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Veröffentlicht am 06.10.2019

Die etwas andere Art, sich eines Problems zu entledigen.

Schräge Vögel singen nicht
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Mit „Schräge Vögel singen nicht“ legt Lars Lenth einen Roman vor, bei dem der Titel Programm ist, präsentiert er sich doch in vielerlei Hinsicht „schräg“. Erschienen ist dieser 288-seitige Roman im September ...

Mit „Schräge Vögel singen nicht“ legt Lars Lenth einen Roman vor, bei dem der Titel Programm ist, präsentiert er sich doch in vielerlei Hinsicht „schräg“. Erschienen ist dieser 288-seitige Roman im September 2019 bei Limes. Laut Verlag handelt es sich hierbei um den zweiten Fall für den eher erfolglosen, nichtsdestotrotz sympathischen Rechtsreferendar Leo Vangen, in Norwegen jedoch erschien dieser vor dem schon im vorangegangenen Jahr in Deutschland herausgebrachten Roman „Der Lärm der Fische beim Fliegen“.
Leo Vangen lebt als langjähriger Rechtsreferendar, der es nicht schafft, seine Anwaltszulassung zu erlangen, ein ruhiges und halbwegs zufriedenes Leben im Haus seiner Eltern auf Bærum, der Insel der Schönen und Reichen vor Oslo. Als der seit Langem krankgeschriebene Markisenhändler Trond Bast beim Angeln jedoch statt eines Fisches ein Ohr am Haken hat, ist es mit der Beschaulichkeit vorbei. Später soll sich herausstellen, dass es sich bei dem Ohr um das Körperteil eines polnischen Bauarbeiters handelt. Gemeinsam mit seiner ehemaligen „Flamme“ Mariken macht Leo sich daran, dem Verbrechen auf die Spur zu kommen – und stößt dabei auf an Netz von Korruption, Geldgier und Brutalität.
Er ist hart umkämpft, der Grundstücks- und Immobilienmarkt vor den Toren von Norwegens Hauptstadt Oslo – das bekommen die Charaktere in diesem Roman zu spüren. Und es wird mit harten Bandagen gekämpft: Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte, Naturschutz – all dies spielt für die Spekulanten keine Rolle. Vor nichts schrecken sie zurück, wenn es darum geht, eigene Interessen durchzusetzen, seien es Fäkalien in Briefkästen, Entführung oder gar zerstückelte Leichen, die später als Vogelfutter dienen.
Dafür, dass dieses Schreckensszenario jedoch den Leserinnen und Lesern nicht allzu sehr an die Nieren geht, sorgt die Skurrilität der Charaktere. Alle in diesem Roman, mit Ausnahme von Mariken vielleicht, sind irgendwie kurios. Da ist zum einen Leo, der es trotz guter Voraussetzungen nicht schafft, etwas aus seinem Leben zu machen, und erst einen Mord braucht, um aus seiner Lethargie herauszukommen - dann aber zeigt er ungebremsten Einsatz und setzt sich, gleich einem Robin Hood, für die Rechte der zu kurz Gekommenen ein. In Rino und Nils begegnen uns zwei Möchtegern-Gangster, deren Einsatz stets in einem Desaster endet, bis - ja bis Nils wirklich Blut leckt. Am besten gefallen hat mir jedoch die Darstellung des Immobilienhais Terje Klavenes, den Lenth sehr pointiert als Neureichen par excellence charakterisiert, und der gegen Ende des Romans auch feststellt, dass das Töten „die effektivste Art und Weise, ein Problem zu lösen“, (S. 208) ist.
Neben den schon oben erwähnten Immobilienspekulationen und der Ausbeuterei sind – damit zusammenhängend – Natur- bzw. Umweltschutz sowie die westliche Arroganz gegenüber dem vermeintlich zurückgebliebenen Osteuropa Themen dieses Romans. Dass man aber trotz aller Widrigkeiten nicht die Hoffnung aufzugeben braucht, beweisen Leos uneigennütziger Einsatz sowie Rinos und Basts Entwicklung. Ebenfalls der lockere Erzählton Lenths sowie die teils sehr rasante Handlung tragen dazu bei, das ernste Grundthema und die Brutalität mit einem Augenzwinkern zu betrachten.
Ein wenig negativ aufgestoßen ist mir beim Lesen, dass Humor und „Geschlechtsteile“ für viele heutzutage zusammenzugehören scheinen. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Mir hat die Lektüre dieses Romans insgesamt viel Spaß bereitet, allerdings sollte man, wenn man zu diesem Buch greift, offen sein für schwarzen, derben Humor und nicht alles für bare Münze nehmen. Dann aber kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen.

Veröffentlicht am 12.09.2019

Ein Wolf im Schafspelz übelster Art

Brennendes Grab
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Zum zehnten Mal ermittelt Kate Burkholder in „Brennendes Grab“ von Linda Castillo in der Welt der Amish-People. Erschienen ist dieser 352-seitige Thriller im Juli 2019 als Fischer-Taschenbuch.
Der 18-jähige ...

Zum zehnten Mal ermittelt Kate Burkholder in „Brennendes Grab“ von Linda Castillo in der Welt der Amish-People. Erschienen ist dieser 352-seitige Thriller im Juli 2019 als Fischer-Taschenbuch.
Der 18-jähige Daniel Gingerich verbrennt eines Nachts in einer Scheune auf dem väterlichen Hof. Als sich herausstellt, dass es sich um Brandstiftung handelt und der junge Mann in der Scheune eingesperrt wurde, beginnt Kate zu ermitteln. Das Rätselhafte: Daniel war ein beliebtes, fleißiges und treues Gemeindemitglied. Doch je tiefer Kate bohrt, je weiter ihre Ermittlungen voranschreiten, desto bröckeliger wird dieses Bild. Wer war Daniel wirklich? Und wer hat ihn so gehasst, dass er seinen Tod wünschte?
Wer Castillos Burkholder-Thriller kennt, wird feststellen, dass sie stets nach demselben Schema ablaufen: In einer Amisch-Gemeinde wird ein Verbrechen begangen, und im Laufe der Recherchen stellt sich heraus, dass auch in dieser äußerlich frommen Gemeinschaft nicht alles Gold ist, was glänzt. Doch im Gegensatz zu anderen Kreisen, stoßen die Ermittler/innen hier auf eine besonders standhafte Mauer des Schweigens. Gerade der letzte Punkt hat zur Folge, dass es in diesen Thrillern auch viel zu lernen und erfahren gibt über diese doch etwas geheimnisumwitterte Glaubensgemeinschaft. Und trotz der tiefen Abgründe, die sich immer wieder auftun, kommen die Amish-People am Ende nicht schlecht weg. Die Thriller sind, wie das Leben selbst, nicht schwarz-weiß-gemalt, sondern eben grau. Schwarze Schafe gibt es überall.
Dieser Roman beginnt mit einem Selbstmord, der einige Monate zurückliegt. Nach einem Sprung in die Gegenwart werden dezidiert die Brandstiftung und der Mord geschildert. Hier baut sich ein Spannungsbogen auf, der während der Ermittlungsarbeiten durchgängig zu spüren ist und durch sich langsam offenbarende Motive sowie entsprechende Überraschungsmomente immer wieder neue Impulse erfährt. Je mehr Leser/innen und Ermittlerin über Daniel erfahren, desto deutlicher wird das Mordmotiv, und der Bezug zum Prolog wird ersichtlich. Auch wenn die Hintergründe der Tat bald darauf ersichtlich sind und der Täter festzustehen scheint, gelingt es der Autorin noch einmal durch eine nervenaufreibende Szene gegen Ende, die Lesenden zu überraschen und somit für einen unvorhergesehenen Ausgang zu sorgen.
Im Zentrum dieses Thrillers steht das Leben der Heranwachsenden mit seinen Höhen und Tiefen, die Zeit des „Rumspringa“ und den damit zusammenhängenden ersten sexuellen Erfahrungen sowie der Suche nach Liebe. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
Da es sich um eine Reihe handelt, spielt auch immer wieder das Privatleben der Protagonistin eine Rolle. Dabei gelingt es Castillo aber gut, Bekanntes für die Kenner/innen so einzuflechten, dass sie sich nicht langeweilen, und Neulingen gleichzeitig alles Wissenswerte zu unterbreiten. Beide Kreise sind also gut bedient.
Castillos Sprache ist auch dieses Mal wieder flüssig und schnörkellos zu lesen, sodass man beim Lesen flott voranschreitet und sich voll und ganz auf den Inhalt konzentrieren kann. Das Besondere an diesem Buch sind ein weiteres Mal die Wendungen, die im Pennsylvania Deitsch verfasst sind, und die mir immer wieder Freude bereiten. Aber keine Sorge: Die Übersetzung folgt stets auf den Fuß, auch wenn vieles für Deutsche verständlich ist.
Für Krimi- und Thriller-Fans ist auch dieser Band wieder zu empfehlen, ist er doch solide gebaut und spannend zu lesen.

Veröffentlicht am 05.09.2019

Das Geheimnis des Kastanienmanns

Der Kastanienmann
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Als Drehbuchautor schon bekannt, legt Søren Sveistrup mit „Der Kastanienmann“ nun auch sein Thrillerdebüt vor. In Deutschland ist dieser in Dänemark als Bestseller gefeierte, 608-seitige Roman im August ...

Als Drehbuchautor schon bekannt, legt Søren Sveistrup mit „Der Kastanienmann“ nun auch sein Thrillerdebüt vor. In Deutschland ist dieser in Dänemark als Bestseller gefeierte, 608-seitige Roman im August 2019 bei Goldmann erschienen.
Ich habe dieses Jahr schon mehrere Krimis oder Thriller aus dem Norden mit dem Prädikat „Bestseller“ gelesen – und war doch eher enttäuscht. Nicht so jedoch bei diesem Buch.
Naia Thulin und ihr neuer Kollege Mark Hess, der gerade von Europol „freigestellt“ wurde, werden an einem unwirtlichen Herbstabend in Kopenhagen zu einem verstörenden Tatort gerufen. Das Opfer ist eine junge Frau, die auf brutale Art ermordet wurde; über ihr hängt ein kleines Kastanienmännlein. Zurück lässt sie Kind und Lebensgefährten. Die Ermittler/innen tappen im Dunkeln, scheint es sich hier doch um eine fast perfekte Familie gehandelt zu haben. Dann aber finden sie auf einer Kastanie den Fingerabdruck von der vor einem Jahr entführten und vermeintlich ermordeten Kristine, Tochter der dänischen Sozialministerin. Als auch noch weitere Morde geschehen nach demselben Muster, werden langsam Zusammenhänge klar, die zurück in die Vergangenheit führen.
Der Thriller beginnt spannend und sehr düster mit einer Reise in die Vergangenheit. Auf einem abgelegenen Gehöft kommt es zu einem Familiendrama, bei der fast alle Mitglieder und sogar ein Polizist ums Leben kommen. Dieser Abschnitt ist atmosphärisch dicht, bedrückend und sehr plastisch beschrieben, sodass man von dem Drama gleich gefangen ist. Hier werden schon das erste Mal die Kastaniemännchen erwähnt, die Leserinnen und Lesern dann auch in der Gegenwart begegnen und sie den ganzen Thriller hindurch begleiten. Der Titel des Buches ist eben Programm.
Auch die Leichenfunde und die Ermittlungsarbeiten im weiteren Verlauf sind sehr packend und eindrücklich zu lesen, warten mit verschiedenen Motiven und Verdächtigen, überraschenden Wendungen und einer unerwarteten Auflösung des Falls auf, die aber dennoch absolut logisch und verständlich erscheint. Am Ende wird auch die Geschichte der Täter/innen erzählt, sodass man ihr Motiv gut nachvollziehen kann.
In diesem Hauptteil des Romans zeigt Sveistrup, dass er sein Handwerk versteht. Natürlich ist der Thriller mit 600 Seiten recht lang, recht ausführlich wird auch auf Hess‘ Geschichte eingegangen, was streckenweise vom eigentlich Geschehen ablenkt und für eine gewisse Langatmigkeit sorgt, aber insgesamt dominieren eindeutig das Rätselhafte und Dunkle. So lässt einen die Geschichte während des Lesens nicht mehr los. Auch wenn mir von Anfang an klar war, das es einen Bezug zum einleitenden Kapitel gibt, habe ich doch sehr lange gerätselt, wer denn nun der Mörder ist und was es mit den Figuren auf sich hat – und war am Ende wirklich überrascht.
Doch nicht nur die Brutalität und das Finstere sind typisch nordisch, sondern auch die Figuren selbst, die detailliert dargestellt sind. Dieses gilt insbesondere für Kommissar Mark Hess, denn ebenfalls in ihm schlummert ein Geheimnis, das sein Leben beeinflusst und ihn zu einem unsteten Charakter macht.
Faszinierend finde ich an skandinavischen Thrillern und Krimis (im weitesten Sinne) immer wieder das Gesellschaftsbild, welches diese transportieren. Gilt insbesondere bei uns in Deutschland diese europäische Region als die gerechteste und lebenswerteste, vermittelt die dortige Literatur doch oft ein anderes Bild. So werden auch in diesem Buch – eingebettet in das Romangeschehen selbstverständlich – eine Gesellschaft und eine Politik präsentiert, in denen keinesfalls alles Gold ist, was glänzt.
Alles in allem hat Søren Sveistrup mit „Der Kastanienmann“ einen Thriller geschrieben, der zwar einige Längen hat, der jedoch trotzdem dramatisch von Anfang bis Ende ist und Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht. Ich persönlich würde mich freuen, noch mehr von ihm zu lesen.

Veröffentlicht am 04.09.2019

Der Kalte Krieg war Geschichte, aber seine Granatsplitter waren noch überall.

Dead Lions
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Mit seinen „Slow Horses“ hat Mick Herron die wohl derzeit ungewöhnlichste Agententruppe in der Spionageliteratur geschaffen. Zum zweiten Mal ermitteln sie in „Dead Lions. Ein Fall für Jackson Lamb“; dieser ...

Mit seinen „Slow Horses“ hat Mick Herron die wohl derzeit ungewöhnlichste Agententruppe in der Spionageliteratur geschaffen. Zum zweiten Mal ermitteln sie in „Dead Lions. Ein Fall für Jackson Lamb“; dieser 480-seitige Spionagethriller ist im August 2019 bei Diogenes erschienen.
Vom MI5 aufs Abstellgleis gestellt, warten die Agenten der „Slow Horses“ auf ihren großen Coup – in der Hoffnung, daraufhin wieder am Regent’s Park residieren zu dürfen. Und zum wiederholten Mal ergibt sich für sie die Chance, sich zu profilieren: Zwei von ihnen erhalten den Auftrag, einen russischen Oligarchen zu schützen. Dass dieses keine leichte Aufgabe, ja sogar lebensgefährlich ist, wird schnell klar. Etwa zeitgleich geht ihr Chef, Jackson Lamb, dem plötzlichen Tod eines ehemaligen Kollegen aus Berliner Zeiten nach und stößt dabei auf die Dead Lions, die russischen Schläfer aus den Zeiten des Kalten Krieges. Nach und nach ergeben sich Zusammenhänge zwischen den beiden Fällen, und mit vereinten Kräften arbeitet die Truppe daran, eine drohende Katastrophe zu verhindern.
Es gibt Themen, die immer gut für einen Spionagethriller sind und international zu den Klassikern zählen – so auch der Kalte Krieg, zu dem es in der Literatur unzählige Werke gibt. Mick Herron geht dieses Thema auf die eher witzige Art und Weise an – was nicht heißen soll, dass es an Spannung und Rasanz fehlt – und stellt es in einen Zusammenhang mit heutigen Begebenheiten.
Der Einstieg in die Lektüre fiel mir nicht eben leicht, da ich Probleme hatte, die Figurenkonstellationen und Zusammenhänge zu durchschauen. Bei Ersterem erwies sich die Personenliste zu Beginn des Buches, auf die ich gerne zurückgriff, als sehr hilfreich. Außerdem – und das sei sehr positiv angemerkt – führt Leserinnen und Leser zu Beginn der Handlung eine fiktive Katze durch das „Slough House“, in dem die Slow Horses ihren Sitz haben, und macht sich so ihre Gedanken über die dort Arbeitenden. Zudem ist die am Ende auftauchende, ebenfalls fiktive Maus erfrischend, welche die Lage der Agenten am Ende des Falls eruiert – Spionage als Katz- und Mausspiel im wahrsten Sinne des Wortes. Die Zusammenhänge zu erkennen, benötigt einfach Konzentration, denn eines ist dieses Buch bestimmt nicht: eine einfache Lektüre. Man sollte beim Lesen auf Details achten und bei der Stange bleiben. Ein wenig fehlte es mir zu Beginn auch an Spannung, ab dem zweiten Viertel nimmt der Spannungsbogen indes gewaltig zu, es werden Fährten aufgenommen und wieder ad acta gelegt; in der zweiten Hälfte überschlagen sich die überraschenden und dramatischen Ereignisse dann, sodass man das Buch kaum zur Seite legen mag. Gerade das Ende ist überaus fulminant und verblüffend, aber nichtsdestotrotz nachvollziehbar.
Alle Charaktere in diesem Roman haben ihre Schrullen, ihre Ecken und Kanten, sind aber dennoch durchweg liebevoll gezeichnet. Jackson Lamb scheint auf den ersten Blick ein ungehobelter, heruntergekommener Kerl zu sein, der seine Untergebenen schikaniert, wo er nur kann. Später entpuppt er sich als gewiefter Agent, der Zusammenhänge entdeckt, wo niemand sie vermutet, und seine Mitarbeiter verteidigt wie eine Löwenmutter ihre Jungen. Im Laufe der Lektüre gewinnt er zusehends an Sympathie. Aber auch alle anderen Agent/innen präsentieren sich im Verlauf der Recherche als aufgeweckter als anfangs angenommen – man muss sie nur wachkitzeln. Besonders gefallen haben mir persönlich der IT-Spezialist Roderick Ho, der das an anderen kritisiert, was er selbst praktiziert, nämlich den Aufbau einer Scheinpersönlichkeit im Netz, sowie River Cartwright, der sich die Ratschläge seines Großvaters und Ex-Agenten, O.B., sehr zu Herzen nimmt. Man sieht: Hier sind Vergangenheit und Gegenwart vereint.
Der Roman ist gespickt von scharfsinnigem Humor und Wortwitz. Gerade in Bezug auf Lamb selbst ist der Humor sehr britisch, teils ist er auch eher deftig, jedoch dient er immer wieder dazu, vergangene und aktuelle Ereignisse und Gegebenheiten zu hinterfragen.
Insgesamt handelt es sich bei „Dead Lions“ um einen nervenaufreibenden, witzigen und geistreichen Thriller, der mehr zu bieten hat als andere Vertreter dieses Genres. Man kann einfach nur hoffen, dass auch die weitern Bände dieser Reihe ins Deutsche übersetzt werden.

Veröffentlicht am 27.08.2019

Wie das Leben so spielt.

Alles richtig gemacht
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Mit „Alles richtig gemacht“ legt Gregor Sander einen spritzigen Roman vor, der Leserinnen und Leser in die jüngere deutsche Geschichte entführt und zudem auf sehr muntere Art und Weise unterhält. Das Buch ...

Mit „Alles richtig gemacht“ legt Gregor Sander einen spritzigen Roman vor, der Leserinnen und Leser in die jüngere deutsche Geschichte entführt und zudem auf sehr muntere Art und Weise unterhält. Das Buch ist im August 2019 bei Penguin erschienen und umfasst 240 Seiten.
Thomas und Daniel sind Freunde seit Kindertagen. In den Achtzigern in Rostock aufgewachsen, erleben sie die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung in Berlin … und kosten dies natürlich aus. Bis Daniel eines Tages Deutschland verlassen muss – mit Thomas‘ Reisepass. Zehn Jahre später platzt Daniel plötzlich wieder in das Leben seines Freundes, der nun Anwalt und Familienvater ist – und bringt damit Thomas‘ Leben durcheinander, das momentan sowieso schon ein einziges Tohuwabohu ist, denn kürzlich haben Frau und Kinder ihn scheinbar grundlos verlassen … und Thomas steht vor einem Rätsel.
Schon das Cover macht Lust auf den Roman: goldene Schrift, die an die Funken einer Wunderkerze erinnert, auf schwarzem Grund. Und als genauso erfrischend, wie das Cover daherkommt, entpuppt sich auch der Roman.
Die Protagonisten stammen aus häuslichen Verhältnissen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Thomas aus eher gut bürgerlichen Verhältnissen, sein Vater geht davon aus, dass er auch in der DDR den familieneigenen Drogerieladen weiterführen wird, Daniel indes wächst in Rostocks „Nachtjackenviertel“ als uneheliches Kind eines Chefarztes und einer Schwesternschülerin auf – mehr Klischee geht wohl kaum. Und doch, es geht: Sander arbeitet in seinem Roman viel mit Klischees, sei es das Bild, das Thomas als Anwalt abgibt, sei es das Bild, das man von seinen Klienten hat, um nur einige Beispiele zu nennen. Damit gelingt es dem Autor immer wieder, ältere wie aktuelle Debatten aufs Tapet zu bringen – aber stets mit einem Augenzwinkern, was Leserinnen und Leser des Öfteren zum Staunen und Lachen bringt.
Doch auch Dramatisches hat der Roman zu bieten: Während die Freunde ihre Jugendzeit genießen, bekommen Thomas‘ Eltern die Härte des Kapitalismus, einst herbeigesehnt und gefeiert, voll zu spüren. Überhaupt gelingt es Sander sehr geschickt, historische Ereignisse und fiktive Handlung miteinander zu verknüpfen. So nutzen die Freunde die gewonnene Reisefreiheit aus, gewinnen auch trotz allem dem Kapitalismus auf nicht ganz legale Weise etwas ab, begegnen am Rande von Lichtenhagen Neonazis und werden mit der Gewalt während des G8-Gipfels in Heiligendamm konfrontiert.
Die von dem Ich-Erzähler, Thomas, geschilderte Handlung wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Das aktuelle Geschehen, in dem es um Thomas familiäre und berufliche Situation sowie Daniels plötzliches Auftauchen geht, wird immer wieder unterbrochen von Rückblenden in die Vergangenheit, die dabei chronologisch nach Jahrzehnten gegliedert sind und von den Achtzigerjahren bis in das erste Jahrzehnt unseres Jahrhunderts reichen.
Sanders Schreibstil ist locker-flockig und flüssig zu lesen, man hat das Gefühl, der Erzähler unterhalte sich mit den Leser/innen. Gespickt ist alles mit einem trockenen Humor, der einen beim Lesen ab und an stutzen und darüber nachdenken lässt, wie das Geschriebene denn nun gemeint ist.
Lediglich das Ende des Romans, das an sich offen ist, konnte mich nicht 100%-ig überzeugen, da es doch sehr abrupt kommt und mit einer Flut an Informationen aufwartet, die an sich noch einer weiteren Erläuterung wert wären.
Für Leser/innen wie mich, die dem Alter der Protagonisten in etwa entsprechen, ist dieser Roman eine wunderschöne und kurzweilige Reise zurück in die Jugend und das junge Erwachsenenalter. Für jüngere bietet er zeitgeschichtliche Einsichten, die unterhaltsam zu lesen sind und Einblicke in einen Zeitgeist bieten. Von mir gibt es für dieses Buch überzeugende vier Lesesterne und eine wärmste Leseempfehlung.