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Veröffentlicht am 25.04.2020

Besonders, ein wenig seltsam, aber eine Freundschaft?

Charlotte & Ben
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Allgemein:

Erin Entrada Kelly ist in Deutschland keine Unbekannte. Ihr Jugendbuch "Vier Wünsche ans Universum" erhielt 2019 den Deutschen Jugendliteraturpreis und nun legt sie 1 Jahr später mit einer ...

Allgemein:

Erin Entrada Kelly ist in Deutschland keine Unbekannte. Ihr Jugendbuch "Vier Wünsche ans Universum" erhielt 2019 den Deutschen Jugendliteraturpreis und nun legt sie 1 Jahr später mit einer neuen Geschichte bei dtv nach. In "Charlotte & Ben" dreht es sich um die beiden titelgebenden Protagonisten, die sich über ihre Leidenschaft, dem Online Scrabble kennenlernen. Ein persönliches Treffen scheidet für die beiden angehenden Teenager allerdings aus, denn sie wohnen 2000 km voneinander entfernt. Jedoch teilen sie, mehr oder weniger bewusst, nerdige Gedankengänge, Familienprobleme und die Möglichkeit sich online anders zu geben als in der Realität. Doch manchmal ist der Nickname online nicht das wirkliche Leben.

Mein Bild:

Aus etwas über 200 Seiten besteht dieses hübsch, aber irgendwie auch simpel aufgemachte Hardcover. Farbe und Symbolik sprechen mich hier mehr an als das so oft vorkommende Glitzer oder Prägungen. Zudem enterte mich der Klappentext. Zwei hochbegabte Kids, die sich über eine große Entfernung anfreunden und zusätzlich noch mit den eigenen Problemen rumschlagen müssen. Ich erwartete keine Spannung oder ein Abenteuer, aber eine tiefer gehende Freundschaft. Es sei so viel verraten: Das traf es nicht wirklich, aber dazu gleich mehr.

Die inhaltliche Einteilung überraschte mich beim Durchblättern. Mir war bewusst, dass ich mit großer Wahrscheinlichkeit zwei Handlungssträngen bzw. den zwei Protagonisten folgen werde. Nur der Zeitraum erschien mir zu kurz. Gerade mal knapp eine Woche vergeht im Buch - das zeigte mir vor Beginn des Lesens bereits ein Inhaltsverzeichnis. Reicht das, um die Beiden kennenzulernen? Mir ihre Welt näher zu bringen? 200 Seiten sind nicht viel. Meine Skepsis verflog zumindest Schritt für Schritt, trotz des simplen Schreibstils, der immer nur den Augenblick aufnahm. Ich hatte oft das Gefühl, dass mir der Blick auf die Umgebung fehlte, als würde ich noch etwas verpassen.

Die weibliche Protagonistin Charlotte hat es mir jedenfalls nicht leicht gemacht. Ihre personale Perspektive wirkte kühl, teilweise abwesend oder abgelehnkt von den Schwerpunkten einer Situation. Sie verkroch sich in ihren "Kaninchenbau", der übrigens als Einleitung in die Kapitel eine wichtige Rolle spielt und mich nicht nur mit Wissen abseits meiner bisherigen Googlesuchen versorgte. Charlotte ist mit ihren 12 Jahren nicht das typische Mädchen. Das fällt besonders auf, wenn sie mit ihrer frühreifen Freundin Bridget unterwegs ist. Ebenso wird sie mit der Situation eines schwer erkrankten Elternteils konfrontiert. Ich gebe offen zu, dass ich Probleme hatte, ihren Umgang mit der Situation zu verstehen, mich in sie hineinzufühlen. Nüchtern und Klug in emotionalen Momenten zu bleiben ist mir eben fremd. Im Verlauf der Storyline fiel bei mir dann doch der Groschen, genauso wie bei Charlotte. Es geht darum, dass es nicht schlimm ist, wenn sich Wege irgendwann trennen, weil man sich in eine andere Richtung entwickelt. Veränderungen gehören zum Leben, man kann darüber trauern oder auch froh sein. So einfach ist das, eigentlich. Mir hat die Umsetzung dieser Punkte gut gefallen.

