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Dominik_Hellenbeck

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Veröffentlicht am 25.06.2022

Gute Story-Sammlung, aber kein Thriller

McCreadys Doppelspiel
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Ein Buch von Altmeister Frederick Forsyth aus dem Jahr 1991, welches durch den Kunstgriff von vier Rückblenden allerdings überwiegend in den Tagen des Kalten Krieges der 1980er spielt- als „gut“ und „böse“ ...

Ein Buch von Altmeister Frederick Forsyth aus dem Jahr 1991, welches durch den Kunstgriff von vier Rückblenden allerdings überwiegend in den Tagen des Kalten Krieges der 1980er spielt- als „gut“ und „böse“ noch klar anhand der Blockzugehörigkeit erkennbar schienen. Ein in sich geschlossener „Super-Thriller“, wie der Klappentext behauptet, liegt daher nicht vor, die einzelnen vier Stories, „Grenzgänge“ (116 Seiten), „Der Brautpreis“ (120 Seiten), „Ein Kriegsopfer“ (100 Seiten) und „Skorpione im Paradies“ (121 Seiten) sind thematisch nicht verbunden, demzufolge gibt es weder eine durchgehende Storyline noch einen Spannungsbogen.

Sie haben einzeln nicht den nötigen Umfang für einen eigenständigen Roman und wurden anscheinend mit Hilfe der Person „Sam McCready“ als eine Art „Scharnier“ zu einem Roman von 494 Seiten addiert. Aufbau, Thema und Atmosphäre der ersten beiden Geschichten ähneln m. M. nach stark den Spionage-Romanen von John le Carré. So beinhalteten „Grenzgänge“ und „Der Brautpreis“ die beiden klassischen Roman-Themen im Kalten Krieg: Informationsbeschaffung im feindlichen Territorium und ein überlaufender KGB-Offizier. McCready agiert in ihnen wie George Smiley als schroffer Gegensatz zur - mühsam um etwas Noblesse bemühten – geschmeidigen SIS-Führung. Beide haben sich abseits der etablierten Old-Boy-Netzwerke im Dienst nach oben gearbeitet, achten wenig auf ihr Äußeres, sind kerzengrade und loyal und haben somit für opportune „Bauernopfer“ nichts übrig. Beide werden am Ende als nützliche, aber überständige Relikte behandelt, die nie „richtig“ zum Establishment gehörten und daher am besten geräuschlos in den Ruhestand entsorgt werden sollten. Der SIS wird realistisch, wie bei le Carré, als starrer, unflexibler und daher kaum steuerbarer Verwaltungsapparat geschildert. Rivalisierende Behörden wie der MI5 und bürokratische Lähmungen und Knebelungen nach den Verrats-Skandalen der Cambridge Five lassen oft nur Zufallserfolge zu.

Der Autor nutzt die nach Ende des Kalten Krieges stark verbesserte Quellenlage und kann so die inneren Strukturen und die Arbeitsweise von KGB und Staatssicherheit präzise darstellen. So wird HVA-Chef Markus „Mischa“ Wolf und die beliebte „Romeo-Methode“ ebenso korrekt beschrieben wie die unterschiedlichen Grüntöne in den Uniformfarben von NVA und Volkspolizei. Über kleinere Schnitzer wie die Verwendung des Begriffs „ostdeutsch“ durch das KGB in der offiziellen Kommunikation mit der „Stasi“ (völlig undenkbar) kann man da getrost hinweg sehen. Interessant nebenbei, dass wohl 1991 die übliche Bezeichnung der Volkspolizei durch DDR-Bürger (nämlich „VP“) noch nicht landläufig bekannt war und vom Autor daher einer DDR-Lehrerin stattdessen der westdeutsche Jargon-Ausdruck „Vopo“ in den Mund gelegt wurde. Gleiches gilt für den Staatssicherheitsdienst der DDR, der wurde nur von Westdeutschen mit „SSD“ abgekürzt, in der DDR mit „MfS“ (Ministerium für Staatssicherheit).

