Berührend, authentisch und Mut machend
Nach Grau kommt Himmelblau"Nach grau kommt himmelblau" von Dr. Thomas Reinbacher ist ein zutiefst berührendes Memoir eines Menschen, der es geschafft hat, nach mehrmaligen schweren depressiven Phasen samt langen Aufenthalten auf ...
"Nach grau kommt himmelblau" von Dr. Thomas Reinbacher ist ein zutiefst berührendes Memoir eines Menschen, der es geschafft hat, nach mehrmaligen schweren depressiven Phasen samt langen Aufenthalten auf der stationären Psychiatrie wieder zurück in ein glückliches Leben zu finden. Aus dem blauen Himmel des überragenden Erfolges einer großen Karriere bei bekannten Weltkonzernen war der Autor mitten ins tiefste Elend der Depression gestürzt, kurze Zeit, nachdem er Vater eines kleinen Sohnes geworden war. Und es dauerte so einige Zeit, bis er sich eingestehen konnte, nicht nur eine kurzfristige Krise oder ein Burnout durch Überarbeitung, sondern eine richtige Depression zu haben, und bis er sich auf den Weg zurück bzw. in ein neues Leben, der nicht gerade, sondern mit vielen Hindernissen gepflastert ist, voll und ganz einlassen konnte.
Eine Depression zu haben ist nichts Seltenes, leider sind viele Menschen davon betroffen. Doch nur wenigen gelingt es danach, die eigene Erfahrung in so authentische und berührende Worte zu fassen, wie das dem Autor mit seinem Buch gelungen ist. Ich hatte selbst einen nahen Angehörigen mit einer schweren Depression und habe so vieles wiedererkannt: sowohl in Bezug auf seinen Zustand als auch hinsichtlich der Psychiatrieaufenthalte. Zu meinem großen Bedauern hat mein Angehöriger den Weg aus der Depression heraus nicht mehr gefunden... nach der Lektüre des Buches dieses Autors verstehe ich jetzt aber noch einmal mehr, wie schwierig das ist und wie viel Kraft es erfordert, aber auch was für eine bedeutende Rolle dabei günstige Rahmenbedingungen und soziale Unterstützung spielen. Glücklicherweise hatte der Autor sowohl einen unterstützenden Arbeitgeber als auch eine liebende Familie und verständnisvolle Freunde an seiner Seite.
Passend dazu ist das Buch in drei Teile gegliedert: zuerst erzählt der Autor seine Geschichte, den Absturz in die tiefe Depression und den Weg zurück, über mehrere Klinikaufenthalte. Danach gibt es Raum für die "Sicht der anderen", hier erzählen seine Frau, ein guter Freund, und "sein altes Ego". Dadurch wird die Sicht der Angehörigen deutlich, aber auch, speziell im letzten dieser drei Kapitel, wie wenig Verständnis Menschen (in diesem Fall der Autor selbst vor seiner Krise) für das Wesen einer Depression haben können, wenn sie diese noch nicht selbst erlebt haben oder im nahen Umfeld damit konfrontiert waren.
Im dritten Teil finden sich schließlich noch Selbsttests für Burnout und Depression, Antworten für Betroffene, Tipps für Angehörige und Kontaktadressen für Hilfe im Akutfall.
Sehr berührend ist, wie persönlich das Buch erzählt ist und wie etwa Spotify-Links zu Musik, die dem Autor in gewissen Situationen viel bedeutet hat und die er mit seinen Emotionen verbindet, eingebaut sind. Auch sonst ist das Buch trotz des dunklen Themas sehr humorvoll geschrieben: zum Beispiel ist anhand von Kackhäufchen und Herzchen dargestellt, an welche Methoden der Autor große Erwartungen hatte und welche diese erfüllt oder übertroffen haben, aber auch, welche enttäuschend waren.
Besonders interessant und hilfreich fand ich auch das Thema: "Was sind eigentlich meine Werte im Leben?", das dem Autor zum ersten Mal in der Psychotherapie begegnete (von den Werten "Kompetenz", "Großes erreichen", "Anerkennung", "Karriere" und "Perfektion" aus der Zeit vor der Krise hin zu "Akzeptanz", "Kreativität", "Papa sein", "Andere unterrichten" und "Tüfteln" für das Leben danach) und das er so hilfreich fand, dass er dazu gemeinsam mit seiner Frau ein eigenes Kartenset entwickelt hat, das ich mir ebenfalls besorgt habe und das ich auch sehr empfehlen kann.
Insgesamt ist es ein sehr berührendes und hilfreiches Buch, das ich allen, die selbst von Depressionen betroffen sind, Betroffene kennen oder sonst mit dem Thema zu tun haben - und das sind eigentlich, ob bewusst oder unbewusst, alle Menschen, denn es gibt so viele Menschen mit Depressionen, dass jeder privat oder beruflich welche kennt, egal, ob man darüber schon nachgedacht hat oder nicht - nur wärmstens empfehlen kann.