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Veröffentlicht am 22.06.2021

Zwei Paare in den Hamptons in Konkurrenz dazu "en vogue" zu sein

August
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Ein Pool, zwei ringförmige Luftmatratzen, Liegestühle am Rand des Pools – das Cover des Romans „August“ von Peter Richter strahlt eine Aufforderung zum Platznehmen beim Lesen aus. Der Autor nahm mich als ...

Ein Pool, zwei ringförmige Luftmatratzen, Liegestühle am Rand des Pools – das Cover des Romans „August“ von Peter Richter strahlt eine Aufforderung zum Platznehmen beim Lesen aus. Der Autor nahm mich als Leserin mit nach Long Island, genauer gesagt in die Hamptons, noch genauer gesagt in die Hamptons nördlich des Highways, denn dort sind die Unterkünfte bescheidener als südlich davon wie Richard, einer der Protagonisten betont. Im Monat August, wonach das Buch benannt ist, nehmen die Menschen vor Ort, nach Aussage einer Bedienung im Roman, weniger Rücksicht aufeinander als in den Wochen vorher. Es ist der Monat, an dem die vier Hauptfiguren zum „Sommern“ gemeinsam ihren Urlaub verbringen.

Richard Mauler ist Immobilienmakler in New York, gebürtiger Deutscher, aber schon eine Weile in den USA. Seine Frau Stefanie ist ebenfalls aus Deutschland, wo sie früher als Musikfernsehmoderatorin gearbeitet hat. Ihnen gehört der Bungalow in den Hamptons. Richard hat seinen langjährigen Freund Alec und dessen Familie eingeladen. Eigentlich hatte die strebsame und gesundheitsbewusste Stefanie andere Pläne für den August.

Alec Kline ist der einzige US-Amerikaner unter den Protagonisten. Er kam als Student nach Deutschland und blieb viele Jahre. Als Schriftsteller, der immer noch an seinem ersten Buch über Formen des Zusammenlebens schreibt, kann er sich seine Zeit selbst einteilen. Seine Frau Vera, die die treibende Kraft für den Umzug nach Amerika war, ist Ärztin und in der Klinik, in der sie arbeitet, allerdings sehr stark eingebunden. Obwohl sie bei den Maulers als Gäste kostenlos übernachten können, haben sie ihre Wohnung in Brooklyn untervermietet. Es gibt also kein Zurück vom Urlaubsangebot. Doch Vera macht sich Sorgen, dass sie das Ausruhen verlernt haben könnte.

Jeder der vier Hauptfiguren, jeder Anfang bis Mitte 40 Jahre alt, versuchen zunächst das beste aus der neuen Situation zu machen, wobei die Männer sich auf das Beisammensein freuen und die Frauen skeptisch einander sondieren. Nur der dreijährige Sohn der Maulers und die fünfjährige Tochter der Klines spielen unbefangen miteinander. Doch sehr schnell stellt sich heraus, dass sich bis hin zu den kleinsten Kleinigkeiten, von Erziehung über Heilmittel hin zu kulinarischen Genüssen, verschiedene Meinungen der Protagonisten gegenüber stehen. Weil die Zeit, die man miteinander verbringt noch sehr lang ist, versucht jeder sich respektvoll zu verhalten. Aber untergründig beginnt es zunehmend in der kleinen Gruppe zu schwelen.

Peter Richter, der selbst einige Zeit in New York gelebt hat, erzählt feinsinnig in seinem Roman „August“ von vier erwachsenen Menschen, die über ein gewisses Vermögen verfügen, damit konkurrieren und auf der Suche nach Selbstverwirklichung sind. Sarkastisch vergleicht er dabei manches Mal die Angewohnheiten der US-Amerikaner mit denen der Deutschen. Vor allem nimmt er aktuelle Trends in den Fokus und diskutiert sie durch die gegensätzlichen Standpunkte seiner Charaktere, was auch zu erheiternden Situationen für mich als Leserin führte. Sprache nutzt er dabei zur Darstellung, dass jede der vier Hauptfiguren „En Vogue“ sein möchte. Er spitzt die Geschehnisse bis zum Ende hin gründlich zu. Letztlich scheint sich nur für Alec, als Rechercheur für sein Buch, ein Gewinn aus dem Urlaub zu ergeben. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 22.06.2021

Etwas hellere Atmosphäre als bisher mit einer hoffnungsfreudigeren Protagonistin

Fräulein Gold: Der Himmel über der Stadt
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Der Roman „Fräulein Gold – Der Himmel über der Stadt“ von Anne Stern ist bereits der dritte Teil einer Serie rund um die in Berlin-Schöneberg lebende Hebamme Hulda Gold. Er spielt im historischen Berlin. ...

Der Roman „Fräulein Gold – Der Himmel über der Stadt“ von Anne Stern ist bereits der dritte Teil einer Serie rund um die in Berlin-Schöneberg lebende Hebamme Hulda Gold. Er spielt im historischen Berlin. Diesmal ereignen sich die Geschehnisse im Juli und August des Jahres 1924, also fast ein ganzes Jahr nach der Handlung Band Zwei. Die vordere Klappe des Buchs bietet in ihrer Gestaltung den Ausschnitt einer Karte von Berlin zur besseren Verortung der Lokalitäten. Ein Ausschnitt der Karte mit der Frauenklinik Mitte ist nochmals vergrößert dargestellt, hier beginnt Hulda ihre Tätigkeit als angestellte Hebamme, nachdem sie ihre Selbständigkeit aufgegeben hat. Ihre Aufgaben bestehen in der Voruntersuchung und Begleitung der Frauen und der Vorbereitung auf die Geburt. Sie darf selbst keine Geburten durchführen, was sie sehr bedauert, aber dafür erhält sie ein festes Gehalt.

Anne Stern gestaltet den Prolog auch diesmal wieder so, dass er ein Rätsel aufwirft, dessen Aufklärung sich Hulda im Laufe der Ereignisse widmet. Allerdings tritt die eingebundene kriminelle Handlung diesmal deutlich hinter die übrigen Begebenheiten zurück. Die Autorin schildert ausführlich den Alltag von Hulda in der Geburtshilfe der Klinik, die sehr fortschrittlich ausgestattet ist. Die Frauenklinik Mitte ist ein Lehrkrankenhaus. Hulda versteht natürlich, dass Ärzte und Hebammen gut ausgebildet werden sollten, aber sie kann auch den Unmut mancher Patientinnen verstehen, dass bei der Geburt mindestens zehn in Ausbildung befindliche Personen zuschauen und sie sich von einigen auch reihenweise untersuchen lassen müssen.

Hulda arbeitet in Schichten und engagiert sich ebenso wie ihre Kolleginnen. Sie ist stolz darüber, in ihrem Beruf wichtige Arbeit zu verrichten und Leben retten zu können. Ihre Liebe zu dem Kommissar Karl North ist deutlich abgekühlt, was nicht nur daran liegt, dass sie aufgrund ihres Schichtdienstes weniger gemeinsame Zeit füreinander finden. Die Stimmung in der Klinik ist angespannt, was auch durch den Konkurrenzkampf der beiden Oberärzte um eine Professur an der Universität verstärkt wird. Hulda fallen einige Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit der Behandlung einiger Patientinnen auf bei denen es zu Todesfällen kam. Sie schweigt nicht und hinterfragt, so dass sie plötzlich den Ambitionen von jemandem im Weg steht.

Auch einige andere Figuren, die aus den ersten beiden Bänden bekannt sind, entwickeln sich weiter. Karl wird beispielsweise klar, dass seine Ausbildung anders als bei anderen Waisen besonders gefordert wird und er beschließt, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Der Kioskbesitzer Bert hat sich verliebt und Huldas Zimmerwirtin erhält Besuch. Anne Stern führt Hulda im privaten Bereich in neue Kreise ein und vergisst auch nicht eine Portion Zeitgeschehen in die Handlung einfließen zu lassen. Obwohl Hulda nicht religiös ist, wird sie dennoch zunehmend damit konfrontiert, dass der Antisemitismus im Deutschland der damaligen Zeit beginnt, sich zu entwickeln. Im Anhang befindet sich eine Leseprobe vom vierten Band der Serie, der im November 2021 erscheinen wird.

Der dritte Band der Romanreihe um die Hebamme Fräulein Gold von Anne Stern ist von der Atmosphäre her etwas heller gestaltet als die ersten beiden Bände und auch Hulda wirkt trotz des anstrengenden Klinikalltags hoffnungsvoller. Die Autorin schafft wie immer ein vorstellbares Zeitgeschehen mit Figuren, die realistisch handeln. Auch diesen Serienteil empfehle ich gerne weiter und freue mich auf den nächsten Band.

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Veröffentlicht am 10.06.2021

Eine bis zum Schluss anhaltend spannende Fantasy

Der Ozean am Ende der Straße
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„Der Ozean am Ende der Straße“ von Neil Gaiman ist eine Fantasy. In der mir vorliegenden Ausgabe finden sich über hundert liebevoll gestaltete Tuschezeichnungen von Elise Hurst, die der Geschichte eine ...

„Der Ozean am Ende der Straße“ von Neil Gaiman ist eine Fantasy. In der mir vorliegenden Ausgabe finden sich über hundert liebevoll gestaltete Tuschezeichnungen von Elise Hurst, die der Geschichte eine passende, eher düstere Atmosphäre verleihen.
Ein Mann, etwa Mitte Vierzig, kehrt nach einer Beerdigung an den Wohnort seiner Kindheit zurück. Sein Elternhaus wurde längst abgerissen, neu errichtet und später verkauft, aber am Ende der Straße gibt es immer noch den Ententeich hinter einem alten Bauernhof. Hier lebte damals seine Spielgefährtin Lettie, vier Jahre älter als er selbst. Er erinnert sich daran, dass er damals Lettie im Wasser gesehen hat und allmählich kehren seine Erinnerungen an das große, vieles verändernde Abenteuer zurück, das er erlebt hat als er sieben Jahre alt war.
Als Leserin hat mich die Geschichte immer tiefer in das Geschehen gezogen. Der unbenannte Mann erzählt aus der Ich-Perspektive zunächst in der Gegenwart, um dann in Gedanken in die Vergangenheit einzutauchen hin zu einem Erlebnis, dass in den 1960er Jahren stattgefunden hat. Alles beginnt mit einem Besuch auf dem Bauernhof der Nachbarn im Rahmen einer außergewöhnlichen Begebenheit. Seltsam wird es für den Jungen dann, als Lettie ihm erzählt, dass sie von jenseits des Ozeans gekommen sind, von dem der Junge mit eigenen Augen sieht, dass sie damit den Teich hinter dem Haus meint. Ab diesem Zeitpunkt geschehen immer mehr Dinge, die nicht alltäglich sind und zunehmend mysteriös werden.
Neil Gaiman erzählt eine spannend aufgebaute Geschichte mit einzigartigen sagenhaften Gestalten. Als Leserin hielt ich es für denkbar, dass der kleine Junge die Ereignisse nur in seiner Fantasie erlebt hat, denn er fühlt sich allein gelassen, seine Eltern sind beide berufstätig, es sind Ferien und er hat keine Freunde zum Spielen. Stattdessen soll eine Haushälterin auf die beiden Kinder aufpassen, auf deren Anweisungen er nicht hören möchte und dadurch bei ihr in Misskredit gerät.
Zum ersten Mal erlebt er seinen Vater gewalttätig, was ihm seine Erfindungskraft auch durch die wahrgenommene angespannte finanzielle Situation der Eltern vorspielen könnte, die eventuell zu harschen ungewohnten lieblosen Worten und härterem Auftreten des Vaters führte. Die Veränderung im Verhalten seiner Eltern erklärt er sich durch magischen Einfluss. Der Roman lässt insgesamt großen Spielraum zur Interpretation offen, auch fragte ich mich, ob Neil Gaiman eigene Erlebnisse aus seiner eigenen Kindheit in der Erzählung verarbeitet hat.
Durch die Schilderungen des kleinen Jungen wirken die phantastischen Gestalten überdeutlich groß, seine Angst ist spürbar. Auf dem Bauernhof begegnet er drei Frauen verschiedenen Alters, darunter auch Lettie als jüngste von ihnen. Er fühlt sich rundum wohl in ihrer Nähe. Das Wissen um ihre vermeintliche Existenz gibt ihm Rückhalt und Kraft, die schwierige Zeit zu überstehen.
Neil Gaiman versteht es in seinem Roman „Der Ozean am Ende der Straße“ in einer mitreißenden, ausdrucksstarken Sprache aus einer zunächst scheinbar unbedeutenden Alltagssituation heraus eine zunehmend und bis zum Schluss anhaltend spannende Fantasiegeschichte zu erzählen. Von einem Lesesog erfasst flog ich über die mit stimmungsvollen schönen Tuschezeichnungen von Elise Hurst versehenen Seiten hinweg. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung an Leserinnen und Leser, die eine besondere Geschichte mit mystischen Elementen mögen.

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Veröffentlicht am 10.06.2021

Fundgrube an ungewöhnlichem Wissen über die Natur

Mikroorgasmen überall
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"Mikroorgasmen überall“ hat der studierte Ökologe, vielen aber als Techno-DJ bekannte Dominik Eulberg sein Buch genannt. Sicher bindet der ungewöhnliche Titel die Aufmerksamkeit der interessierten Leserinnen ...

"Mikroorgasmen überall“ hat der studierte Ökologe, vielen aber als Techno-DJ bekannte Dominik Eulberg sein Buch genannt. Sicher bindet der ungewöhnliche Titel die Aufmerksamkeit der interessierten Leserinnen und Leser, macht aber auch darauf aufmerksam, dass die kleinen Freuden im Leben allseits zu finden sind. Musik und Natur verbinden sich auf natürliche Weise durch die Geräusche aller Bewohner unserer Erde und sind die Leidenschaften des Autors. Das Eintauchen in die Natur ist entspannend, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, wenn man in Japan von „Waldbaden“ für einen Spaziergang im Wald spricht.

Die Natur ruht nie, alles ist im ständigen Wandel. Dominik Eulberg als Naturschützer weist im Vorwort darauf hin, dass die Vielfalt von Leben bedroht ist, es aber immer Existenzen geben wird, die sich an die Gegebenheiten anpassen. Jedoch ist die Anpassungsfähigkeit des Menschen beschränkt und wenn wir nicht jetzt für eine gesunde Erde sorgen, wird diese uns überleben. Der Autor bemängelt, dass wir Menschen so wenig Aufmerksamkeit unserer Umwelt widmen. Mit seinem Buch möchte er die Leserinnen und Leser zum Staunen anregen und motivieren, genau hinzuschauen und sich für die kleinen Geheimnisse des Lebens zu öffnen.

Auf dem Cover sind 26 Illustrationen von Naturschönheiten der Cramers Gallery of Nature abgebildet, auf der ersten Seite des Buchs finden sich die Bezeichnungen dazu. Es sind aber weit mehr Kapitel im Buch, die von eben diesen und anderen entsprechend passenden Zeichnungen begleitet werden. Jedes Mal findet sich eine bemerkenswerte Tatsache zur Abbildung in der folgenden Textpassage.

Die Kapitel folgen keiner bestimmten Ordnung und stellen manchmal über den Gedankenfluss des Autors Verbindungen zwischen unterschiedliches Leben her, manchmal bewundernswert und immer wissenswert. Aus den Texten liest sich die Begeisterung von Dominik Eulberg für unsere Pflanzen- und Tierwelt heraus. Der Schreibstil liest sich leicht und gut, schwierigere Begriffe sind kurz erläutert.

Der Autor weiß von manchen Kuriositäten zu berichten z.B. warum man glaubte, dass der Salamander eine Feuersbrunst bekämpfen konnte, wieso es möglich war, dass Biber während der Fastenzeit verzehrt werden durften und warum die Birke als hexenabwehrend galt. Er erklärt auch beispielsweise wie es zu der Bezeichnung Turteltauben und Zeitungsenten kam.

Dominik Eulberg schaut auf die tierische Navigationssysteme genauso wie auf pflanzliche Kommunikation und weist darauf hin, welche Möglichkeiten es in der Fauna und Flora gibt, sich vor Feinden zu schützen und sich fortzupflanzen. Wer Antworten zu den aufgeführten Themen und noch viel mehr Bemerkenswertes darüber hinaus erfahren möchte, der sollte zu diesem Buch greifen.

Insgesamt ist das Buch eine Fundgrube an Wissen über die Natur und ich habe mich durch den abwechslungsreichen Inhalt, die zahlreich aufgezeigten Zusammenhänge und so vielen kleinen Anmerkungen sehr gut unterhalten gefühlt. Es inspiriert mich, mit Neugier hinaus zu gehen und die Schönheit des Lebens auf mich wirken zu lassen wie z.B. das Vogelnest im Rosenstrauch in unserem Garten. Sicher werde ich das Buch immer wieder zur Hand nehmen und nachlesen. Für ein schnelleres Auffinden gibt es ein Register im Anhand. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 10.06.2021

Denkansätze zur Anpassung von Design auf weibliche Bedürfnisse

Das Patriarchat der Dinge
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Das Buch „Das Patriarchat der Dinge“ von Rebekka Endler zeigt auf, dass die Welt um uns herum zu großen Teilen von reichen, weißen cis Männern gestaltet wird. Darin zu spüren ist auch die Bestürzung der ...

Das Buch „Das Patriarchat der Dinge“ von Rebekka Endler zeigt auf, dass die Welt um uns herum zu großen Teilen von reichen, weißen cis Männern gestaltet wird. Darin zu spüren ist auch die Bestürzung der Autorin über das so vielfach geprägte Design von alltäglichen Gegenständen, die an den Normen und Werten von Männern angepasst sind. Unterschiede auf kultureller und generationsspezifischer Basis lassen sich aber auch nicht leugnen. Oftmals hat sich das heute vorliegende Ergebnis aus einer Entwicklung über viele Jahrzehnte hinweg ergeben und so verfestigt, dass es schwer ist, davon abzuweichen.
Rebekka Endler schreibt in ihrem Buch über sinnlos gegendertes wie auch über ungegendertes Design. Gerade letzteres kann verhindern, dass Frauen ihre Leistung voll entfalten können und ist im schlimmsten Fall sogar lebensbedrohlich beispielsweise bei Medikamenten und dem Styling von Autozubehör. Wünschenswert wäre die Berücksichtigung der unterschiedlichen Körperphysiognomie von Menschen, weswegen grundsätzlich alle äußeren Erscheinungsbilder beim Designen zu berücksichtigen wären. Gestaltung sollte zur Lösung eines Problems ansetzen und nicht zu einem solchen führen.
Die Autorin nimmt unsere Sprache in Sachen Gendern unter die Lupe und betrachtet den öffentlichen Raum zum Beispiel in Hinblick auf Toiletten und Friedhöfen für Frauen, aber auch die Erwartungen an das Verhalten von Frauen und Mädchen in der Öffentlichkeit. Gegenstand des Buchs ist auch die Betrachtung von Dingen, die mit Funktionen und Eigenschaften versehen wurden, von denen man glaubt, dass sie dadurch für Frauen geeignet und deshalb von diesen gekauft werden. Hintergrund hierzu sind wirtschaftliche Aspekte. Aus dem gleichen Grund werden eine Reihe von Studien gar nicht erst angestrebt, weil die Kosten höher vermutet werden als der Ertrag.
Ich fand es einen interessanten Aspekt, dass Rebekka Endler bei ihrer ausführlichen Recherche festgestellt hat, dass es für einige Frauen schwierig ist, die für sie angepassten Dinge anzunehmen, weil sie jahrelang für Gleichbehandlung gekämpft haben und sich nun nicht durch die Nutzung von weiblichem Design von anderen unterscheiden möchten.
Rebekka Endler schüttet in ihrem Buch „Das Patriarchat der Dinge“ ein wahres Füllhorn von Handlungsbedarf in Bezug auf Design für Frauen aus. Ihre eigenen Erfahrungen streut sie immer wieder ein und ich spürte ihre Entrüstung über die festgestellten Mängel. Am Rande weist sie auch auf Diskriminierung vielfacher Art hin. Ihre Ausführungen sind Denkansätze, Design ist ständig im Wandel und kann auch hier nicht abschließend behandelt werden. Die Autorin verwendet in ihrem Buch zahlreiche Fachbegriffe, die nicht immer von ihr erläutert werden. Ihre zahlreichen ausführlichen Beispiele sind unterhaltsam ausgeführt. Ich empfehle das Buch gerne weiter.

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