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Veröffentlicht am 08.06.2017

Kindsein im Nachkriegsdeutschland

Die Unschuld der Kastanienblüten
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Mit der aufgeweckten Ich-Erzählerin Sophie erlebt der Leser eine Kindheit kurz nach Kriegsende. Die evangelische Sophie und der jüdische Hanno lernen sich 1952 als Grundschüler kennen, als Hanno mit seinen ...

Mit der aufgeweckten Ich-Erzählerin Sophie erlebt der Leser eine Kindheit kurz nach Kriegsende. Die evangelische Sophie und der jüdische Hanno lernen sich 1952 als Grundschüler kennen, als Hanno mit seinen Eltern in das kleine Örtchen in der Nähe von Düsseldorf zieht. Episodenhaft wird die kindliche Erfahrung in der jungen Bundesrepublik beschrieben. Die Zeit ist geprägt von Ressentiments und Schweigen über die Vergangenheit. Sophie will das so nicht hinnehmen und erfährt von ihren eigenen und auch von Hannos Eltern durch konsequentes Nachfragen immer mehr über den Holocaust.

Ca. zwei Drittel des Buches beschreiben das Jahr 1952, in dem sich die beiden Kinder kennen lernen und nach kurzer Zeit schon wieder verlieren. Die beiden finden im Jugend- und Erwachsenenalter immer wieder zusammen, bevor es dann wieder auseinander geht. Dieses Hin und Her über mehrere Jahrzehnte hinweg, wird in meinen Augen etwas zu kurz im letzten Drittel des Buches abgehandelt. So kurz, dass der Rest vom Leben etwas zu kurz kommt - es dreht sich zumindest auf Sophies Seite alles nur um diese Beziehung.

Kein literarisches Meisterwerk, auch nicht die gelungenste Liebesgeschichte, aber eine interessante Charakterisierung einer Kindheit in den 1950er Jahren.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Taiwan in den 1980'ern

Meine 80er Jahre
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Sean Chuang beschreibt in Comicform seine Kindheit und Jugend in den 1980'er Jahren in Taiwan. Der Chinabooks-Verlag hat den ersten Band dieser Comic-Reihe zweisprachig veröffentlicht: die erste Hälfte ...

Sean Chuang beschreibt in Comicform seine Kindheit und Jugend in den 1980'er Jahren in Taiwan. Der Chinabooks-Verlag hat den ersten Band dieser Comic-Reihe zweisprachig veröffentlicht: die erste Hälfte besteht aus der deutschen Übersetzung von Marc Hermann, die zweite (von mir mangels Sprachkenntnisse hier nicht bewertete) bildet die chinesische (in Kurzzeichen) Ausgabe ab. Somit ergibt sich ein recht dickes Buch, das nicht ganz leicht in der Hand liegt.
Es gibt in beiden Sprachen ein Vorwort und einen Zeitstrahl der - für den Autor erwähnenswerten - Ereignisse in den 1980'er Jahren. Die deutsche Ausgabe verfügt außerdem über Fußnoten, die manchmal interessante Infos bieten, manchmal aber auch sehr special interest sind - z.B. Alternativtitel zu Kinofilmen.

Episodenhaft und nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge beschreibt Sean Chuang seine Erlebnisse zu bestimmten Themen. Schule ist hier natürlich ein großes Thema, aber auch z.B. Baseball oder Dating werden behandelt.
Diese Erlebnisse werden wertungsfrei von Chuang erzählt. Er beschreibt zwar, wie er als Kind und Jugendlicher erlebt und gefühlt hat, bewertet sein Handeln und das anderer - mit einer Ausnahme - nicht rückblickend. Einerseits ist das eine interessante Erzählweise, die die Bewertung dem Leser überlässt, andererseits ist diese Bewertung und Einordnung bei einer fremden Kultur natürlich manchmal schwieriger als es bei einem mitteleuropäischen Text wäre.
Zusätzlich erschwerend ist, dass oftmals nicht zu erkennen ist, wie alt Sean in den einzelnen Episoden gerade ist. Diese Information wäre aber hilfreich, um das Beschriebene in Relation zum Alter des Protagonisten zu setzen und somit besser einordnen zu können.

Die Zeichnungen sind schwarz-weiß, teils sehr realistisch, teils stark überzeichnet. Ich fand sie eingänglich und aussagekräftig.

Auch für jemanden, der sich bisher so gut wie garnicht mit Taiwan beschäftigt hat, ist es insgesamt ein interessantes Comic, dem ich gut folgen konnte. Manchmal hätte ich mir allerdings doch ein paar (Hintergrund)-Informationen gewünscht. Manchmal blieb die Geschichte (auch deswegen) dann doch auf einem etwas oberflächlichen Niveau.
Die Zielgruppe, die durch die zweisprachige Ausgabe vorwiegend angesprochen wird, ist aber vermutlich recht gut über Taiwan informiert und wird diese von mir vermissten Informationen wahrscheinlich nicht benötigen.

Veröffentlicht am 08.06.2017

Reines Kochbuch - nicht ganz günstig, aber vielseitig

FIT FOOD TO GO - Das Fitness Kochbuch
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Die Rezepte sind in drei Kapitel unterteilt: Frühstück, Hauptmahlzeiten und Snacks.
Die Rezepte haben meist 4 bis 5 Arbeitsschritte - die Beschreibung ist sehr übersichtlich. Jedes Rezept wird mit einem ...

Die Rezepte sind in drei Kapitel unterteilt: Frühstück, Hauptmahlzeiten und Snacks.
Die Rezepte haben meist 4 bis 5 Arbeitsschritte - die Beschreibung ist sehr übersichtlich. Jedes Rezept wird mit einem meist appetitanregenden Photo illustriert. Zu jedem Rezept gibt es außerdem einen (meist) hilfreichen Tipp und die "Macros" bzw. Nährwertangaben: Kalorien, Fett, Kohlenhydrate, Protein.
Die Rezepte sind definitiv machbar - auch der ungeübte Koch wird Rezepte finden, die er ohne größere Probleme zubereiten kann. Es gibt aber durchaus Rezepte, die etwas aufwändiger und nicht ganz so einfach sind (z.B. Teigtaschen). Dem Versprechen des Untertitels, dass es hier schnelle und(!) einfache Rezepte gibt, kann ich also nur bedingt zustimmen. Natürlich sind Schnelligkeit und Einfachheit auch Definitionssache: stundenlang steht man jedenfalls auch nicht in der Küche.

Mir gefällt sehr, dass die Zutaten fast ausschließlich natürlich sind (Ausnahme Süßstoff). Auf Nahrungsergänzungsmittel wird verzichtet - das kenne ich aus Kochbüchern mit ähnlichem Schwerpunkt anders.
Die Zutaten sind außerdem größtenteils im Supermarkt zu erhalten, was ich ebenfalls super finde und meine Motivation, die Rezepte zuzubereiten, verstärkt.

Es gibt erstaunlich viele vegetarische und vegane Rezepte oder aber Rezepte, die leicht zu einer vegetarischen oder veganen Variante umgewandelt werden können. Aber auch Fleisch- und Fischesser kommen auf ihre Kosten.

Eine Einleitung oder ähnliches gibt es nicht - FIT FOOD 2GO. SCHNELLE & EINFACHE FITNESS-REZEPTE FÜR DEINEN GESUNDEN TRAUMKÖRPER startet gleich mit den Rezepten, was für mich OK ist. Für Leute auf der Suche nach einem Diät-Kochbuch bzw. einer Anleitung zum Abnehmen und/oder fitter werden, ist das aber vielleicht nicht optimal. Man sollte FIT FOOD 2GO also als reines Kochbuch sehen.
Den Namen FIT FOOD 2GO finde ich außerdem etwas unglücklich gewählt, da das Buch weder explizit Rezepte für Unterwegs noch wirkliche Blitzrezepte sammelt.

Insgesamt also ein nicht ganz günstiges, aber auch vielseitiges Kochbuch.

Veröffentlicht am 02.06.2017

Jugendliche Hochhauskletterer

Roofer
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Der Leser lernt zusammen mit der jugendlichen Ich-Erzählerin Alice eine Clique aus Roofern, also Jugendlichen, die auf Baukräne und Hochhausdächer klettern, kennen. Nach und nach wird die Szene, der Reiz ...

Der Leser lernt zusammen mit der jugendlichen Ich-Erzählerin Alice eine Clique aus Roofern, also Jugendlichen, die auf Baukräne und Hochhausdächer klettern, kennen. Nach und nach wird die Szene, der Reiz des Roofings aber auch die hohen Risiken erläutert. Auch die Dynamik in einer Clique Jugendlicher wird thematisiert: Zusammenhalt, aber auch Angeberei und Gruppenzwang. Die inneren Konflikte und persönlichen Probleme, die die einzelnen Jugendlichen außerdem umtreiben, werden ebenfalls angesprochen. Es ist keine heile Welt, in der die Gruppe lebt. Für vieles wird im Buch auch keine Lösung gefunden, was ich (ab einem bestimmten Lesealter) in Ordnung finde, denn auch im echten Leben wird nicht so einfach für jedes Problem eine Lösung gefunden.

Die Geschichte wird flüssig erzählt. Die Sprache passt sich im Tempo oft der beschriebenen Situation an, wird etwas hektischer, wenn es aufregend wird - das gefällt mir.
Ob die wörtliche Rede die aktuelle Jugendsprache aufgreift, glaube ich zwar nicht, aber die Verwendung von mehr oder weniger normalem Hochdeutsch gefällt mir hier viel besser, als wenn eine erwachsene Autorin versucht, Jugendsprache zu imitieren und daran scheitert. Hin und wieder klingt die Sprache dann aber doch leicht hölzern, aber das​ ist die Ausnahme.

Veröffentlicht am 29.05.2017

Schöner britischer Roman mit kleinen Schwächen

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
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Ruth Hogan erzählt zwei Geschichten, die immer wieder Parallelen und Verbindungen zueinander aufweisen: erstens (und vor allem) die Geschichte des Schriftstellers​ Anthony Peardew und seiner Assistentin ...

Ruth Hogan erzählt zwei Geschichten, die immer wieder Parallelen und Verbindungen zueinander aufweisen: erstens (und vor allem) die Geschichte des Schriftstellers​ Anthony Peardew und seiner Assistentin Laura und zweitens die des Verlegers Bomber und seiner Assistentin Eunice. Anthony Peardew sammelt Gegenstände, die andere Menschen verloren haben. Die Aufgabe, diese Gegenstände ihren Besitzern zurück zu geben, übergibt er an Laura.

Der Focus liegt auf dem weiblichen Blickwinkel und obwohl beide Frauen ihren Mann stehen, wird es mir hin und wieder etwas klischeehaft, wenn sich das Leben dann doch vorwiegend um die Männer dreht. Dennoch haben mich die kombinierten Geschichten und die sympathischen Hauptprotagonisten gefangen genommen und ich habe das Buch sehr gerne gelesen.
Wenn die Geschichte dann doch mal droht, zu sehr ins Klischeehafte anzurutschen, wird auf einmal eine der winzigen Kurzgeschichten eingeflochten, die Anthony Peardew zu seinen gefundenen Gegenständen geschrieben hat. Diese kurzen Geschichten sind alle pointiert - manche witzig, manche traurig, manche sogar beides. Für mich sind diese​ kleinen Geschichten eins der Highlights dieses Buches. Ein weiteres​ Highlight(, das aber wohl Geschmackssache ist,) war für mich die Beschreibung der drei im Buch vorkommenden Hunde. Diese Hunde werden zwar vermenschlicht, aber in jedem Fall auch sehr liebevoll charakterisiert.

Bei der Beurteilung der Sprache bin ich hin und her gerissen. Einerseits liest sich das Buch größtenteils sehr gut und flüssig. Dann gibt es aber wieder abgehackte, etwas holprige Sätze. Diese sind allerdings die Ausnahme, weswegen ich das Buch zwar nicht uneingeschränkt, aber doch überwiegend gut lesbar fand.

Ein schönes Buch mit deutlich britischen Zügen.