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Veröffentlicht am 21.03.2019

Viel Zeitkolorit der Bonner Republik Anfang der 70er Jahre

Rheinblick
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1972 fährt Willy Brandt für die SPD einen unerwartet hohen Wahlsieg ein. Brandt hat einen anstrengenden Wahlkampf geführt - und nach dem Sieg ist seine Stimme weg. Er muss in die Klinik. Und ...

1972 fährt Willy Brandt für die SPD einen unerwartet hohen Wahlsieg ein. Brandt hat einen anstrengenden Wahlkampf geführt - und nach dem Sieg ist seine Stimme weg. Er muss in die Klinik. Und verschwindet dort für Wochen, während die Koalitionsverhandlungen beginnen. Und der Kampf um die Macht.

Soweit die historischen Fakten, Und hier setzte Brigitte Glaser mit ihrer fiktiven Geschichte an - die enorm viel über diese Zeit, die Bonner Republik und die damals vorhandene Aufbruchstimmung erzählt.

Die junge Krankenschwester Sonja ist auch als Logopädin ausgebildet. Aber leider ist die Logopädie damals noch keine richtig anerkannte Heilmethode. Sonja soll nun Willy Brandt bei der Genesung unterstützen. Und hoffentlich danach eine Stelle als Logopädin erhalten. Sie wird viel Zeit mit Warten verbringen - denn die Politik und die Machtspiele gehen vor. Aber das sind nicht Sonjas einzige Probleme. Sie hat eine gewalttätigen Vater, der ihre Mutter regelmäßig fast krankenhausreif schlägt. Aber die Mutter will nicht gehen - eine Scheidung ist zu der Zeit fast noch undenkbar. Aber Sonjas jüngere Schwester ist aus dem Elternhaus geflüchtet -- und zunächst untergetaucht. Halt findet Sonja in ihrer WG in Bonn. Hier werden neue Lebensformen ausprobiert. Wenn auch einiges noch nicht reibungslos funktioniert (der Kühlschrank ist doch oft leer und keiner geht einkaufen - außer Sonja), so genießt Sonja doch das Leben abseits ihres Elternhauses. Und die bunt gemischte WG. In diese platzt eines Tages die junge Journalistin Lotti, mehr aus Zufall. Sie kommt aus Süddeutschland, ist Tochter einer geschiedenen Mutter (was sie gar nicht lustig findet) und will aus dem Zentrum der Politik berichten. Und erfährt nebenher von einem ermordeten Mädchen, das in einer Uniform der Heilsarmee aufgefunden wurde. Dieses Mädchen kannte auch Sonja aus der Klinik. Und so begeben sie sich auf der Suche nach der Wahrheit - ein wenig Krimi ist also auch vorhanden. Unterstützt werden sie vom liebenswert-charmanten Max. Student der Geschichte, Frauentyp und immer pleite. Er fährt nebenher Taxi, um seine Finanzen aufzubessern. Und um unabhängiger von seinem sehr spießigen Elternhaus zu werden. Der Vater ist Beamter im Finanzministerium. Und die Mutter für Haushalt, Schnittchen und Käseigel zuständig.
Überhaupt: Das Frauenbild der damaligen Zeit wird gut dargestellt. Dieser Mief, diese Spießigkeit, die Einschränkung auf das Hausfrauendasein. Eigenständige Geschäftsfrauen sind selten. Und auch Hilde, die Wirtin der titelgebenden Gaststätte "Rheinblick" ist nur notgedrungen Alleininhaberin geworden, nachdem ihr Mann unerwartet und recht früh gestorben ist.

Im Rheinblick treffen sich alle. Politiker aller Parteien, Sekretärinnen, Taxifahrer - und Hildes wichtigstes Kapital ist ihre Diskretion. Aber auch Hilde hat geheime Wünsche und Gefühle. Aber vieles versagt sie sich - wie auch die anderen Frauen in diesem Buch.
Nur die jüngeren Frauen - sie suchen nach neuen Wegen. Nach mehr Eigenständigkeit, mehr Selbstbestimmtheit.


Und wenn man das Buch heute - im neuen Jahrtausend - liest, dann merkt man, dass die Frauen das auch geschafft haben. Heute gibt es viele erfolgreiche Politikerinnen und Geschäftsfrauen. Sicherlich noch nicht genug - aber der Weg wurde beschritten. Und damals, Anfang der 70er Jahre wurde er begonnen. Raus aus dem Mief, die Bildungsoffensive der SPD und die Auswirkungen der 68er haben doch Wirkung gezeigt.


Alleine deshalb lohnt sich die Lektüre. Vor allem aber auch wegen der liebevoll gezeichneten Charaktere, von denen mir der Abschied wirklich schwer fiel.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Selten so einen guten Roman über den Wilden Westen gelesen

Das wilde Herz des Westens
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Seit meiner Jugend liebe ich das Buch "Kalifornische Sinfonie" von Gwen Bristow. Als Bertelsmann-Leseclub-Exemplar stand es im Bücherregal meiner Eltern. Und inzwischen habe ich das Buch sicher 10x gelesen ...

Seit meiner Jugend liebe ich das Buch "Kalifornische Sinfonie" von Gwen Bristow. Als Bertelsmann-Leseclub-Exemplar stand es im Bücherregal meiner Eltern. Und inzwischen habe ich das Buch sicher 10x gelesen - das letzte Mal im März 2018 - als ich mit meiner Familie durch den Westen der USA gereist bin. Da waren die ganzen Erinnerungen an den Roman wieder da, der den Treck nach Kalifornien beschreibt und das Leben in Kalifornien Mitte des 19. Jahrhunderts.


Und jetzt endlich habe ich ein neues Lieblingsbuch über den Wilden Westen entdeckt: "Das wilde Herz des Westens" von Alexandra Fischer.
Dieser Roman beginnt mit einem fulminanten Prolog - Briana, ein irisches Einwandererkind. verliert seine Familie durch ein Massaker und überlebt nur mit Glück.
Dann folgt ein Zeitsprung fast ans Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs. Das Mädchen aus dem Prolog ist erwachsen und versorgt Verwundete. Ernst und ruhig ist ihr Wesen - kein Wunder bei ihrer Vorgeschichte. Ganz im Gegensatz dazu das Temperament ihrer Freundin Phoebe, der Tochter des Hauses, in dem sie aufgewachsen ist. Die Freundin ist leichtlebig, verträumt und naiv. Am liebsten liest sie Groschenromane über Cowboys - die Gräuel des Krieges sind ihr zuwider.

Und nach Ende des Krieges beschließt Phoebe, dass sie als sogenannte "Mail-Order-Bride" in den Westen gehen will. Endlich soll ihr Traum von einem Cowboy als Mann in Erfüllung gehen. Briana. das Mädchen aus dem Prolog - begleitet Phoebe. Teils aus Pflichtgefühl - aber mehr noch auf der Suche nach einem Platz in der Welt.

Und so reisen die beiden jungen Frauen gen Westen. Und schon in Missouri müssen sie feststellen, dass einiges anders ist, als erwartet. So erweisen sich Silas, der Bräutigam, und sein Bruder Jesse als gesuchte Banditen. Und der Planwagen-Treck Richtung Montana ist ganz anders als die romantischen Vorstellungen von Phoebe. Es ist hart, entbehrungsreich und gefährlich. Denn nicht nur die Indianer liegen auf der Lauer - auch Silas und Jesse werden gejagt. Und auch Briana gerät aufgrund ihrer Vergangenheit in den Fokus eines skrupellosen Banditen.

Dies alles wird sehr spannend aber auch sehr realistisch erzählt. Gut recherchiert und mit gut ausgearbeiteten Charakteren, die alles andere als eindimensional sind. Wer aufgrund des Covers einen seichten, romantischen Liebesroman mit ein wenig Lagerfeuerromantik erwartet, wird sicher überrascht sein, wie gut und spannend erzählt die Geschichte ist. Ich habe einige Nächte wenig geschlafen, weil ich einfach immer weiterlesen wollte.

Und jetzt habe ich neben "Kalifornische Sinfonie" ein neues Lieblingsbuch über den Wilden Westen.

Veröffentlicht am 26.02.2019

Irrungen, Wirrungen und die Suche nach der Wahrheit

Das Echo der Wahrheit
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"Das Buch der Spiegel" hat mich vor einigen Jahren sehr beeindruckt. Und so war ich gespannt auf das neue Buch des Autors - das aber wohl eigentlich schon vor dem Buch der Spiegel entstand - ...

"Das Buch der Spiegel" hat mich vor einigen Jahren sehr beeindruckt. Und so war ich gespannt auf das neue Buch des Autors - das aber wohl eigentlich schon vor dem Buch der Spiegel entstand - dann aber später noch einmal überarbeitet wurde.

Das Konzept der Geschichte ist gleich: Ein Geheimnis, das schon lange zurückliegt. Und die Suche nach der Aufklärung und nach der Wahrheit. Und dabei psychologische Betrachtungen darüber, was wirklich die Wahrheit ist, inwieweit Erinnerungen überhaupt der Wahrheit entsprechen. Und nicht zuletzt das Thema, wie traumatische Ereignisse sich auf das zukünftige Leben der Beteiligten auswirken.

Das hört sich jetzt trocken an? Ist es aber nicht. Denn es ist ein spannendes Buch, quasi ein Krimi. Die Aufklärung des Geschehens bringt den Leser zunächst in ein Labyrinth aus Briefen, Erinnerungen von vermeintlichen Zeugen und Nachforschungen. Und so entwickelt die Geschichte einen Sog, dem man sich als Leser kaum entziehen kann.

Die Geschichte beginnt mit einem Multimillionär, der kurz vor seinem Tod mit Hilfe von Hypnose noch den Hergang einer Nacht in Paris vor vielen Jahren rekonstruieren will. Damals kam eine junge Frau ums Leben. Und der Multimillionär hat die Befürchtung, selbst der Mörder gewesen zu sein. Der bekannte Psychiater Cobb wendet die Hypnose-Therapie an - kann aber den Sachverhalt nicht abschließend klären. Aber die Frage, was damals wirklich geschah, lässt Cobb nicht los. Auch nicht nach dem Tod seines Patienten. Und so beginnt er nachzuforschen. Mithilfe eines Privatdetektivs dringt er immer tiefer in die Materie ein, sucht Zeitzeugen aus der damaligen Zeit auf - und es wird immer undurchsichtiger und verwirrender. Bis zu einem sehr unerwartetem Ende.

Mich hat auch dieses Buch von Chirovici sehr gut unterhalten. Außer Joel Dicker mit "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" habe ich noch keinen Autor gefunden, der so gut solch verzweigte Geschichten schreiben kann.

Veröffentlicht am 21.02.2019

Sprachgewaltiger erster Teil einer Norwegen-Saga

Die Glocke im See
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Ein abgelegenes Tal in Norwegen um 1880. Das Leben ist hart, die Winter lang und die Gottesdienstbesucher (er)frieren in der kalten Stabkirche. Der neue Pfarrer möchte endlich eine neue, moderne, gut beheizbare ...

Ein abgelegenes Tal in Norwegen um 1880. Das Leben ist hart, die Winter lang und die Gottesdienstbesucher (er)frieren in der kalten Stabkirche. Der neue Pfarrer möchte endlich eine neue, moderne, gut beheizbare Kirche. Um dies zu finanzieren, hat er Kontakt zur Kunstakademie Dresden aufgenommen, die die alte Kirche abreißen und in Deutschland neu aufbauen würde, um dieses architektonische Kleinod zu erhalten. Ein Kunst-Architekturstudent wird nach Norwegen geschickt, um den Abbau der Kirche vorzubereiten. Und so kommt die Moderne in das norwegische Tal. Dort hängt man noch mehr den alten Sagen und Mythen an, als es dem Pfarrer recht ist, der die Menschen in ein modernes Leben führen möchte - und den alten heidnischen Volksglauben ausrotten will - am besten direkt mit der alten Kirche zusammen.


Doch bei einigen Einwohnern regt sich leiser Widerstand. Vor allem bei Astrid Hekne, deren Vorfahren einst die Zwillings-Glocken spendeten, die in der alten Kirche läuten. Und die auch von alleine läuten können - wenn Gefahr herrscht.
Astrid ist eine junge Frau, die sich einerseits mehr vom Leben erhofft als das, was die Gegend normalerweise für Frauen bereit hält. Aber sie hat auch ein Gespür für die Gesamtheit aus Vergangenheit und Gegenwart und schaut über den Tellerrand. Daher ist der Student aus Deutschland fast ein Wesensverwandter für sie - aber auch mit dem Pfarrer verbindet sie ein tiefes Verständnis. Gleichzeitig sind alle in den Traditionen und Werte-Vorstellungen ihrer Zeit gefangen. Was wird das Schicksal für Astrid bereithalten? Werden die Glocken im Tal verbleiben? Wird Astrid im Tal bleiben?

Dieses Buch ist der erste Teil einer geplanten Trilogie. Beeindruckend ist die Sprache, in der der Autor die Geschichte erzählt. Bildhaft mit einigen mystischen Anklängen werden Tragödien und kleine schöne Momente beschrieben. Es überwiegt die Tragik - was angesichts der Zeit damals nicht anders möglich ist - die Lektüre aber manchmal fast schmerzlich macht.

Aber die nächsten Teile der Trilogie werde ich trotzdem gerne lesen - manchmal muss gute Literatur eben auch schmerzlich sein

Veröffentlicht am 22.01.2019

Gelungener Auftakt einer neuen Krimi-Reihe

Doggerland. Fehltritt (Ein Doggerland-Krimi 1)
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Doggerland ist eine Inselgruppe in der Nordsee zwischen Großbritannien und Dänemark, die vor ca. 8.000 Jahren untergegangen ist.. In dieser neuen Krimi-Serie existieren die Inseln aber noch. Die fiktive ...

Doggerland ist eine Inselgruppe in der Nordsee zwischen Großbritannien und Dänemark, die vor ca. 8.000 Jahren untergegangen ist.. In dieser neuen Krimi-Serie existieren die Inseln aber noch. Die fiktive Bevölkerung ist eine Mischung aus Skandinaviern, Niederländern und Briten. Die Ortsnamen wirken skandinavisch - aber es gibt Pubs wie in England. Und die Landschaft wirkt ein wenig wie in Wales oder Schottland.

So genau kann ich das nur beschreiben, weil die Autorin sehr viel Wert auf detaillierte Beschreibungen der Gegend verwendet. Das reicht von der Aufzählung, wo in der Hauptstadt die guten und die weniger guten Wohnviertel sind bis hin zu Landschaftsbeschreibungen und Erläuterungen über das soziale Gefüge auf den Inseln.

Und eine Krimi-Handlung gibt es auch. Diese verläuft zwischendurch etwas langatmig - da eben erst einmal das Setting erläutert werden muss, das Verhältnis der Personen zueinander - und außerdem ist es mehr als realistisch, dass Ermittlungen eben dauern. Und es manchmal falsche Fährten gibt.

Aber die Lektüre wurde mir nie langweilig. Zu schön war es, in diese fiktive - aber doch so realistische - Welt einzutauchen. Die Sticheleien gegen weibliche Führungskräfte, unerträgliche Arroganz von Männern gegenüber Frauen - alles mehr als realistisch. Leider. Außerdem waren die Charakterzeichnungen sehr gut. Viele gebrochene Menschen, die trotzdem oder weiterhin auf der Suche nach ein wenig Glück und Zusammenhalt und Freude im Leben sind. Oder das Leben nach einem Schicksalsschlag einfach nur ertragen - wie Karen Eicken Hornby, die Ermittlerin, die ihre Chance bekommt, einen Fall als Leiterin eines Teams zu lösen - und daran fast scheitert.

Zum Schluss nimmt die Handlung richtig Fahrt auf - nach vielen Wendungen - und es gibt eine Auflösung, mit der wirklich niemand rechnen konnte. So muss Krimi.

Ich bin jetzt schon gespannt auf die weiteren Folgen!