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Veröffentlicht am 11.11.2018

Krimi mit einem besonderen Pariser Lokalkolorit

Madame Bertin steht früh auf
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Ab nach Paris, dachte ich mir und griff bei diesem Buchtitel und seinem Klappentext zu. Für Kriminalromane im „Miss Marple"-Stil gibt es ja schon eine ganze Reihe von Autorinnen und Autoren, z. B. ermittelt ...

Ab nach Paris, dachte ich mir und griff bei diesem Buchtitel und seinem Klappentext zu. Für Kriminalromane im „Miss Marple"-Stil gibt es ja schon eine ganze Reihe von Autorinnen und Autoren, z. B. ermittelt in Cornwall „Miss Mabel" (Rebecca Michéle) oder am Niederrhein „Kati Küppers" (Barbara Steuten). Wenn der Verlag also einen Krimi als die „Miss Marple von Paris" ankündigt, dann wird er gewisse Erwartungen bei den Lesern wecken. Und diese werden im vorliegenden Roman erfüllt.

Madame Bertin ist Inhaberin einer Bäckereikette in Paris. Sie hat als Bäckermeisterin höchste Ehren erlangt und darf deshalb den französischen Präsidenten im Elysée-Palast beliefern. Doch nun möchte sie sich zur Ruhe setzen und hat die Geschäftsführung an ihren Neffen abgegeben. Plötzlich sieht sie im Haus gegenüber hinter einer Fensterscheibe eine blutige Hand hinabgleiten. Aufgeregt begibt sie sich dorthin, weil sie einen Unfall vermutet. Doch da ist im Hausflur und an dem Fenster nichts zu entdecken. Ihr Anruf bei der Polizei lässt sie jetzt dumm dastehen. Doch nicht mit Madame Berti!. Sie ist fest davon überzeugt, dass in diesem Haus ein Verbrechen geschehen ist. Schließlich weiß sie doch, was sie gesehen hat. Ihr Counterpart von der Polizei ist da ganz anderer Meinung. Die Verwicklungen machen den Roman immer spannender. Dadurch, dass das Setting schon durch den Lieferantenstatus an die Regierungskreise heranreicht, zeigen die verschiedensten Spuren wunderbar auch in diese Richtung. Zudem gibt es ein zwielichtiges Restaurant, in welchem gepokert wird. Die Pokerrunden sind ebenfalls mit hochrangigen Geschäftsleuten und Politikern besetzt.

Das Pariser Lokalkolorit kommt hervorragend zum Vorschein. Man sieht die Wasserpfützen auf den Gehsteigen, man riecht den warmen Gestank der Metro. Paris-Liebhaber werden einen großen Wiedererkennungswert haben, sehr bildreich wird diese Metropole in die Handlung eingebunden. Ebenso bildreich, aber für mich wesentlich zu detailreich und langatmig, sind die Beschreibungen von Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs, z. B. der Inhalt eines Kühlschrankes über mehrere Seiten hätte gerne gekürzt werden können, ohne dass der Handlung des Romans damit Schaden zugefügt worden wäre.

Ein gemütlicher und humorvoller Krimi mit einem besonderen Lokalkolorit, der mir sehr viel Spaß gemacht hat.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 23.10.2018

Fasziniert nicht nur durch seine Erzählweise

Das Leuchten in mir
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Schlägt man einen Roman von dem französischen Schriftsteller Gregoire Delacourt auf, so entfaltet sich sofort ein Gefühl von ganz besonderer Literatur. Das hat er in der Vergangenheit mehrfach bewiesen ...

Schlägt man einen Roman von dem französischen Schriftsteller Gregoire Delacourt auf, so entfaltet sich sofort ein Gefühl von ganz besonderer Literatur. Das hat er in der Vergangenheit mehrfach bewiesen und auch die jetzige deutschsprachige Fassung aus dem Hoffmann und Campe Verlag steht dem nicht nach.

Emmanuelle ist fast Vierzig, 18 Jahre davon verheiratet und hat zwei Kinder. Sie erzählt von einer ungewöhnlichen Begegnung. Sie erzählt von einem fremden Mann. Sie versucht, vor ihm zu verbergen, dass sie ihn beobachtet, dennoch sucht sie immer wieder den Ort auf, an dem sie ihn zum ersten Mal traf. Irgendwann begegnen sich ihre Augen, irgendwann lädt er sie zu Essen ein. Sie weiß nicht, wie ihr geschieht. Sie liebt doch ihren Mann, sie liebt ihre Familie. Warum fühlt sie sich zu diesem fremden Mann, der mittlerweile kein Fremder mehr ist, hingezogen? Dann beschließen beide, gemeinsam fortzugehen und ein ganz neues Leben zu beginnen. Doch da passiert das Unfassbare und das Leben bekommt tatsächlich eine Wendung.

Faszinierend an diesem Roman ist seine Montage und der gesamte Stil, auf den der Autor ein besonderes Augenmerk gelegt hat. Die Geschichte von Emma wird zunächst in drei Teilen erzählt, wobei die Kapitelzählung im ersten Teil rückwärts verläuft bis zu dem Zeitpunkt, der einen Wendepunkt im Leben der Protagonistin darstellt. Ab dann wird vorwärts gezählt. Die Kapitel enthalten manchmal nur einen oder zwei Sätze, die mit Metaphern oder Zitaten gefüllt sind. Der Geschichte "Die Ziege des Monsieur Segiun" von Alphonse Daudet kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sie ist im Anschluss des Romans deshalb noch mal komplett abgedruckt. Die Perspektive aus der Sicht der Protagonisten schafft eine ganz besondere Nähe zum Leser. Man hat das Gefühl, Emmanuelle mindestens genauso gut zu kennen wie das ihre Freundin Sophie tut. Jeder der drei Teile vermittelt einen eigenen Spannungsbogen durch einen anders gearteten Konflikt, dessen Lösung man unbedingt erfahren möchte.

Ein dramatischer und hinreißender Liebesroman, der nicht nur durch seine Erzählweise sondern auch durch seine Tiefe besticht.

Veröffentlicht am 09.10.2018

Spannung, Humor, Verbrechen

Raues Wetter
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Nun habe ich meinen ersten Spenser-Roman, jedoch nicht meinen ersten Parker-Roman gelesen. Ich muss sagen, er enttäuscht nicht. Im Gegenteil, er macht Lust auf mehr. Im Mittelpunkt dieser Krimireihe steht ...

Nun habe ich meinen ersten Spenser-Roman, jedoch nicht meinen ersten Parker-Roman gelesen. Ich muss sagen, er enttäuscht nicht. Im Gegenteil, er macht Lust auf mehr. Im Mittelpunkt dieser Krimireihe steht der Privatdetektiv Spenser, der in der gleichnamigen 80er-Jahre-TV-Serie von Robert Urich gespielt wird.

Im vorliegenden Roman wird Spenser von einer High Society Lady angeheuert, um bei der Hochzeit ihrer Tochter als Mann an ihrer Seite aufzutreten. Sie selbst war dreimal verheiratet, jeweils mit Millionären, denen sie das Geld aus der Tasche gezogen hat. Die Hochzeit findet auf einer Insel, dem Anwesen ihres dritten Ex-Mannes, statt. Irgendwie hat Spenser kein gutes Gefühl bei diesem Auftrag. Einfach nur als männlicher Begleiter auftreten? Völlig ungewohnt für ihn. Rätselhaft wird es dann aber, als einer seiner Erzfeinde, der Graue Mann, der die Verbrecherszene an der Ostküste beherrscht, ebenfalls als Gast auftaucht. Aber es dauert nicht lange, und es werden tote Wachleute aufgefunden. Zudem wird der frische Schwiegersohn der Lady erschossen und der Graue Mann verschwindet mit der Braut in seinem Hubschrauber. Das war offenbar eine sehr kurze Ehe, die vielleicht gerade mal für eine Erbschaft standhält? Spenser ist neugierig und beginnt zu ermitteln.

Es muss Gründe geben warum die Romane von Parker in TV-Serien verwandelt wurden („Spenser", „Jesse Stone"). Wahrscheinlich weil sie einfach spannend, amüsant und gut sind. Er lässt seine Figuren in sämtlichen Milieus ermitteln und gibt ausreichend privaten Spielraum. Spenser hat immer einen kessen Spruch auf den Lippen. Voller Ironie und Sarkasmus interviewt er die Leute, die er mit Verbrechen in Verbindung bringt. Mit einem spitzbübischen Hintergedanken unterhält er sich aber mit seinen Freunden und Bekannten. Dialoge sind generell die Besonderheit und Stärke in den Parker-Romanen, so auch in diesem. Wenig Erzählstränge, umso mehr wörtliche Rede. Außerdem ist sich Robert B. Parker nicht zu schade für ein gelegentliches Crossover seiner Reihen. So haben seine beiden Protagonisten Jesse Stone und Spenser jede Menge gemeinsame Bekannte.

Ein Roman, mit dem man sich entspannt in den Sessel lehnen und in eine andere Welt abtauchen kann.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 20.09.2018

thrill on the westcoast

Die Verlorene
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Neu erschienen ist die deutsche Fassung des vorliegenden (21.) Harry-Bosch-Romans. Ich genieße wieder das Gefühl von Sanftheit und Entspanntsein bei diesem mitreißenden Krimi. Connelly fängt mich immer ...

Neu erschienen ist die deutsche Fassung des vorliegenden (21.) Harry-Bosch-Romans. Ich genieße wieder das Gefühl von Sanftheit und Entspanntsein bei diesem mitreißenden Krimi. Connelly fängt mich immer wieder mit seinem Schreibstil ein.

Hieronymus (Harry) Bosch, ehemals Detective beim LAPD, jetzt im Ruhestand als Privatermittler und in Teilzeit beim San Fernando Police Department tätig. Privat ermittelt er einen Auftrag von einem der reichsten Männer Amerikas. Seine Cold Cases beim SFPD muss er auch liegen lassen, denn ein Serienvergewaltiger geht in San Fernando Valley um, bei dem Bosch wegen seinen Erfahrungen hinzugezogen wird. Zwischen diesen Fällen versucht er, sein Privatleben mit seiner Tochter auf die Reihe zu bringen.

Ich weiß nicht, wie der Schriftsteller Connelly ist schafft, zwischen all den zahlreichen Informationen, trotz Schießereien und Hetzjagten eine Atmosphäre aufzubauen, die beinahe besinnlich wirkt. Ich komme mir beim Lesen vor, als wäre ich am Flughafen LAX in ein Mietauto gestiegen und cruise bei Tempo 50 bis nach Hollywood. Zurückgelehnt und entspannt. Dabei lasse ich die Informationen über den Vietnamkrieg, die Strukturen und Arbeitsweisen der Polizeikräfte, die Stadtpläne und Stadtviertel von LA und umliegenden Counties auf mich einwirken. Die Sonne bahnt sich langsam durch die diesige Luft ihren Weg. Bosch zofft sich mit Vorgesetzten oder anderen Leuten, er isst und trinkt mit Kolleginnen und Kollegen. Man spürt seinen Drang, nicht zum Abstellgleis zugehören. Bosch ist ein sehr erfahrener Ermittler. Meist bleibt er ruhig und entspannt bei seiner Arbeit, obwohl er auch mal kräftig ausrasten kann. Aber diese Gelassenheit des Profis geht beim Lesen auf den Leser über. Zumindest bei mir ist das so.

Eigentlich werden in diesem Krimi zwei unterschiedliche Fälle gelöst. Jeder für sich in separaten Strängen, die sich gelegentlich überschneiden. Im Kopf der Leser und bei Bosch sind beide Fälle präsent. Und Bosch bekommt als Protagonist die zusätzliche Aufgabe, die Ermittlungen in beiden Fällen zu organisieren, weil er von unterschiedlichsten Seiten ins Visier genommen wird. Der Knaller ist aber das Ende des Romans. Obwohl komplett plausibel und bei genauem Nachdenken eigentlich nicht unerwartet, präsentiert der Autor am Ende eine völlig überraschende Auflösung. Beste Spannung, ausgestattet mit reichlich Lokalkolorit a la Westcoastsound. Sehr zu empfehlen!

© Detlef Knut, Düsseldorf 2018

Veröffentlicht am 16.09.2018

Ein überraschendes und versöhnendes Ende

Der Gutshof im Alten Land
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Dieser Roman hat mich in meine Kindheit mit den Erzählungen meiner Großmutter zurückkatapultiert. Meine Großmutter war als junges Mädchen auf einem Gutshof im Alten Land. Als Kindermädchen kümmerte sie ...

Dieser Roman hat mich in meine Kindheit mit den Erzählungen meiner Großmutter zurückkatapultiert. Meine Großmutter war als junges Mädchen auf einem Gutshof im Alten Land. Als Kindermädchen kümmerte sie sich um die Kinder der Herrschaften. Dieser Umstand sorgte für ein besonderes Gefühl beim Lesen.

Der Erste Weltkrieg ist gerade zu Ende. Viele Familien haben ihre Söhne und Väter verloren. So auch derer von Voss. Beide Söhne werden vermisst. Das Familienoberhaupt liegt im Sterben. Die Tochter Finja kümmert sich um den Hof, während ihre Mutter am Krankenbett sitzt. Finja fühlt sich in der Lage, den Hof zu führen, wenn da nicht ihr Cousin Roland wäre, der als männlicher Nachkomme im Familienstamm den Hof erben soll. Das gefällt allerdings keinem, nicht der von-Voss-Familie, und nicht deren Angestellten, denn Roland wird als Windhund gesehen. Da taucht plötzlich jemand auf und wirbelt die sich nach dem Krieg langsam wieder einspielenden Verhältnisse mächtig durcheinander.

Micaela Jary nimmt uns in diesem Roman mit auf eine Zeitreise an einem wunderschönen Ort. Sie hat ein Figurenensemble geschaffen, bei dem jede Figur auf Interesse beim Leser trifft. Vielen von ihnen begegnet man mit Sympathie, aber nicht nur. Das Zusammenspiel von alteingesessenen Menschen und Fremden im Alten Land weist auch auf die momentanen Verhältnisse in der Gesellschaft hin. Mit viel Liebe zum Detail beschreibt sie dieses diesen Landstrich in Norddeutschland und lässt uns darin heimisch werden. Gelungen fand ich die Verwendung des plattdeutschen Dialektes, der so smart vorgenommen wurde, dass er selbst für einen Bayer verständlich sein sollte. So wäre der Satz „Die jungen Lüüd heutzutage nun wieder." In seiner vollen Version „De jungen Lüud hüttodag nu wedder." Wäre er für so manchen Leser nicht ganz so verständlich gewesen. Ich fand den sanften Einsatz des Dialektes sehr passend.

Ein überraschendes und versöhnendes Ende sorgt schließlich dafür, dass man das Buch mit einem zufriedenen Lächeln aus der Hand legt. Eine Familiensaga, der man ruhigen Gewissens die beste Note geben kann.


© Detlef Knut, Düsseldorf 2018