Profilbild von Goch9

Goch9

Lesejury Star
offline

Goch9 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Goch9 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2020

Überzeugender Krimi mit geschichtlichem Hintergrund

Nordlicht - Die Spur des Mörders
0

Hauptkommissarin Vibeke Boisen, Leiterin der Mordkommission K1 in Flensburg, und ihr dänischer Kollege Kommissar Rasmus Nyborg, ermitteln wieder in einem grenzüberschreitenden Fall. Der pensionierte Lehrer, ...

Hauptkommissarin Vibeke Boisen, Leiterin der Mordkommission K1 in Flensburg, und ihr dänischer Kollege Kommissar Rasmus Nyborg, ermitteln wieder in einem grenzüberschreitenden Fall. Der pensionierte Lehrer, Karl Bentien, der sich vorwiegend mit der deutsch-dänischen Geschichte nach dem 2.Weltkrieg beschäftigt, wird ausgerechnet am Sockel des Idstedt-Löwen (Symbol der deutsch-dänischen Freundschaft) ausgeraubt und zu Tode getreten aufgefunden.

Unverzüglich wird eine Sondereinheit aus dänischen und deutschen Kommissaren gebildet mit der Zentrale in Padberg, Dänemark. Diese Sondereinheit hat sich bereits bei einer vorherigen Mordermittlung bestens bewährt, so dass Vibeke und Rasmus auf schnelle Ergebnisse hoffen.

Doch die Brisanz der unterschiedlichen Erlebnisse in der jüngeren Geschichte im Grenzgebiet Dänemark/Deutschland droht die friedliche Zusammenarbeit zu boykottieren.


Der zweite Nordlicht-Krimi von Anette Hinrichs hat mich voll überzeugt.

Schon das maritime Cover lässt die Sehnsucht nach Meer, Boote und Brandung wachsen. Im vorderen Einband werden eine Übersichtskarte der Region sowie eine Detailkarte für die Flensburger Innenstadt abgebildet. Im hinteren Einband geben vier Fotos einen Eindruck der Örtlichkeiten. Somit ist der Leser bestens gerüstet, einen spannenden und geschichtsträchtigen Krimi zu genießen.

Ich lebe nahe der deutsch-niederländischen Grenze und weiß daher um die Brisanz der jeweiligen Grenzgebiet-Geschichte. Von der deutsch-dänischen Problematik, ja eigentlich Tragödie, hatte ich bis heute nichts wahrgenommen.

Frau Henrichs hat auf geniale Weise einen packenden Krimi mit gut recherchierten geschichtlichen Ereignissen verknüpft. Ich konnte mich nicht nur von einem spannenden Krimi fesseln lassen, sondern habe viel Hintergrundinformationen zum deutsch-dänischen Zusammenleben bekommen. Es wurde auch deutlich, dass die Wunden auch siebzig Jahre nach Kriegsende weder verheilt noch verarbeitet worden sind.

Wie mag es mit den Wunden der heutigen Flüchtlinge aussehen?

Mich hat dieser Krimi deshalb so begeistert, weil ich auf Missstände und mir unbekannte Verhaltensweisen gegenüber Flüchtlingen aufmerksam gemacht wurde, ohne mahnendem Fingerzeig, sondern einfach nur, so war’s und jetzt kann man daraus resultierende Taten nachvollziehen.

Vielleicht hört man bei den Nachrichten über deutsche und europäische Flüchtlingspolitik in Zukunft etwas aufmerksamer zu.

Ich freue mich schon jetzt auf den dritten Nordlicht Krimi und bin gespannt, welches Problem Frau Hinrichs dieses Mal anspricht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.05.2020

Falscher Ehrgeiz

Todestreue (Ein Martin-Bauer-Krimi 3)
0

Martin Bauer, Polizeiseelsorger, befindet sich seit der Geburt seiner zweiten Tochter Marie in Elternzeit. Seine Frau, die stets seine Alleingänge und nichtautorisierte Polizeiarbeit beklagt hat, bittet ...

Martin Bauer, Polizeiseelsorger, befindet sich seit der Geburt seiner zweiten Tochter Marie in Elternzeit. Seine Frau, die stets seine Alleingänge und nichtautorisierte Polizeiarbeit beklagt hat, bittet ihn um Beistand. Eine ihrer Schützlinge braucht Hilfe, um ihren Verlobten Leon bei der Abkehr von einer Biker Truppe zu unterstützen. Die Aktion läuft ziemlich schief.

Am nächsten Tag wird Hauptkommissarin Verena Dohr zu einem weiblichen Leichenfund auf einem Schrottplatz gerufen. Schnell kommt Leon als Verdächtiger ins Visier.

Kann Bauer die Ermittler von Leons Unschuld überzeugen?


Das ist bereits der dritte Fall von Martin Bauer und Verena Dohr, den ich gelesen habe und auch dieser hat mich überzeugt. Die Tatsache, dass beide Autoren seit Jahren gemeinsam als Drehbuchautoren tätig sind, merkt man ihren Kriminalromanen an. Sie sind lebendig, bestehen aus gut vorstellbaren Szenen und lassen im Kopf des Lesers einen tollen Film ablaufen.

Wenn man im vorherigen Buch das Gefühl hatte, dass Martin Bauer mittlerweile unrealistisch forsch und sich zu weit in seiner Aufgabe vorwagt, wurde in diesem Buch etwas beruhigt. Und doch folgte Martin immer mehr seinem Gewissen als seinen vorgegebenen Regeln.

Der eigentliche Kriminalfall, äußerst brutal in der Biker-Szene angesiedelt, gerät bei manchen Aktionen von Bauer und Dohr in den Hintergrund.

Es macht einfach Spaß, die Beiden zu begleiten und ihre familiären und beruflichen Probleme zu beobachten, Spannung und Unterhaltung pur.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.05.2020

Trauma Bewältigung

Ein halbes Herz
0

Die gefragte Star-Fotografin Elin Boals stürzt sich geradezu in Arbeit und nutzt ihre Kamera zunehmend als Schutzschild vor dem Leben.

Aber jetzt überrollen sie die Ereignisse. Nach fast 20 Jahren erhält ...

Die gefragte Star-Fotografin Elin Boals stürzt sich geradezu in Arbeit und nutzt ihre Kamera zunehmend als Schutzschild vor dem Leben.

Aber jetzt überrollen sie die Ereignisse. Nach fast 20 Jahren erhält sie per Post eine Sternenkarte von Frederik, ihrem Freund aus Kindertagen. Plötzlich kommen Erinnerungen ans Licht, die sie längst verdrängt und begraben glaubte.

Ihr Mann Sam kann Elins Arbeitswut und ständige Abwesenheit nicht mehr ertragen und verlässt sie. Ihre Tochter Alice hat ihr Elternhaus schon einige Zeit vorher verlassen, um Tanz zu studieren.

Jetzt ist Elin allein und die Erinnerungen bringen sie völlig aus dem Gleichgewicht.


Wieder einmal beschäftigt Sofia Lundberg sich mit der Vergangenheit, in diesem Fall mit der Kindheit der Protagonistin.

Emphatisch und gefühlvoll beschreibt sie Elins Kindheit, die hart, aber doch gespickt mit Glücksmomenten war. Es entsteht schnell der Eindruck, dass Elin ihre schwere und entbehrungsreiche Kindheit angenommen hat und stets versuchte das Beste aus jeder Phase zu machen.

Erst das Verhalten ihres Stiefvaters hat sie verzweifeln lassen und sie Jahrzehnte lang glauben lassen, eine schwere Schuld auf sich geladen zu haben.

Erst als sie glaubt, alles, was liebt, verloren zu haben, kann sie sich ihrer vermeintlichen Schuld stellen. Auch diesen schweren Schritt der Konfrontation beschreibt Frau Lundberg ohne Pathos, aber mitfühlend auf unaufgeregte Weise. Elin und ihre Gefühlswelt sind sehr genau beleuchtet. Man fühlt mit, man leidet mit, aber man bemitleidet sie nicht.

Alice dagegen erscheint mir manchmal hysterisch. Sie ist entsetzt, dass Elin ihr die Großmutter jahrelang vorenthalten hat. Als sie endlich ihre Großmutter besuchen kann, kümmert sie sich mehr um Erik, einem Sohn von Frederik. Ich habe das Gefühl, sie empfindet Schweden, den Bauernhof und die Herkunft ihrer Mutter spannend und interessant wie z.B. Geschichtsunterricht.

Mit diesem Roman hat Frau Lundberg uns eine schönen, ans Herz gehende Geschichte geschenkt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.05.2020

Aufschlussreich

Der Empfänger
0

Deutschland während der 30er Jahre. Junge Männer entfliehen der Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit und wandern in die USA aus, um dort ihr Glück zu machen. Josef und Carl Klein planen auch ihr Glück. ...