Trotzdem mochte ich Ben lieber. Der 11-Jährige steht auf Harry Potter, natürlich ist sein Haus Ravenclaw, denn der junge Kerl strotzt nur so vor Intelligenz und Behaarlichkeit (wie Charlotte). Er kam mir oft vor wie ein kleiner Wissenschaftler oder Politiker. Sicherlich hing das vor allem damit zusammen, dass er sich urplötzlich für schulische Aktivitäten außerhalb des Unterrichts interessiert. Es ist seine Rebellion gegen die "Devolution" seiner Eltern. Denn auch er merkt, dass er nicht alles in seinem Leben unter Kontrolle behalten kann. Eine Veränderung, die ihn verändert und die Augen öffnet. Bens Emotionen spürte ich viel deutlicher, obwohl er sie versuchte zu unterdrücken. Es waren die Trotzreaktionen eines Kindes, dass eine neue Situation nicht wahrhaben will. Genauso ignoriert er tatsächlich die Mobbingattacken seiner Mitschüler und das tat mir im Herzen weh.

Ich fand es schade, dass beide Handlungsstränge nicht wirklich zusammengeführt werden. Zumindest nicht physisch. Die Message hingegen vereint beide Protagonisten. Beide lernen, dass das Ausblenden von Problemen nicht hilft, dass es ok ist, Dinge nicht gut zu finden und das auch auszusprechen. Das es ok ist, man selbst zu sein, sogar verdammt ok!

Trotzdem sehe ich die im Klappentext angesprochene Freundschaft zwischen den Charlotte & Ben nicht wirklich. Sie telefonieren einige Male kurz miteinander, lügen sich sogar zum Schein an. Auf mich wirkt es wie eine Bekanntschaft, deren Geschichten unabhängig vom Handeln des Anderen weiter bestehen kann. Man hätte ebenso gut ein Buch über Charlotte und ein Buch über Ben schreiben können, aber wie vorher erwähnt geht es hier nicht um eine physische Zusammenführung, was es wieder zu etwas Seltsamen und irgendwie Besonderem macht.

Fazit:

Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt und nur im geringen Maße Abenteuer verspricht. Für Teenager, die anfangen sich zu fragen, wer sie sind und ob das für sie ok ist. Für junge Leser ab 11 Jahren mit Hang zum Nerdigen.

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Veröffentlicht am 15.04.2020

Viel mehr als ein Märchen, so wahr, so fesselnd, mit Tiefgang, für einen Booknerd der absolute Rausch

Die letzte Dichterin
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Allgemein:

Katharina Seck ist eine deutsche Autorin, die sowohl fantastische als auch Gegenwartsliteratur schreibt. 2017 wurde ihr Debütroman „Die silberne Königin“ mit einem Literaturpreis ausgezeichnet. ...

Allgemein:

Katharina Seck ist eine deutsche Autorin, die sowohl fantastische als auch Gegenwartsliteratur schreibt. 2017 wurde ihr Debütroman „Die silberne Königin“ mit einem Literaturpreis ausgezeichnet. Inzwischen folgten weitere Romane, unter anderem der Fantasy-Einzelband „Die letzte Dichterin“, der Anfang 2020 bei Bastei Lübbe erschien. Innerhalb der Geschichte landet der Leser bzw. die Leserin im Land Phantopien, das einmal berühmt für seine Magie und dem Ausleben der 4 Künste war. Doch außer in der unauffindbaren Hauptstadt Fernab, scheint jegliche Magie verloren zu sein. Die Geschichtenerzählerin Minna reist durch Phantopien, um den Menschen mit honigsüßer Stimme einen Hauch der alten Zeit wiederzugeben. Leichter gesagt als getan, bis sie die Chance bekommt an einem Dichterwettstreit in Fernab teilzunehmen. Das Schicksal bringt sie mit dem angehenden Schatzsucher Finn zusammen, der sein bisheriges Leben eher wie ein Dieb verbracht hat. Was beide nicht wissen, Phantopiens Magie soll wieder zurückkehren, dafür will die Königin einen dunklen Plan umsetzen. Die Frage ist nur, zu welchem Preis?

Mein Bild:


Ich glaube, das Buch wäre als Hardcover glatt noch schöner gewesen. Doch der Einstieg über das Bildnis eines aufgeschlagenen Buches und einer Frau, die durch ein Tor auf ein scheinbar wunderschönes Schloss zugeht, war sehr einladend. Als würde das Buch sagen „Begleite mich!“. Dem Aufruf bin ich gefolgt und was soll ich sagen, außer, dass ich es kein Stück bereue. Katharina Seck war mir bisher eine Unbekannte. Als Liebhaberin schöner Cover fiel mir ihr Buch „Tochter des dunklen Waldes“ bereits auf, aber gelesen habe ich es nicht. Inzwischen frage ich mich, wie ich mich dem nur verwehren konnte.

