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Evy_Heart

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Veröffentlicht am 03.09.2023

Nicht mein Stil

Couple of Men
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Mit diesem Buch habe ich über ein Jahr (!) gekämpft. Ich fand das Cover fröhlich und vor allem die Idee gut, sich dem Thema "queer" in Form eines Reiseblogs zu nähern. Aber der Schreibstil ist nicht meins ...

Mit diesem Buch habe ich über ein Jahr (!) gekämpft. Ich fand das Cover fröhlich und vor allem die Idee gut, sich dem Thema "queer" in Form eines Reiseblogs zu nähern. Aber der Schreibstil ist nicht meins und auch die Fotos hatten für mich nur wenig Charme. Irgendwie fand ich es aber schade, ein Buch von zwei sympatischen, kreativen Menschen abzubrechen. Daher habe ich mich mit ein paar Monaten Abstand nochmal rangewagt. Aber auch diesmal hatte ich das Gefühl, dass ein Blog nicht als Buch funktioniert.

Worum geht es?

Das Buch beleuchtet die Anfänge der beiden Blogger, als Paar und als Autoren, gibt Einblicke in die queere Community und erzählt von den Reisen der beiden rund um den Globus. Bereiste Länder sind u.a. Kanada, Island, Japan, die USA und der Kontinent Südamerika.


Wie hat mir das Buch gefallen?

Die Optik das Buches fand ich schön. Jeder Autor hat ein Sympbol, das in den Kapiteln anzeigt, wer gerade erzählt. Da sich die Schreibstile beider ähneln, ist das praktisch. Ich fand das hübsch gestaltet. Es gibt große und kleine Text-Kästchen mit zusätzlichen Tipps und Verlinkungen, die jedoch manchmal mitten in den Text gefügt sind. Nicht schlimm, hätte man aber besser lösen können. Die Schriftarten haben mir gut gefallen, sie passen zu den eckigen Übersichtskarten.

Außerdem sind die Texte relativ kurz, in konsumierbare Kapitel unterteilt und nicht mit Tipps überfrachtet. Die Werbung für Hotels oder Ausflugsziele beschränkt sich auf wenige.

Die Fotos, meistens Pärchenfotos mit Landschaft, sind schön, aber nicht so überragend. Die Autoren beschreiben sehr detailliert, WIE die Bilder jeweils entstehen, vor allem, was das Timing betrifft, den richtigen Winkel usw. Sie scheinen sehr perfektionsistisch zu sein und das fand ich sympatisch. Auf den Bildern sehe ich das nicht. Aus meiner Sicht hat das mehrere Gründe: Auf dem Handy und selbst als Taschenbuch sind die Bilder zu klein, um die Kraft von Menschen UND Natur darzustellen. Außerdem gibt es pro Reiseziel oft nur ein oder zwei Bilder. Vielleicht wollten die Autoren den Leser oder die Leserin nicht langweilen. Ich konnte mich nicht in die Reiseziele fallen lassen und das hat viel Charme genommen.

Anfangs geht es oft um das Thema "queer" und auch queere Veranstaltungen werden besucht. Später wird das weniger, aber die Orte werden immer auf ihre Queer-Freundlichkeit getestet. Ich fand's toll, noch einmal einen Überblick über die Anfänge queerer Kulur zu kommen und die Lebensgeschichten beider zu lesen.

In einigen Passagen werden auch kurze Dialoge mit Einheimischen geführt. An diesen Stellen wirkt das Buch journalistisch und mir gefiel, dass es weg vom persönlichen Klang des Textes geht. Auch Gespräche zwischen den beiden sind enthalten. Das soll den Text auflockern. Aber leider wirkt beides gekünstelt. Dass Dialoge in journalistischen Texten aufbereitet werden, ist normal. Denn keiner will lesen, wie jemand stammelt oder den Faden verliert. Aber hier wirkten die Passagen nicht authentisch. Die Figuren haben keinen eigenen Stil. Die Gespräche haben wahrscheinlich stattgefunden, aber so nacherzählt liest sich das gekünstelt.

Ohnehin war der Schreibstil nicht meins. Jeder Leser:in hat andere Präferenzen, aber für mich wirkte es holprig. Als hätte man das Erlebte in eine literarische, erzählenden Form gepresst, die aber nicht passt. Ich fühlte mich nicht nah bei den Figuren, sondern als würde mir jemand ständig beschreiben WIE toll etwas ist.

Auch die Schattenseiten, die der Klappentext ankündigt, werden wenig beleuchtet. Dass es frustierend ist, wenn man einen Sonnenuntergang verpasst und das Bild nicht schön wird, verstehe ich. Aber ich hätte mir mehr Konflikte und mehr Einblicke in die Arbeit hauptberuflicher Reiseblogger gewünscht. Das Abwägen zwischen Finanzen und Freizeit, der Kampf um Deadlines und moralische Werte.

Eine der bewegendsten Momente im Buch war für mich, als sich die beiden als Drag-Queens auf einer queeren Kreuzfahrt stylen. Beide waren mit dem Thema in Berührung gekommen, hadern aber damit, das in der Praxis umzusetzen. Diesen Kampf, als Paar und als Menschen, fand ich liebenswert und ich hatte das Gefühl den beiden nahe zu sein.

Fazit

Sowohl das Buch als auch der Blog leben von der Beziehung, die man zu den Autoren hat. Es ist ein queeres Pärchen, das den Traum vom toleranten Leben in schöner Umgebung darstellt, im ein Lächeln auf den Lippen und nur wenig Wolken am Horizont. Ich finde das wichtig. Aber als Buch funktionieren die Texte für mich nicht. Es sind Reiseberichte, die sich leicht lesen lassen, aber sprachlich nicht geschliffen sind. Auch die Anzahl praktischer Infos ist eher klein. Besser ist, die Originaltexte auf dem Blog zu suchen. Auch wenn man dort mit HTML-Codes, englischen Texten und auffälliger Werbung zu kämpfen hat, sind mehr Verlinkungen und Fotos enthalten und andere Medien wie Instagram eingebunden. Dort sind sie besser konsumierbar.

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Veröffentlicht am 30.08.2023

Same old song

Wie Sterne am Horizont
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Für mich ist dieses gefühlt die dritte Liebesgeschichte mit queeren Frauen und gereizt hat mich daran, dass es um Stars und die Schattenseiten des Ruhms geht. Außerdem hat mich der Altersunterschied interessiert. ...

Für mich ist dieses gefühlt die dritte Liebesgeschichte mit queeren Frauen und gereizt hat mich daran, dass es um Stars und die Schattenseiten des Ruhms geht. Außerdem hat mich der Altersunterschied interessiert. Leider war das Buch zu oberflächlich, austauschbar und unkreativ.

Rezi enthält Spoiler

Worum geht es?

Eden Sand steckt in einer Krise: Nach der Scheidung von Ehemann Zach ist sie deprimiert und nach 20 Jahren stagniert die Karriere. Ihr selbst fehlt der "Drive" und junge Künstlerinnen machen ihr den Platz streitig. Als ihre Managerin ein Duett mit der wesentlich jüngeren Anna Moss vorschlägt, willigt Eden nur widerwillig ein. Doch es kommt anders.

Cover und Titel

Für mich sind das deutsche Cover und der deutsche Titel von "Stars collide" total austauschbar. Es hat weder etwas mit Musik zu tun noch bleibt es im Gedächtnis. Das Titelbild sagt nicht mal aus, dass es eine Liebesgeschichte ist. Es könnte auch die Story von zwei besten Freundinnen sein. Auch die Stichwörter "Sterne" und "Horizont" tauchen in SO vielen Büchern auf, dass es wehtut.

Im Gegensatz dazu das amerikanische Original: Das Cover greift die Kleidung beider Figuren auf und vermittelt ein klares Bild - Anna in bunten Klamotten, Eden elegant in Blau. Für mich macht das den Text etwas besser. Auch der Titel ist knackig und bildet ein Wortspiel mit dem finalen Satz des Werkes. Dieser Aspekt geht in der deutschen Übersetzung verloren.

Meine Meinung

Das Thema Ruhm hat mich bewegt und sehr traurig gemacht. Eden steht seit 20 Jahren auf der Bühne, ist aber kaum von "normalen" Menschen umgeben. Außerdem hat sie ständig Angst, von Fans bedrängt zu werden. Als Fan vergisst man leicht, dass Stars kein Computerprogramm sind oder nur dazu dienen, für die Community dazusein. Sie sind Menschen, sie haben mal keine Lust, sie wollen gemütlich einkaufen gehen oder ihren Beruf wechseln. Als Fan bezahlt man den Star mit Geld und Anerkennng, aber damit erkauft man sich nicht das Recht auf die Persönlichkeit und permanente Verfügbarkeit. Außerdem hat mich Eden an Kinderstars erinnert, die sich nicht aus dieser Blase befreien konnten. Eden hatte keine Zeit, sich zu entwickeln und soziale Beziehungen zu trainieren. Daher wirkt sie nicht wie Mitte 30, sondern wie 17. Letztlich spielt der Alterunterschied keine Rolle - das dem Buch einen Konfliktpunkt nimmt.

An einigen Stellen wirkt das Buch ziemlich real z.B. was den Touralltag und den Probenprozess betrifft. Andererseits bestätigt es das Bild vom Künstler, der seine Songs selber schreibt - am Schreiben und der Produktion sind aber sehr viele Leute beteiligt.

Außerdem fand ich es nicht realistisch, dass Eden niemals das Bedürfnis nach Abwechslung hat, keine Zukunftspläne, keine Weiterentwicklung. Sie liest gern Bücher und schaut sich Sonnenuntergänge in ihrer Blockhütte an. Und guckt gern Serien. Aber das war es. Sie hat keine weitere Projekte. Eden wirkt sensible und zurückgezogen, aber insgesamt ziemlich glatt. Trotzdem mochte ich sie als Typ.

Anna als quirliger Gegenpol fand ich anfangs cool. Sie hat eine beste Freundin, mit der sie gut klarkommt und sie ernährt sich vegan. Das wird im Buch manchmal angesprochen, aber nicht über-betont. Sie trägt bunte Klamotten, ist pan-sexuell (was für die Handlung nicht relevant ist) und wirkte offener. Allerdings lebt sie das nicht, sie erklärt nur viel - sie erklärt vor allem Eden, wie sie mit ihrem sexuellen Erwachen umgeht und zeigt Verständnis. Ich fand das sehr nett und sie wirkte an diesen Stellen erwachsen. Trotzdem: Ich spürte so wenig von ihr.

Für mich kippte das Buch, als ich spürte, dass Anna sehr viel Raum als Edens Rettungsanker einnimmt. Anna kam mir oft als perfekte Heldin vor, die alles kann.

Die Autorin gibt ihr einen Konflikt mit der toxischen Ex-Freundin mit, der sich langsam steigert, aber für mich war ihr Leiden nicht glaubwürdig erklärt. Angeblich hat Anna Angst vor Beziehungen mit mächtigen Frauen - ich habe sie aber nie im inneren Konflikt um Eden gesehen. Außderem wirkt das Problem mit der Ex am Ende irgendwie gekünstelt. Abgesehen davon wurde es so dargestellt, als ob die Folgen einer toxischen Beziehung mit Liebe zu bewältigen sind und dass es vollkommen in Ordnung ist, in Panik wichtige Verträge zu brechen. Letztlich ist das ein Thema, das man mit sich selbst und seinem neuen Partner aufarbeiten muss. Dafür ist im Roman aber kaum Platz.

Ich fand beide Figuren miteinander völlig überzeichnet und konnte keine Chemie spüren.

Annas Freundin Zoe spielt im Buch nur am Anfang und am Ende (eher unrühmlich ...) eine Rolle.

Außerdem hab ich das Buch als sehr erklärend empfunden - das kann aber für Leute, die ihre sexuelle Orientierung entdecken, toll sein. Es wird erwähnt, was Pansexualität bedeutet und an einer Stelle wird nach Pronomen gefragt. Das wirkt aber eher gewollt und nicht so gemütlich eingebunden. Man hätte das realistischer machen können. Auch Edens Weg zum Coming Out wird ausführlich beschrieben, wenngleich der Prozess selbst sehr, sehr flott vonstatten geht. Eden entwickelt daraus viel Energie, sodass sie am Ende wieder mehr Raum einnimmt und man spürt, dass sie vorangekommen ist.


Dramaturgisch ist der Roman gut: Es gibt einen kleinen Konflikt als auslösendes Moment, eine Steigerung der Liebe, eine Gegenüberstellung der Eltern beider Frauen, Sonnenuntergänge und Songwriting als positive Aspekte, Fans als negative Momente. Schließlich der Konflikt mit der Ex, der zum dramatischen Höhepunkt führt. Nicht neu, aber gekonnt umgesetzt.

Die Erotik-Szenen sind wenig, aber sehr ausführlich. Die erste wird ca. von 66 bis 76 % geschildert, die zweite, kürzere folgt später. Die zweite ist technisch etwas kreativ, aber es fällt auf, dass die Figuren überwiegend Vulva/Vagina nutzen, obwohl es noch andere Körperteile gibt. An einer Stelle wird das auch angedeutet, aber leider nicht ausgeführt.

Außerdem wird häufig geweint - meistens aus Freude oder Scham, manchmal aus Wut. Weinen ist ok, wirkte hier aber eher wie Füllmaterial.

Ich habe auch kaum Humor gespürt - die Dialoge sind nicht spritzig, sondern eher normal. Anna spricht realtiv locker, sie hat ihren eigenen Sprech-Stil, aber ich hab's nich genossen.

Was mich genervt hat, waren die vielen Wortwiederholungen. Ich weiß nicht, ob es an der Übersetzung liegt, aber der Roman wiederholt einzelne Worte teilweise binnen weniger Absätze z.B. "Wenn du aussteigst, begehst du Vertragsbruch." (S. 265). "Wenn sie Eden wegen Vertragsbruchs verklagte," (S. 266), "Was, wenn du den Vertragsbruch zurücknehmen willst" (S. 270). Manche Wiederholungen sind nicht vermeidbar, aber sie sollten kreativer einbunden werden.

Fazit

Das Buch besticht mit dem Thema und das hat mich festgehalten. Trotzdem war's nach einem Viertel so klischeehaft, dass ich es beenden wollte. Für Fans des Genres geeignet und Menschen, die etwas einfaches, berechenbares lesen wollen. Für mich aber eher Flop.

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Veröffentlicht am 19.08.2023

Plastisch, aber nicht umfassend

Die Liebenden von Bloomsbury – Vita und der Garten der Liebe
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Das ist mein zweites Buch über Vita und Virginia und tatsächlich hat mir dieses besser gefallen, weil ich ein besseres Gefühl für die fiktionale Version der realen Personen bekommen habe. Besonders beeindruckend ...


Das ist mein zweites Buch über Vita und Virginia und tatsächlich hat mir dieses besser gefallen, weil ich ein besseres Gefühl für die fiktionale Version der realen Personen bekommen habe. Besonders beeindruckend war das Nachwort, das den Inhalt nochmals von einer anderen Seite beleuchtet.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

Das dritte Buch der Bloomsbury-Reihe beschäftigt sich mit der Adligen Vita Sackville-West und der Schriftstellerin Virginia Woolf. Es deckt dabei den 3. August 1922 bis 26. Oktober 1928 ab. Das entspricht dem Phase kurz vor dem Kennenlernen über den Höhepunkt der Beziehung bis zur langsamen Entfremdung beider Frauen. Den endgültigen Bruch sowie den spärlichen Kontakt bis zum Tod Woolfs erzählt es nicht mehr.

Das Buch beleuchte personal, meist aus Sicht beider Frauen, selten aus Perspektive anderer Charaktere. Dabei vermischt es Erzählpassagen mit Briefen. Auszüge aus den Werken beider gibt es nicht.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Mir fällt eine Beurteilung schwer, denn ich kann nicht sagen, wie viel fiktiv und wie viel real ist. Welche Auswirkungen die Aufbereitung der Autorin auf das Bild hat, das man vom Inhalt bekommt. Da aber bereits die Quellen wie Tagebucheinträge, Biografien usw. eine Auswahl der direkten Angehörigen beider Frauen darstellen, wird man nie die volle "Wahrheit" erfahren.

Für mich ist der Schreibstil gut. Relativ fließend, ein kleines bisschen trocken, aber belletristisch. Es liest sich wie ein Liebesroman mit angezogener Handbremse - alles sehr langsam und nicht immer spannend. Aber: An den Ereignissen kann man wenig ändern. Die Beziehung war tief platonisch, aber über Körperliches haben beide Frauen überwiegend geschwiegen. Außerdem hat die Annäherung sehr langsam stattgefunden.

Das Porträt Woolfs finde ich gelungen. Sie ist eine intellektuelle Person, für die die Schriftstellerei an erster Stelle steht. Sie hat ihre Routinen und vertraut darauf. Die Schreiberei gibt ihr Sicherheit. Für mich war daher verständlich, dass sie in ständiger Angst lebt, ihre psychischen Probleme würden sich verstärken und sie könne nicht mehr schreiben. Aus heutiger Sicht würde man Woolf vielleicht als hochsensibel und mit manisch-depressiven Schüben einordnen. Ich habe aber auch gespürt, dass ihr Mann überfürsorglich ist und dadurch ihre Ängste verstärkt und ihre Entfaltung behindert. Ich vermute, dass er sie beschützen wollte. Mein Eindruck war aber, dass sie erst durch Beziehungen wie der durch Vita neue Seiten an sich entdeckte. Dass sie durch sie aus ihrem intellektuellen Umfeld herauskam, hat ihr gut getan.

Vita Sackville-West fand ich beeindruckend, weil sie - ähnlich des Bloomsbury-Zirkels - ein offenes Verständnis von Liebe hat. Während die Ehe zwischen Woolf und ihrem Mann manchmal wie ein Arbeitsbeziehung wirkte, liebte Vita ihren Mann sehr innig. Wenngleich sie körperliche Beziehungen eher mit Frauen einging. So hat sie z.B. kein Problem damit, dass ihr Mann eine Beziehung zu einen Kollegen führt - sie fand es schlimmer, dass er ihr das verheimtlicht hat.

Allerdings wirkt Vita im Buch auch etwas oberflächlich, nicht so reflektiert wie Virginia. Sie macht sich viele Gedanken um ihr vielseitiges Leben, aber sie schafft es nicht in die Tiefe zu gehen. Die Autorin erklärt das im Nachwort damit, dass Vita versucht hat, den Schein einer guten, anständigen Adligen zu wahren. Ich denke, dass daher auch dem Betrachter manches verborgen bleibt. Und dass sie ihrer narzisstischen Mutter gerecht werden wollte und daher ein unstetes Liebesleben hatte. Sie wollte Kontrolle über die Liebe haben, weil sie von ihrer Mutter nicht so sicher geliebt wurde. Dieser Aspekt wird im Buch nur angedeutet und erst im Nachwort klar. Außerdem gehen die schriftstellerischen Leistungen Vitas etwas unter, im Buch.

Interessant fand ich, dass beide Frauen Ängste haben. Vita wird den geistigen Ansprüchen der Bloomsburys nicht gerecht und auch Virginia lässt sie das spüren. In den Gedanken Virginias kam mir Vita wie ein kleines Kind vor, das in die richtigen Bahnen gelenkt werden muss. Für Virginia Woolf ist Literatur nur dann gut, wenn der Autor das Tiefste seiner Seele ergründet. Sie will vorankommen, mit sich und mit der Kunst des Schreibens. Das hat sie zu einer Vorreiterin in der englischen Literatur gemacht. Aber dass sie die Kunst Vitas nur trivial und schön, aber nicht besonders fand, war frustrierend. Allerdings hat auch Virginia Angst, die Freundin würde sie verlassen und bald für die nächste Geliebte absägen. Einen Ausweg, den ich gut nachvollziehen konnte, war die Literatur. Indem sie Vita künstlerisch festgehalten hat, waren die Taten der realen Vita nicht so schlimm für sie.

Außerdem schafft es die Autorin gut, auch das Umfeld der Bloomsburys einzubeziehen und andere Menschen zu beleuchten. Ich habe manchmal den Überblick verloren, aber ich fand's gut, dass es nicht zu fokussiert war.

Ein bisschen irritiert hat mich, dass das Buch im letzten Kapitel eine Virginia zeigt, die jungen Frauen zeigt, dass sie für Freiheit und Schreiben kämpfen sollen. Dieser Wesesenszug, der Wunsch, der nächsten Generation etwas mitzugeben, klang bis dahin nur vage an.

Fazit

Ich fand das Buch etwas schleppend, hab's aber gern gelesen. Die Schriftstellerinnen wirken sehr plastisch und ich habe viele Denkanstöße bekommen. Für Leute, die eher an der Bedeutung beider Frauen füreinander interessiert sind, ist das Buch gut. Wer eine eher umfassende Biografie Woolfs und Sackville-Wests erwartet und eine kritische Einordnung, der wird ein bisschen enttäuscht.

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Veröffentlicht am 23.07.2023

Zu glatt

Rückkehr nach Mendocino
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Michael Holm ist ein Sänger, den ich früher oft im Fernsehen gesehen habe. Daher war für mich klar, dass ich die Autobiografie anfordern werde. Für mich ist es ein schönes Buch, aber leider ohne Ecken ...

Michael Holm ist ein Sänger, den ich früher oft im Fernsehen gesehen habe. Daher war für mich klar, dass ich die Autobiografie anfordern werde. Für mich ist es ein schönes Buch, aber leider ohne Ecken und Kanten.

Worum geht es?

Michael Holm umreißt sein Musiker- und Liebesleben von seinen Anfänger als Kind bis heute. Schwerpunkte sind seine Karriere als Sänger, sein Wandel zum Produzenten und Musikverleger, ein Projekt "Cosco", sein Comeback als Produzent von "Guildo Horn".

Wie hat mir das Buch gefallen?

"Rückkehr nach Mendocino" hat sich angefühlt, als ob einem der Künstler in einer Bar sein Leben erzählt: Er ist wertschätzend und betont eher das Positive. Negatives wird erwähnt, aber nicht ausgebreitet. Oft lese ich "Darauf kommen wir später noch zurück", was nett ist, aber ein bisschen füllend wirkte. Holm versucht spannend zu erzählen, aber nicht tief reflektiert.

"Michael Holm" wirkt im Buch wie ein Mensch, der dankbar ist für sein Leben. Aber keiner, der mit sich kämpft und grübelt. Während man bei anderen Künstler:innen innere Konflikte spürt und zum Nachdenken angeregt wird, war das hier nicht der Fall. Dadurch fühlte ich mich als Leser:in dem Künstler auch nicht so nah.

Ich hab eine Menge gelernt, über den Prozess des Musik-Machens, aber irgendwie war es zu glatt. Mir fehlte an einigen Stellen die Leidenschaft. Aber wahrscheinlich dachte Holm, dass das für den Leser/ die Leserin nicht spannend ist.

Gut ist, dass Holm überwiegend chronologisch erzählt, nur machmal abdriftet. Ich habe gut den Überblick behalten.

Interessant fand ich, mit wie vielen Künstler:innen Holm vernetzt war, besonders Giorgio Moroder, und dass er keine Kritik an ihnen übt, sondern eher witzig erzählt. An manchen Stellen wirkte er ein bisschen zu selbstbewusst, aber das war ok. Über die Arbeit eines Musikverlages erfährt man manches. Aber ich hätte man an diesen Stellen mehr Erklärungen gewünscht, weil mir das Basis-Wissen fehlt.

Zur Entstehung von Songs liest man ein paar Zeilen, aber magisch war's nicht. Denn vieles ist einfach Zufall.

Fazit

"Rückkehr nach Mendocino" ist ein nettes Buch, das mich nicht aufgeregt hat. Aber irgendwie hat es mich enttäuscht, weil es nicht so tief in den Musiker und Menschen "Micheal Holm" eintaucht. Es fühlt sich genauso an wie die schicken Promo-Fotos, auf denen man Holm immer gleich gucken sieht.

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Veröffentlicht am 02.07.2023

Meta, meta, meta

Sie sind doch DER LEHRER, oder?
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Ich lese Autobiografien gerne, um in das Leben anderer Menschen einzutauchen. Dabei gehe ich ihren Weg nach und lerne etwas über mich. Dieses Buch lässt den entscheidenden Teil meistens weg - die Lebensgeschichte. ...

Ich lese Autobiografien gerne, um in das Leben anderer Menschen einzutauchen. Dabei gehe ich ihren Weg nach und lerne etwas über mich. Dieses Buch lässt den entscheidenden Teil meistens weg - die Lebensgeschichte. Es ist ein Essay. Ein extrem langer Essay mit ein paar Anekdoten. Wer sich gern mit tiefen Gedanken beschäftigt, wird hier Spaß haben. Ich wollte mehr über den Schauspieler, seine Wurzeln und seine Arbeit erfahren. Das habe ich nicht gefunden. So sympatisch Duryn in Interviews rüberkommt - im Buch habe ich eine tiefe Abneigung entwickelt.

Worum geht es?

Duryn beginnt mit dem letzten Abend, bevor er als junger Mann zur Armee muss, gleitet dann langsam über in seinen steinigen Weg als Schauspieler. Dann widmet er sich ausführlich seinem ersten Job als Texter für die Schauspielschul-Adaption von "Dame Kobold", kommt dann zum "Lehrer".

Themen sind die Verbesserung der Welt, aber auch die intensive Arbeits-Beziehung zu seiner Partnerin und seiner Arbeit. Dass er für seinen Drang nach Perfektion und Sinn manchmal an die Grenzen des Körperlichen und Emotionalen kommt.

Als Zwischenspiele zwischen den Abschnitten fungen fiktive Interviews, die aber nur wenig aussagen.

Meine Meinung zum Buch

Die Figur ist mit Dichtern und Denkern aufgewachsen, wirkt gebildet und durchdacht. Und der Autor wiederum kann schreiben. Wenn Duryn tatsächlich Geschichten erzählt, dann klingen sie kraftvoll und dynamisch. Besonders die Szene am Anfang ist mir im Gedächnis geblieben: Duryn beschreibt den letzten Abend mit seiner Freundin und man kann sich diese feuchte Nacht im Mai wundervoll vorstellen.

Allerdings verliert sich das Buch oft, "fängt ständig bei den Römern an", wie der Erzähler an einer Stelle bemerkt. Ich habe oft den Faden verloren und wusste stellenweise nicht, wie eine Geschichte überhaupt angefangen hat.

Der Erzähler greift das sogar öfters auf, besonders in den Interviews. Aber das rettet das Buch nicht. Vielleicht war das Humor, den ich nicht verstanden habe.

Über seine Arbeit an "Der Lehrer" und vor allem seine Arbeit als Script Consultant erfährt man fast nichts. Nur, dass ihm das Projekt viel bedeutet und wie sehr er dafür gekämpft hat, dass es auch gute Drehbücher bekommt. Aber was er als Script Consultant gemacht hat, wie sein Drehalltag aussah, wie er die intensive Arbeit mit seiner Familie vereinbart hat, das bleibt alles im Dunkeln.

Die Arbeit an "Dame Kobold" nimmt viel Raum ein, aber ich habe das gemocht. Besonders interessant waren die gegensätzlichen Meinungen des Erzählers und seiner Partnerin. Während ER den Text und die Struktur möglichst perfekt haben will, möchte SIE, dass der Text Raum lässt, damit sich die Studierenden ausprobieren und das Stück mit ihrer Interpretation der Figur füllen können. Man merkt, dass das dem Erzähler Kopfzerbrechen bereitet und er daran wächst. Aber auch hier: Der Erzähler verliert sich in Kleinigkeiten und setzt Wissen über Theater und den Schaffensprozess voraus, das ich nicht habe.

Lebensnah wirkt der Erzähler nur dann, wenn er beruflich feststeckt und mit einem Freund über seine Rolle als Vater oder mit der Therapeutin über seine Beziehung zur Schwester redet. An diesen Stellen spürt man, dass auch ein scheinbar perfekter Mensch Probleme hat. Dass er sich in Details festbeißt und dabei das Wesentliche übersieht. Oder denkt, dass Emotionen verschwinden, wenn man sie mit Argumenten auseinander nimmt.

Wahrscheinlich ist es für die Figur eine große Bürde zu wissen, wieviel sie kann und dass sie all das nicht umsetzen kann, weil man ja nicht allein lebt, sondern mit anderen.

Fazit

Letztlich hat sich der Autor "Hendrik Duryn" über den Erzähler und die Figur gut um die Frage seines Lebens herumgemogelt. Obwohl es viel um ihn und seine Einstellung zum Leben geht. Vielleicht wollte es das nicht erzählen, vielleicht fand er es nicht interessant. Vielleicht findet er Autobiografien überbewertet und wollte ein satirisches Werk erschaffen. Vielleicht ist das aber nur die Art, mit der er sich wohlfühlt.

Obwohl der Autor die Mittel für eine gute, spannende Geschichte kennt, war dieses Buch langweilig, zäh und anstrengend. Oder das alles war beabsichtigt und ein dramaturgisches Mittel, das ich nicht verstanden habe.

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