Profilbild von Eternal-Hope

Eternal-Hope

Lesejury Star
offline

Eternal-Hope ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Eternal-Hope über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.11.2025

Über tiefen Schlaf und eine augenöffnende Rolle

In deinem Schlaf
0

Manche Bücher sind in ihrer Einzigartigkeit ganz besonders, weil man so ein ähnliches Buch noch nie gelesen hat. Das kann sich auf die Inhalte genauso beziehen wie auf die Erzählweise. „In deinem Schlaf“ ...

Manche Bücher sind in ihrer Einzigartigkeit ganz besonders, weil man so ein ähnliches Buch noch nie gelesen hat. Das kann sich auf die Inhalte genauso beziehen wie auf die Erzählweise. „In deinem Schlaf“ von Ekaterine Togonidze ist so ein Buch. Es stellt uns eine Welt vor, die mitteleuropäischen Leserinnen und Lesern in vielem fremd vorkommen wird: nicht nur handelt das Buch von Menschen im modernen Georgien, das sowieso schon für viele Deutschsprachige ein eher weißer Fleck auf der Landschaft ist. Auch geht es um Themen, die wenig im Scheinwerfer der mitteleuropäischen Berichterstattung stehen: eine geschickte Verwebung der persönlichen und transgenerationalen Traumatisierungen als Folge des Abchasienkriegs in den 1990ern mit einem Familiendrama in der heutigen Zeit, bei dem ein Mädchen nach einem Schock des Allein-Gelassen-Werdens während eines Erdbebens in einen tiefen koma-ähnlichen Schlaf fällt.

Für dieses medizinische Phänomen gibt es einen Namen: es handelt sich um das Resignationssyndrom und es tritt hauptsächlich bei Flüchtlingskindern auf, deren Aufenthaltsstatus ungeklärt ist und die sich psychisch so tief verunsichert fühlen, dass sie unbewusst aus dieser gefährlichen Welt flüchten wollen, sodass ihr Bewusstsein sich auf unbestimmte Zeit verabschiedet.

Nia Kandelaki ist eine junge georgische Schauspielerin Anfang 30, verheiratet mit Demna, den sie eigentlich sehr liebt und der als Kind in den 1990ern mit einer Verwandten aus Abchasien in einen anderen Teil Georgiens flüchten musste. Vordergründig scheint Demna mit beiden Beinen fest im Leben zu stehen, ist ein liebevoller Ehemann und Vater, geduldig und großzügig. Doch, für Nia als Mutter absolut unbegreiflich und unverzeihlich, hat er ausgerechnet, als es wirklich darauf angekommen wäre, als Vater in ihren Augen komplett versagt: als ein Erdbeben die Stadt erschütterte, ist er einfach davongelaufen und hat seine Tochter Gabriela alleine in der bebenden Wohnung zurückgelassen. Diese wurde körperlich zum Glück nicht verletzt, ist aber aufgrund des Resignationssyndroms nach dem Schock des Allein-Gelassen-Werdens in einen tiefen Schlaf verfallen, aus dem sie seit einem halben Jahr nicht aufgewacht ist.

Nia hat Demna wütend aus der Wohnung geworfen, hält die schlafende Tochter von ihm fern und will sich von ihm trennen. Selbst kümmert sie sich aufopferungsvoll – teilweise mit Unterstützung einer Pflegerin und ihrer Mutter für die Zeit, wenn sie selbst arbeiten muss –

Tag und Nacht um die Pflege der bewusstlosen Gabriela, während sie gleichzeitig versucht, den Lebensunterhalt der Familie zu sichern und für Rollen in ihrem Beruf als Schauspielerin vorsprechen geht. Da wird ihr überraschend tatsächlich eine wichtige Hauptrolle angeboten: die der Anna, einer jungen abchasischen Flüchtlingsfrau in den 1990ern, die aus eben dem Krieg flieht, aus dem auch Nias Mann Demna als Kind geflohen ist, worüber sie aber nie miteinander gesprochen haben.

Über weite Teile des Buches wechselt die Geschichte zwischen den zwei scheinbar unverbundenen Settings, die doch in der Tiefe so viel miteinander zu tun haben, was sich immer mehr zeigt: einerseits Nia in ihrer Rolle als Mutter, die sich um die schlafende Gabi kümmert. Andererseits Nia in ihrer Rolle als Schauspielerin, die die flüchtende und vom Krieg gezeichnete Anna spielt, und in dem sehr authentischen Filmsetting unter physischen und emotionalen Belastungen ein wachsendes Verständnis dafür entwickelt, was es bedeuten kann, alles zurücklassen und verzweifelt unter Lebensgefahr über die eisigen Berge flüchten zu müssen.

Wie wird sich diese Entwicklung Nias auf das Verhältnis auf ihre eigene Persönlichkeit, aber auch auf das Verhältnis zu ihrer Familie auswirken? Wie geht es mit ihrer Ehe weiter? Was liegt hinter Demnas scheinbar rätselhaftem, so rücksichtslos wirkendem Verhalten während des Erdbebens? Und gibt es Hoffnung für die kleine Gabriela, jemals wieder aus ihrem komatösen Zustand zu erwachen?

Mit all diesen Fragen und noch vielen weiteren beschäftigt sich dieses Buch. Wir lesen es aus Nias Perspektive und sind ganz nah an ihrer Wahrnehmung dran. Nia ist eine sehr fleißige, engagierte Frau, eine besorgte, aufopferungsvolle Mutter und tüchtige Schauspielerin. Besonders empathisch und mitfühlend ist sie erst einmal nicht, doch macht sie im Laufe des Buches durchaus eine interessante Entwicklung durch.

Insgesamt ist es ein spannendes Psychogramm einer jungen Frau, die in vielem kulturell sicherlich ganz anders geprägt ist, als wir es aus Mitteleuropa kennen, und noch viel mehr als das: ein Buch, das nachdenklich macht und aufrüttelt in Bezug auf die Wunden, die durch Kriege und die damit verbundenen Traumatisierungen auch in diesem Moment so vielen Menschen zugefügt werden und die noch jahrzehntelang Auswirkungen nicht nur auf diese Menschen selbst, sondern durch das Phänomen der transgenerationalen Traumatisierung und familiären Weitergabe von destruktiven Mustern auch auf ihre Nachfahren haben.

Das Buch liest sich unglaublich spannend und hat auf mich einen richtigen Sog ausgeübt beim Lesen: atemlos habe ich die Geschichte immer weiterverfolgt und beide Erzählstränge – sowohl der rund um die schlafende Gabi als auch das sehr anschaulich geschilderte Filmsetting am inszenierten Kriegsschauplatz – haben mich überzeugt, fasziniert und gefesselt. Auch sprachlich ist das Buch besonders: in einer Dichte und Eindringlichkeit geschrieben, die ihresgleichen sucht.

Hier Sprachbeispiele aus beiden Abschnitten:

Nia als aufopferungsvolle Mutter und ihr innerer und zum Teil auch hörbar verbalisierter Monolog an die schlafende Gabriela:

„Ich spreche heiter, so heiter ich kann. Diese Rolle habe ich bekommen – die Rolle meines Lebens – und ich spiele sie. Aber ich habe immer Angst, ich habe Angst vor jedem vergangenen Tag, denn es sind schon einhundertvierundachtzig Tage, seitdem du schläfst, du bewegst dich nicht und wirst immer schlaffer. Dein Körper ist erschlafft, Muskeln – kraftlos, Reflexreaktionen – abgebaut. Gabriela, bitte, wach auf“ (S. 8)

Im Vergleich dazu nun eine der vielen Szenen aus dem Filmdreh, bei dem Nia die flüchtende Anna spielt:

„Szene 40. Außenbereich. Tag. Fortsetzung. Vergangenheit.

Annas Nachbarhaus bei Sochumi.

Das Haus steht lichterloh in Flammen, lodert und bricht in sich zusammen. Dichte Rauchschwaden steigen in den Himmel. Vor dem Haus rollen gepanzerte Fahrzeuge vorbei. Soldaten mit Sturmgewehren sitzen obenauf. Menschen hasten durcheinander, ihre Habseligkeiten auf den Rücken geschnallt. Einige beladen Autos in hektischer Eile. Anna geht mit dem Kind in entgegengesetzter Richtung der Panzer. Sie nähert sich einem Auto, spricht mit dem Fahrer und steigt ein.“ (S. 159)

Ekaterina Togonidze ist definitiv ein Ausnahmetalent als Schriftstellerin und ich werde sehr gerne demnächst weitere Bücher von ihr lesen. Für mich ist das Buch eines der absoluten Lesehighlights dieses Jahres! Nebenbei habe ich auch so viel über Georgien, den Abchasien-Konflikt, das Resignationssyndrom, transgenerationale Traumatisierung, aber auch darüber, wie Filme gemacht werden können (und auch, wie sie vielleicht nicht gemacht werden sollten) gelernt.

Danke an den Septime-Verlag dafür, diese Autorin auf Deutsch übersetzt und das Buch somit auch deutschsprachigen Leserinnen und Lesern zugänglich gemacht zu haben. Leseempfehlung für alle, die ein ganz besonderes, spezielles, einzigartiges Buch lesen möchten!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.11.2025

Ein Mord an einer Frau: eine Mama, Freundin, Tochter fehlt für immer

Da, wo ich dich sehen kann
0

Die Familie der 9-jährigen Maja liegt in Scherben: die Mutter Emma ist tot, ermordet von ihrem Mann, der Vater als Mörder im Gefängnis. Und mittendrin ein kleines Mädchen, das sich selbst schuldig fühlt, ...

Die Familie der 9-jährigen Maja liegt in Scherben: die Mutter Emma ist tot, ermordet von ihrem Mann, der Vater als Mörder im Gefängnis. Und mittendrin ein kleines Mädchen, das sich selbst schuldig fühlt, weil es den Papa ja auch irgendwie liebt, aber sich das nicht mehr erlauben will. Nicht einmal in den Spiegel schauen will Maja mehr, denn dort sieht sie ihre roten Locken, genau die gleichen, wie ihr Papa hat. Ob sie viel von ihm hat? Ob in ihr auch eine Mörderin steckt? Da gibt es diese dunklen Stimmen, die ihr Ungutes zuflüstern... vielleicht wird sie auch bald im dunklen, feuchten Grab liegen und von den Würmern gefressen werden, so wie Mama? Oder wird ihr Papa auch sie mal ermorden, da er ja ein Mörder ist?

Im Zentrum dieses berührenden Buches steht also dieses kleine Mädchen, das nach dem Femizid an der Mutter quasi elternlos und schwer traumatisiert zurückgeblieben ist. Es ist ein fiktiver Roman, aber er hat einen wahren Kern: leider werden jedes Jahr auch in Deutschland, in Österreich und in vielen anderen Ländern unzählige Frauen von ihren Partnern oder Ex-Freunden ermordet. Oft dann, wenn sie sich aus einer gewalttätigen Beziehung lösen möchten, sich nicht mehr alles gefallen lassen oder es ihnen schon gelungen war, sich aus dieser Beziehung zu befreien. Auch die Autorin Jasmin Schreiber hat so einen Fall in ihrem Umfeld erlebt und widmet das Buch ihrer "Nachbarin, die dieses Jahr von ihrem Ehemann vor den Augen ihres gemeinsamen Kindes in ihrer Wohnung erstochen wurde."

Es ist ein aufrüttelndes, berührendes Buch, das die Tragik hinter all diesen Femiziden und das Leid all der Menschen, die davon betroffen sind, spürbar macht, das betroffen und wütend machen kann und im besten Fall dazu beiträgt, sich dafür einzusetzen, dass sich endlich etwas ändert in unserer Gesellschaft, in der immer noch viel zu oft, wie im Buch erwähnt wird, manche Männer Frauen einfach ermorden, weil sie es wollen und weil sie es können.

Die Buchkapitel sind abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven geschrieben: da gibt es die schon erwähnte kleine Maja, die erst einmal bei den Großeltern mütterlicherseits unterkommt, bis die Obsorge endgültig geklärt ist. Die sich dort zusätzlich zum Verlust der Mutter in ein neues Umfeld eingewöhnen muss und bei lieben Verwandten ist, die sie zwar über alles lieben und sich liebevoll um sie kümmern, die aber selbst schwer getroffen vom Tod der eigenen Tochter sind. Dann gibt es Liv, ehemalige Astrophysikerin und jetzige Lehrerin, begeisterte Naturwissenschaftlerin und langjährige beste Freundin von Emma, die eigentlich bewusst kinderfrei lebt, aber Emmas Patentante ist und nun immer mehr in die Rolle einer Ersatzmama für das kleine Mädchen kommt und sich nicht sicher ist, ob sie dieser Aufgabe gewachsen ist und wie sie sie ausfüllen soll. An ihrer Seite ist die alte Hündin Chloé, zu der Emma eine tiefe Verbindung spürt und die aber leider schon eher am Ende ihrer Lebenszeit angekommen ist. Später kommen noch weitere Charaktere dazu, etwa die Großeltern väterlicherseits, zu denen Maja vor dem Tod ihrer Mutter sogar engeren Kontakt hatte, weil sie in der Nähe gewohnt haben - aber vielleicht auch, weil ihr manipulativer Vater daran gearbeitet hat, die Tochter bewusst nicht nur von ihrer Mutter, sondern auch von deren Eltern zu entfremden.

Sehr sympathisch finde ich, dass alle Charaktere tiefgründig und facettenreich geschildert sind. Hier gibt es kein reines Schwarz-Weiß und ich konnte zum Beispiel nicht nur mit den eindeutigen vordergründigen Sympathieträgern Maja, Liv und den Großeltern mütterlicherseits, die ihre Tochter verloren haben, sondern auch mit den Großeltern väterlicherseits, die entsetzt feststellen mussten, dass ihr Sohn ein Mörder ist, sehr mitfühlen.

Gestaltet ist das Buch insgesamt sehr liebevoll, aufwendig und authentisch: da gibt es Kinderzeichnungen von Maja, Gespräche mit einer Kinderpsychologin, Obduktionsakten, Gerichtsprotokolle, das Nachdenken über Parallelwelten, in denen jemand anders gehandelt hätte und Emma noch am Leben wäre, und vieles mehr. Alles davon ist jeweils sprachlich passend dargestellt. Dadurch ist es der Autorin gelungen, sich dem Thema Femizid von vielen Seiten anzunähern. Besonders ist hervorzuheben, dass es dabei um die Perspektive all der Opfer - der Ermordeten und der Menschen, die vom Mord an ihr am stärksten betroffen sind - und nicht um die Perspektive des Mörders geht; jenem wird somit keine Bühne geboten.

Es ist ein Buch, das literarisch ausgezeichnet geschrieben ist: berührend, authentisch, mit tollen, zu den jeweiligen Charakteren passenden Sprachbildern und die Trauer tief fühlbar zeigend. Ich kann das Buch insgesamt einem breiten Publikum absolut empfehlen, es verdient es, gelesen zu werden und dazu beizutragen, für dieses wichtige Thema zu sensibilisieren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.11.2025

Berührend, authentisch und Mut machend

Nach Grau kommt Himmelblau
0

"Nach grau kommt himmelblau" von Dr. Thomas Reinbacher ist ein zutiefst berührendes Memoir eines Menschen, der es geschafft hat, nach mehrmaligen schweren depressiven Phasen samt langen Aufenthalten auf ...

"Nach grau kommt himmelblau" von Dr. Thomas Reinbacher ist ein zutiefst berührendes Memoir eines Menschen, der es geschafft hat, nach mehrmaligen schweren depressiven Phasen samt langen Aufenthalten auf der stationären Psychiatrie wieder zurück in ein glückliches Leben zu finden. Aus dem blauen Himmel des überragenden Erfolges einer großen Karriere bei bekannten Weltkonzernen war der Autor mitten ins tiefste Elend der Depression gestürzt, kurze Zeit, nachdem er Vater eines kleinen Sohnes geworden war. Und es dauerte so einige Zeit, bis er sich eingestehen konnte, nicht nur eine kurzfristige Krise oder ein Burnout durch Überarbeitung, sondern eine richtige Depression zu haben, und bis er sich auf den Weg zurück bzw. in ein neues Leben, der nicht gerade, sondern mit vielen Hindernissen gepflastert ist, voll und ganz einlassen konnte.

Eine Depression zu haben ist nichts Seltenes, leider sind viele Menschen davon betroffen. Doch nur wenigen gelingt es danach, die eigene Erfahrung in so authentische und berührende Worte zu fassen, wie das dem Autor mit seinem Buch gelungen ist. Ich hatte selbst einen nahen Angehörigen mit einer schweren Depression und habe so vieles wiedererkannt: sowohl in Bezug auf seinen Zustand als auch hinsichtlich der Psychiatrieaufenthalte. Zu meinem großen Bedauern hat mein Angehöriger den Weg aus der Depression heraus nicht mehr gefunden... nach der Lektüre des Buches dieses Autors verstehe ich jetzt aber noch einmal mehr, wie schwierig das ist und wie viel Kraft es erfordert, aber auch was für eine bedeutende Rolle dabei günstige Rahmenbedingungen und soziale Unterstützung spielen. Glücklicherweise hatte der Autor sowohl einen unterstützenden Arbeitgeber als auch eine liebende Familie und verständnisvolle Freunde an seiner Seite.

Passend dazu ist das Buch in drei Teile gegliedert: zuerst erzählt der Autor seine Geschichte, den Absturz in die tiefe Depression und den Weg zurück, über mehrere Klinikaufenthalte. Danach gibt es Raum für die "Sicht der anderen", hier erzählen seine Frau, ein guter Freund, und "sein altes Ego". Dadurch wird die Sicht der Angehörigen deutlich, aber auch, speziell im letzten dieser drei Kapitel, wie wenig Verständnis Menschen (in diesem Fall der Autor selbst vor seiner Krise) für das Wesen einer Depression haben können, wenn sie diese noch nicht selbst erlebt haben oder im nahen Umfeld damit konfrontiert waren.

Im dritten Teil finden sich schließlich noch Selbsttests für Burnout und Depression, Antworten für Betroffene, Tipps für Angehörige und Kontaktadressen für Hilfe im Akutfall.

Sehr berührend ist, wie persönlich das Buch erzählt ist und wie etwa Spotify-Links zu Musik, die dem Autor in gewissen Situationen viel bedeutet hat und die er mit seinen Emotionen verbindet, eingebaut sind. Auch sonst ist das Buch trotz des dunklen Themas sehr humorvoll geschrieben: zum Beispiel ist anhand von Kackhäufchen und Herzchen dargestellt, an welche Methoden der Autor große Erwartungen hatte und welche diese erfüllt oder übertroffen haben, aber auch, welche enttäuschend waren.

Besonders interessant und hilfreich fand ich auch das Thema: "Was sind eigentlich meine Werte im Leben?", das dem Autor zum ersten Mal in der Psychotherapie begegnete (von den Werten "Kompetenz", "Großes erreichen", "Anerkennung", "Karriere" und "Perfektion" aus der Zeit vor der Krise hin zu "Akzeptanz", "Kreativität", "Papa sein", "Andere unterrichten" und "Tüfteln" für das Leben danach) und das er so hilfreich fand, dass er dazu gemeinsam mit seiner Frau ein eigenes Kartenset entwickelt hat, das ich mir ebenfalls besorgt habe und das ich auch sehr empfehlen kann.

Insgesamt ist es ein sehr berührendes und hilfreiches Buch, das ich allen, die selbst von Depressionen betroffen sind, Betroffene kennen oder sonst mit dem Thema zu tun haben - und das sind eigentlich, ob bewusst oder unbewusst, alle Menschen, denn es gibt so viele Menschen mit Depressionen, dass jeder privat oder beruflich welche kennt, egal, ob man darüber schon nachgedacht hat oder nicht - nur wärmstens empfehlen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.10.2025

Tiefe Veränderung beginnt im Nervensystem

Rauhnächte – Reguliere dein Nervensystem und schaffe die Basis für persönliches Wachstum
0

Bücher über die Rauhnächte gibt es mittlerweile viele am Markt. Was unterscheidet dieses Buch von den anderen? Es ist sein klarer Fokus auf das autonome Nervensystem und auf seine Bedeutung für Veränderungen ...

