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Veröffentlicht am 15.10.2017

Ehrliche Geschichte

Nachtlichter
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Als junge Erwachsene konnte Amy Liptrot es kaum erwarten ihre Heimat, die Orkneyinseln, zu verlassen. Zu klein, zu eng, sie wollte hinaus in die Welt. Nach einem Jahrzehnt, das sie schnell gelebt hat, ...

Als junge Erwachsene konnte Amy Liptrot es kaum erwarten ihre Heimat, die Orkneyinseln, zu verlassen. Zu klein, zu eng, sie wollte hinaus in die Welt. Nach einem Jahrzehnt, das sie schnell gelebt hat, ist sie ausgebrannt und hängt an der Flasche. Freund und Job sind auch weg. Da zieht Amy die Reißleine und verordnet sich selbst Urlaub auf den Orkneys. In der rauen Umgebung lassen sich Gedanken hervorragend sortieren.
Liptrot erzählt ihre Geschichte von Grund auf ehrlich, sie geht mit sich selbst und ihrer Umgebung auch mal hart ins Gericht. Ihre Beichte ist beschämend, deprimierend und oft auch traurig. Gesellschaftskritische Töne lässt sie anklingen, sucht den „Fehler“ aber eigentlich nur bei sich selbst. Obwohl Sucht und Depression eben einen großen Platz in ihrer Erzählung finden, gibt es schöne Seiten. Die Flora und Fauna der Orkneys spielen eine große Rolle, die Autorin verwöhnt den Leser mit plastischen Landschaftsbeschreibungen und bringt einem die raue, aber wunderschöne Seite der Inseln näher. Auch spannende Fakten zur Tierwelt fließen mühelos in die Erzählung ein, ohne dass man sich in einer Tierdoku wähnt. Die Kombination aus Lebensbeichte und Landschaftsdarstellung hat mir sehr gut gefallen, zu Recht wurde Liptrots Werk bereits ausgezeichnet. Ich hoffe sehr, dass die junge Journalistin ihren Weg finden wird und uns irgendwann ein weiterer Roman erwarten wird.

Veröffentlicht am 04.10.2017

Kulinarisches Märchen aus 1001 Nacht

Der Meisterkoch
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„Der Geschmack beginnt im Mund, doch er endet im Geist.“
In der Palastküche des Sultans sind viele Köche am Werk, viele großartige, viele geachtete Köche. Doch nur einer hat den absoluten Geschmackssinn, ...

„Der Geschmack beginnt im Mund, doch er endet im Geist.“
In der Palastküche des Sultans sind viele Köche am Werk, viele großartige, viele geachtete Köche. Doch nur einer hat den absoluten Geschmackssinn, kann die Sinne betören, die Stimmungen und den vermeintlich freien Willen durch den Geschmack seiner Gerichte beeinflussen. Der Küchenmeister ist eine geheimnisvolle Person, niemand kennt seinen Namen, nur wenige sein Ziel…

Anhand des Klappentextes könnte man noch einen historischen Roman vermuten, doch beim Lesen wird schnell klar, dass es sich eher um ein Märchen aus 1001 Nacht handelt. Saygin Ersin entführt den Leser in die opulente Umgebung und malt seine Bilder in kräftigen, bunten Farben. Auch seine Beschreibungen von Gerüchen und Geschmack sind sehr detailreich und unglaublich realistisch. Hungerattacken beim Lesen sind garantiert! Sind seine Gerichte noch sehr lebensecht, so sind die Figuren leider etwas eindimensional; ich fand das aber relativ einfach zu verschmerzen, vielleicht auch, weil es den märchenhaften Charakter unterstreicht. Die Handlung selbst ist sehr schön konstruiert, nicht atemberaubend spannend, aber durchaus fesselnd. Im letzten Drittel war die Geschichte für mich nicht mehr ganz so rund, auch fand ich einige Kleinigkeiten nicht ganz so schön gelöst, unterm Strich hat mir „der Meisterkoch“ jedoch sehr gut gefallen. Ein wunderbares kulinarisches Märchen aus 1001 Nacht, das man besser nicht mit knurrendem Magen lesen sollte ; )

Veröffentlicht am 18.09.2017

Anders, aber gewohnt gut

Durst
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Seit drei Jahren ist Harry Hole Dozent an der Polizeischule und hat seinem harten Job als Ermittler Lebwohl gesagt. Das Familienleben ist mehr als glücklich, auch dem Alkohol hat Hole erfolgreich abgeschworen. ...

Seit drei Jahren ist Harry Hole Dozent an der Polizeischule und hat seinem harten Job als Ermittler Lebwohl gesagt. Das Familienleben ist mehr als glücklich, auch dem Alkohol hat Hole erfolgreich abgeschworen. Als Oslo jedoch von einem Serienkiller heimgesucht wird, der unschuldige Frauen mittels Tinder in die Falle lockt, muss Harry wieder zurück in den Ring. Doch zu welchem Preis?

„Durst“ ist der elfte Band mit Harry Hole und „Durst“ ist auch irgendwie anders. Man muss sich als Leser der Reihe erst an einige Dinge gewöhnen: an einen glücklichen Harry zum Beispiel. Ein Harry, der nicht jeden Tag stockbesoffen oder mit dickem Kater aufwacht. Ein Harry, der im Präsidium so gar nichts mehr verloren hat. Mir fiel gerade zu Beginn der Umstieg etwas schwer, dem Autor aber wohl auch. Denn der Fall entwickelt sich etwas schleppend, so richtig Fahrt kommt erst nach einiger Zeit auf. Dann hat es die Handlung aber in sich, Nesbo wagt sich in die Tiefen der menschlichen Psyche und Abartigkeit. Es wird blutig und es wird scheußlich bis eklig, erstaunlich dass der Autor da immer noch überraschen kann. Immer wieder sorgt er für unerwartete Entwicklungen, die man auch als eingefleischter Krimileser nicht hat kommen sehen. Für Spannung ist also reichlich gesorgt, auch sprachlich ist „Durst“ gewohnt gut geschrieben. Nordisch nüchtern und trotzdem mitreißend.
Ein rundum gelungener „neuer“ Harry Hole, der mich mal wieder begeistert hat.

Veröffentlicht am 13.09.2017

Ganz ordentlich

Ich soll nicht lügen
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Seit Jahren schon haben Mags und ihr Bruder Abe keinen Kontakt mehr, bis sie eines Tages die Nachricht erhält, dass er nach einem Selbstmordversuch im Koma liegt. Die Kindheit der beiden war schwierig, ...

Seit Jahren schon haben Mags und ihr Bruder Abe keinen Kontakt mehr, bis sie eines Tages die Nachricht erhält, dass er nach einem Selbstmordversuch im Koma liegt. Die Kindheit der beiden war schwierig, sodass Mags die einzige nähere Angehörige ist und widerwillig anreist; um vor Ort auf Jody, die Verlobte ihres Bruders zu stoßen. Doch irgendwas ist faul an dem angeblichen Selbstmordversuch und auch Jody macht Mags misstrauisch.

Bei diesem Psychothriller hat sich die Autorin wohl hauptsächlich auf das „Psycho“ konzentriert. Zumindest scheinen irgendwie sämtliche Protagonisten einen gehörigen Knacks zu haben. Allen voran Mags, die zudem recht unsympathisch rüberkommt. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto mehr erfährt man über die Hintergründe, trotzdem bleibt unterm Strich eine Figur, die man nicht leiden kann. Trotzdem bin ich der Handlung gerne gefolgt, denn die Autorin kann einfach gut erzählen und baut bisweilen eine nahezu beklemmende Stimmung auf. Natürlich ist hier nichts wie es auf den ersten Blick scheint, auf den Leser wartet die eine oder andere Überraschung; spannend ist „Ich soll nicht lügen“ also schon. Trotzdem fühlte ich mich immer wieder an Gone Girl, Girl on the train u.ä. erinnert, ganz neu hat die Autorin das Rad halt eben doch nicht erfunden. Insgesamt ist die Geschichte aber rund und hat mich durchaus unterhalten und manchmal überraschen können. Kein außergewöhnliches Leseerlebnis, aber auch kein ganz schlechtes.

Veröffentlicht am 12.09.2017

Bibliomantik im viktorianischen Gewand

Die Spur der Bücher
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Nach einem traumatischen Erlebnis vor zwei Jahren hat Mercy Amberdale der Bibliomantik eigentlich abgeschworen, das eigene Seelenbuch in eine dunkle Kiste verbannt. Ihre Tage (oder sollte ich sagen Nächte?) ...

Nach einem traumatischen Erlebnis vor zwei Jahren hat Mercy Amberdale der Bibliomantik eigentlich abgeschworen, das eigene Seelenbuch in eine dunkle Kiste verbannt. Ihre Tage (oder sollte ich sagen Nächte?) verbringt sie damit, Sammlern begehrte Schätze zu beschaffen. Da wird eines Tages ein ihr verhasster Buchhändler tot aufgefunden. Er ist inmitten seines Ladens verbrannt, seine Bücher blieben jedoch unversehrt. Da MÜSSEN doch dunkle Mächte am Werk gewesen sein…

Mit der Trilogie „Die Seiten der Welt“ hat uns Autor Kai Meyer erstmals in die Refugien der Bibliomantik entführt. „Die Spur der Bücher“ ist zwar unabhängig von dieser Trilogie zu lesen, die Grundzüge dieser Welt und ihrer Gesetze werden für Neuleser jedoch nicht erneut eingeführt, sodass es schon sinnvoll ist zumindest eine grobe Kenntnis dieser Bände zu haben. Mir hat der erneute Ausflug in diese Welt jedenfalls sehr gut gefallen. Das viktorianische London gibt dem Ganzen einen schönen Rahmen und auch Mercy als Hauptfigur passt sehr gut in diese Welt. Sie will eigentlich nichts mehr mit der Buchmagie zu tun haben, kann aber von Büchern nicht die Finger lassen. Ihr Charakter ist sympathisch und kommt authentisch rüber. Ihre zwei Sidekicks wären für die Handlung nicht zwingend notwendig gewesen, geben ihrer Figur aber etwas mehr Tiefe. Zu dritt erleben sie spannende Abenteuer, die der Autor sehr ansprechend präsentiert. Der Erzählstil ist sehr flüssig, gewürzt mit allerlei Wendungen und Geheimnissen entsteht ein rechter Sog und so ist man recht schnell am Ende angekommen; wo den Leser erfreulicherweise schon die Ankündigung für den nächsten Band erwartet, sodass die Wartezeit nicht allzu lang werden dürfte. Bis auf kleine Unstimmigkeiten hat mir die Geschichte gut gefallen und so freue ich mich auf ein Wiedersehen mit Mercy & Co.