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Veröffentlicht am 10.04.2021

"Mit meinen Fehlern kann ich leben, aber nicht mit den Fehlern aller anderen." (Camille Claudel)

Die Bildhauerin
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1881 Paris. Die 17-jährige Camille Claudel zieht mit ihrer Familie von der Champagne nach Paris. Dort hofft sie, mit Unterstützung ihres Vaters ein Bildhauerei-Studium an der privat geführten Académie ...

1881 Paris. Die 17-jährige Camille Claudel zieht mit ihrer Familie von der Champagne nach Paris. Dort hofft sie, mit Unterstützung ihres Vaters ein Bildhauerei-Studium an der privat geführten Académie Colarossi zu ergattern, denn der Eintritt des École des Beaux Arts bleibt ihr als Frau verwehrt. Gemeinsam mit den drei Engländerinnen Emily, Jessie und Amy, die sie an der Académie kennengelernt hat, mietet Camille ein Atelier an, um sich dort ganz ihrer Kunst zu widmen. Ihre Arbeiten geraten schon bald in den Blick von Auguste Rodin, der sich ihrer schon bald als Lehrer und Unterstützer annimmt. Camille verliebt sich schon bald in den wesentlich älteren gebundenen Mann und bewegt sich mit ihm nicht nur in der Pariser Kunstszene, sondern findet sich auch in so manch illustren Gesellschaft wieder, der ihren Bekanntheitsgrad vergrößert. Doch Rodin ist ein Mann, der alles und jeden vereinnahmt, der ihm nützt. Auch Camille als seine Muse muss diese Erfahrung machen…
Pia Rosenberger hat mit „Die Bildhauerin“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, in dem sie die 1943 verstorbene französische Künstlerin Camille Claudel wieder lebendig werden lässt und ihr mit der teils biografischen Geschichte ein Denkmal setzt. Der flüssige und bildhafte Erzählstil führt den Leser auf eine Zeitreise in die Epoche des Fin de Siecle nach Paris, um dort die ausdrucksstarke Camille und ihre Familie kennenzulernen. Während der Vater seiner Tochter sämtliche Unterstützung zukommen lässt, hält die Mutter der wohlbehütet erzogenen Camille an dem damaligen Rollenbild der Frau fest. Camille steht aufgrund ihrer Berufung zur Bildhauerin im Dauerkampf einer männlich dominierten Welt, steht unter Dauerbeschuss von hämischen Kommentaren und der allgemeinen Skepsis. Ihre Beziehung zum Künstler Auguste Rodin war ihr bis zu einem gewissen Grad sicher förderlich, doch im Großen und Ganzen hatten die beiden eine schwierige Affäre aufgrund des Egos von Auguste. Dieser duldete wie seine männlichen Kollegen keinerlei Konkurrenz in der Beziehung und Camille hat sich bis zu einem gewissen Grad untergeordnet. Camille, die nach alten Traditionen erzogen, jedoch von ihrem Vater gerade in Bezug auf ihren Berufswunsch in jeder Hinsicht unterstützt wurde, lassen die Gefühle, die sie Auguste entgegenbringt, in ein emotionales Chaos stürzen. Jedoch verliert sie ihren Traum nie aus den Augen. Die akribische Recherche der Autorin zahlt sich in dieser Geschichte aus, denn sie schafft es nicht nur, den damaligen Zeitgeist wunderbar mit ihrer Handlung zu verknüpfen, sondern lässt Camille Claudel und ihr Umwelt von den Toten auferstehen. Ihre Darstellung von dem Widerstand der Frauen, die sich nicht mehr den Gegebenheiten anpassen, sondern für ihre Rechte kämpfen, ist gut gelungen.
Die Charaktere sind vielschichtig ausgestaltet und lebendig in Szene gesetzt, sie wirken glaubwürdig und realistisch, so dass der Leser einen guten Eindruck der damaligen Zeit bekommt und mit ihnen hoffen, bangen und fiebern kann. Camille besitzt schon als junge Frau ihren eigenen Kopf, ist impulsiv und selbstsicher bis hin zu einer gewissen Arroganz, aber trägt auch eine gewisse Unsicherheit sowie Selbstzweifel in sich aufgrund der ihr fehlenden Lebenserfahrung. Das Verhältnis zur Mutter ist schwierig, denn diese prägt ein völlig anderes Frauenbild, während ihr Vater viel weltoffener wirkt. Auguste Renoir duldet keine anderen Künstler neben sich, ist vereinnahmend, fordernd und bis zu einem gewissen Grad auch rücksichtslos.
„Die Bildhauerin“ weiß durchweg mit dem eindrucksvollen Lebenslauf der Bildhauerin Camille Claudel zu fesseln. Neben interessanten persönlichen Details und einem akribisch recherchierten historischen Hintergrund fängt die Autorin die damalige Epoche wunderbar ein und setzt der Künstlerin posthum ein Denkmal. Verdiente Leseempfehlung für alle Kunstbegeisterte.

Veröffentlicht am 10.04.2021

„Der ist in tiefster Seele treu, wer die Heimat liebt wie du.“ (Theodor Fontane)

Die vergessene Heimat
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Für die schleichende geistige Verwirrung ihres 79-jährigen Vaters Ernst findet die Kochbuchautorin Britta Hofmeister eine ganze Weile genügend Ausreden. Doch sein Zustand verschlechtert sich immer mehr, ...

Für die schleichende geistige Verwirrung ihres 79-jährigen Vaters Ernst findet die Kochbuchautorin Britta Hofmeister eine ganze Weile genügend Ausreden. Doch sein Zustand verschlechtert sich immer mehr, was auf eine Demenz schließen lässt und der Familie einen Schreck versetzt. Britta wusste schon immer, dass ihre Eltern aus der DDR stammten, doch bisher wurde nie darüber geredet. Umso erstaunter ist sie, als Ernst immer wieder in die Vergangenheit abtaucht und dabei unbewusst mit immer mehr Details seiner Flucht mit Mutter Leni aus Ostberlin in den Westen im Sommer 1961 herausrückt...
Deana Zinßmeister hat mit „Die vergessene Heimat“ einen sehr spannenden Roman vorgelegt, in dem sie ihre ganz persönliche Familiengeschichte verarbeitet hat und dem Leser damit gleichzeitig ein besonderes Zeitzeugnis präsentiert. Der flüssige, farbenfrohe und gefühlvolle Schreibstil lässt den Leser zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her wandern, wo er zum einen Britta und ihre Familienangehörigen kennenlernt und die fortschreitende Demenz des Vaters mitbeobachtet, zum anderen Ernst und Leni im Jahr 1961 bei der Planung und Flucht begleitet. Während Zinßmeister langsam einen Teil ihrer Familiengeschichte aufrollt, hat man als Leser das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein. Gleich einem Kinofilm erlebt man die Aufrichtung des Stacheldrahts unmittelbar vor der Haustür als Vorbote für die später folgende Mauer ebenso mit wie die im Geheimen geschmiedeten Fluchtpläne und wird dabei durch eine Achterbahn der Gefühle gejagt, so plastisch und spannend beschreibt die Autorin die Vorgänge. Schon als Grenzgänger erfährt Ernst am Beispiel eines Kollegen, wie schnell es sich rächt, offen seine Meinung zu sagen. Das wachsende Misstrauen gegenüber allem und jeden aufgrund der Tyrannei durch das Regime und der Stasi wird beklemmend dargestellt und lässt den Wunsch nach Freiheit immer mehr wachsen, schürt aber auch gleichzeitig die Angst vor Entdeckung. Dass die Geflüchteten noch Jahre später nach der gelungenen Flucht Furcht vor der Verfolgung der Stasi hatten, ist verständlich. Neben der Vergangenheitsgeschichte stellt die Autorin empathisch, aber ungeschönt, die Demenzerkrankung ihres Vaters im Gegenwartsteil heraus und lässt den Leser mit der Familie gemeinsam unter den gravierenden Auswirkungen leiden.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt, bestechen durch glaubwürdige menschliche Ecken und Kanten und wirken auf den Leser sehr authentisch und wirklichkeitsgetreu. Gespannt mischt er sich unter sie, um sie bei ihrem Lebensweg ein Stück zu begleiten und mit ihnen zu fiebern. Britta ist eine gestresste Kochbuchautorin, die ihrer Mutter hilfsbereit unter die Arme greift. Lange verdrängt sie die Anzeichen bei ihrem Vater, doch kann sie es irgendwann nicht mehr ignorieren. Sie muss sich nicht nur mit der Krankheit ihres Vaters auseinandersetzen, sondern wird in dieser Zeit auch mit der Vergangenheit ihrer Familie konfrontiert. Ernst ist in jungen Jahren ein Macher mit dem Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit. Krank im Alter ist er unwirsch, manchmal sogar regelrecht aggressiv, dann wieder teilnahmslos und in Gedanken versunken. Leni hängt sehr an ihrer Familie und will diese nicht verlassen, aber ein Leben ohne ihre große Liebe Ernst kann sie sich auch nicht vorstellen. Als gealterte Frau wirkt Leni ängstlich und gleichzeitig fordernd gegenüber ihren Kindern. Brittas Geschwister spielen ebenfalls untergeordnete Rollen sowie einige andere Protagonisten.
„Die vergessene Heimat“ ist eine berührende, spannende und sehr offen dargebotene Familiengeschichte, die nicht nur die letzten Tage vor dem Mauerbau der DDR und die Flucht sehr plastisch beschreibt, sondern auch die Gegenwart mit den Folgen einer Demenzerkrankung ungeschönt offenbart. Der aussagekräftige Titel ist praktisch Programm. Ein besonderer Dank gilt hierbei der Autorin für ihre Offenheit! Absolute Leseempfehlung für eine einfühlsame und doch realistische Darstellung der jeweiligen Ereignisse!

Veröffentlicht am 09.04.2021

“Das Leben wird vorwärts gelebt,. aber rückwärts begriffen”. (Sören Kierkegaard)

Das Haus des Leuchtturmwärters
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1992 Lützow/Mecklenburg-Vorpommern. Die Thrillerautorin Franzi möchte ihrer Schreibblockade entfliehen und reist dafür an den geliebten Ort ihrer Kindheit, dem ehemaligen Haus ihres Vaters direkt auf dem ...

1992 Lützow/Mecklenburg-Vorpommern. Die Thrillerautorin Franzi möchte ihrer Schreibblockade entfliehen und reist dafür an den geliebten Ort ihrer Kindheit, dem ehemaligen Haus ihres Vaters direkt auf dem Hügel am Leuchtturm. Dort hofft sie, ihre Gedanken wieder in die Spur zu bringen und ihrer Kreativität auf die Sprünge zu helfen, um den Abgabetermin für ihr neues Buch vielleicht doch noch einhalten zu können. Doch all dies gerät in den Hintergrund, als Franzi in ihrem ehemaligen Kinderzimmer unter einer Bodendiele ein Tagebuch findet, dass sie mit seinem Inhalt in die Welt von Else mitnimmt, die 30 Jahre zuvor dort allein mit ihrem Vater gelebt hat…
Kathleen Freitag hat mit „Das Haus des Leuchtturmwärters“ einen wunderschönen Roman vorgelegt, der sich über zwei Zeitebenen erstreckt, die geschickt miteinander verwebt wurden und anhand der deutsch-deutschen Vergangenheit und ihrer Protagonisten zwei Seiten einer Medaille zeigen. Der flüssige, bildgewaltige und empathische Erzählstil lässt den Leser mal an die Seite von Franzi im Jahr 1992 gleiten, mal an die von Elsa, Lulu und Otto im Jahr 1962. Über wechselnde Perspektiven wird ihm dabei nicht nur eine interessante und spannende Spurensuche in der vermeintlichen Gegenwart geboten, sondern er taucht auch in der Vergangenheit in ein politisches Regime ab, dass seine Bürger bis ins kleinste Detail gängelte, bespitzelte und regelrecht in Geiselhaft hielt. Else, Lulu und Otto, die in der DDR aufgewachsen sind und sich innerlich immer mehr von dieser Regierung und seiner Ideologie entfernen, wollen unbedingt raus aus diesem Staat und ihr Leben in Freiheit genießen. Doch dafür müssen sie 40 Kilometer Ostsee überwinden. Allein den Dreien über die Schulter zu schauen, wie sie ihre aberwitzige Flucht planen, jagt den Leser durch eine wahre Gefühlsachterbahn aufgrund der Tatsache, was alles schiefgehen kann und was den jungen Leuten wohl widerfährt, sollten sie erwischt werden. Die dabei von der Autorin erschaffene atmosphärische Stimmung vermittelt auch dem Leser während der Lektüre das ständige Gefühl der Verfolgung und Überwachung und man erwartet regelrecht, im nächsten Moment aufzufliegen. Zusätzlich lässt Freitag den Leser teilhaben an Franzis Recherchen, was wohl aus den drei Fluchtschmiedenden geworden ist und dabei eigene Erinnerungsfetzen aus ihrer Kindheit sowie Dinge in den Unterlagen ihres Vaters hervorkramt, die ihr Rätsel aufgeben. Die Autorin baut ihre exzellente Hintergrundrecherche in die Geschichte mit ein, spielt mit der Aufmerksamkeit des Lesers, schraubt die Spannung immer weiter in die Höhe und gibt ihm das Gefühl, auf beiden Handlungssträngen hautnah dabei zu sein, während er atemlos durch die Seiten fegt.
Glaubwürdig und lebendig gestaltete Charaktere mit sehr menschlichen Zügen nehmen den Leser mit ihrer Authentizität sofort für sich ein, der sich ihnen nur zu gern anschließt und gemeinsam mit ihnen das gesamte Spektrum des Gefühlsbarometers durchleben darf. Franzi ist eine Frau am Scheideweg, die Ablenkung und Neubeginn sucht und die Vergangenheit findet. Elsa ist die Zurückhaltende, Pragmatische, die die Dinge von allen Seiten beleuchtet, bevor sie eine Entscheidung trifft. Sie leidet unter dem eher kühlen Verhältnis zu ihrem Vater, wünscht sich Weite und ein Leben in Freiheit. Ihre Freundin Lulu ist impulsiv und trägt ihr Herz auf der Zunge, was manchmal ganz schön gefährlich werden kann. Otto ist ein talentierter Musiker, der Lulu sein Herz zu Füßen gelegt hat und alles für sie tun würde. Aber gleichzeitig lässt er niemanden hinter die Fassade blicken.
„Das Haus des Leuchtturmwärters“ beschert dem Leser eine feinfühlige, atemberaubende Zeitreise, die neben Liebe, Freundschaft, Familie und Verrat auch einen akribisch recherchierten historischen Hintergrund bietet, der so lebhaft und aussagekräftig strahlt, dass die Lektüre für dauerhafte Gänsehautmomente sorgt. Einfach wunderbar, absolute Leseempfehlung! Chapeau – besser geht es nicht!

Veröffentlicht am 09.04.2021

"Mit den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon." (Jean de la Fontaine)

Alles, was noch vor uns liegt
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Durch einen tragischen Tauchunfall haben die Schwägerinnen Eva und Angela ihre Ehemänner verloren. Seitdem treibt Floristin Eva ruhe- und antriebslos durchs Leben, während Angela sich zwischen diversen ...

Durch einen tragischen Tauchunfall haben die Schwägerinnen Eva und Angela ihre Ehemänner verloren. Seitdem treibt Floristin Eva ruhe- und antriebslos durchs Leben, während Angela sich zwischen diversen Jobs und der Erziehung ihrer drei Kinder mehr als aufreibt und dabei kaum noch Luft zum Atmen hat. Um die Trauer endlich zu durchbrechen und hinter sich zu lassen, schlägt Eva Angela, anstelle ihrer verstorbenen Ehemänner beim Ultramarathon in Neuseeland zu starten und ihr Andenken so hochzuhalten. Angela, die das alles erst für eine Schnapsidee hält, lässt sich dann doch auf das Abenteuer ein. Gemeinsam mit ihren Kindern und Schwiegermutter Sherry mieten Angela und Eva sich in einem Haus am Wanaka-See ein, um dort drei Monate nicht nur zu trainieren und am Ende den Marathon zu bestreiten, sondern auch ihrer Gedanken- und Gefühlswelt freien Lauf zu lassen und neu zu sortieren. Unterstützung erhalten die beiden Frauen dabei durch Laufkamerad Marc sowie Journalist Simon...
Lindsey Harrel hat mit „Alles, was noch vor uns liegt“ einen berührenden Roman vorgelegt, der vor der atemberaubenden Kulisse Neuseelands die Trauerverarbeitung zweier Witwen sehr real und intensiv in Szene setzt. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil schubst den Leser regelrecht hinein ins Geschehen, wo er schnell Zeuge der überwältigenden Trauer von Eva, Angela sowie deren Kinder wird. Die beiden Frauen könnten vom Lebensstil und ihrer Wesensart nicht unterschiedlicher sein, ebenso differenziert gehen sie mit dem Tod ihres Ehemanns um. Während Eva den Verlust ihrer großen Liebe Brent kaum ertragen kann, als kreativer Mensch jegliche Farbe und Fantasie verloren hat und wie eine Schiffbrüchige umhertreibt, ist Angela in all ihrem Handeln und Tun die Wut auf ihren Mann Wes anzumerken, fühlt sie sich mit den Kinder doch durch seine Risikobereitschaft im Stich gelassen. Die Hintergrundkulisse Neuseelands ebenso wie die täglichen Trainingsvorbereitungen für den Marathon fordern mehr und mehr die Gefühle der beiden Frauen heraus, denen sie sich stellen müssen, um endlich wieder nach vorne sehen zu können. Obwohl sie vorher eher selten etwas miteinander zu tun hatten, schafft die Autorin hier eine interessante Ausnahmesituation, in der die Frauen sich immer mehr annähern, sich gegenseitig Vertrauen entgegenbringen und sich Sachen auf den Kopf zusagen. Wenn diese Tatsachen auch wehtun und nicht wahrgenommen werden wollen, so müssen beide doch bewusst erkennen, wie recht die jeweils andere mit ihren Aussagen hat. Auch die Trauer der Kinder ist gut in die Geschichte miteingebunden, die auf einmal nicht nur ihren Vater verloren haben, sondern anscheinend auch die Mutter, die seitdem kaum noch lacht oder wirklich Zeit hat für sie. Der christliche Aspekt wurde sehr unaufdringlich in die Handlung integriert und bietet ein breites Spektrum von Schuld, Vergebung, Trauerverarbeitung, Selbstliebe, Vertrauen und Zuversicht.
Die Charaktere glänzen mit Lebendigkeit und Facettenreichtum, wirken wie reale Personen mit Ecken und Kanten, sodass der Leser sich gut mit ihnen identifizieren und mitfiebern kann. Eva ist eine Künstlerseele, offen und eher unbeschwert, doch die Trauer hat sie in ein Loch gezogen, wo es keine Farben mehr gibt. Aber sie ist eine Kämpfernatur, die sich auch unter widrigsten Umständen durchbeißt. Angela wirkt konstant unterkühlt, unwirsch und wütend, selbst ihren Kindern gegenüber. Innerlich hadert sie nicht nur mit sich selbst, sondern hat vor allem Angst. Sherry ist eine wunderbare Schwiegermutter mit viel Wärme und Weisheit, ebenso Joanne. Marc ist ein liebenswerter Kerl, auf den man sich immer verlassen kann. Simon hat das Herz am rechten Fleck und erfasst die Lage immer auf den Punkt. Kylie ist ein Teenager, der einiges verkraften muss, allerdings manchmal mehr bemerkt, als ihre Mutter wahrhaben will.
„Alles, was noch vor uns liegt“ nimmt den Leser mit ins atemberaubende Neuseeland, vor dessen Kulisse ihm die Seelen- und Gefühlswelt zweier Witwen offenbart wird, die ihn durch eine Achterbahn der Gefühle jagen. Verdiente Leseempfehlung für eine einfühlsame und empathische Erzählung.

Veröffentlicht am 08.04.2021

"Let us not take ourselves too seriously." (Queen Elizabeth II)

Die Queen
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Die 95-jährige Queen Elizabeth II ist mit ihren 70 Jahren auf dem Thron des britischen Empire die dienstälteste Monarchin der britischen Geschichte und gleichzeitig hält sie auch den Rekord der längsten ...

Die 95-jährige Queen Elizabeth II ist mit ihren 70 Jahren auf dem Thron des britischen Empire die dienstälteste Monarchin der britischen Geschichte und gleichzeitig hält sie auch den Rekord der längsten Amtszeit aller derzeit lebenden Monarchen.
Die Journalistin Paola Calvetti hat mit ihrem Buch „Die Queen: Elizabeth II – Porträt einer Königin“ eine außergewöhnlich unterhaltsame Biografie vorgelegt, die Elizabeth II nicht nur als Regentin porträtiert, sondern auch sehr menschlich wirken lässt. Die Queen, das bisher privat doch recht unbekannte Wesen, wird hier dem Leser auf eine feine und ansprechende Art präsentiert, die gleichzeitig das Gefühl entstehen lässt, dass man der Souveränin an einem Banketttisch gegenübersitzt und ihrem Geplauder zuhört.
Flüssig, mit unterschwelligem Witz und Charme arbeitet sich Clavetti von der Kindheit bis zur Gegenwart der Queen vor und lässt dem Leser nicht nur einige bisher unbekannte Details der Monarchin zukommen, sondern würzt diese gleichzeitig auch mit Fotografien der jeweiligen Zeitepochen, die von berühmten Fotografen wie Beaton, Leibovitz, Brian Adams, Lord Snowdon (dem Ex-Mann von Elizabeths Schwester Margaret) und vielen mehr stammen. Calvetti hat exzellent recherchiert, der Leser merkt ihr ihre Passion für die Regentin an, während er sich von ihr mit vielen kleinen Details ins Bild setzen lässt.
„Die Queen: Elizabeth II – Porträt einer Königin“ kann man all jenen ans Herz legen, die sich schon immer gern mehr für die Dinge hinter den Kulissen interessiert haben. Aber auch die große Fans der Monarchin kommen bei diesem Buch auf ihre Kosten. Sehr fein und stilvoll in Szene gesetzt, bravo! Absolute Empfehlung!