Bücher über die Rauhnächte gibt es mittlerweile viele am Markt. Was unterscheidet dieses Buch von den anderen? Es ist sein klarer Fokus auf das autonome Nervensystem und auf seine Bedeutung für Veränderungen in unserem Leben. Die Autorin beschreibt schlüssig, woran viele gute Vorsätze und Visionen scheitern: an unserem eigenen Körper und Nervensystem. Denn wenn wir uns innerlich nicht sicher fühlen, erstarren wir, und das macht Veränderung fast unmöglich - selbst, wenn wir sie uns noch so sehr wünschen. Es ist also empfehlenswert, sich erst einmal mit dem autonomen Nervensystem zu befassen und damit, wie man sich selbst in einen angenehmen, ruhigen, entspannten Zustand bringen kann, aus dem heraus die Arbeit an Zukunftsvisionen deutlich vielversprechender ist.

Noch ein weiterer Punkt, durch den sich das Buch unterscheidet: es beginnt nicht direkt mit den Rauhnächten, sondern schon mit der Zeit davor: mit den Sperrnächten ab dem 8. Dezember. Auch diese gehen auf eine alte, bäuerliche Tradition zurück: es ist die Zeit, in der die Arbeitsmaterialien des vergangenen Jahres für den Winter weggesperrt wurden, anstehende Arbeiten abgeschlossen wurden und insgesamt das Jahr sowohl auf der praktischen Ebene als auch spirituell zu einem bewussten Abschluss gebracht wurde, um sich dann bewusst auf die Rückkehr des Lichts mit der Wintersonnenwende, das Weihnachtsfest und danach die transformative Kraft der Rauhnächte und des Jahreswechsels einzulassen.

Somit setzt dieses Buch insgesamt deutlich früher an als viele andere Rauhnachtsratgeber und zeigt, wie man auf vielfältige Art und Weise den Boden für gewinnbringende Rauhnächte bereiten kann. Nach einer kurzen Einführung in das Thema widmet das Buch ein ausführliches Kapitel der Erklärung des autonomen Nervensystems als Grundlage für die Visionsarbeit in den Rauhnächten. Sympathikus und Parasympathikus werden beschrieben, genauso wie der Vagusnerv und die drei Hauptzustände des autonomen Nervensystems.

Dabei gelingt es der Autorin, eine zugängliche und leicht verständliche Sprache zu wählen, sodass diese medizinischen Themen auch für Menschen, die damit noch nicht viele Berührungspunkte hatten, anschaulich dargestellt sind. Weiters geht es um unser individuelles Stresstoleranzfenster und darum, wie wir dieses erweitern und die Rauhnächte als Zeit der inneren Stabilisierung nützen können: die Rauhnächte als sicherer Raum, von dem aus wir eine Transformation beginnen können.

Psychologisch betrachtet ist das Buch gut recherchiert und bietet solide Informationen über das autonome Nervensystem und über leicht anwendbare Techniken, sich selbst zu regulieren und zu stabilisieren, zum Beispiel über die Atmung, über die Verbindung mit anderen Menschen und über die bewusste Wahrnehmung von "Glimmern", kleinen Momenten der Freude und Sicherheit (z.B. ein Sonnenstrahl, das Rascheln der Blätter im Wind,...).

Dazu schreibt die Autorin: "Viele Menschen glauben, dass sie sich erst verändern müssen, um sich sicher zu fühlen. Doch es ist genau umgekehrt: Erst wenn wir Sicherheit spüren, ist Veränderung überhaupt möglich. Deshalb sind die Rauhnächte nicht nur eine Zeit der Manifestation, sondern eine Zeit der Regulation. In diesen Nächten schenken wir unserem Nervensystem bewusst Glimmer-Momente. Wir lernen, Sicherheit nicht nur im Außen zu suchen, sondern sie in uns zu spüren. Und genau daraus entsteht die tiefste Transformation." (S. 43)

Im Buch finden sich viele Übungen zur Schulung der Sinne, zur Körperwahrnehmung und zur Verbindung mit dem eigenen Inneren, sowohl in den einführenden Kapiteln, als auch dann bei den jeweiligen Sperrnächten oder Rauhnächten.