„Ein Kriegsopfer“ behandelt hingegen das Thema internationalen Terrorismus, hier anhand der IRA und Libyen. Man erfährt etwas über das Warum und Wie, bei Lichte besehen ist die Story aber ziemlich beliebig und oberflächlich. Liest sich eher wie eine Rahmenskizze und fällt hinter den ersten beiden Geschichten dramaturgisch deutlich ab.

Die letzte der vier Geschichten, „Skorpione im Paradies“ , erinnert mit seinen lakonischen Bemerkungen und trockenem Humor an Tom Sharpes „Klex in der Landschaft“. Sie ist durchgehend mit Understatement geschrieben und hebt sich dadurch von ihren drei Vorgängern deutlich ab. Dadurch verringert sie die einsetzende Ermüdung etwas, vier inhaltlich nicht verbundene Geschichten hintereinander zu lesen, verstärkt aber den Eindruck, dass mehr oder weniger wahllos Geschichten zusammengefügt wurden, bis man halt auf die erforderliche Seitenanzahl für einen Forsyth-Roman kam.

Fazit: Gut lesbare Geschichten aus dem Kalten Krieg, stellenweise qualitativ hochwertig, sehr gut recherchiert.

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Veröffentlicht am 25.06.2022

Realismus und Thrill

Das allwissende Auge
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Wie immer schildert der Autor präzise Kenntnisse des operativen Einsatzablaufs, in alle Überlegungen wird der Leser eingeweiht. Auch taktische Erfordernisse in realen Situationen wie Überwachungen oder ...

Wie immer schildert der Autor präzise Kenntnisse des operativen Einsatzablaufs, in alle Überlegungen wird der Leser eingeweiht. Auch taktische Erfordernisse in realen Situationen wie Überwachungen oder Schusswechsel werden korrekt dargestellt. Eisler ist als Ex-CIA-Mitarbeiter und Kampfsportexperte „vom Fach", jede Schilderung sitzt, bei ihm gibt es keine Schnitzer. Das allwissende Auge hat einen guten Spannungsbogen, es gibt keine Flucht in ausgedachte Waffen oder irrwitzige Zufälle: Jede Aktion ist plausibel und führt zu ebenfalls plausiblen Reaktionen.

Auf der politischen Ebene ist Eisler schmerzhaft realistisch: Die Öffentlichkeit will gar nicht genau wissen, was getan wird, sie will die Illusion der eigenen Unschuld behalten. Grundrechte und Privatsphäre sind (spätestens) in 9/11-Zeiten rein fiktiv, wer als Gefahr für die nationale Sicherheit der USA gilt, wird rund um den Globus gesucht, gefunden und ausgeschaltet. Ob per Drohne, einem Entführungskommando privater Dienstleister oder Auftragskiller. Etwas „70er Stil“ vielleicht das Ende: die finsteren Verschwörer von „Big Government“ scheitern an den engagierten Journalisten, die jetzt für Internet-Newsservices statt für die Printmedien wie die Washington Post arbeiten.

Fazit: Sehr empfehlenswert, realistisch und packend geschrieben.

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Veröffentlicht am 25.06.2022

Etwas bemüht, stellenweise hilfreich

Die Kraft des Chōwa
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Das Buch gibt einen groben Überblick über einzelne Aspekte des japanischen Denkens und Fühlens, mehr aber auch nicht. Frau Tanaka empfand offenbar als Japanisch-Lehrerin in Europa das Bedürfnis, etwas ...

