Vorhang auf für ein einzigartiges Lesevergnügen aus England!
Edith HollerIm Jahre 1901 stirbt Königin Victoria. Edith May Holler ist zu dieser Zeit zwölf Jahre alt. Als Tochter des Theater-Chefs Edgar Holler ist das Holler Theatre in der englischen Stadt Norwich Ediths ganze ...
Im Jahre 1901 stirbt Königin Victoria. Edith May Holler ist zu dieser Zeit zwölf Jahre alt. Als Tochter des Theater-Chefs Edgar Holler ist das Holler Theatre in der englischen Stadt Norwich Ediths ganze Welt, denn alles, was sich draußen vor der Tür abspielt, kennt sie nur aus Büchern und durch die Fensterscheiben des Theaters. Auf Edith liegt nämlich ein Fluch. Das Theater droht einzustürzen, sollte sie es jemals verlassen.
Schließlich schreibt das Mädchen ein eigenes Theaterstück, in dem sie der Frage nachgeht, was es mit den verschwundenen Kindern von Norwich auf sich hat. Über Jahrhunderte hinweg sind in Norwich immer wieder Kinder wie vom Erdboden verschluckt worden. Ohne es zu ahnen, betritt Edith mit ihren Nachforschungen eine ganz neue Welt …
Edward Careys Roman „Edith Holler“ ist am 20. März 2025 bei C.H. Beck erschienen. Es ist ein ganz besonderes Buch, das sich in keine Schublade pressen lässt. Ein Alleinstellungsmerkmal sind auf jeden Fall die zahlreichen Illustrationen, die vom Autor selbst stammen. Aber auch die Geschichte selbst und die Art, wie Edward Carey sie erzählt, ist alles andere außer gewöhnlich.
Mit einer einzigartigen Mischung aus Schauergeschichte, historischem Roman, Fantasy und Coming of Age ist dem Autor mit „Edith Holler“ eine grandioses Buch gelungen, das den Leser von Anfang an fesselt und hinter die staubigen Theatervorhänge lockt. Man kann sich mit dem 428-seitigen Roman problemlos in eine ganz andere Welt entführen lassen und an der Seite der Protagonistin die unglaublichsten Dinge erleben.
Mit Edith Holler hat der Autor eine kluge, neugierige und liebenswerte Heldin erschaffen, die mithin auch ein wenig seltsam anmutet. Aber wer wäre das nicht, wenn er seit seiner Geburt nie das Haus hätte verlassen dürfen? Außerdem ist Edith ein Theaterkind durch und durch. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass sie im zarten Alter von zwölf Jahren bereits ihr erstes Stück geschrieben hat und sich fortan treffend als Dramatikerin bezeichnet. Bei Lichte betrachtet scheint Ediths Geschichte traurig zu sein. Man stellt sich das Mädchen einsam vor. Doch in ihrer großen, bunten Theaterfamilie wird es niemals langweilig.
Das Personal, das Edward Carey in seinem Roman auftreten lässt, ist herrlich kurios. Am meisten hat es mir – neben Edith – Tante Bleachy angetan, die eifrig Reklamesprüche für Putzmittel rezitiert, Edith zärtlich „mein Stäubchen“ nennt und deren Lebensaufgabe es ist, jedwedem Schmutz den Garaus zu machen. Hach, und diese Dialoge! Hinreißend, schlagfertig und voller Humor sind sie – und die Protagonisten knallen sich die Sätze wechselseitig um die Ohren.
Für reichlich Gänsehautmomente sorgt Edward Carey ebenfalls. Da gibt es beispielsweise das Trauerzimmer, in dem vier kopflose Puppen in den Kleidern der verstorbenen Ehefrauen des Hausherrn Edgar Holler um einen Tisch versammelt wie zum Teekränzchen beieinandersitzen. Oder die unheilvollen nagenden Geräusche, die dann zu hören sind, wenn Scharen von Käfern das Theater heimsuchen. (Das Norwich in „Edith Holler“ ist berühmt für seine Käfermarmelade! Und in die, so erzählt man sich, kommt eine ganz bestimmte Zutat …)
Bis zum Schluss stellt man sich die Frage, ob Edith es schaffen wird, den Fluch zu brechen. Oder wird sie auf ewig im Theater gefangen sein?
„Edith Holler“ ist ein großes, genreübergreifendes Lesevergnügen. Dieses außergewöhnliche Buch hat unglaublich viel Spaß gemacht und sich einen festen Platz in meinem Leserinnen-Herz gesichert.