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Veröffentlicht am 22.03.2017

Eine zarte Liebesgeschichte

Unsere Seelen bei Nacht
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Unter dem poetischen Titel „Unsere Seelen bei Nacht“ ist Kent Haruf ein gefühlvoller Roman über das Glück einer späten Liebe gelungen. Es ist schade, dass es der letzte Roman des Autors war und seine anderen ...

Unter dem poetischen Titel „Unsere Seelen bei Nacht“ ist Kent Haruf ein gefühlvoller Roman über das Glück einer späten Liebe gelungen. Es ist schade, dass es der letzte Roman des Autors war und seine anderen Bücher noch nicht in die deutsche Sprache übersetzt wurden. Denn diese schöne kleine Geschichte von Addie und Louis ist ein literarisches Juwel.
Der Einstieg in den Roman beginnt mit dem Satz „Und dann kann der Tag, an dem Addie Moore bei Louis Waters klingelte.“ und der Leser platzt sofort in das Leben der beiden alten Leute hinein. Addie und Louis leben in der fiktiven Stadt Holt inmitten der Prärie Colorados, so wie anscheinend alle seine Romane.
Die beiden verwitweten Nachbarn Addie und Louis – beide etwa 70 Jahre alt - haben nur ganz wenig Berührungspunkte, bis Addie Louis einen ungewöhnlichen Vorschlag macht. Da sie beide alleine leben und einsam sind, könnten sie die Nächte gemeinsam verbringen. Es ginge ihr dabei nicht um Sex, sondern darum, die Nacht mit Reden und Nähe zu überstehen. Louis ist überrascht und lässt sich auf den Vorschlag ein. Er bewundert Addie für ihren Mut und ihr Selbstbewusstsein. So geht Louis bald jede Nacht zu Addie – dabei nutzt er nach kurzem Zögern die Vordertüre. Addie mag keine Heimlichkeiten und es ist ihr egal, was ihre Mitmenschen denken. Nachts erzählen sich die beiden aus ihrem Leben, ihren Schicksalsschlägen und aus gegenseitiger Sympathie entwickeln sich zarte Gefühle. Die beiden möchten auf ihre Gespräche und gemeinsamen Nächte nicht mehr verzichten und versuchen das Gerede der anderen zu überhören. Als Addies Sohn Gene von seiner Frau und Mutter seines Sohnes Jamie verlassen wird, gib er diesen eines Tages bei Addie ab. Fürsorglich und wie selbstverständlich kümmert sich von nun an auch Louis um den 8jährigen Jamie, der nachts von Albträumen geplagt wird. Die drei wachsen zu einer kleinen Familie zusammen und bald hilft Jamie Louis bei der Gartenarbeit. Sogar einen Hund aus dem Tierheim bekommt Jamie, damit er sich nicht so einsam und verlassen fühlt. Jamie wird immer zugänglicher und fröhlicher. Doch dann kehrt Jamies Mutter zu Gene zurück und sie wollen Jamie zurückholen und wieder als Familie leben. Das stürzt nicht nur Jamie in ein Gefühlschaos, sondern bringt den beiden Senioren zudem Ärger. Gene verbietet seiner Mutter den Umgang mit Louis, da er Jamies Tränen nach seiner Rückkehr zu seinen Eltern, den beiden alten Leuten zuschiebt. So kleinkariert in seinem Denken und voller Vorurteile gegen Addie und Louis Verbindung macht er damit drei Menschen unglücklich. Dabei bekommt er seine eigene Ehe nicht auf die Reihe und hat für die Bedürfnisse seines Sohnes nicht viel übrig.
Kent Haruf erzählt die Geschichte sehr gefühlvoll ohne sentimental zu werden, entspannt und unaufgeregt. Ganz einfache Erlebnisse seiner beiden Protagonisten fasst er in eine liebevolle und schöne Sprache und lädt den Leser in deren Leben ein. Mühelos schafft der Autor eine schöne Atmosphäre, ohne sich mit vielen Nebensächlichkeiten aufzuhalten. Die wörtliche Rede, ohne besondere Kennzeichnung, übernimmt hier eine ganz besondere Rolle, so als würden Addie und Louis den Leser direkt ansprechen.
Es geht um das späte Glück zweier einsamer Menschen, die sich Wärme und Nähe geben und anfangen, das Leben wieder zu genießen. Leider wird diese Beziehung nicht nur von ihrer Umwelt, sondern auch von Addies Sohn mit Misstrauen und Neid beobachtet. So verschont Kent Haruf den Leser nicht mit Enttäuschung, Ablehnung und auch Traurigkeit. Ein spätes Liebesglück aus einer innigen Freundschaft gewachsen zeigt, dass das Leben immer wieder Überraschungen und die Hoffnung auf einen Neubeginn bereithält.

Veröffentlicht am 22.03.2017

Von wegen Ruhe in der Heimat

Retour
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Kommissar Luc Verlain ist wirklich zum Verlieben. Gleich 2 Frauen verdreht er den Kopf, kaum dass er ins Aquitaine zurückgekehrt ist. Luc ist ein erfolgreicher Kommissar in Frankreichs Hauptstadt und ein ...

Kommissar Luc Verlain ist wirklich zum Verlieben. Gleich 2 Frauen verdreht er den Kopf, kaum dass er ins Aquitaine zurückgekehrt ist. Luc ist ein erfolgreicher Kommissar in Frankreichs Hauptstadt und ein Lebemann ohne Bindung. Als sein Vater ernsthaft erkrankt, lässt er sich in seine Heimat im Aquitaine ins Kommissariat nach Bordeaux versetzten. Er möchte sich mehr um seinen Vater, einen ehemaligen Austernfischer, kümmern und zieht in dessen kleine Hütte bei Brach am Meer. Luc graust es schon vor dem langweiligen Landleben und stellt sich auf eine ruhige Zeit ein. Doch daraus wird nichts: ein totes Mädchen wird am Strand gefunden und er muss sofort die Ermittlungen aufnehmen. Unterstützt wird er dabei von seiner attraktiven und intelligenten Kollegin Anouk. Allerdings ist sein baskischer Kollege Exteberria von ganz anderem Kaliber. Er ist von sich selbst eingenommen, hat jede Menge Vorurteile und kann Luc nicht ausstehen. Für Exteberria steht der Mörder der jungen Caro sofort fest und das tut er bei einer Pressekonferenz auch kund. Damit bringt er den jungen Algerier Hakim in große Gefahr, denn der ganze Ort wird von Caros Stiefvater aufgewiegelt. Luc und Anouk versuchen, Hakim zu schützen und den wahren Mörder zu finden. Bald steht fest, dass es durchaus ein paar Personen gibt, die den Tod von Caro begangen haben könnten. Am Schluss wird es unglaublich spannend und der Kreis schließt sich. Luc führt auch im Aquitaine sein freies Leben fort. Zwischen Anouk und ihm knistert es innerhalb kürzester Zeit gewaltig und die Surferin Cecilia schleppt ihn ab. Dabei wartet in Paris seine aktuelle Freundin Delphine auf ihn.
Luc Verlain ist ein ruhiger und überlegter Kommissar, der nur laut und direkt wird, wenn man ihn reizt. Sein Privatleben ist allerdings das genaue Gegenteil. Er bindet sich nicht gerne und findet es nicht ungewöhnlich, mehrere Eisen im Feuer zu haben. Warum er der jungen Surferin blind ins Meer folgt, obwohl er seit Jahren nicht mehr auf dem Brett stand, ist mir unbegreiflich. Seine Nähe zu Anouk entwickelt sich sehr schnell, er lässt sich mit der Suferin Cecilia ein und Delphine ist ahnungslos. Nun, es ist sein erster Fall und somit kann sich im Laufe der nächsten Ermittlung sein Leben noch ändern. Das Geheimnis um Hélène, seine Jugendliebe, ist noch nicht ganz gelüftet und bietet somit Potential für die Entwicklung von Luc Verlain.
Der Baske Exteberria hat mich anfangs ganz schön Nerven gekostet mit seiner voreinge-nommenen Art und Blindheit. Er bietet jedoch einen guten Gegenpol zur hübschen und lieben Anouk, die sich schnell auf Luc konzentriert. Die Wandlung von Exteberria vom Saulus zum Paulus finde ich nicht besonders glaubwürdig. Das ging mir zu schnell. Allgemein fehlt mir bei den Charakteren noch etwas Tiefgang. Der Schreibstil ist locker und die Handlung nimmt Bezug auf die Front Nationale und den weit verbreiteten Rassismus. Damit ist der Krimi auch dicht am aktuellen Weltgeschehen. Der Charakter von Caros Stiefvater ist recht einfach gestrickt und hält nicht viele Überraschungen bereit. Auch die Aufklärung des Falles und das Motiv zum Mord sind recht banal. Da hätte ich mir dann doch mehr Fantasie gewünscht. Spannend war der Krimi auf jeden Fall und gedanklich konnte ich ins Aquitaine reisen. Die Gestaltung des Buches und die persönliche Karte des Autors finde ich sehr schön und hat mich auch gleich angesprochen. Doch ganz überzeugt hat mich der Krimi nicht. Vielleicht gefällt mir der zweite Fall besser.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Ein ungewöhnlicher Detektiv in einer fantastischen Welt

Rosen für Erkül Bwaroo
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Das farbenfrohe und fröhliche Cover mit dem kleinen, eleganten Elfendetektiv und seinem Rosenstrauß fällt einem sofort ins Auge. Als Kenner des „Originals Hercule Poirot“ springt einen der Name Erkül Bwaroo ...

Das farbenfrohe und fröhliche Cover mit dem kleinen, eleganten Elfendetektiv und seinem Rosenstrauß fällt einem sofort ins Auge. Als Kenner des „Originals Hercule Poirot“ springt einen der Name Erkül Bwaroo sofort ins Auge und macht neugierig. Das hat neben der interessanten Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Buches mein Interesse geweckt und ich wurde nicht enttäuscht.
Erkül Bwaroo ist ein cooler, galanter, intelligenter und stets gut gekleideter Elfendetektiv, der in einer fantastischen Welt, die von Menschen, Elfen, Greife, Nixen, Nöcks, Zwergen, Zauberern und Vampiren bevölkert wird. Aber auch diese Welt ist nicht vor Neid, Missgunst und sogar Mord gefeit. So kommt es, dass Titania, die Herrscherin über das Elfenreich, den Elfendetektiv zur Aufklärung eines Mordes in die Menschenwelt schickt. An seiner Seite findet sich stets sein resoluter, korrekter und schweigsamer Diener Orges. Sein „menschlicher“, aber nicht sonderlich engagierter Kollege Treibel ist bereits vor Ort, als Erkül an einem Filmset eintrifft. Für den Elfendetektiv erschließt sich eine völlig neue Welt der Schauspielkunst, denn der Krimi spielt zur Zeit der Entstehung des „Lichtspieles“. Kommissar Treibel tut den Tod der jungen, wenig begabten Schauspielerin Klarissa als Selbstmord ab und überlässt Erkül recht schnell das Feld. Zumal sich sogleich herausstellt, dass Klarissa eine Elfe ist und sich die Ohren operieren ließ, um als überaus schöner Mensch zu glänzen. Im Laufe der Ermittlungen wird klar, dass Klarissa eine überaus neugierige Person und auf ihren Vorteil bedacht war. Allerdings ist die Suche nach dem Mörder/der Mörderin nicht einfach und Erkül hat jede Menge zu tun.
Dieses Buch steckt voller schöner und auch witziger Ideen! Die Geschichte ist kurzweilig und es macht Spaß, Erkül in seine Welt zu folgen, in der es die gleichen Probleme wie in der Parallelwelt (unserer Welt) gibt. Anfangs fiel es mir etwas schwer, zwischen den verschiedenen Wesen zu unterscheiden, doch bald schon war ich so in dieser Fantasiewelt gefangen, so dass ich nicht nur Erkül mit seinem Faible für die französische Sprache, seine altmodische Ausdrucksweise, sondern auch seine Eigenheiten lieben lernte. Der Humor spielt in diesem außergewöhnlichen Kriminalroman eine große Rolle. Ich habe mich köstlich amüsiert, als Erkül auf einem Esel reiten musste und wie er vehement den Flug mit einem Greif abgelehnt hat. Der Name der Reporterin „Kussmaul“ oder „Heissenbier“ für den Wachtmeister finde ich ebenfalls sehr amüsant. Erkül und sein menschlicher Diener Orges geben ein originelles Gespann ab. Die Spannung kommt bei diesem ganz besonderen Krimi trotzdem nicht zu kurz. Und wie sein Vorbild Hercule klärt der Elfendetektiv am Ende der Geschichte den Fall souverän auf. Auch der Bezug zur heutigen Zeit, in der es viel Diskriminierung und Vorurteile gibt, wird durch die Gleichbehandlung aller Wesen auf dem Internat Freynberg ganz deutlich. Dort werden durchaus Schüler abgewiesen, deren Eltern sich für etwas Besseres halten.
Der Elfendetektiv Erkül Bwaroo hat in mir einen neuen Fan gewonnen. Es wird Zeit, dass ich ihn näher kennenlerne und das geht nur über die vorhergehenden Bücher.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Mord unter hochkarätigen Patienten auf Entzug

Mord auf Entzug
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Der Leiter der Entzugsklinik Katharsis wurde ermordet. Diese Meldung schlägt ein wie eine Bombe, denn in der Klinik werden Promis inkognito behandelt. Deshalb ist bei den Ermittlungen entsprechendes Fingerspitzengefühl ...

Der Leiter der Entzugsklinik Katharsis wurde ermordet. Diese Meldung schlägt ein wie eine Bombe, denn in der Klinik werden Promis inkognito behandelt. Deshalb ist bei den Ermittlungen entsprechendes Fingerspitzengefühl gefordert. Die bisweilen bissige und eigenwillige Kommissarin Irene Rosen übernimmt den Fall samt neuem „Partner“ Polizeianwärter Andrea Popolo. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein, denn Popolo ist ein ernster Mann und versteht die schrägen und bissigen Witze seiner Chefin Rosen meist nicht. Doch im Laufe der Ermittlungen beginnen sich Rosen und Popolo zu ergänzen. Allerdings unterlaufen Rosen ein paar recht dumme Fehler, bis sie zu ihrer eigentlichen Höchstform aufläuft. Die exzentrischen Promis, die unter Pseudonymen wie Rotkäppchen etc. im Katharsis logieren, scheinen über den Tod des Klinikleiters nicht besonders erschüttert zu sein und machen sich Sorgen, um ihre Anonymität während der Ermittlungen. Allen voran Lola Ries, einst gefeierte Schauspielerin und nun alternde Diva, erschweren durch Verweigerung ihrer Mitarbeit die Aufklärung des Mordes. Kommissarin Rosen kommt einfach nicht an sie heran. Da hat sie eine zündende Idee: Andrea Popolo soll als verwöhnter Mafioso-Sohn im Katharsis einchecken und sich mit den anderen Patienten „anfreunden“, um somit undercover zu ermitteln. Letztlich tritt er als reicher, italienischer Industriellensohn auf und hat anfangs Mühe, sich in seine Rolle einzufinden. Doch dank seiner großartigen Recherche über sämtliche Patienten der Klinik im Vorfeld und seiner Verehrung von Lola Ries und Tommy Martin, dem abgestürzten Popsänger, gewinnt er schnell das Vertrauen der empfindlichen Prominenten.
Mir gefiel dieser witzige, bissige, spitzzüngige Krimi ganz gut und habe ihn fast in einem Rutsch gelesen. Die überspitzte Darstellung der Promis im Katharsis weißt Parallelen zu lebenden bzw. ehemaligen Promis unserer Zeit auf. Lola Ries erinnert mich stark an Liz Taylor, die für mich immer etwas divenhaftes hatte und sehr um die Aufmerksamkeit ihres Publikums bedacht war. Die Macke der hochkarätigen Patienten, sich mit einem Pseudonym wie „Schneewittchen“ ansprechen zu lassen und auch darauf zu bestehen, ist lächerlich und gibt dem Krimi noch eine ganz besondere Würze. Einzig der Thriller-Autor bleibt recht blass und mir war relativ schnell klar, dass er nicht wirklich ein Suchtproblem hat. Die beiden gegensätzlichen Charaktere Irene Rosen und Andrea Popolo – der Witz mit dem „ch“ am Ende seines Namens hat mich lauf auflachen lassen – machen den Krimi sehr lebendig und unterhaltsam. Dabei kommt die Spannung aber nicht zu kurz, denn es hat schließlich einen Toten gegeben. Die Aufklärung des Mordes übernimmt letztlich Irene Rosen im Alleingang, denn Andrea Popolo ist zu sehr mit seinen Idolen beschäftigt. Man muss ihm zu Gute halten, dass er deren Vertrauen gewonnen hat und somit die Ermittlungen indirekt vorangebracht hat. Er hat Potential, das er sicherlich entwickelt, wenn der Autor ihn lässt. Bis zuletzt tauchten immer wieder verschiedenste Motive auf und ich war hin- und hergerissen, wer denn nun den Mord begangen haben könnte. Ich lag jedes Mal falsch. Der Schreibstil ist locker und leicht zu verstehen. Die Scherze haben Biss und machen gute Laune. Lacher garantiert! Dieser Krimi ist genau richtig für einen gemütlichen, spannenden Leseabend. Ich bin gespannt, ob es einen weiteren Fall für Rosen und Popolo geben wird.

Veröffentlicht am 21.03.2017

Lügen und ihre Folgen

Das Jahr, in dem ich lügen lernte
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Im Jahr 1943 lebt die 11jährige Annabelle auf der elterlichen Farm im Norden Amerikas. Die Farm wird von 3 Generationen in dieser schweren Zeit bewohnt und bewirtschaftet. Annabelle ist ein aufgewecktes ...

Im Jahr 1943 lebt die 11jährige Annabelle auf der elterlichen Farm im Norden Amerikas. Die Farm wird von 3 Generationen in dieser schweren Zeit bewohnt und bewirtschaftet. Annabelle ist ein aufgewecktes Mädchen mit zwei jüngeren Brüdern und geht in die Schule. Durch den Krieg sind alle Menschen eingeschränkt und so verwundert es nicht, dass alle Altersstufen in einer einzigen Klasse von einer Lehrerin unterrichtet werden und sich mindestens zwei Schüler ein Pult teilen müssen. Eine extreme Wende nimmt Annabelles Leben, als die neue, schwererziehbare Mitschülerin Betty in die Schule kommt. Betty ist sich für keine Gemeinheit zu schade und bedroht Annabelle, dass sie ihr „irgendetwas“ mitbringen soll. Andernfalls würde sie Annabelle oder deren Brüder schlagen. Als sich Annabelle widersetzt macht Betty auf unglaubliche, erschreckende Weise ihre Drohung war. Einzig der Fremde Toby, ein sehr schweigsamer und zurückgezogen lebender Kriegsveteran steht Annabelle einmal bei, als Betty ihr droht. Toby wird von den Bewohnern als Außenseiter behandelt und als es schließlich zu einem Steinwurf auf den deutschen Mr Anselm kommt, beschuldigt Betty ihn der Tat. So entwickeln die Geschichte und das Schweigen von Annabelle, die sich ihren Eltern erst spät anvertraut, eine erschreckende Dynamik. Die Ereignisse überschlagen sich zum Ende hin und dann ist nichts mehr so wie es war.
Eine unglaublich schöne, aber auch traurige Geschichte über ein ungewöhnliches und kluges 11jähriges Mädchen: Annabelle schafft es, die Erwachsenen für sich und ihre Ideen zu gewinnen. Sie ist bereit, für ihre Überzeugungen zu kämpfen und lügt dafür ihre geliebte Familie an. Sie stellt sich gegen die böse Betty, von der sie das lügen lernt. Anders als Betty lügt sie, um andere zu beschützen. Annabelle widersetzt sich den damaligen, üblichen Vorurteilen gegenüber Fremden oder Menschen, die anders sind, weil sie Schreckliches im Krieg erlebt haben. Das Buch ist sehr spannend und selbst als Erwachsene konnte ich mich dem Bann der Geschichte nicht entziehen und habe mit Annabelle und Toby mitgefühlt. Bis auf Tante Lily ist mir die ganze Familie McBride im Laufe des Lesens ans Herz gewachsen. Das Cover in seinen zarten Blau- und Gelbtönen, dem Schemen eines Mädchens und den Bäumen an der Seite ist schön gestaltet und hat mich sofort angesprochen. Zudem ist der anfängliche Text des Buches über das Cover geschrieben und die Bäume setzen sich am Anfang eines jeden Kapitels fort. Ob Annabells Handlungen und Gedanken immer realistisch sind, mag man bezweifeln. Doch die Geschichte ist ein gelungenes Beispiel dafür, was geschehen kann, wenn ein unschuldig scheinender Mensch seine Umwelt terrorisiert, Lügen verbreitet und Mitmenschen absichtlich verletzt. Es zeigt sich immer wieder, dass jede Lüge ein Ereignis nach sich zieht und die Folgen verheerend sein können. Die Autorin beschreibt Annabelles Not, aber auch ihre Stärke bildlich und so habe ich als Leserin mitgefühlt und mitgelitten.
Mir hat die Geschichte um Annabelle, Toby, Betty und deren einfaches Leben während des zweiten Weltkrieges sehr gut gefallen. Die Autorin erhebt nicht mahnend den Zeigefinder, sondern erzählt – vor allem zum Schluss hin – ganz spannend, wie sich das Leben von Annabelle ändert, als Betty in ihre Klasse kommt. Betty ist so ganz anders als Annabelle und hat ihre Freude daran, andere – in diesem Fall Annabelle – zu terrorisieren. Annabelle dagegen versucht, ihre Familie zu schützen und offenbart sich relativ spät ihrer Mutter. Es ist schön, dass ihre Eltern zu ihr stehen, auch wenn es letztlich nicht viel nützt, denn Bettys Großeltern glauben ihrer Enkelin mehr. Außerdem werden Vorurteile gegenüber Fremden und insbesondere Deutschen thematisiert, was einen sehr realistischen Bezug zum aktuellen Weltgeschehen hat. Ein wirklich schönes und gelungenes Jugendbuch, das liebevoll illustriert wurde und voller Emotionen steckt.