Im Allgemeinen bin ich nicht für Biographien zu haben. Aber bei Peggy Guggenheim und der Buchautorin mache ich gerne eine Ausnahme. Der nüchterne, klare Stil ist passend zum Sachbuch und zum Thema. Sie ...
Im Allgemeinen bin ich nicht für Biographien zu haben. Aber bei Peggy Guggenheim und der Buchautorin mache ich gerne eine Ausnahme. Der nüchterne, klare Stil ist passend zum Sachbuch und zum Thema. Sie scheut sich nicht, den Finger tief in die Wunde zu drücken und den Antisemitismus in den Vereinigten Staaten im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts offen zu legen. Mit anderen Worten, der Antisemitismus ist nicht eine deutsche Erfindung.
Mona Horncastle romantisiert und beschönigt nichts. Peggy Guggenheim polarisiert. Für die einen ist sie die große Mäzenin, die die moderne Kunst im 20. Jahrhundert gefördert hat, hat vielen Künstlern zum Durchbruch verholfen, hat sie gefördert, hat sie aus Deutschland und Frankreich zur Zeit des Nazi-Terrors herausgeholt, hat ihre “entartete” Kunst durch die Wirren des Krieges gerettet und mit Ausstellungen, Retrospektiven, Gründung von Museen und Sammlungen die Kunst gerettet. Für die anderen ist sie nur ein Vamp, eine Frau mit zu vielen Liebschaften, eine schlechte Mutter, schlechte Ehefrau, usw. Das sind aber nur die, die einer Frau ein eigenes Leben aberkennen, sie auf die Rolle des Heimchens am Herd und der Mutter reduzieren wollen. Aber das wollte Peggy Guggenheim nie. Als junge Frau weigert sie sich, einen der “begehrenswerten jungen Männern aus jüdischen Kreisen” (S. 34) zu heiraten.
Nach dem Ersten Weltkrieg reist Peggy nach Europa, verbringt viel Zeit in Paris, lernt die jungen angesagten Künstler kennen und beginnt damit ihre Karriere als Mäzenin. Das Buch verfolgt akribisch ihr Leben, ohne voyeuristisch zu wirken. Zahlreiche Bilder zeigen Peggy auf ihren Stationen im Leben.
Mona Horncastle hat bewusst einige Themen aus Peggy Guggenheims Leben ausgelassen, so z.B. ihr Liebesleben, denn das “gehört in den Boulevard”. (S. 194)
Sie stellt auch die Frage, wenn Peggy Guggenheim ein Mann gewesen wäre, wie er dann beurteilt worden wäre? Niemand hätte ihn nach Ehefrauen, Kindern, Geliebten oder Aussehen gefragt. Man hätte sich nur für seine Sammlungen und Kollektionen, für sein Lebenswerk interessiert. “Das steht auch Peggy Guggenheim zu”. (s. 194)
Noch während der Scholz-Regierung hatte die Bundesregierung beschlossen, die Einfuhr von Jagdtrophäen und Elfenbein zu beschränken, beziehungsweise zu erschweren. Dieses Gesetz ...
Von Menschen und Elefanten
Noch während der Scholz-Regierung hatte die Bundesregierung beschlossen, die Einfuhr von Jagdtrophäen und Elfenbein zu beschränken, beziehungsweise zu erschweren. Dieses Gesetz wurde zwar von den Grünen sehr begrüßt, stieß aber auf wenig Gegenliebe bei den afrikanischen Ländern. Der Präsident Botswanas bot an, 20.000 Elefanten nach Deutschland zu senden. Aus dieser kleinen Randnotiz hat Gaea Schoeters einen herrlichen Roman gemacht!
Allein schon der Gedanke von 20.000 Exemplare einer invasiven Art in Berlin lässt allen Nicht-Berlinern das Herz höher schlagen. Aber im Buch taucht auch der Gedanke der Umverteilung auf, und sofort sind Baden-Württemberg und Bayern auf den Barrikaden und verweigern den Elefanten den Zutritt. Spannend (oder eigentlich nicht) war auch die Haltung der Parteien zu beobachten. Anfangs waren die Grünen voll dafür und verteidigten die Rechte der Elefanten, nahm die Zustimmung ab, in den Maßen in denen die Elefanten immer lästiger wurden. Die AfD blieb ihren Leitsätzen treu. In diversen hetzerischen Artikeln ziehen sie über die afrikanischen Elefanten her, die den Deutschen Lebensraum wegnehmen, die deutschen Äcker, den deutschen Wald, die deutschen Flüsse, die deutschen Vorgärten betreten und vor allem DEUTSCHE Autos zerstören. (Der ahnungslose Deutsche rast halt mit seinem deutschen Wagen auf einer deutschen Autobahn in eine Elefantenkuh die die Fahrbahn überqueren wollte) Aber außer den hetzerischen Artikeln und Reden trägt die AfD mit keinem Jota oder Gedanken zur Problemlösung bei. Es geht um den “totalen” Wahlkampf. Denn natürlich stehen Wahlen bevor. Und pünktlich zur Wahl gelingt das Wunder: die Bundesregierung findet einen Abnehmer in Afrika für alle Elefanten.
Die Probleme, die während des Aufenthaltes der Elefanten in Deutschland entstehen, wie z.B. das Futter für die Elefanten, tausende von Tonnen Dung, die täglich anfallen, durchwühlte Äcker, usw., werden auch angesprochen, mehr oder weniger elegante Lösungen, sogar Export von Dünger, gefunden. Aber der Abtransport nach Afrika löst alle Probleme, die bestehende Regierung gewinnt knapp die Wahlen, zweitstärkste Kraft ist die AfD, Und die kleine Notiz in der Zeitung auf eine der hinteren Seiten geht unter, in der Euphorie der Wahlen.
Satire in Reinstform, ich habe jede Seite einzeln genossen, wohlwissend, dass 20.000 Elefanten wohl nie in Deutschland Fuß fassen werden.
Kleine bewohnte Inseln an der US-Atlantik Küste. Die Menschen die hier leben, sind in zwei Lager geteilt. sie stehen sich auf keinen Fall feindlich gegenüber, aber eine Trennung besteht doch: einerseits ...
Kleine bewohnte Inseln an der US-Atlantik Küste. Die Menschen die hier leben, sind in zwei Lager geteilt. sie stehen sich auf keinen Fall feindlich gegenüber, aber eine Trennung besteht doch: einerseits die ständigen Bewohner der Inseln, andererseits sind da die Sommergäste, die vor Beginn der Herbststürme zurück in ihr Leben auf dem Festland der USA kehren. Aber es gibt auch Menschen, die kommen und dann bleiben. Die hier ihr Zuhause finden, Und da keiner der Bewohner der Inseln vor der Küste von Maine zu der indigenen Gruppe gehört, sind sie alle im Laufe der Zeit mal hinzugekommen. Es ist nur der Unterschied, gekommen um zu bleiben oder als Sommergast. Die drei Frauen, Ann (72), Julie (24) und Mina (28) gehören unterschiedlichen Generationen an, Julie und Mina sind hinzu Gekommene, alle drei werden zu Hummerfischerinnen, essen aber keinen Hummer. Hummer ist ihr Broterwerb.
Ann ist Witwe, sie denkt oft an ihren verstorbenen Mann und an ihr Leben zurück, an die Rückschläge aber auch an die schönen Momente. Julie überlebte einen schweren Unfall, arbeitete viele Jahre als Hummerfischerin auf der Insel, hatte zum Schluss ihr eigenes Boot. Als NAt, ein Hummerfischer, Witwer wird, verliebt sich Julie in ihn, aber beide tun sich schwer mit ihrer Liebe. Nats verstorbene Ehefrau hatte schon in ihren letzten TAgen bestimmt, Nat müsse Julie heiraten, damit er versorgt ist. Aber Julie will mehr vom Leben, von Nat. Sie müssen beide einige Stolpersteine aus dem Weg schaffen, bis sie zueinander finden. Mina, die jüngste, der drei Hummerfischerinnen, war als Kind jeden Sommer auf der Insel, war unzertrennlich mit Sam, dem Sohn eines Hummerfischers. Die Väter waren auch gut befreundet, nur Minas Mutter hat nie in die Gesellschaft der Insel Zugang gefunden. In einem Sommer weigert sich die Mutter, auf die Insel zurückzukehren. Und dabei bleibt es. Mina ist unglücklich, kann nicht verstehen, weshalb. Und so kehrt Mina, als Erwachsene, allein auf die Insel zurück. Dabei wäre sie fast ertrunken. Sie findet Zuflucht bei Ann, so wie Jahre zuvor auch Julie bei Ann einen sicheren Hafen fand. Ihr Wiedersehen mit Sam, dem Jungen aus ihrer Kindheit, mit dem sie so viele glückliche Stunden verbracht hatte, verläuft etwas holprig. Ein Wiederanknüpfen an ihre Kindheit ist nicht möglich, sie müssen von Neuem zusammenfinden. Sam musste, nach dem Tod seines älteren Bruders, seine Träume aufgeben und Hummerfischer werden, obwohl er ganz andere Lebenspläne hatte. Die drei gEschichten von Ann, Julie und Minna haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Sie verbindet die Hummerfischerei, die Liebe zum Meer und zu der Insel, und sie geben sich Halt einander. Das Ganze wird so einfühlsam, ohne Pathos, und unaufgeregt erzählt. Erst ein Satz am Ende eines Gespräches, eine Bemerkung im Weggehen, eine kurze Erklärung, zeigt die unausgesprochenen Probleme auf, den Schmerz, der in den Menschen steckt, aber auch die Liebe und die Freude.
Last but not least, ist Mr. Darcy da. ein großer blauer Hummer, der in Anns Haus in einem Aquarium lebt, wird von den drei Frauen gerne aus dem Aquarium geholt, gestreichelt und an den Fühlern gekrault. Alle Versuche, ihn wieder ins Meer zu lassen sind gescheitert, Mr. Darcy kehrt jedes Mal zurück zu Ann. Ein Hummer als Haustier ist ein stoischer und hartnäckiger Geselle
Schon das Titelbild mit der Gerichtsperücke versetzt uns in die Atmosphäre des Romans. Am Anfang steht eine Schlägerei zwischen Jugendlichen, die für einen der Teilnehmer tödlich endet. die anderen Teilnehmer ...
Schon das Titelbild mit der Gerichtsperücke versetzt uns in die Atmosphäre des Romans. Am Anfang steht eine Schlägerei zwischen Jugendlichen, die für einen der Teilnehmer tödlich endet. die anderen Teilnehmer an der Prügelei laufen weg, zurück bleibt Emmet, der versucht dem Opfer noch zu helfen. Das Opfer ist weiß, Emmet ist schwarz. Sofort ist für alle klar, nur und allein Emmet kann der Mörder sein. Emmets Pflichtverteidigerin, Rosa Mercedes Higgins, gehört auch zu den colored people. Sie spürt instinktiv, da stimmt etwas nicht und beginnt selbst mit den Ermittlungen, schon weil Emmet jede Aussage zum Mordfall verweigert.
Der flüssige Schreibstil, die angenehm kurzen Kapitel halten die Spannung auf konstant hohen Level auch wenn ab und zu kleine Absacker drohen. Die Spannung bleibt bis zum Schluss auch deswegen erhalten, weil an unerwarteten Stellen plötzlich Wendungen ins Spiel kommen, die das Geschehen in ein anderes Licht tauchen.
Die Darsteller kommen sehr sympathisch und lebensecht rüber. Die Rechtsanwältin, ihre Großmutter, ihr kleiner Bruder, aber auch Emmet, der vermeintliche und schon vorverurteilte Mörder.
Grandios fand ich, wie Higgins vor Gericht einem anderen Delinquenten bis zum Prozess das Gefängnis ersparte, indem sie in den altehrwürdigen Mauern des Gerichtssaals ihr Handy zum Einsatz brachte.
Das Buch gewährt interessante Einblicke in das britische Justizsystem und deckt den immanenten Rassismus darin auf. Obwohl, ob die deutsche Justiz und ihre Behörden zu 100% frei von jedweden Rassismus oder Vorurteilen sind, wage ich in Frage zu stellen, zumindest sehr zaghaft.
Den trockenen Humor Anna Maschiks muss man erst mal bringen, begreifen und auf der Zunge zergehen lassen. Einen Absatz im gleichen Wortlaut wiederholen und nur der erste und der letzte, kürzeste Satz ist ...
Den trockenen Humor Anna Maschiks muss man erst mal bringen, begreifen und auf der Zunge zergehen lassen. Einen Absatz im gleichen Wortlaut wiederholen und nur der erste und der letzte, kürzeste Satz ist leicht geändert. Welch ein Unterschied!
Dabei sagt sie Unsägliches, wie Leben in einer Diktatur oder wie der Krieg auf die Daheim gebliebenen wirkt. Wenn alles plötzlich für kriegswichtig erklärt wird, muss man ein Schaf heimlich schlachten, um die Familie zu ernähren.
Mein Urgroßvater hatte damals, in Siebenbürgen, einen Weinberg. Als die Wehrmacht ins Dorf einmarschierte, wurde der Wein plötzlich auch für kriegswichtig erklärt. Die Soldaten machten im Herbst die Weinlese, kelterten den Wein und füllten ihn in Fässern ab, die auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Pferde, Rinder, die Weizenernte, alles war kriegswichtig und verschwand. Nur die Offiziere und Soldaten die unentgeltlich bei den Dorfbewohner einquartiert waren, blieben bis der Befehl zum Abzug kam. Da war nichts mit heimlich schlachten, die Besatzer wohnten ja mit im Haus. Also ja, ich kann Henrike gut verstehen, die in der verhangenen Waschküche das Schaf heimlich schlachten muss. Oder wieso dem Metzger der Prozess gemacht wird, weil er einen Schweinehuf zu viel bei einer Überprüfung hatte. Das gab es im Dorf meines Urgroßvaters auch.
Mit ganz wenigen Worten und 21 Wiederholungen stellt Anna Maschik das Drama einer Mutter dar, die um ihren schlafenden Sohn bangt und die Tochter dabei vernachlässigt. Zum Glück hat Hilde noch den Vater, der versucht, die Kälte der Mutter wettzumachen. Als der schlafende Sohn nach 16 Jahren aufwacht, lebt auch die Mutter auf. “An diesem Tag ist nicht nur Benedikt erwacht, sondern Henrike mit ihm. Georg verzeiht ihr nicht, dass sie nicht auch für Hilde erwachen konnte.” (S. 56) Dieser letzte Satz macht das ganze Drama dieser Familie offensichtlich.
Als der Krieg nun endgültig ins Land kommt und die Flieger über das Dorf hinwegfliegen, wendet Maschik wieder das Stilmittel der Wiederholung an: Vier Absätze beginnen mit dem gleichen Satz: “Als die Flieger kommen, ist…” und die Position und Haltung der Mitglieder dieser Familie wird beschrieben: Hilde, die Mutter ist bei den Schafen im Stall, ihr erster Gedanke ist, wie gut, dass die Vorratskammern gefüllt sind, weil auch dieser Krieg länger dauern wird. Sie hat kein Vertrauen in Kriege, den ersten hat sie noch nicht richtig verwunden. Georg, ihr Mann, ist mit dem Pflug auf dem Feld. “Es wäre besser, denkt er, wenn sein Sohn noch nicht aufgewacht wäre” (S. 72). Denn der Sohn hängt braunem Gedankengut nach. Benedikt selbst ist beim Schuster im Dorf. “Er denkt, das wurde aber auch Zeit”. (S. 73) Allein Hilde ist auf einer Brücke über dem Bach. Das ist bezeichnend. Brücken sind eine Verbindung zwischen Wegen, zwischen hier und dort, zwischen morgen und gestern. Hilde weiß nicht, was Krieg bedeutet, Sie lacht mit der ganzen Unschuld eines unwissenden Kindes. Danach, als der Krieg sich jahrelang hinzieht und immer mehr Opfer fordert, wird sie den Krieg in all seiner Bitterkeit kennenlernen. Vater und Bruder werden eingezogen, ihr Verlobter, ein österreichischer Soldat, muss auch an die Ostfront.
Die Geschichte wiederholt sich einigermaßen. Hilde hat mit Konrad zuerst einen Sohn, Wolfgang, der die ersten Jahre Vaterlos aufwächst, nach Konrads Heimkehr zieht die junge Familie nach Österreich, zu seiner Familie. Wolfgang wird von der Großmutter geliebt und aufgezogen, die Mutter muss im Betrieb des Vaters mithelfen, der Vater kann keine richtige Beziehung zum Kind aufbauen. Erst das zweite Kind, David, wird von den Eltern mit Liebe überschüttet und Wolfgang weiter an den Rand gedrängt. Und wieder wird die Wiederholung zum Stilmittel der Wahl, an Davids Bett singt die Mutter immer ein und dasselbe Lied, für Wolfgang sind keine Lieder übrig. Wolfgang versteht das nicht und lässt seinen Frust an David aus, während David aus einer anderen Perspektive sieht: “Er fragt sich, was Wolfgang falsch gemacht hat, und nimmt ihm übel, dass er die Eltern ganz allein glücklich machen muss.” (S. 145)
Egal wo die Familie ist, ob im hohen Norden, an der See oder in Österreich, jedes Mal kommt die Hebamme Anna zu den Geburten und Nora, um die Toten zu begleiten. Und die schon Vorausgegangenen, die Verstorbenen kommen um die Sterbenden abzuholen, ihnen den Weg zu weisen. Dies ist auch so eine Art Wiederholung, die sich durch das Buch zieht und auf die Kontinuität der Familie hinweist. Als Hilde an der Reihe ist, steht Nora schon da, hinter ihr stehen Henrike, Georg, Benedikt und Konrad. Genauso auch bei Miriams Tod, der Mutter der Ich-Erzählerin. Es kommen Henrike, Georg, Benedikt, Ludwig, Maria, Ludwig, Hilde, Wolfgang, David. Zuletzt kommen Anna, die Hebamme und Nora, die freundliche Todesbotin. Das ist die letzte Wiederholung im Roman, sie schließt und rundet die Geschichte ab. Es liegt nun an Miriams Tochter, die Geschichte fortzusetzen, mit den Wiederholungen und der Gewissheit, die Vorangegangenen sind in irgendeiner Form immer noch dabei.