Profilbild von Franci

Franci

Lesejury Star
offline

Franci ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Franci über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.11.2022

Queerness. Wahrheit. Mut.

Killing the Beast
0

„Killing the Beast“ ist die moderne Interpretation des Klassikers „Die Schöne und das Biest“, doch weist nur wenige feine Gemeinsamkeiten auf. Dafür bedient sich Evelyne Aschwanden aktuellen, gesellschaftskritischen ...

„Killing the Beast“ ist die moderne Interpretation des Klassikers „Die Schöne und das Biest“, doch weist nur wenige feine Gemeinsamkeiten auf. Dafür bedient sich Evelyne Aschwanden aktuellen, gesellschaftskritischen sowie sensiblen Themen. Und bestätigt gekonnt, dass in jedem Märchen auch ein Funken Wahrheit steckt.

Anteilig verfolgen wir das Geschehen aus der Perspektive der Monsterjägerin, die euphorisch und siegessicher ihrer letzten Prüfung entgegensieht, nur noch ein Ungetüm trennen Jade Labelle von der Erfüllung ihres Traums: zur offiziellen Jägerin der Gilde ernannt zu werden.
Den anderen Erzählstrang führt Louisa Beauprince, tief verzweifelt und herzzerreißend einsam. Mit dieser jungen Frau zeigt die Autorin metaphorisch, in welch unschuldigem Antlitz das Grauen daherzukommen vermag. Zurückhaltung, Stille und Fragilität vertuschen ein tödliches Geheimnis.

Entschlossenheit trifft auf Hoffnungslosigkeit.

Mit diesen eigenwilligen Protagonistinnen wurden zwei völlig verschiedene Charaktere erschaffen, die eine Stärke in sich tragen, denen sich beide nicht bewusst sind. Gegen jede Vernunft, gegen allen Widrigkeiten entwickelt sich zwischen Jade und Louisa eine zarte Verbindung, zusammen geht aus ihnen eine erfrischende, sich ergänzende Dynamik einher.
Obwohl ich mich Anfangs mit der selbstherrlichen Jägerin, ihrer belehrenden Art schwertat, bröckelte ihre Abgeklärtheit im Laufe der Geschichte, weicht unter Louisas Blick Verletzlichkeit und Sehnsucht. Abgeschieden von ihresgleichen, von anderen Menschen, im Angesicht des nahenden Todes suchen die Kriegerin Zweifel heim, unerschütterlich geglaubte Prinzipien und die Idealisierung der Gilde geraten ins Wanken.

Verzweiflung und Angst, Schuld und Scham begleiten das aussichtslose Unterfangen, den Fluch zu brechen, das Anwesens zu verlassen – bevor der Vollmond gänzlich vorüber ist. Doch die Zeit läuft gegen die Mädchen …

Fehler, Zweifel, das Zögern im entscheidenden Moment, der Wunsch, das Richtige zu tun, machen Louisa, die mit Schwermut zu Herzen geht, und Jade nahbarer. Stilistisch behält Evelyne einen klaren, sanften und doch mystischen Faden, bei dem mir manchmal Feuer und Leidenschaft fehlte. Vorstellbar kam das herrschaftliche Setting, welches sich größtenteils auf das überraschend magische, marode Beauprince-Anwesen begrenzt, zur Geltung.
Der Verlauf ist teilweise sehr ruhig und ereignislos, dennoch hält die Geschichte neben viel Wahrheit und Input zum Nachdenken, Spannung, Tragik und einen Hauch Romantik nebst französischem Flair bereit. Tiefsinnige, melancholische Dialoge und Überlegungen versprühen, trotz des Unausweichlichen, Zuversicht und Kampfgeist.

Wir finden Güte und Selbstlosigkeit, das Wissen um die Macht, etwas verändern zu können, den Anreiz, sich nicht in vermeintlich vorbestimmte Richtungen oder gesellschaftliche Erwartungen drängen zu lassen, sondern den schweren, eigenen Weg, ungeachtet aller Konsequenzen, zu wählen. Aufzubegehren, wenn Unrecht geschieht und Entscheidungen zu treffen — immer wieder neu. Dieser Roman ruft dazu auf, zu sich selbst zu stehen, genau hinzusehen, im Jetzt zu leben.

„Killing the Beast“: vom ausbrechen und mutig sein, vom Monster und der Jägerin.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.11.2022

Unglaublich gutes Buch! Suchtgefahr!

Die Geister von Alcatraz
0

„Die Geister von Alcatraz“ – so lautet der Titel der neuen Buchreihe von Kathrin Wandres, dessen Bände trotz einiger Gemeinsamkeiten unabhängig gelesen werden können. Und was soll ich sagen? Ich bin schwer ...

„Die Geister von Alcatraz“ – so lautet der Titel der neuen Buchreihe von Kathrin Wandres, dessen Bände trotz einiger Gemeinsamkeiten unabhängig gelesen werden können. Und was soll ich sagen? Ich bin schwer begeistert.

Aufwendig recherchierte Details, die nahtlos in die fiktive Geschichte eingebracht waren, die Fassungslosigkeit über den Wahrheitsgehalt mancher Ausführungen sorgen für eine unheimliche Atmosphäre, solch eine, die durch und durch bedrohlich wirkt und eine gewisse Befangenheit auslöst.
Der gesamte Aufbau der Handlung, die regen Perspektivwechsel und die glaubhafte Darlegung von Routinen und Gegebenheiten ließen mich fasziniert in die undurchdringlichen, abgeschiedenen Mauern eintauchen.

Perfide Pläne und Machenschaften, die weit entfernt der gefürchteten Insel begonnen haben, Korruption, Gewalt und Demütigung sowie alte, lebendig gewordene, nach Blut lechzende Legenden warten in dem Hochsicherheitsgefängnis. Mitten drinnen die 16-jährige Jillian, die hier gemeinsam mit ihrer Familie gezwungenermaßen ein neues zu Hause fand. Nicht lange nach ihrer Ankunft bringt ein Knopf die Ereignisse ins Rollen, die sie viel tiefer in die dunklen Geheimnisse und Gefahren von Alcatraz ziehen, als gut ist.

Sich in den verschiedensten Stimmungen, vor den jeweils eigenen Problematiken befindend, treffen wir interessante Figuren an. Kathrin ermöglicht durch detaillierte Beschreibungen ein authentisches einfinden in die einzelnen Gemütszustände und die allgemeine Anspannung. Hinweise und Vermutungen flochten sich zu einem Netz aus Verstrickungen, entwirren sich im Verlauf, offenbaren Wahrheiten und bringen nicht nur Jill und den Neuankömmling Ray an die Grenzen ihrer Wahrnehmung, treiben die Involvierten an eine Schwelle zwischen Wahn und Wirklichkeit. Und nicht alle Mitwissenden überleben die Geister.

Nachvollziehbar wurden die verschiedenen Situationen aufgegriffen, sei es die Überforderung der Wärter, jene Unruhe der „Frischlinge“ oder die überlebenswichtigen Machtdemonstrationen alt eingesessener. Selbst das Unbehagen der Menschen, die auf dieser Insel wohnen, umgeben von Stacheldraht, immer im Visier der Schützen sickert durch die Seiten.
Mitleid stieg empor, als ich mir die schiere Ausweglosigkeit, die graue Monotonie und die harsche Rangordnung vor Augen führte. Verzweiflung und Vorsicht waren zum greifen, waberten unausweichlich um das Geschehen, wie der dichte Nebel, und wurden durch kleine Feinheiten stetig hervorgehoben. Hinzu kommt ein dumpfes Misstrauen und die spannende, wendungsreiche, teils reale Geschichte, die von einer harten Endgültigkeit, Angst und Dunkelheit erzählt. Aber auch von Hoffnung, Gerechtigkeit und dem Wunsch, allen Hindernissen zum Trotz, das Richtige zu tun.

Die Welt braucht mehr Menschen wie Jillian.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.11.2022

Enttäuscht auf großer Linie.

Book of Night
0

„Book of Night“ ist der »erste Roman für Erwachsene« von der bekannten Schriftstellerin Holly Black— leider muss ich sagen, dass diese Geschichte lediglich eines ist: besonders unausgereift.

Eine Welt, ...

„Book of Night“ ist der »erste Roman für Erwachsene« von der bekannten Schriftstellerin Holly Black— leider muss ich sagen, dass diese Geschichte lediglich eines ist: besonders unausgereift.

Eine Welt, in der Schatten manipuliert und ausgetauscht werden, in der sie töten können, in der die dunkelste Seite des Menschen auch zur gefährlichsten werden kann …

Abgesehen von Charlie Hall, aus deren Perspektive wir das Geschehen erleben, und ihrem Lebensgefährten blieben die Charaktere blass, die Intentionen der Handelnden waren, grob zusammengefasst, Vergeltung, Macht und Schuld. Durch einige Rückblenden in ein „Damals“ erhielten zumindest die ehemals berüchtigte Diebin und „Vince“ eine nachvollziehbare Basis und ausreichend Substanz. Diese fehlt jedoch im Worldbuilding und der Ausarbeitung des Magiesystems — tja, Holly, eine komplexe und vielversprechende Idee reicht nicht, wenn man sie nicht greifbar darlegen kann.
Auch blieb keine Zeit für Hintergründe, schlüssige Regeln oder den Ursprung der Schattenmagie, dafür wurden mit ausschweifenden Beschreibungen und irrelevanten Details Seiten gefüllt.

Modern und schnell zu lesen, aber sehr einfach empfand ich die Erzählweise, etwas Abwechslung in den Formulierungen hätte der „erwachsenen“ Story mehr Stil verliehen.
Eine angespannte und düstere Atmosphäre begleitet Charlie, während sie versucht, aus einem korrupten Strudel, dessen Ursprung weit zurückliegt, der angefüllt ist von Intrigen, Lügen und gefährlichem Wahn zu entkommen. Mit ihr wurde eine taffe, sarkastische Antiheldin geschaffen, die das Herz am rechten Fleck trägt, wenn sie auch viele ihrer Entscheidungen kopfüber ins Chaos stürzen.

Im gesamten war es ein zähes Unterfangen, in dieser Geschichte wichtiges herauszufiltern und Zusammenhänge zu sehen. Hier und da blitzen Spannung und Raffinesse hervor, wenden Überraschungen das Geschehen. Am Ende steigert Holly Black den Informationsfluss, es wird rasanter und emotionaler, bis „Book of Night“ zu einem guten Abschluss kommt, der keine Fortsetzung benötigt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.11.2022

Skuril, teilweise fad, aber definitiv anders.

Der mexikanische Fluch
0

„Der mexikanische Fluch“ ist ein bildgewaltiger und lebhafter Schauerroman voller Skurrilität und Abartigkeit …

… diese entstehen vorrangig durch die detaillierten und sonderbaren Ausschüttungen der Autorin.
Zum ...

„Der mexikanische Fluch“ ist ein bildgewaltiger und lebhafter Schauerroman voller Skurrilität und Abartigkeit …

… diese entstehen vorrangig durch die detaillierten und sonderbaren Ausschüttungen der Autorin.
Zum Inhalt verweise ich auf den Klappentext, das Geschehen in Worte zu fassen ist kaum möglich, ohne mit Spoilern um sich zu werfen.

Noemí Taboada, unbeständig und forsch im Wesen, fällt durch ihre direkte, saloppe Ausdrucksweise, Bildung und vielfältigen Interessen aus dem Rahmen der Frauen der 50er Jahre. Aufgrund eines besorgniserregenden Briefes und eines eigennützigen Arrangements mit ihrem Vater fährt die Studentin nach El Triunfo. Bereits hier warten Tristesse und Verfall, doch ist diese Ödnis nichts im Vergleich zu dem, was sie auf »High Place«, dem Anwesen der Familie, in die ihre Cousine überstürzt einheiratete, erwartet. Wispernde, lebendige Wände – was hat Catalina ihre Agilität genommen, was sie in Lethargie versetzt?
Was wurde aus der verträumten, herzlichen Frau?
Das Geheimnis dieses Herrenhaus ist älter, tiefer und gewaltiger, als jemand, der nicht vom Blut der Doyles ist, ahnen könnte. Dieser Aufenthalt entkräftet das Begreifbare, füllt die beständige Stille mit unerklärlichem Schrecken.

Silvia Moreno-Garcia bedient sich einem malerischen Stil, neigt zu Ausschweifungen, Absätzen, die vom Geschehen ablenken, und einer seichten Liebelei. Und doch ist dieser Roman ein besonderes Leseerlebnis, greift eine ungewöhnliche Ideologie, Eugenik und Kolonialismus, Wahnsinn und Gier auf. Die Bewohner des erdrückenden Herrenhauses sind unnahbar, nicht einzuschätzen, bis zum Schluss ist es schwer, hinter die Regeln, harten Züge und wahren Intention zu blicken. Hier wurde eine strenge, mysteriöse Atmosphäre geschaffen, die selbst ohne die verstörenden, paranormalen Gegebenheiten frösteln lässt, denn alles, was Noemí entdeckt, erlebt und träumt, jede erzwungene Konversation wirkt bedrohlich.
Was lauert in den Wänden, was unter der Erde?
In den letzten Kapiteln prasseln Offenbarungen auf die Leser ein … ein widerwärtiges Familiengeheimnis, eine Geschichte voller Manipulation, Parasiten und zwanghafter Vermehrung.

Aufgelockert wurde die Enge, die klamme Dunkelheit, die diesen Fluch, dieses inzestuöse Erbe umgibt, lediglich durch die Schlagfertigkeit der erzählenden Protagonistin. Sämtliche Vorahnungen, die in der verworrenen Handlung entstehen, kommen nicht an das heran, was aufgedeckt, ausgegraben wird …

„Der mexikanische Fluch“: definitiv eine einmalige, düstere und eklige Idee.

"Ein lebendiger Alptraum aus miteinander verknüpften Sünden und bösen Geheimnissen."

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.11.2022

Schmerzlich echt.

NO GAME - Jetzt ist Schluss mit Schweigen!
0

„NO GAME - Jetzt ist Schluss mit Schweigen!“ ist ein überaus wichtiges Buch, ruft dazu auf, Täter öffentlich anzuklagen, Schuld den Schuldigen zuzusprechen, Scham abzugeben, über Missbrauch und Gewalt ...

„NO GAME - Jetzt ist Schluss mit Schweigen!“ ist ein überaus wichtiges Buch, ruft dazu auf, Täter öffentlich anzuklagen, Schuld den Schuldigen zuzusprechen, Scham abzugeben, über Missbrauch und Gewalt zu reden, Tabus zu brechen.

Schweigt ein Verbrechen nicht tot.

Nora, in diesem Szenario das „Opfer“, will nur vergessen, was passiert ist. Doch ihre Freundin Cam möchte nicht Stillschweigen wahren, will die Männer nicht schützen — sondern finden. Hilfe bekommt sie von Asher, Noras Bruder, und Adam, der in der fraglichen Nacht schlimmeres verhindern konnte. Erzählt wird aus wechselnder Perspektive, sodass wir die Gedanken und Eindrücke, die Intentionen der Figuren nachvollziehen, verstehen können.

Stilistisch ist diese Geschichte, die so viel mehr als Fiktion ist, verständlich, eine drückende, drohende Atmosphäre untermalt den Ernst des Romans. Obgleich das Setting ein amerikanisches ist, Strukturen und Riten von Studentenverbindungen aufgedeckt werden, beschrieb Natasha Friend ein authentisches, glaubhaftes Szenario, bringt ein Stück Alltag und Realität ans Licht. Die Autorin spricht wichtige Themen an, animiert zum Hinsehen, zum Agieren, statt zum Schweigen.

"NO GAME - Jetzt ist Schluss mit Schweigen!" ist gesellschaftskritisch, schreit das gewagte Thema der sexuellen Übergriffe und des Missbrauchs laut, statt, wie gewohnt leise, in die Welt. Motiviert Betroffene, Freunde und Bekannte aufzustehen, sprüht Gift in von männerdominierte Strukturen und vertritt die einzig wahre Botschaft: Schluss mit Schweigen, Schuld und Scham.

Ein Buch, das an Schulen gehört.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere