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Veröffentlicht am 23.02.2024

Lebensentscheidungen

Notizen zu einer Hinrichtung
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Notizen zu einer Hinrichtung – Danya Kukafka
Welche Auswirkungen können die eigenen Lebensentscheidungen auf andere Menschen und deren Leben haben – noch Jahrzehnte später? Eine möglicherweise etwas abstrakte ...

Notizen zu einer Hinrichtung – Danya Kukafka
Welche Auswirkungen können die eigenen Lebensentscheidungen auf andere Menschen und deren Leben haben – noch Jahrzehnte später? Eine möglicherweise etwas abstrakte Fragestellung. Jedoch nicht mehr nach der Lektüre dieses Romans. Denn es geht hier nicht nur um die nahende Hinrichtung des Serienmörders Ansel, sondern mindestens ebenso um seine Mutter Lavender, die sein Leben maßgeblich beeinflusst hat und um mehrere andere Frauen, deren Leben wiederum Ansel beeinflusst oder gar beendet hat. Ansel ist weniger Hauptfigur, denn vielmehr tragisches verbindendes Element.
Dies ist ein wahnsinnig beeindruckender Roman, der mich die letzten Tage stark beschäftigt hat. Danya Kukafka hat einen fantastischen Schreibstil. So klar und pointiert erzählt sie diese Geschichte und blättert nach und nach ein ganzes Leben auf. Da steckt soviel Empathie für alle Figuren drin – ja auch für Ansel, den Mörder, ohne jemals kitschig zu werden. Man kommt diesen zu allermeist sozial schwachen, sich ohnehin am Rande der Gesellschaft bewegenden Menschen fast unerträglich nah. Die Einen schaffen es, ihrer Herkunft zu entfliehen, Andere nicht. Obwohl so klar ist, dass Ansel zu Recht verurteilt wurde und hingerichtet wird (wobei die Todesstrafe an sich durchaus kritisch beurteilt wird), weckt seine traumatische Kindheit einfach nur Mitleid. Auch wenn sich das angesichts seiner Taten immer wieder relativiert. Wirklich ein schwieriges Thema.
Ein extrem berührendes und beklemmendes Werk, vielschichtig und tiefgründig. Ich bin sehr beeindruckt von der Geschichte und von dem wunderbaren Erzählstil.
5 Sterne – ein Highlight!

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Veröffentlicht am 21.02.2024

Ein kafkaesker Zauberberg?

Heilung
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Heilung – Timon Karl Kaleyta
Ein wirklich fesselnder Roman, der meines Erachtens aber mehrere Deutungsmöglichkeiten zulässt und bei mir Fragezeichen zurückgelassen hat. Hierzu hätte ich mir wirklich eine ...

Heilung – Timon Karl Kaleyta
Ein wirklich fesselnder Roman, der meines Erachtens aber mehrere Deutungsmöglichkeiten zulässt und bei mir Fragezeichen zurückgelassen hat. Hierzu hätte ich mir wirklich eine Leserunde gewünscht. Selten war ich mir so oft so unsicher, was ich von den Entwicklungen halten soll!
Ein Mann kann nicht mehr schlafen und wird von seiner Frau in ein Sanatorium in den Dolomiten geschickt, wo er wieder zu Kräften kommen soll. Hier geht es nämlich schon los. Dieses exklusive Sanatorium/Heilanstalt/Spa/Klinik ist wirklich sehr mysteriös und therapiert nicht nach schulmedizinischen Maßstäben. Tatsächlich kam es mir vor wie Manns Zauberberg – nur noch wesentlich schlimmer. Nicht nur die Bewohner, sondern auch oder vor allem die Mitarbeiter und die Leitung selbst scheinen hier nicht ganz zurechnungsfähig zu sein. Ich muss ehrlich gestehen, damit habe ich nicht gerechnet und diese Unstimmigkeiten tauchen so schleichend und subtil auf, dass es verwirrend ist. So surreal, dass ich an den Stil Kafkas denken musste. Also kafkaesker Zauberberg? Oder eher eine schlechte Komödie? Auf jeden Fall irgendwo drüber – aber sehr erfrischend. Puh…!
Damit noch nicht genug. Nach mehreren krassen Vorfällen in dieser seltsamen Klinik, verlässt der Erzähler diesen Ort der Heilung (?) Hals über Kopf um seinen alten Freund aufzusuchen. Also hat der Aufenthalt doch etwas angestoßen? Anstelle von Abgeschiedenheit und Erholung sucht der Protagonist seine Heilung nun als Naturbursche. Frische Luft und Arbeit auf dem Bauernhof. Kurze Zeit geht es ihm besser, dann überstürzen sich wieder die Ereignisse. Der Kerl scheint wirklich zu nichts zu gebrauchen.
Als Leser erfährt man ausschließlich die Perspektive des Ich-Erzählers. Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto mehr zweifelt man seine Sicht der Dinge an. Die Sprache ist sehr einfach gehalten, umso stärker schlagen die teils überdrehten teils surrealen Ereignisse ein und ich persönlich war mir irgendwann nicht mehr sicher, wer hier der Geisterfahrer ist….
Tatsächlich wundere ich mich etwas über den Klappentext als auch Rezensionen anderer Leser. Wo ich kafkaesken Surrealismus lese, steht dort etwas von echter Heilung und Selbstfindung. Da bin ich tatsächlich gerade etwas ratlos, denn meine Deutung ist so völlig anders.
Wie auch immer, habe ich diesen Roman mit großem Interesse und wachsender Fassungslosigkeit verschlungen. Meiner Meinung nach bleiben viele Fragen offen.
4 Sterne

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Veröffentlicht am 20.02.2024

Lebensgeschichte des Autors

Geschichte der Unordnung
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Geschichte der Unordnung – Simon Elson
Nun, vorab muss ich zu diesem Werk sagen, dass es so etwas wie eine Autobiografie ist. Simon Elson schreibt seine Erlebnisse und Erfahrungen auf. Hübsch chronologisch, ...

Geschichte der Unordnung – Simon Elson
Nun, vorab muss ich zu diesem Werk sagen, dass es so etwas wie eine Autobiografie ist. Simon Elson schreibt seine Erlebnisse und Erfahrungen auf. Hübsch chronologisch, beginnend mit der Kindheit bis zum Tod des Vaters. Ein tiefer Einschnitt, der für spätere psychische Probleme verantwortlich ist.
Simon wächst auf den ersten Blick sehr idyllisch mit drei Geschwistern in einer Waldorfkindheit auf. Sehr viel Natur, sehr viele Freiheiten. Allerdings ist ihm schon auch früh die Außenseiterrolle der Familie bewusst. Trotzdem eine behütete Kindheit, bis zum Unfalltod des Vaters, der das Ende des Bullerbü-Lebens bedeutet. Die Mutter verstummt und überlässt die Kinder sich selbst.
Bis hierher fand ich das Erzählte sehr interessant. Etwa bei der Hälfte des Buches zieht Simon nach Berlin um zu Studieren. Nun geht es sehr sehr lange nur noch um Kokain, Alkohol und Frauen. Ja, die psychischen Wunden scheinen immer wieder durch, trotzdem – absolut nicht meins, diese Schilderungen.
Ein schlichter, berichtender Schreibstil, der ganz angenehm zu lesen ist. Insgesamt hat mich diese Nacherzählung des eigenen Lebens aber überhaupt nicht berührt. Es ist eine Aufarbeitung für sich selbst oder eine Handreichung für seinen Therapeuten. Vielleicht bin ich auch einfach mit falschen Erwartungen an dieses Werk gegangen.
2 Sterne

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Ellie und Zach

Doctor Not Perfect
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Ellie und Zach
Dies ist der zweite Teil der Doctor-Reihe von Louise Bay, deren Schreibstil ich sehr schätze.
Bei den Cove-Brüdern ist immer etwas geboten. Auch in diesem Band gibt es wieder turbulente ...

Ellie und Zach
Dies ist der zweite Teil der Doctor-Reihe von Louise Bay, deren Schreibstil ich sehr schätze.
Bei den Cove-Brüdern ist immer etwas geboten. Auch in diesem Band gibt es wieder turbulente Familienfeiern. Auf weitere Teile um die anderen Cove-Ärzte-Brüder kann gehofft werden.
Den Start zwischen Ellie und Zach fand ich etwas chaotisch, aber dann bald umso schöner und romantischer.
Empfehlung 4 Sterne!

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Veröffentlicht am 18.02.2024

Dorfgeschichten

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht
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Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht – Julia Jost
1994, Kärnten, die Familie zieht um, raus aus der Enge des kleinen Bergdorfs. Währenddessen versteckt sich die elfjährige ...

Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht – Julia Jost
1994, Kärnten, die Familie zieht um, raus aus der Enge des kleinen Bergdorfs. Währenddessen versteckt sich die elfjährige Erzählerin unter einem LKW und beobachtet von dort aus alle Vorbeikommenden. Zu jedem weiß sie etwas zu berichten – und es tun sich Abgründe auf.
Was ich genau erwartet habe – eine gewisse Nostalgie, Zusammenhalt, Heimeligkeit angesichts der kargen Bergwelt der Karawanken vielleicht. Bekommen habe ich etwas vollkommen anderes. Dies hier ist eine Abrechnung mit der Rückständigkeit und Engstirnigkeit der Bewohner dieses Dorfes. Gerade die nüchterne Erzählweise des elfjährigen Mädchens, mit der sie die entsetzlichsten Dinge berichtet, lässt dem Leser eine Gänsehaut nach der anderen den Rücken hinunter laufen. Das Kind wertet eigentlich nicht. Umso stärker schlagen Gewissen und Unrechtsbewusstsein des Lesers zu. Ich habe lange überlegt – ist das Ironie oder Sarkasmus? Aber nein, es ist einfach bitterböse.
Diese Welt zwischen Beichtstuhl und Stammtisch hat es so richtig in sich. Wie soll ich das nennen: es ist ungefähr das Gegenteil einer Romantisierung dieser abgelegenen Bergwelt. Teilweise ist es wirklich krass. Als roter Faden zieht sich der etwas rätselhafte Unfalltod eines kleinen Jungen durch die Geschichte. Wobei auch hier so einiges offen bleibt.
Den Erzählstil finde ich auch recht besonders. Einerseits passt der literarische Schreibstil meiner Meinung nach nicht zu der elfjährigen Erzählerin. Trotzdem ist da sowas Kindliches, lakonisches in der Erzählweise, das ich sehr interessant finde. Positiv empfand ich ebenfalls die starke Anlehnung an den kärntner Dialekt mit unzähligen speziellen Ausdrücken. So kommt doch eine gute Prise Lokalkolorit in die Geschichte.
Insgesamt ist das sowohl inhaltlich als auch sprachlich eine ziemlich sperrige Angelegenheit. Auch wenn eine gewisse Faszination vorhanden ist, ist es für mich dennoch keine runde Sache. Irgendetwas passt hier nicht.
3 Sterne


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