Das Buch gibt einen groben Überblick über einzelne Aspekte des japanischen Denkens und Fühlens, mehr aber auch nicht. Frau Tanaka empfand offenbar als Japanisch-Lehrerin in Europa das Bedürfnis, etwas über Japan und seine Kultur mitzuteilen. Inwiefern sie dafür inhaltlich gerüstet war, mag jeder selbst beurteilen. Viele Gesichtspunkte hat der interessierte Leser auf jeden Fall bereits woanders und besser formuliert vorgefunden. Hilfreich sind ihre Ausführungen über die Kommunikation am Arbeitsplatz und in der Familie, die Betrachtungen der Finanzen unter „Chowa-Gesichtspunkten“ wirkt dagegen etwas gezwungen, so ist das Führen eines Haushaltsbuches wohl allseits bekannt. Der Abschnitt bezüglich Beziehungen und Liebe wirkt beiläufig und oberflächlich, am interessantesten wird das Buch, wenn es um die persönliche Sicht und die Sicht anderer geht, die „Perspektive des unbeteiligten Zuschauers“. Allerdings findet sich gerade dies in der ausufernden Zen-Literatur zur Genüge.

Ihre Profession als Lehrerin vermag die Autorin nicht immer hintan zustellen, oftmals klingt ein etwas schulmeisterlicher Ton durch. Wenn Sie kein ausgesprochenes „Frauenbuch“ schreiben wollte, wäre ein Eingehen auf die Männer-Perspektive hilfreich gewesen, seitenlange Ausführungen über Frauenmode, Kimonos und die Stellung der Frau in Japan ermüden den nach Philosophie suchenden Leser schnell.

Alles in allem ein stellenweise hilfreiches Buch, von dem man aber nicht zu viel erwarten sollte.

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Veröffentlicht am 25.06.2022

Tiefgründig, aber mühsam...

Im ersten Kreis
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Da bereits der Titel des Werkes bei Dantes Inferno entlehnt wurde, kann man dort getrost eine weitere Anleihe machen: Wer anfängt, dieses Buch zu lesen, laßt alle Hoffnung (auf rasches Verständnis der ...

Da bereits der Titel des Werkes bei Dantes Inferno entlehnt wurde, kann man dort getrost eine weitere Anleihe machen: Wer anfängt, dieses Buch zu lesen, laßt alle Hoffnung (auf rasches Verständnis der Zusammenhänge) fahren. Der Leser wird anfangs mit einem Telefonat konfrontiert, um anschließend die nächsten über zweihundert Seiten einen komplett anderen Zusammenhang kennen zu lernen – auf äußerst zähe Weise. Weder die Handelnden noch der Ort wird sogleich vorgestellt, nein, man liest Seite um Seite, ohne geringste Ahnung, wer was wem warum wo mitteilt. Ein vorheriger Blick in eine grobe Inhaltsangabe ist dringend empfohlen, auch fundierte Kenntnisse über die Sowjetunion der 1930er bis 1950er schadet keinesfalls.

Fazit: Ein brillantes russisches Buch für russische Leser, alle anderen werden sich mühsam in die Materie rein arbeiten müssen. Dies allerdings lohnt sich dann aber.

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Veröffentlicht am 25.06.2022

Liebe, Triebe, Hiebe...

Operation Romanow
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Meade schrieb Operation Romanow offenkundig in der Tradition antiquierter Illustrierten- Fortsetzungsromane - in dieser grell bunten Mantel- und- Degengeschichte tummeln sich finstre Schurken und unüberwindbare ...

Meade schrieb Operation Romanow offenkundig in der Tradition antiquierter Illustrierten- Fortsetzungsromane - in dieser grell bunten Mantel- und- Degengeschichte tummeln sich finstre Schurken und unüberwindbare Helden, mit Lydia Ryan gibt es auch eine Art „Piratenbraut“, atemberaubend schön und tough. Überhaupt begegnet der Leser allerlei Gestalten in Russland, Irland und England, bevor Handlungsstränge sichtbar werden.

Entzweite Brüder, Liebe, Triebe, Hiebe - gefühligen Herz-Schmerz gibt es satt. Wer Kolportageromane des 19. Jahrhunderts liebt, kommt hier voll auf seine Kosten, wer an Meade's schnörkellos-stringenten Unternehmen Brandenburg Gefallen fand, eher weniger.

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