Detailliert beschrieben und liebevoll bebildert wird dann in die insgesamt etwa einen Monat (von 8.12. bis 6.1.) dauernde Zeit zuerst der Sperrnächte, dann der Wintersonnenwende und schließlich der Rauhnächte hineinbegleitet. Es beginnt mit den Sperrnächten, dabei sind jeder Sperrnacht etwa drei Seiten gewidmet. Diese beginnen mit einführenden Worten zum Thema der jeweiligen Sperrnacht (z.B. "Sicherheit" für die erste Sperrnacht), dann folgen Reflexionsfragen dazu (z.B. "Wann hast du dich im vergangenen Jahr sicher gefühlt?", "Wo hast du Sicherheit eher im Außen gesucht - und wo hast du sie in dir selbst gefunden?", S. 67) und schließlich gibt es noch eine abschließende körperbezogene Übung, zum Beispiel zum bewussten Atmen.

Im letzten Drittel des Buches schließlich geht es um die Rauhnächte selbst. Auch hier ist wieder jede Rauhnacht einem übergreifenden Thema gewidmet, das an die vorher schon bearbeiteten Themen der Sperrnächte erinnert - doch nun geht es nicht um den Rückblick auf das vergangene, sondern um die Vision für das zukünftige Jahr. Beispielsweise geht es auch in der ersten Rauhnacht wieder um Sicherheit, doch nun mit dem Blick auf die Kraft der Wurzeln für das neue Jahr und auf die Entscheidungen, die wir heute treffen können, um unsere innere Stabilität für das neue Jahr zu stärken. Auch hier gibt es wieder körperbezogene Übungen sowie einen Manifestationsimpuls, für den Januar z.B. "Was wäre, wenn dein Alltag selbst zu einem sicheren Raum wird?" (S. 111)

Insgesamt handelt es sich um ein sehr liebevoll gestaltetes und ansprechendes, psychologisch fundiertes Buch, das eine gute Basis für die eigene Bewusstseinsarbeit bietet und das ich auch aus beruflicher Sicht als Psychologin allen an Weiterentwicklung interessierten Menschen wärmstens empfehlen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.10.2025

Viele Themen kurz persönlich angeschnitten

30 Erkenntnisse, die dein Leben besser machen
0

In unterhaltsamem, nahbarem Stil erzählt der Business-Philosoph und Speaker Jörg Hawlitzeck in diesem Buch von seinen Erkenntnissen. Insgesamt findet sich eine bunte Mischung aus Themen aus Psychologie, ...

In unterhaltsamem, nahbarem Stil erzählt der Business-Philosoph und Speaker Jörg Hawlitzeck in diesem Buch von seinen Erkenntnissen. Insgesamt findet sich eine bunte Mischung aus Themen aus Psychologie, Philosophie und Spiritualität: es geht etwa um die Illusion der Wirklichkeit, um realistischen Optimismus, um die Macht der Einstellung, den Wert der Bildung, spirituelle Heimatlosigkeit, Solidarität, Ethik, moralisches Handeln und Willensfreiheit.

Die Kapitel sind kurz gehalten, erzählt wird in anekdotischem Stil unter Bezugnahme auf persönliche Erfahrungen, Bekannte aus dem eigenen Leben des Autors und philosophische Weisheiten. Mir persönlich, die ich schon viele anspruchsvollere Bücher zu all diesen Themen gelesen habe, war einiges in diesem Buch zu oberflächlich. Auch hatte ich den Eindruck, der Autor würde seine persönliche Haltung und Einstellung als universell ansehen und als solche vermitteln wollen. An manchen Stellen habe ich mich mehr belehrt als inspiriert gefühlt. Das ist aber wohl alles eine Frage der persönlichen Einstellung und Vorerfahrung. Insbesondere für Menschen, die sich mit den behandelten Themen noch nicht viel beschäftigt haben, bietet das Buch sicher einiges an interessanter Inspiration.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere