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Veröffentlicht am 18.09.2017

Kleine Schwächen, aber spannend

Beware That Girl
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„Beware that girl“ ist ein Roman für Jugendliche ab 14 Jahren von der Kanadierin Teresa Toten. Im oberen Drittel des Covers sieht der am Buch Interessierte den Blick einer jungen Frau, der so wirkt, als ...

„Beware that girl“ ist ein Roman für Jugendliche ab 14 Jahren von der Kanadierin Teresa Toten. Im oberen Drittel des Covers sieht der am Buch Interessierte den Blick einer jungen Frau, der so wirkt, als ob sie etwas zu verbergen hätte. Darüber ist tiefgründig „Sie weiss alles über dich“ zu lesen. Mir stellte sich hier gleich de Frage, wer damit gemeint ist, was bereits eine gewisse Spannung noch vor Beginn des Buchs erzeugte. Die gesamte Gestaltung des Buchs in schwarz und taupe vor hellem Hintergrund wirkt geheimnisvoll. Im unteren Bereich des Covers ist die abendliche Silhouette einer Großstadt zu erkennen, gemeinsam mit den glitzernden Lichtern führte sie mich in die Welt der Upper Class Girls nach New York an die High School Waverly.

Kate und Olivia sind die beiden Protagonistinnen. Kate hat eine schwierige Kindheit erlebt. Aber sie ist sportlich und kreativ und eine sehr gute Schülerin, so dass sie Privatschulen für Mädchen über diverse Stipendien besuchen konnte. Als Ziel hat sie sich gesetzt, einen Studienplatz in Yale zu erhalten. Ein späterer guter Job soll ihr eine gewisse Macht über andere Personen geben. Dafür bedient sie sich auch gern mal einer Lüge, um sich ins rechte Licht zu setzen. Im letzten Schuljahr an der für sie neuen Schule Waverly sucht sie bewusst nach einer betuchten Freundin mit Connections. Auch Olivia ist auf der Suche nach einer Freundin mit der sie zwar nicht über ihre Vergangenheit sprechen möchte, dafür aber auf seelische und moralische Unterstützung hofft. Sie hat ein Jahr aus zunächst unbekannten Gründen mit der Schule pausiert. Ihre früheren Freundinnen studieren bereits. Mit Kate scheint sie die perfekte Freundin gefunden zu haben. Ganz neu an der Schule ist aber auch der Direktor für Förderung und Modernisierung Mark Redkin. Sein Charme und sein gutes Aussehen erobern die Frauen. Und auch Olivia findet seine Anziehungskraft unwiderstehlich. Das ist Kate überhaupt nicht recht, weil damit ihre Rolle ins Wanken gerät.

Damit der Leser einen ungefähren Eindruck von der Geschichte des Romans erhält, finden auf der Rückseite des Buchs zwei Bücher Erwähnung, die ich aber bisher nicht gelesen habe. So konnte ich unbeeinflusst mit dem Lesen beginnen. Alle Kapitel sind mit Kate, Olivia oder dem Namen beider Protagonistinnen überschrieben, so dass man immer direkt weiß, auf wem im Folgenden der Fokus gerichtet wird. Kate erzählt dabei in den nur ihr gewidmeten Abschnitten in der Ich-Form. Der Prolog ist mit dem Namen der beiden Hauptfiguren überschrieben, doch die beschriebene Szene bleibt namenslos. Es steht lediglich fest, dass den beiden etwas Schreckliches zugestoßen ist. Kate und Olivia bleiben zu diesem Zeitpunkt unter sich, nahe kommen kann man ihnen nicht, aber man möchte schnellstmöglich erfahren, was sie erlebt haben. Darauf musste ich allerdings bis nahezu zum Schluss warten.

Die Autorin spielt nicht nur mit den Figuren, sondern auch mit dem Leser. Kate und Olivia wissen ihre Geheimisse geschickt voreinander zu verbergen und auch der Leser erfährt erst im Laufe der Erzählung warum die Charaktere die jeweiligen Mittel zur Verfolgung ihrer eigenen Ziele einsetzen. Von Beginn an konnte ich Mark Redkin nicht einordnen. Obwohl er hilfsbereit erscheint und tatkräftig seinem Job nachgeht, wirkt sein Handeln aufgesetzt. Teresa Toten arbeitet in ihrem Roman sehr gerne mit dem Stilmittel der Übertreibung und mit vielen Klischees. Beispielsweise verhält Olivia sich so, wie man sich ein reiches Mädchen vorstellt, das hauptsächlich damit beschäftigt ist, sich um sich selbst zu kümmern. Dabei denkt sie wie viele ihresgleichen im Roman so viel über sich nach, dass sie glaubt, zur Stabilisierung ihrer Psyche nur noch mit Tabletten leben zu können. Mark wird von der Autorin als unwiderstehlich gestaltet, dadurch wird dem Leser auffällig deutlich, wie sehr Olivia und Kate als junge Frauen gefordert sind, hinter die Fassade zu blicken. Ob ihnen das gelingt, ist neben der Frage die sich aus dem Prolog ergibt, spannungsfördernd bis zum Ende. An wenigen Stellen kommt es leider zu kleinen unlogischen Zusammenhängen.

Auch wenn Olivia und Kate meine Sympathie nicht gewinnen konnten, so haben doch die Geheimnisse der Hauptfiguren und der stille, aber emotionale Kampf auf psychischer Ebene der beiden untereinander einen Lesesog bei mir entwickelt. Der Roman endet in einem so nicht erwarteten Finale. Trotz kleiner Schwächen hat das Buch mir spannende Lesestunden geschenkt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 12.09.2017

Zurecht ein Bestseller in Dänemark

Oxen. Das erste Opfer
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„Oxen – Das erste Opfer“ ist der erste Band einer Thriller-Trilogie des Dänen Jens Henrik Jensen. Oxen ist ein eher ungewöhnlicher dänischer Nachname und entspricht dem deutschen „Ochse“. Titelgebend ist ...

„Oxen – Das erste Opfer“ ist der erste Band einer Thriller-Trilogie des Dänen Jens Henrik Jensen. Oxen ist ein eher ungewöhnlicher dänischer Nachname und entspricht dem deutschen „Ochse“. Titelgebend ist der Protagonist Niels Oxen, Anfang 40, Kriegsveteran und früher als Elitesoldat bei den Jägern. Eingesetzt wurde er unter anderem auf dem Balkan und in Afghanistan. Dafür wurde er mit höchsten Ehren ausgezeichnet. Aber seine Einsätze sind nicht spurlos an ihm vorbei gegangen und er ist tief traumatisiert. Erst im Laufe der Geschichte offenbaren sich alle Gründe, warum Oxen sich mit seinem Hund, einem weißen Samojeden, den Sommer über in den nordjütländischen Wald zurückgezogen hat und bereits vor etwa einem Jahr aus der Gesellschaft ausgestiegen ist. Dunkel und beklemmend wirken die Bäume auf dem Cover und sie geben sehr gut die Stimmung im Buch wieder. Im oberen Bereich des Titelbilds leuchtet dem Leser der Name des Protagonisten blutrot entgegen. Auch durch die Fallermittlungen, in die Oxen involviert wird, zieht sich eine blutige Spur.

Oxen’s Neugier bringt ihn eines Tages bei einem Streifzug durch die Gegend in die Nähe von Schloss Norlund. Er beobachtet seltsame Vorkommnisse auf dem Schlossgelände und schafft es nicht mehr rechtzeitig sich spurlos zurückzuziehen. Daher wundert er sich nicht, dass er einige Tage später von einem Trupp Polizisten in seinem Lager im Wald aufgestöbert wird. Widerwillig folgt er Kommissar Grube aufs Polizeirevier und erfährt hier vom Tod des Schlossbesitzers. Einer der Verdächtigen ist er selbst. Verwunderlich ist, dass sowohl der Polizeipräsident als auch die Spitze des Inlandsnachrichtendienstes PET beim Verhör anwesend sind. Sonderbarerweise erhält er vom Chef des Geheimdienstes ein Jobangebot, welches er nach einigem Zögern annimmt, auch weil das Gehalt ungewöhnlich hoch ist. Unterstützt wird er von Margrethe Franck, einer Mitarbeiterin des PET.

Oxen beginnt auf seine Art mit der Recherche. Obwohl er und Franck sich anfangs wenig mögen, bringt ihre Arbeit sie allmählich dazu, Vertrauen zueinander aufzubauen. Beide erhalten sich aber eine gewisse Skepsis dem anderen gegenüber. Der Fall stellt sich als zunehmend verzwickter dar. Delikte geschehen und werden verschleiert, doch die beiden geben nicht auf. Ihre Ermittlungen führen sie schließlich zu einem alten Geheimbund.

Mit Niels Oxen und Margrethe Franck hat der Autor zwei interessante Charaktere geschaffen. Nicht nur Oxen plagen Alpträume, sondern auch Franck, die zudem ein körperliches Handicap trägt. Bei Oxen hatte ich das Gefühl, dass er weiß, worauf er sich bei dem neuen Job einlässt. Anhand der Erfahrungen in der Vergangenheit als Soldat und einer kurzen Zeit als Polizeischüler versucht er mit seinem Verhalten, der jeweiligen Situation entsprechend zu handeln ohne anzuecken. Laufende brenzlige Situationen lassen sich dadurch natürlich nicht vermeiden.

Bereits der Text auf der Buchrückseite ließ mich als Leser wissen, dass Oxen von „sieben Dämonen“ heimgesucht wird. Jens Henrik Jensen zeigt mir damit eine hässliche Seite des Krieges auf. Auch mehr oder weniger unversehrte Kriegsheimkehrer haben meistens mit ihren Erinnerungen an all die Greuel zu kämpfen, die sie erlebt haben, viele ein Leben lang. Ganz nebenbei lernte ich außerdem mit dem Danehof ein Kapitel dänischer Geschichte kennen, dass mir bisher unbekannt war.

Der Autor baut den Thriller komplex auf. Es gibt mehrere Todesfälle, die miteinander verbunden werden wollen. Die Suche nach dem Motiv gestaltet sich schwierig. Für die Fallermittlungen entscheidend sind sowohl bei Oxen wie auch bei Franck Seilschaften auf die sie im Bedarfsfall zurückgreifen können. Gemeinsam ziehen sie Verbindungen die sie der Lösung über viele Umwege näher bringen. Einige mitwirkende Charaktere blieben bis zum Schluss undurchsichtig, auch der Zweifel an der Integrität der Figuren untereinander steigerte die durchgehende Spannung. Das Ganze endet in einem furiosen Finale.

Obwohl der Fall letztlich als aufgeklärt gilt, bleiben einige Dinge fragwürdig, so dass ich als Leser auf Antworten in den nächsten beiden Bänden hoffe. In verschiedenen Szenen werden Gewaltanwendungen beschrieben, das Buch ist also nichts für sensible Leser. „Oxen“ ist meiner Meinung nach zurecht ein Bestseller unter den Thrillern Dänemarks, darum erhält der Kriminalroman von mir eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 26.08.2017

Erschreckend

Und es schmilzt
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„Und es schmilzt“ ist der Debütroman der Belgierin Lize Spit. Das Cover des Buchs gaukelt dem Leser mit seiner blümchenhaften Gestaltung eine heile Welt vor. Doch so wie die Buchstaben auf dem Titel haptisch ...

„Und es schmilzt“ ist der Debütroman der Belgierin Lize Spit. Das Cover des Buchs gaukelt dem Leser mit seiner blümchenhaften Gestaltung eine heile Welt vor. Doch so wie die Buchstaben auf dem Titel haptisch spürbar sind, hat das Leben in einem kleinen Dorf in Flandern tiefe seelische Wunden bei der Protagonistin Eva hinterlassen. Auf dem weißen, nach außen unbefleckt wirkenden Umschlag sind bei näherem Hinsehen Schmelzschlieren und Tautropfen zu erkennen. In der Geschichte verhält es sich ähnlich, denn erst wer hinter die Fassade schaut, wird das Hässliche erkennen.

Der Roman wird auf drei zeitlichen Ebenen in der Ich-Form durch Eva erzählt. Es ist Silvester 2015 und die Protagonistin folgt der Einladung eines früheren Klassenkameraden. Zum Schuljahrgang gehörten außer ihr nur noch zwei Jungen. Inzwischen wohnt sie in Brüssel. Sie war seit neun Jahren nicht mehr in ihrem Geburtsort, der ungefähr eineinhalb Stunden entfernt liegt. Vor der Fahrt packt sie sich eine Curverkiste mit gefrorenem Eis in den Kofferraum. Die Erzählung in der Gegenwart erkennt man an den Uhrzeiten, die dem Text vorangestellt sind. Unterbrochen wird die Geschichte zum einen von Rückblicken auf den Sommer 2002, die jedes Mal durch das Datum des Tags betitelt werden, zum anderen von den Erinnerungen Evas an Ereignisse aus ihrem Umfeld in Familie, Schule und Dorf, die eine treffende Bezeichnung als Überschrift haben.

Zunächst ließ mich die Autorin einen Blick auf ihre Familie werfen. Schon nach wenigen Seiten wurde mir klar, dass in Evas Jungmädchenwelt, vielleicht auch heute noch, nicht alles in Ordnung ist, denn sie fühlt sich unvollständig. Es ist schwierig für sie, das Gefühl zu erklären. Anders gesagt, hat Lize Spit dazu nur eine fadenscheinige Erklärung gefunden. Herhalten muss der bei der Geburt verstorbene Zwilling ihres älteren Bruders, der wohl auch für die Alkoholsucht ihrer Eltern verantwortlich gemacht wird. Deutlich wird herausgestellt, dass Eva in dem kleinen Ort kaum Möglichkeiten hatte, Freunde zu finden und daher für ihre Freizeitgestaltung und zur Behebung ihrer Langeweile auf die beiden Klassenkameraden Pim und Laurens angewiesen war.

Die Autorin glänzt mit ihrem Schreibstil, auch den Zeitgeist hat sie gut eingefangen, ihre Fantasie ist grenzenlos, aber ihre Charaktere verharren im eignen Dreck. Eva erzählt als 27-Jährige das, was sie als gerade Vierzehnjährige im damaligen heißen Sommer mit den beiden Jungen erlebt hat. Was ist so faszinierend an der Geschichte? Um dem Buch nicht die Spannung zu nehmen, wird auch im Klappentext kaum etwas von der Handlung angedeutet. Es sind die zu Beginn in den Text gestreuten Hinweise, die beim Leser Fragen hinterlassen wie beispielsweise der Sinn des Eisblocks im Kofferraum, die Todesursache des Bruders von Pim, der Grund für das auffällige Verhalten von Evas Schwester oder auch wieso am Wegrand des Dorfs ein Slip von Eva liegt. Natürlich wollte auch ich hierzu eine Lösung finden, lesend konnte ich aus meiner gesicherten Position voyeuristisch die Gründe entdecken.

Um es hier einmal deutlich auf den Punkt zu bringen: hinter der Fassade verbirgt sich Gewalt an einer Minderjährigen, aber auch an Tieren, verursacht durch Minderjährige! Das ist erschreckend! Tragisch ist auch, dass die Taten scheinbar keine Konsequenzen für die Beteiligten haben. Reue, Bedauern oder Einsicht werden nicht geäußert. Eva, Laurens und Pim haben erfolgreich geschwiegen. Ich hoffe, dass die Darstellung der Gewalt keine Nachahmer finden wird. Neben der 14-jährigen Protagonistin, die einerseits als kreativ und autodidaktisch dargestellt wird und dennoch nur der Langeweile entfliehen will, werden durchgehend die jungen Frauen des Dorfs als lüstern und mit wenigen Hemmungen dargestellt. Die Eltern sind mit sich selbst genug beschäftigt oder stehen im Selbstverständnis hinter ihren Kindern.

Eigentlich mag ich es, wenn der Autor eines Textes ganz nah an das Geschehen ran zoomt. Aber in diesem Roman beugt Lize Spit sich so weit vor, dass mir der Blick vor Augen verschwimmt und mir davon übel wird. Die Autorin selbst äußert sich nicht dazu, inwieweit die Schilderungen autobiografisch sind. Sie selbst ist gleichaltrig mit Eva und ebenfalls im Dorf aufgewachsen. Auf mich wirkt der Roman so, als ob sie sich etwas von der Seele schreiben wollte. Man muss dieses Buch nicht lesen und daher gebe ich auch keine Leseempfehlung.

PS: Ich sehe den Roman als reine Fiktion an, die der Fantasie der Autorin entspricht und habe ihn als solchen bewertet. Sollten sich Personen aufgrund ihrer eigenen Erfahrung in der Geschichte wiedererkennen und Ähnliches erlebt haben, benötigen sie Hilfe. Eine Anlaufstelle dafür ist beispielsweise https://www.hilfeportal-missbrauch.de/startseite.html

Veröffentlicht am 22.08.2017

Gelungener Mix aus Historie und Fantasie

Die goldene Stadt
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„Die goldene Stadt“ von Sabrina Janesch ist Abenteuerroman und gelebte Geschichte gleichzeitig. Das peruanische Machu Picchu ist titelgebend, die Stadt, in der man ursprünglich große Goldvorkommen vermutet ...

„Die goldene Stadt“ von Sabrina Janesch ist Abenteuerroman und gelebte Geschichte gleichzeitig. Das peruanische Machu Picchu ist titelgebend, die Stadt, in der man ursprünglich große Goldvorkommen vermutet hat. Nach einer alten Sage wurde Gold nach einem bestimmten Ritual an einem Ort gesammelt. Dieser Ort wird als El Dorado bezeichnet und gilt als verschollen, Machu Picchu ist einer der möglichen Orte, wenn auch die Goldfunde nicht den Erwartungen entsprachen. Auf dem braunen Hintergrund des Covers findet man rund um die goldene Mitte in der Farbe taupe Ausschnitte einer Landkarte von Augusto R. Berns, der die Stadt etwa 1876 entdeckte.

Augusto R. Berns kam als Rudolf August Berns in Uerdingen als Sohn eines Weinhändlers zur Welt. Der Protagonist des Romans ist eine Person der Zeitgeschichte. Doch die Autorin schreibt hier keine Biographie. Durch einen Zeitungsartikel wurde sie 1911 auf den Deutschen aufmerksam, der Machu Picchu deutlich früher als bisher vermutet gefunden hat. Auf den Spuren der Stadt wurde ihre Neugier nicht nur von der Person des Entdeckers geweckt, sondern auch von dem Mysterium, das die goldene Stadt umgibt. Ich fand es eine gute Idee der eigentlichen Erzählung, das Entstehen des Romans voranzustellen. Schon auf den ersten Seiten wurde auf diese Weise auch mein Interesse geweckt. In einer Übersicht konnte ich die wichtigsten Daten im Leben von Augusto R. Berns nachlesen und daran im Laufe des Lesens die Handlung zeitlich eingeordnet. In ihre Erzählung hat die Autorin viele Fakten über Peru und seine Bewohner eingefügt.

Verfolgt man die Berichterstattung über die goldene Stadt im Internet kann man ahnen, welche Schwierigkeiten die Recherche der Autorin bereitet hat. Das unwirtschaftliche Gelände in den Anden bewahrt nicht nur das Geheimnis der Stadt, sie gibt auch wenige Informationen über die Menschen preis, die sich dort aufhielten. Sabrina Janesch hat viele Einzelheiten zusammengetragen, nach Verwandten gesucht, Wissenschaftler befragt und das Land bereist. Daraus entstanden ist ihre ganz eigene Vorstellung des Protagonisten Augustus Berns, der nach dem plötzlichen Tod seines Vaters und der Heirat seiner Mutter mit einem Kupferarbeiten den Schulbesuch abbrechen muss. Seine Träume von einem Leben als Entdecker in Peru muss er zunächst beenden, doch vergessen kann er sie nicht.

Die Familie zieht nach Solingen und Augustus wird in einer Regenschirmfabrik als Schlosser und Schmied ausgebildet. So viel er von seinem hart erarbeiteten Geld erübrigen kann, spart er, um seinen Traum doch noch ermöglichen zu können. Statt zum Militärdienst reist Augustus in die Niederlande und heuert auf einem Schiff nach Peru an. Um dort seinen Lebensunterhalt zu verdienen, tritt er dem peruanischen Militär bei. Die Erfahrungen seines Berufs kann er dort nützlich einsetzen. Er schließt Bekanntschaften, die ihm später von Vorteil sein werden und er lernt die Sprache des Landes.

Die Figur des Augustus, die die Autorin beschreibt, kann man sich gut vorstellen. Das Leben von Berns ist eine Abfolge von Erlebtem, erworbenem Wissen und Kenntnissen, Gelegenheiten, Glück aber auch Misserfolg. Sie füllt die Kindheit und Jugend des Protagonisten mit kleinen Episoden, die schon den Charakter des späteren Entdeckers erkennen lassen. Er ist gewitzt, neugierig und interessiert an allem, was mit Geologie und Technik zu tun hat. Schon früh entstehen in seinem Kopf Szenarien der Geschichte, die für ihn in langweiligen Stunden lebendig werden. Sabrina Janesch beschreibt Städte und Natur auf eine solche Weise, die auch für mich das Geschehen lebendig werden ließen. Leider war mir aber nicht immer klar, wann Augustus wie viel Geld zur Verfügung hatte. Die letzten Jahre Berns bleiben im Dunkeln.

Mit ihrem Buch „Die goldene Stadt“ ist Sabrina Janesch ein Mix aus Historie und Fantasie gelungen. Ihr Schreibstil liest sich mühelos. Obwohl mir Machu Picchu bereits ein Begriff war, habe ich die Stadt auf den Spuren von Augustus R. Berns nochmals neu entdeckt. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Veröffentlicht am 20.08.2017

Der 6. Fall für Ermittlerin D.D. Warren und ihr Team - spannend und schaurig

Die Überlebende
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„Die Überlebende“ von Lisa Gardner ist der achte Fall der Serie um die Ermittlerin Sergeant Detective D.D.Warren aus Boston. Obwohl ich bisher noch kein Buch der Reihe gelesen habe, konnte ich der Handlung ...

„Die Überlebende“ von Lisa Gardner ist der achte Fall der Serie um die Ermittlerin Sergeant Detective D.D.Warren aus Boston. Obwohl ich bisher noch kein Buch der Reihe gelesen habe, konnte ich der Handlung mühelos folgen, vor allem weil die Autorin kaum auf die vorigen Fälle verweist. Sie informiert ausreichend über die aktuelle Zusammensetzung des Teams von D.D. Warren. Den Thriller widmet Lisa Gardner entsprechend dem Titel allen Überlebenden, zu denen die Protagonistin Flora Dane gehört. Das Cover zeigt bereits, dass es blutig zugeht.

Flora hat eine Entführung überlebt und steht im Mittelpunkt der aktuellen Ermittlungen. Sie ist auf einer Farm in Maine aufgewachsen und verließ ihr Elternhaus, um in Florida zu studieren. Dort wurde sie vor sieben Jahren von einem Trucker verschleppt, der sie in eine enge dunkle Kiefernkiste sperrte. Licht, Essen und Getränke gab es nur als Belohnung, wenn sie sich nach seinem Willen verhielt. 472 Tage war sie in seiner Gewalt; er starb bei ihrer Befreiung.

Jetzt lebt Flora in Boston. Seitdem sie ihre Freiheit wieder erlangte, hat sie sich ausgiebig mit Selbstverteidigung beschäftigt. Das Schicksal anderer entführter Frauen geht ihr sehr nah. Am Wochenende vergnügt sie sich in Bars, jedoch mit dem Hintergedanken nach potentiellen Tätern Ausschau zu halten. Sie verhält sich auffällig und aufreizend, die Folgen sind voraussehbar. Dank ihres Verteidigunstrainings meistert sie eine brenzlige Situation bei der jedoch ein Mann stirbt. D.D. Warren und ihr Team werden mit der Aufklärung des Verbrechens beauftragt. Flora ist wenig kooperativ, die Ermittlungen stocken. Und irgendwo im Hintergrund befindet sich jemand aus der Vergangenheit Floras, der noch eine Rechnung mit ihr offen hat ...

Das Buch ist aus zwei Perspektiven geschrieben. Einerseits erzählt Flora einiges was sie erlebt beziehungsweise erlebt hat in der Ich-Form, andererseits gibt es den allwissenden Erzähler der weitere Geschehnisse und die Ermittlungen beschreibt. Gleich zu Beginn schildert Flora im Rückblick ihre Gefühle die sie empfand als sie nach ihrer Entführung in der Kiste erwachte. Diese Situation wirkte beklemmend auf mich. Im zweiten Kapitel findet ein Verbrechen in der Gegenwart statt und schließlich beginnen im dritten Kapitel die Ermittlungen. Dabei sind Täter und Opfer bekannt und ich fragte mich, was jetzt denn noch folgen könnte, denn eigentlich war doch schon das Wichtigste geklärt. Aber Lisa Gardner versteht es gekonnt die Spannung noch weiter zu steigern und bis zum Schluss zu halten. Der Leser erfährt noch vor Auflösung des Falls von einem Sachverhalt den Flora in Bezug auf ihre Entführung verbirgt. Es trägt zum Erhalt der Spannung bei darauf zu warten, wann und ob Flora das Detail bekannt geben wird. Die Ermittlungen ziehen sich im mittleren Teil etwas in die Länge, während im Hintergrund die Gefahr längst nicht beseitigt ist und weitere Opfer vermutet werden können.

Gerade weil Flora aus einer gewöhnlichen Familie kommt und auch im Alltag unauffällig ist, wirkt ihre Entführung so furchterregend. Gekonnt spielt die Autorin mit der Angst einer Person vor Enge, Dunkelheit, Einsamkeit, Hunger und Durst. Lisa Gardener hat sehr gut zum Thema Verteidigungsstrategien recherchiert, denn sie überraschte mich mit einigen beschriebenen Aktionen. Das Verhalten ihrer Charaktere lässt sich vom Täter bis zum Opfer gut nachvollziehen. Mir gefiel es, etwas über das private Umfeld der Ermittlerin zu erfahren. D.D. Warren wird als Person gezeigt, die Ecken und Kanten hat und auch Gefühle zeigt.

Mich hat das Buch bestens unterhalten und für einige spannende und schaurige Stunden gesorgt. Für D.D. Warren und ihr Team besteht genügend Raum für weitere Fortsetzungen. Gerne empfehle ich das Buch an Thrillerfans weiter.