibt alles abstrakt, doch der Schmerz ist real.

Die Stärke des Romans liegt in der schlichten, klaren Sprache. Keine großen Erklärungen, keine inszenierten Dramen – genau dadurch wirkt alles umso härter. Ludi spricht mit seinem toten Bruder, sucht Halt im Unbegreiflichen, während um ihn herum die Welt auseinanderfällt.

Der Titel verweist auf ein Kinderlied – ein bitterer Kontrast zum Grauen, das Ludi erlebt. Der Roman wird so zu einem eindringlichen Mahnmal darüber, was es bedeutet, als Kind in einer Welt aufzuwachsen, in der Ideologien wichtiger sind als Menschlichkeit. Keine große Geste, kein lautes Mahnmal – sondern ein stilles, schmerzhaft ehrliches Zeugnis.

10/10 Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 13.06.2025

Schöner Roman

Gestern waren wir unendlich
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Der Start des Romans ist stark: Louis und Henry – zwei Menschen, die sich so bedingungslos und ehrlich lieben, dass man als Leser sofort andockt. Die Chemie stimmt, die Gefühle sind greifbar, und die Figuren ...

Der Start des Romans ist stark: Louis und Henry – zwei Menschen, die sich so bedingungslos und ehrlich lieben, dass man als Leser sofort andockt. Die Chemie stimmt, die Gefühle sind greifbar, und die Figuren wirken von der ersten Seite an lebendig. Statt schnulziger Überdosis gibt's eine Liebesgeschichte, die einfach echt ist.

Dann der Bruch: Henry stirbt bei einem Autounfall – aber es bleibt nicht beim klassischen Trauerdrama. Louis steckt in einer Art Zeitschleife, in der er den schlimmsten Tag seines Lebens immer wieder durchlebt. Und hier wird’s spannend: Zwischen Hoffnung, Verzweiflung und Kontrollverlust ringt er darum, Henry vielleicht doch noch zu retten.

Was gut funktioniert: Die Zeitschleifen-Idee artet nicht in eine Sci-Fi-Spielerei aus, sondern macht Louis' innere Kämpfe noch greifbarer. Die Verzweiflung, in der er steckt, wird spürbar, seine Liebe wird nachvollziehbarer. Romantik, Tragik und Spannung halten sich die Waage.

Aber: Im letzten Drittel verlässt die Geschichte den bisher (fast) realistisch-emotionalen Kurs und geht in einen mystischen Abschluss über. Klar, sauber und toll geschrieben, aber dieser Wechsel war mir dann doch etwas zu viel des Guten. Hier hätte ich mir eine realistischere Auflösung gewünscht. Auch der große Konflikt zwischen Louis und Henry, der immer wieder angedeutet wird, bleibt am Ende doch etwas flach und überzogen.

Trotzdem: Die Stärken überwiegen. Die authentische Figurenzeichnung, der emotionale Sog der Geschichte und der Mut, queere Liebe in den Mittelpunkt zu stellen, machen Gestern waren wir unendlich zu einem wichtigen, lesenswerten Roman. Es ist kein Buch, das nur für die queere Community geschrieben wurde, sondern eines, das allen zeigt, wie universell Liebe, Verlust und Hoffnung sind.

Fazit: Ein starker Beitrag zur deutschen Literatur — und hoffentlich der Anfang für viele weitere queere Bestseller.

8/10

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Veröffentlicht am 10.06.2025

Das war leider nix

Code Kill – Ein tödliches Spiel
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Abgelegene Insel, maskierter Killer, fünf Gäste und ein Hotel im Sturm – was klingt wie die perfekte Bühne für einen dichten Psychothriller, driftet in Code Kill – Ein tödliches Spiel leider zunehmend ...

Abgelegene Insel, maskierter Killer, fünf Gäste und ein Hotel im Sturm – was klingt wie die perfekte Bühne für einen dichten Psychothriller, driftet in Code Kill – Ein tödliches Spiel leider zunehmend ins Absurde ab.

Der Einstieg macht Lust auf mehr: düsteres Setting, sturmgepeitschte Atmosphäre, ein Protagonist mit Mystery-Potenzial. Hendrik Klein beginnt stark und liefert klassisches Whodunit-Flair mit moderner Härte. Doch je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr eskaliert das Ganze – und zwar nicht im guten Sinne.

Statt psychologischem Nervenkitzel hagelt es drastische Gewalt, überdrehte Szenen und Figuren, die mehr reagieren als handeln. Besonders legendär (leider im negativen Sinn): die „Spiceszene“, bei der sich zwei Figuren mitten im Überlebenskampf lieber der Erotik als der Flucht widmen. Das wirkt so deplatziert, dass man sich fragt, ob hier versehentlich ein anderes Genre reingerutscht ist.

Und das Finale? Ein Twist, der eher für Augenrollen als Aha-Momente sorgt. Was spannend begann, endet wie ein Mix aus Splatterkino und Trash-TV – mit dem bitteren Beigeschmack, dass hier mal richtig Potenzial auf der Strecke geblieben ist.

Immerhin: der Schreibstil ist solide, flott und gut lesbar. Aber auch das kann nicht retten, was am Ende eher wie ein durchgeknallter Ideenstapel wirkt, als wie ein Thriller mit Substanz.

Fazit: „Weniger wäre mehr gewesen.“ Oder wie man nach der Spiceszene denkt: WTF?

4/10

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