Der Schreibstil der Autorin ist schwerlich in Worte zu fassen. Ich weiß nicht, ob ihr Schreibstil immer so punktgenau zur Geschichte passt, doch hier war es der Fall. Märchenhaft, melodisch, mitfühlend, altertümlich mit einem modernen Schliff und auch gesellschaftskritisch. Kurz um, ein literarischer Augenschmaus. Der Aufbau der Storyline ist in 3 Abschnitte unterteilt, die im Buch ebenfalls ersichtlich sind. Zum einen die Reise nach Fernab, die ich durch eine im Buch untergebrachte Karte verfolgen konnte, der Aufenthalt in der Stadt und schlussendlich der Showdown, der alle Magie zurückbringen soll.

Der Weltenaufbau besitzt etwas Historisches, obwohl ich mich in der Epoche nicht festlegen möchte, schließlich ist es Fantasy. Eine Zeit, in der Wälder gefährlich waren, in dem Dorfschenken von Bauern aufgesucht und Kaufleute immer reicher wurden, Räuberbanden und Geschichtenerzähler durch die Lande zogen. Anders als in einem historischen Roman weiß aber jeder, dass Zauberei, ja, Magie einmal im großen Stil existierte. In den Wäldern gab es Nymphen, Stroh zu Gold zu spinnen war möglich und hinter vergoldeten Spiegel taten sich andere Welten auf. Ich fühlte mich wie in Grimms Märchen oder in einer Hommage an Cornelia Funkes „Tintenherz“ versetzt. Dementsprechend markierte ich mir etliche Stellen im Buch.

Am besten jedoch sind die Charaktere gelungen. Man nehme verschiedene Sagen- und Märchenfiguren und verpasse ihnen ein facettenreiches Upgrade. Zack, haben wir Minna Fabelreich, Finn Minengräber, Königin Malwine Wüstenherz und Gabensucher Valerian Ohneruh – die Namen sind Programm. Zu Beginn lernte ich vor allem Minna und Finn besser kennen, wusste schnell wie sie tickten, welche Motive bzw. Ziele sie verfolgten, aber auch welche Zweifel sie plagten. Zwei Reisende, die mein Herz schnell eroberten. Die Königin und der Gabensucher öffneten vorerst nur ihre dunkle Seite für mich. Ihre negativen Gefühle erschienen vorerst schleierhaft, da sich mir die Beweggründe nicht erschlossen. Stück für Stück setzten sich die Teile zusammen, so dass ich meine Meinung über über Malwine und Valerian änderte. Katharina Seck spielte damit ein wenig das Schubladendenken aus. Ein sehr schöner Twist. Übrigens offenbarte sich der Tiefgang bei den Charakteren auch in den Überschriften desjenigen, den ich in personaler Perspektive begleitete. Beispielsweise wurde dem „Gabensucher“ irgendwann „Valerian“. Generell entwickelten sich die Figuren über den Plot hinweg in die passende Richtung, ohne dass es wirkt wie „die Moral von der Geschicht“, sondern eben total natürlich.

Die Handlungsstränge bewiesen nicht nur Abwechslung, sondern auch, dass die Autorin die Begabung besitzt, diese sinnvoll zu trennen und wieder zusammenzuführen. Einzelnen Figuren an verschiedenen Orten zu folgen oder von mehreren Figuren dieselbe Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, war mega spannend. Kleine Kniffs in Form von Settingdetails wie einem magischen Flimmerlicht und einem Unterwasserkerker oder Rückblicke auf die Vergangenheit der Figuren rundeten die Story ab. Mir blieben keine Fragen offen. Wer jetzt überlegt, ob das Buch nicht zu viel Input bietet, den kann ich beruhigen. Der rote Faden geht nicht verloren, denn es dreht sich um die Magie, die Künste und wie sie durch die handelnden Figuren in Phantopien erneut erstrahlen kann.

Der Showdown sollte die Lösung für dieses Problem liefern. Ich fieberte förmlich daraufhin. Im Groben wurde mir vorher geliefert, was benötigt wurde, aber die Antwort auf die Frage nach dem Wie kam erst zum Schluss. Es hob mich nicht aus den Socken, aber das Ende der Figuren überraschte mich immens. Ein typischer Märchenabschluss blieb also aus. Ich stellte mir wirklich die Frage, ob ich das gewollt hätte - getreu dem Motto „Sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“. Ich denke nicht. Katharina Seck beabsichtigte keine Klischees zu bedienen, sonder Individuen zu erschaffen. Und das ist ihr gelungen.

Fazit:

Ein Abenteuer – Märchen für Jugendliche und Erwachsene mit individuellen Charakteren ohne oberflächliches Getöse. Literarische Fantasy, eine Heldenreise, eine Hommage an die Gebrüder Grimm und Cornelia Funke, das alles steckt in „Die letzte Dichterin“ - absolute Empfehlung.


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Veröffentlicht am 31.03.2020

Und plötzlich dreht sich der Spieß um! Unerwartet, detailreich, aber etwas ausschweifend

Der Ruf der Rache
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Allgemein:

"Der Ruf der Rache" ist der Abschlussband der Dilogie um "Die Chroniken der Hoffnung". Anfang 2020 veröffentlichte der One-Verlag somit das Ende des Sequels der erfolgreichen Fantasy-Reihe ...

Allgemein:

"Der Ruf der Rache" ist der Abschlussband der Dilogie um "Die Chroniken der Hoffnung". Anfang 2020 veröffentlichte der One-Verlag somit das Ende des Sequels der erfolgreichen Fantasy-Reihe "Die Chroniken der Täuschung" von Mary E. Pearson. Inhaltlich begegnen wir erneut der jungen Elitesoldatin Kazi, die ihrem königlichen Auftrag nachgekommen ist und sogar noch mehr bekommen hat - Jase. Das Versteckspiel um ihre Gefühle ist vorbei, die Planung eines gemeinsamen Lebens auf dem Heimweg nach Höllenrachen im vollen Gange, doch an den Toren der Stadt empfängt sie etwas ganz Anderes als ein Empfangskomitee: Ein Hinterhalt durch einen völlig unerwarteten Feind.

Mein Bild:

Wisst ihr was? Ich habe wirklich über 1 Jahr darauf gewartet, dieses Buch in den Händen zu halten. Selten, wirklich sehr selten, fange ich nach dem Kauf sofort an zu lesen, aber hier, ja hier, musste es sein. Das Witzige ist, ich wusste gar nicht mehr, wie der 1. Band ausgegangen ist, außer, dass der Ursprungsplot aufgelöst wurde und plötzlich etwas aus den Fugen geraten ist. Ja, das kann sie, die Mary E. Pearson. Ich vergöttere und hasse sie zugleich für das, was sie mir mit ihren Büchern antut. Ok, so viel dazu.

Ich mag diese hübschen Hardcover. Die Ursprungsreihe und das Sequel ergänzen sich wirklich gut und auch das "Rotkäppchen"- Mädchen hat einen Wiedererkennungswert. Mich stört es inzwischen nicht mehr, dass es nicht dem englischen Original gleicht. Über 570 Seiten erwarteten von mir, verschlungen zu werden. Und das tat ich mit Gänsehaut, Nervenkitzel und ganz vielen emotionalen Bildern im Kopf.

Wie immer integrierte die Autorin auch einen Blick ins Schlüsselloch der Historie dieser altertümlichen Welt mit ihren inzwischen 13 Großreichen. Die Form erinnert an biblische Geschichten oder alte Tagebucheinträge von verschiedenen Ahnen der Charaktere, insbesondere Jase Familie. Zudem galten diese einzelnen Seiten oft als Vorboten für die nächsten Ereignisse im Plot. Ihr seht, die Schlüsselloch-Methode zieht sich noch anderweitig durch das Buch.

Der Prolog hingegen war kein Schlüsselloch, sondern eine Tür, die zu einen dunklen Ort führte. 2 Seiten, die ein schlimmes Ereignis, das später eintrifft schon erahnen lassen. An sich bin ich kein Fan solcher Prologe, weil so etwas bereits einen Teil der Handlung spoilert. Doch er ließ mir die Nackenhaare zu Berge stehen und die Sorge um die Protagonistin erwachte somit gleich zu Beginn.

Kazis Ich-Perspektive kann manchmal sehr schonungslos sein, da sie ein Charakter ist, der seinen Tod nicht fürchtet, sondern eher davor Gefühle zuzulassen. Miss Pearson spielte damit, denn nach dem Prolog gibt es einen Zeitversatz, getreu dem Motto "was vorher geschah" und ich lernte eine neue Seite der militärische perfekt ausgebildeten Elitekämpferin kennen. Frei, geliebt, hoffnungsvoll und vor allem bekommt sie die Möglichkeit zu einer Familie dazuzugehören. Ein Wunsch, der insgeheim lange in ihr brannte. Ich freute mich für sie und Jase.

Ja, Leute, es wird romantisch. Ich mochte diesen vermeintlich positiven Ausgang, schließlich war er hart verdient!
Zumindest 20-30 Seiten lang dürfte ich Teil einer smarten Verliebtheit sein, die mir Jase und Kazi abwechselnd näher brachten. Es war nicht zu schnulzig und half meinen Erinnerungen zum vorherigen Band zumindest teilweise auf die Sprünge. Alles konnte ich jedoch nicht mehr reproduzieren.
Doch jeder schöne Moment ist vorbei. Die Handlungsstränge trennten sich, nicht unerwartet, aber die Richtung traf mich. Ich verfolgte nun getrennt die beide Protagonisten und es flashte mich total, dass nur ich allein wusste, wie es um den jeweiligen anderen stand. Die Verzweiflung und Angst der Beiden war zum Greifen nah.

Dem Plot selbst würde ich zumindest bis zum Showdown nicht als absolut actionreich betrachten. Hier wurde sehr viel Wert auf Atmosphäre und Charakterausbau gelegt. Beispielsweise eine Flucht, die tagelang dauert und viele Entbehrungen mit sich bringt, wurde auch ausführlich beschrieben. Ich bekam einen Klos im Hals bei der Vorstellung, allerdings war es einen Ticken zu lang.

Genauso liebte ich den neuen Antagonisten. Wow! Was für ein Mensch! Er sieht sich selbst als Architekt und Drahtzieher, jedoch nennt Kazi ihn ein Monster. Doch irgendwann wiederholte sich das. Natürlich hatte es seinen Sinn, denn aufkommende alte Fragen und Nebenhandlungen wurden tatsächlich aufgelöst. Selbst Dinge mit denen ich persönlich abgeschlossen hatte, aber im Nachgang froh bin, dass Mary E. Pearson sie nicht vergaß.

Die Geschichte bietet wahnsinnig viel Tiefe und Bedeutung in Richtung Familie, Liebe, Loyalität, Freundschaft und Erinnerungen, die man bewahren sollte. Mich berührte der Zusammenhalt und das Vermögen nicht aufzugeben, sondern dem "Bösen" wortwörtlich in die Augen zu sehen. Einfach phänomenal.

Ich bin ehrlich, mit so mancher Offenbarung hinsichtlich dem ein oder anderen Nebencharakter habe ich nicht gerechnet und schäme mich teilweise, diese Person in eine andere Schublade gesteckt zu haben. Der alles entscheidende Höhepunkt ließ mich hoffen und bangen, das Ende hingegen war ein sanfter Abschied.

Fazit:

Ein Abschluss, der mich an die vorherige Reihe erinnerte: Besondere Gaben, ein charakterstarker Bösewicht, die Überlegung, wie diese Welt historisch gewachsen ist und vieles mehr. Willkommen zurück in der Welt von Mary E. Pearsons Chroniken. Jugend-Fantasy mit Anspruch, Spannung, aber auch ein paar Längen.

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Veröffentlicht am 23.03.2020

Eine Szene im Kopf, aber die Musik dazu fehlt

Four Keys – Die Stadt im Schatten
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Allgemein:

Die amerikanische Autorin Christine Lynn Hermann arbeitete, bis zum Entschluss nur noch schreiben zu wollen, in einer Literaturagentur. "Four Keys - Die Stadt im Schatten" ist ihr Debüt und ...

Allgemein:

Die amerikanische Autorin Christine Lynn Hermann arbeitete, bis zum Entschluss nur noch schreiben zu wollen, in einer Literaturagentur. "Four Keys - Die Stadt im Schatten" ist ihr Debüt und erschien als Auftakt der Mystic-Fantasy-Reihe 2019 in Deutschland bei dtv. Innerhalb der Storyline betritt der Leser die kleine, aber auch rätselhafte Stadt Four Keys, die seit ewiger Zeit von den vier Gründerfamilien geprägt ist. Doch es geschehen in kürzester Zeit mehrere Morde, die das Vertrauen in die Stadtgründer erschüttern. Nur die 4 Jugendlichen Justin, Violet, Isaac und Harper können dem förmlichen Grau entgegentreten.

Mein Bild:

Das Buch wurde uns im letzten Jahr mit einem Vergleich zu "Stranger Things" vorgestellt. Ich bin wohl eine der Wenigen, die von der Serie nicht gehyped ist, von daher half diese Argumentation nicht. Ich bin auch kein großer Mystery-Leser, aber ich wollte gern wissen, was diese amerikanische Kleinstadt denn heimsucht. Also griff ich mir die rund 370 Seiten und hoffte, dass das thrillermäßige, nicht ganz überzeugend wirkende Paperback zwischen den Buchdeckeln mehr zu bieten hat.

Die Inhalte der Story sind in drei große Teile mit eigenem Titel gesplittet. Ich bin ehrlich: Keine Ahnung, warum man das gemacht hat, weil es für mich beim Lesen absolut keine Relevanz hatte. Zudem gibt es noch Kapitel, das reicht vollkommen aus.

Der Einstieg in die Story ließ mich zunächst rätseln, was ich damit anfangen soll. In personalem Erzählstil wurde ich in eine esoterisch angehauchte Situation geworfen, in der ich mit den Reaktionen der Beteiligten nichts anfangen konnte. Es glich einem Einstieg in einem Film oder einem Teaser. Und zack bist du danach in einer völlig anderen Szene, der Film geht richtig los und du hoffst einfach, dass sich der Teaser irgendwann von allein erklärt. Ich mochte das nicht. Es gibt Prologe, in denen man einfach schon mehr versteht, hier wurde ich allein zurück gelassen.

Der generelle Schreibstil ist verständlich, trotz diverser Schachtelsätze und Mittelchen wie Tagebucheinträgen, unvorhergesehenen Zeitversatz, parallelen Handlungssträngen, sowie wechselnden Perspektiven. An Abwechslung und Ideenreichtum mangelt es nicht. Doch, wenn ich bedenke, dass es nur knapp 400 Seiten sind, wirken einige Gesichtspunkte too much bzw. gekünstelt und nicht glaubwürdig. Wie war das? Manchmal ist weniger mehr.

Mir gefiel die Idee der Kleinstadt, die Rätsel aufgibt, bei denen Magie und gruselige Erscheinungen eine Rolle spielen. Ich hatte Bilder im Kopf, jedoch fehlten die Feinheiten. Ich bekam das Szenenbild, aber nicht die Filmmusik. Es gibt Autoren bzw. Autorinnen, die schaffen mit ihren Beschreibungen Welten genau so, dass sie sich kein Leser bzw. keine Leserin anders vorstellen kann, hier bin ich mir da nicht so sicher.

Die Protagonisten kann ich klar in folgende Typen einteilen: Der Bad Boy, der bemitleidenswerte Prinz, die Überlebende und die Neue. Stereotypen, die trotz vieler Begabungen, kritischer Familiengeschichten und intensiver Auseinandersetzungen miteinander zwar ganz gut ausgebaut waren, aber mir fiel es trotzdem schwer eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Wie soll ich es sagen? Als hätte man ein konkretes Bild, das trotzdem immer wieder verschwimmt. Beispielsweise hatten alle mit ihrer eigenen Familie oder Vergangenheit zu tun, müssen sich noch um das gegenwärtige Problem kümmern und dann wird auf einmal auf ihre Sexualität angespielt oder häusliche Gewalt. Die Protas brauchten das nicht, wirklich nicht. Es hat die Handlung nicht weiter gebracht, es gab dadurch nur mehr gezwungene Nebenstränge, um die Anspielungen zu untermauern.

Die wichtige Handlung, sprich, dass Grauen um die Stadt über die 4 Jugendlichen zu enträtseln, war gut durchdacht. Jedes einzelne Puzzleteil bekam sein Plätzchen. Mir erschien es logisch, aber nicht hochspannend und mystisch. Wie gesagt, ein paar Musiknoten fehlten einfach. An mancher Stelle musste ich allerdings auflachen, als es um Rebellion oder Rituale ging. Meine Gedanken zogen Kreise zum Ku-Klux-Clan oder dem verhexten Salem. Ein wirklich irrer Mix, der nur durch die Linienführung der Gründerfamilien realistisch blieb. Denn die mochte ich sehr. Jede Familie bekam ihren Ursprung, ihr zuhause, ihre Begabung, ihren "Fluch". Wie die Hogwartshäuser, nur viel düsterer. Jedenfalls favorisiere ich klar die Familie Carlisle. Warum, spoilere ich an dieser Stelle lieber nicht.

Der Show Down verlief nicht nach meinem Geschmack. Ich habe mich gefühlt wie bei einem gruseligen, sehr skurrilen Friedhofsritual. Es näherte sich glatt einer Komödie. Ich konnte es nicht ernst nehmen. Erneut wäre hier weniger mehr gewesen. Ein heroisches Ende hätte dem Plot genüge getan. Schade.

Fazit:

Eine richtige gute, düstere Idee für einen Jugendroman auf Fantasybasis. Mystische Begabungen, uralte Familien und ein Monster hätten vollkommen gereicht, allerdings wurden zu viele Nebensächlichkeiten eingewoben. Vielleicht um den nächsten Band damit einzuleiten? Wer weiß.

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Veröffentlicht am 22.02.2020

Provokant, brutal, aufklärend und nachhallend

Sturm
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Allgemein:

Christoph Scheuring ist ein bekannter deutscher Journalist und Autor, der bereits für den Jugendliteraturpreis nominiert war. Anfang 2020 veröffentlichte er erneut einen Roman beim Magellanverlag ...

Allgemein:

Christoph Scheuring ist ein bekannter deutscher Journalist und Autor, der bereits für den Jugendliteraturpreis nominiert war. Anfang 2020 veröffentlichte er erneut einen Roman beim Magellanverlag und beschäftigt sich damit vor allem mit der kontroversen Diskussion um Nachhaltigkeit, Naturschutz und wie der Mensch damit umgeht. Innerhalb der Geschichte lernen wir die 18-jährige Nora kennen, deren Verhältnis zu Tieren, aus gutem Grund, besser ist als zu Menschen. Nach einer radikalen Protestaktion wird sie zu Sozialstunden verdonnert, die sie über eine Organisation nach Kanada führt. Als Observerin soll sie die Fischerfamilie Meinart bei ihrer Arbeit beobachten. Doch dann kommt mitten auf See ein Sturm auf, der Nora und den jungen Fischer Johan um ihr Überleben kämpfen lässt.

Mein Bild:

Meine Erfahrungen mit dem Magellanverlag sind bisher so, dass jedes Jugendbuch Themen anspricht, die einen heranwachsenden Menschen beschäftigen können: Trauer, Familie, Freundschaft, Liebe, Diversität, Krankheit und noch vieles mehr. Oft in einer Art und Weise, die mich packt. So war es auch hier, wenn auch die Protagonistin schon ein Kaliber für sich ist, dazu aber gleich mehr.
300 Seiten Hardcover lagen vor mir. Haptisch ist das Buch sehr angenehm aufgemacht. Es hat ein bisschen was von geprägten, weichen Karton und fällt aufgrund des groß aufgedruckten Titels doch sehr auf. Von Christoph Scheuring hatte ich bisher noch nichts gelesen, bekam bei diesem Buch jedoch ganz schnell das Gefühl, dass er gewisse Ereignisse im Buch entweder selbst erlebt haben könnte oder wahnsinnig detailliert recherchiert hat.
Hier kommen wir zu dem Punkt, bei dem ich klar sagen muss, dass das Buch eine Triggerwarnung braucht! Häusliche Gewalt, Alkoholismus, sexuelle Übergriffe und Tierquälerei spielen in dieser Geschichte eine Rolle und das sehr bildlich. Ich bin für Ehrlichkeit und mag es auch nicht, wenn Sachverhalte beschönigt werden, aber mir drehte sich teilweise der Magen um, mich überkam der Wunsch Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen oder meine Lebensweise komplett umzustellen. Das war sowohl gut als auch schlecht - ein ziemlicher Zwiespalt für mich.
Der Schreibstil des Autors war etwas gewöhnungsbedürftig bzw. die sprachliche Ich-Perspektive der Protagonistin Nora. Ich hatte beim Satzbau eingangs immer das Gefühl, dass ein Satz an sich schon beendet war, aber dann noch ein paar Worte ergänzt wurden. Wie soll ich es beschreiben? Es war so, als wäre Nora noch etwas eingefallen, bevor sie den Satz gedanklich zuende gebracht hat. Sie selbst ist kein einfacher Charakter. Geprägt von ihren schlechten Erfahrungen mit Männern, hasst Nora diese wie die Pest. Genauso erfuhr sie innerhalb ihrer zerrütteten Familie nie die Liebe, die sie gebraucht hätte. Ich war schockiert über diese Situation, die meines Erachtens leider einem Bild entspricht, das vorkommt. Umso mehr bin ich beeindruckt, dass sie nicht daran zerbricht und sogar einen großen Aktivismus an den Tag legt, den ich ihr nicht zugetraut hätte. Sie ist clever, setzt Ideen aber leider oft mit falschen Mitteln im Alleingang um. Ihre Facetten reichen wirklich von mutig bis absolut verständlich über unangebracht zu gewalttätig. Ich habe bis jetzt das Gefühl, dass ich sie nie wirklich einschätzen könnte, weil sie zu viel erlebt hat und demnach viel verarbeiten muss. Das ist auch nicht schlimm, denn sie blieb trotzdem authentisch.
Und dann trifft sie auf den 23-jährigen Johan. Wow, was für ein Typ. Harte Schale, weicher Kern, ziemlich unaufgeregt. Egal in welcher Situation, er behält immer den Überblick und die Kontrolle, steht für das ein, wofür er mit Leidenschaft brennt. Das ist natürlich der Punkt, den Nora ziemlich anziehend findet, wenn auch widerstrebend. Ja, Ich mochte Johan. Seine Sicht, wie der Mensch mit der Natur leben sollte, leuchtet ein. Scheuring spricht damit auch an, dass der Mensch den Kreislauf der Natur akzeptieren muss, auch den Tod. Die Art und Weise ist natürlich ein Aspekt, die der Autor an verschiedenen Beispielen aufführt und infrage stellt. Es beginnt bei falsch ausgelegter behördlicher Aufsicht und endet bei zerstörerischen Methoden dem Menschen massenhaft Ware zu liefern. Mir ist dadurch bewusst geworden, wie wenig ich eigentlich weiß und dass genügend Punkte in der ganzen Umwelt- und Klima-Thematik untergehen. Die Aufklärung, das Anregen darüber nachzudenken haben mir gut gefallen. Ich finde, das Buch kann man fabelhaft im Schuluntericht unterbringen - das ist spannend, nervenaufreibend und gesprächsanregend.
Ebenso wie der der Überlebenskampf im Sturm. Ich habe absolut mitgefiebert, obwohl ich den Seemannsjargon nicht immer verstand. Ans sich ist es ein schlechter Witz, dass eine Naturgewalt zwei Menschen so zu schaffen macht, die sie doch beschützen wollen. Andererseits, wie sagt man so schön: Die Natur holt sich immer alles zurück. Kurz vor Schluss dachte ich ehrlich gesagt dann doch, dass die Beiden es nicht schaffen werden und das Buch somit ein Ende bekommt, das ich so nicht vorhergesehen habe. Chapeau dafür!
Ich denke, die Schwerpunkte Naturschutz und Überlebenskampf allein hätten gereicht, um das Buch auszufüllen. Dazu hätte ich Noras zerrüttetes Leben nicht gebraucht oder die Anspielung auf ihre frisch entdeckte Bisexualität, die zu Beginn und am Schluss thematisiert wurde. Wozu, verdammte Axt? Ebenso frage ich mich bis jetzt, wie man so schnell als Observerin nach Kanada einreisen kann, obwohl man gerade vom Gericht verurteilt wurde. Dieser Umstand kam mir unrealistisch vor. Ich habe nicht recherchiert, ob das wirklich so einfach ist. Jedoch glaube ich nicht, dass Christoph Scheuring sich dabei einen Spaß erlaubt hat, oder etwas doch?

Fazit:
Aufklärend, facettenreich und definitiv etwas für Leser, die mehr als eine Seite zum Umwelt-, Klima- und Naturschutz beleuchten wollen. Zudem ein atemberaubendes Seenot-Abenteuer, das uns lehrt, dass der Mensch nur ein winziger Teil auf diesem Planeten ist. Teilweise verstörend ist allerdings die Hintergrundgeschichte der Protagonistin, daher setze ich definitiv eine Triggerwarnung!

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