Deutschland während der 30er Jahre. Junge Männer entfliehen der Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit und wandern in die USA aus, um dort ihr Glück zu machen. Josef und Carl Klein planen auch ihr Glück. Leider kann nur Josef in die USA einwandern, da Carl nach Verlust seines Auges sein Visum verliert.
Ulla Lenze schildert eindrucksvoll, wie es jungen und naiven deutschen Auswanderern in den USA ergangen ist.


Ein Thema, das wenig literarisch verarbeitet bzw. aufgearbeitet wurde.

Vor und während des 2. Weltkriegs bauen Schergen der NSDAP sozusagen eine deutschsozialistische Vereinigung in Amerika auf. Frau Lenze beschreibt die Agenten und Verführer, die naive junge Männer, die sich ein neues freies Leben aufbauen wollen, in die Fänge des deutschen Geheimdienstes in Amerika treiben.

Die Unbeholfenheit und Unwissenheit von Josef Klein, der unbemerkt durch sein Hobby und seine Leidenschaft zum Verräter wird, ist schon sehr bedrückend. Er ist beschämt und sich eigentlich keiner Schuld bewusst. Beim späteren Aufeinandertreffen mit seinem Bruder Carl und dessen kleiner Familie, kann er über die Geschehnisse und seine Schuld nicht sprechen. Er ist heimatlos und wird ein Getriebener bleiben.

Ich musste das Gelesene erst einmal sacken lassen, um die Zusammenhänge zu verstehen. Die verschieden Zeitebenen und die permanenten Zeitsprünge (vor und zurück) haben mir das Lesen und Verstehen nicht immer einfach gemacht. Vielleicht spiegelt diese puzzlehafte, verschachtelte Erzählweise aber auch die verworrene Lebensgeschichte von Josef wider.

Wie bereits gesagt, habe ich bis jetzt wenig über diese Zeit bzw. über diesen Schauplatz der Geschichte gelesen, aber die Ereignisse erscheinen mir glaubhaft und auch nachvollziehbar.

Dieser Roman ist sehr interessant und informativ für mich gewesen. Auch wenn er natürlich keine Dokumentation, sondern fiktiv ist, erscheint er durchaus glaubhaft und ist lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.04.2020

Absolut berührend und nachdenklich machend

Das rote Adressbuch
0

Die 96-jährige Doris Alm lebt vereinsamt in ihrer kleinen Wohnung in Stockholm. Einmal täglich versorgt eine meist gedankenlose Pflegerin sie mit dem Nötigsten. All ihre Freunde und Verwandten sind bereits ...

Die 96-jährige Doris Alm lebt vereinsamt in ihrer kleinen Wohnung in Stockholm. Einmal täglich versorgt eine meist gedankenlose Pflegerin sie mit dem Nötigsten. All ihre Freunde und Verwandten sind bereits verstorben. Ihr einziger Lichtblick ist ihre Großnichte Jenny, die allerdings mit ihrer Familie in den USA lebt. Etwa einmal wöchentlich skypen die Beiden miteinander, Doris einziger Kontakt mit der Welt. Die Zeit dazwischen füllt Doris mit dem Niederschreiben ihrer Erinnerungen anhand der Namen aus ihrem roten Adressbuch.

Wow, was für ein berührendes Buch!
Ich glaube, ich bin nicht die einzige, die einige Tränen während der Lektüre vergossen hat. Ich bin froh, dass meine Mutter noch lebt, 87-jährig, und ich regelmäßig Kontakt mit ihr halten kann. Wie wichtig das für uns beide ist, hat dieses Buch noch einmal verdeutlicht.

Die Erzählweise von Frau Lundberg hat dem Leser wegen der ständigen Zeitsprünge schon einiges abverlangt. Mir fiel es durch die lebhafte Schilderung der Begegnungen in der Vergangenheit oft schwer mich wieder in der Gegenwart zurecht zu finden.

Allerdings hat sich mir nicht erschlossen, warum Allan bereits nach einem Jahr, in dem er sich nach eigenen Angaben nach Doris verzehrt hat, eine neue Frau gefunden und geheiratet hat. Unverständlich ist für mich auch, dass Beide immer postlagernd über Jahre, Jahrzehnte an die gleiche Adresse geschrieben haben und sich folglich nie fanden.

Bewundert habe ich, dass Frau Lundberg zwar sehr berührend aber nie kitschig geschrieben hat. Nachvollziehen kann ich daher, dass viele Leser ihr erzählt haben, dass der Roman dazu ermutigt habe, mit ihren älteren Verwandten wieder mehr ins Gespräch zu kommen.

Ich freue mich auf das nächste Buch dieser Autorin.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere