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Veröffentlicht am 02.01.2024

wunderbares erstes Buch für das neue Jahr

Die Wolkengucker
2

„Kinder gucken ganz selbstverständlich in die Wolken. Erwachsene hingegen verlernen es.“ (S. 317)

„Es klingt wie das Paradies […]. Wenn ich jemals wieder in meinem Leben Zeit haben sollte, komme ich.“ ...

„Kinder gucken ganz selbstverständlich in die Wolken. Erwachsene hingegen verlernen es.“ (S. 317)

„Es klingt wie das Paradies […]. Wenn ich jemals wieder in meinem Leben Zeit haben sollte, komme ich.“ (S. 101)

Mia ist acht Jahre alt und hat mit ihrer Mutter immer die Wolken beobachtet. Dazu lagen sie in der Küche auf dem Boden, denn das ist der einzige Platz, an dem man die Wolken aus der Münchener Wohnung sehen kann. Selbst zwei Jahre nach dem Tod der Mutter ist Mia eine eifrige Wolkenguckerin. Ihr Vater Matt dagegen versinkt in seiner Trauer und verliert die Fäden der Zeit. „Matt hingegen scheute den Blick in den Himmel. Jede verdammte Wolke war ein Stich in sein Herz.“ (S. 12)
Als sie einen Zettel an einem Laternenpfahl finden, auf dem zum ersten Treffen der Wolkengucker-Gesellschaft eingeladen wird, ist Mia Feuer und Flamme und Matt sieht darin zwar keinen Sinn, stimmt aber zu hinzugehen.
Wilma ist 90 Jahre alt und lebt in einer viel zu großen Villa in München. Der Tod ihrer besten Freundin hat sie voller Trauer zurück gelassen, aber auch mit einem Vorhaben. Die beiden alten Damen haben sich versprochen, eine Wolkengucker-Gesellschaft zu gründen, wenn der andere mal nicht mehr ist. Und diesem Versprechen kommt Wilma nach, auch wenn sie Menschen nicht viel abgewinnen kann. Schon gar nicht Fremden. Aber Mia ist so voller übersprudelndem Eifer, daß Wilma sie schnell ins Herz schließt.

Zu Beginn des Buches war ich ziemlich niedergeschlagen, da Matt in Zeitlöcher voller trüber Gedanken verschwindet, Wilma ziemlich griesgrämig wirkt und auch noch einen unfreundlichen Nachbar hat. Nur Ayla scheint ein Sonnenschein zu sein, weswegen ihr Schicksal mich am meisten getroffen hat. Doch durch die Wolken finden ihre Leben alle irgendwie zueinander und jeder auch zu sich selbst.
Die Wolkengucker ist eine Geschichte über fremde Menschen, die zueinander finden. „Letztendlich waren sie alle nur ein bunter Haufen Fremder.
Gewesen.“ (S. 347)
Die Einzelschicksale sind sehr emotional und fürsorglich beschrieben und entfalten sich Stück für Stück, ebenso wie die hauchzarten Freundschaften, die entstehen. Ich habe mich sehr wohl zwischen den Wolkenguckern gefühlt, habe mitgefiebert, gelitten und am Ende ein bisschen geweint. Der Tod ist ein großes Thema, genau wie Verlust der liebsten Menschen und die dazugehörige Trauer. Und jeder der Protagonisten geht anders damit um. „Der Wechsel zwischen meinen emotionalen Aggregatzuständen war einfach zu abrupt gekommen.“ (S. 340)

Abschließend bleibt nur zu sagen, daß dies ein ganz wunderbares erstes Buch für das neue Jahr ist, trotz der ernsten Handlung. Wie diese behandelt wird, zeugt nicht nur von sehr viel Respekt gegenüber der Themen, sondern auch gegenüber der Charaktere, obwohl sie fiktiv sind. Ein wirklich schönes Buch!

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.09.2022

mir zu modern

Kitty Carter – Dämonenkuss
1

„Menschen können keine Engel werden, denn im Leben begeht jeder mindestens eine Sünde.“ (S.33)

Ich lerne immer auf die harte Tour, daß ich Bücher und Autoren genauer recherchieren sollte, bevor ich nach ...

„Menschen können keine Engel werden, denn im Leben begeht jeder mindestens eine Sünde.“ (S.33)

Ich lerne immer auf die harte Tour, daß ich Bücher und Autoren genauer recherchieren sollte, bevor ich nach einem Rezensionsexemplar frage. In der Buchvorstellung, die mir dieses Exemplar schmackhaft gemacht hatte, stand nichts vom „erotischen Begehren“ (Klappentext oben), das mich eher zögern ließe. Doch moderne Urban-Fantasy verbunden mit einem historischen Krimi im viktorianischen England spricht mich sehr an. Und so ist Kitty Carter bei mir eingezogen und ich habe mich sehr auf dieses Buch gefreut.

Nach 182 Seiten der Geschichte und dem Abschlußwort der Autorin habe ich das Buch abgebrochen. Ich war schon nach der Hälfte des Buches geneigt, es beiseite zu legen, doch dieses letzte Kapitel war der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat. Doch ich beginne lieber am Anfang.

Kitty Carter ist 49 Jahre alt und hilft der Londoner Polizei mit ihrem Bauchgefühl und ihren Vorahnungen zu einer außergewöhnlich hohen Aufklärungsrate. Trotz all ihrer Selbstständigkeit, so ganz ohne eigene Familie, ist sie immer noch nur eine Frau in den Augen der Constables und ihres Chefs Patt Wallet.
Im ersten Kapitel wird nicht nur ein detailliertes Bild von Kitty gezeichnet, sondern auch von der Welt, in der sie lebt. „Eine Frau, die einem Beruf nachging, war zwar nichts gänzlich Exotisches, aber eben auch nichts, was von der dominierenden Männerwelt beklatscht wurde.“ (S. 13) Die Autorin wird nicht müde zu betonen, wie dominant diese Männerwelt ist und wie unterdrückt Kitty als Frau ist. „Sie hatte viele Entbehrungen erduldet, weil die Gesellschaft es so verlangt hatte. Oder besser gesagt, weil sie sich diesen gesellschaftlichen Normen unterworfen hatte. […] Wie ein ewiges Theaterstück, bei dem Frauen in alte vorgefertigte Rollen schlüpften, die viele von ihnen überhaupt nicht spielen wollten.“ (S. 167) „Ihre Freundin war zu sehr in ihrer antrainierten Geschlechterrolle gefangen, um sich an Kittys Seite gegen zwei Männer in Amt und Würden zu stemmen.“ (S. 177)
Wenn man bedenkt, daß Kitty ihr Leben alleine bestreiten möchte und dafür bei der Polizei arbeitet, und betont, wie unabhängig sie von dieser Konventionen ist, kommt mir nur eine Frage auf: Warum bezahlt ihr Vater ihr dann immer noch eine Wohnung inklusive Dienstmädchen? Das ist nicht sehr unabhängig. Aber das ist vielleicht auch nebensächlich. Viel störender finde ich das Verhalten dieser 49jährigen Frau. Nach ihrem Unfall und einem Gespräch mit Gott, kommt Kitty als sogenannter Dämon zurück auf die Erde und weiß nichts über ihr neues Leben. Sie weiß nicht, ob und von was sie sich ernähren muß, ob es bestimmte Verhaltensregeln gibt und ob noch mehr Dämonen in London existieren, außer dem, den sie suchen soll. Alles in meinen Augen essentielle Dinge.
Ihre erste Aktion gilt ihrer Leiche. Da sie nun wieder unter den Lebenden wandelt, muß sie den Beweis ihres Todes verheimlichen. Völlig ungeplant bricht sie in die Leichenhalle ein. Keine Ahnung, wie sie den Körper weg bringen soll, geschweige denn, wohin. Dies ist kein Einzelfall; Kitty kommt eine Idee und sie stürmt sofort los. Soetwas erwarte ich von Jugendlichen, nicht von Frauen, die schon einiges erlebt haben sollten.
Als Dämon treten Gefühle leichter an die Oberfläche. Bei Kitty ist das eine Begierde gegenüber ihres Chefs Patt Wallet und ständig kommen ihr erotische Phantasien in den Sinn. Doch bei einem ihrer ungeplanten Abenteuer in den Untergrund verfällt sie durch die Gefühle der umstehenden Leute in einen Rausch und erkennt plötzlich, daß sie diesen Mann, von dem sie zahlreiche Phantasien hatte, gar nicht will. Sie begehrt eine völlig Fremde, mit der sie einmal nicht so nett aneinandergeraten ist. Zack! Kitty ist lesbisch?!
Zumindest suggeriert dieses „Ein Wort zum Schluß“ der Autorin, daß sie genau das für Kitty im Sinn hatte. Laut der Autorin wurde sie zu einem Roman inspiriert, in dem „[…] eine divers angelegte Frau mit neunundvierzig Jahren die Hauptrolle spielt.“ (S.309)

Laut Wikipedia (01.09.2022 gegen 18:30 Uhr) bezieht sich divers auf einen Geschlechtseintrag, der auf die biologische Intergeschlechtlichkeit zurückzuführen ist. Ob dies auch auf eine nichtbinäre Geschlechtsidentität bezogen werden kann, unabhängig vom biologischen Geschlecht, ist rechtlich noch ungeklärt.

Kitty Carter macht auf 182 Seiten nicht den Anschein, als wäre sie nicht weiblich trotz ihres weiblichen Körpers. Demnach ist sie nicht divers, sondern eindeutig eine Frau. Vielleicht steht sie auf Frauen, wobei ich die Szene eher einem Rausch als einer Lebensentscheidung zugeordnet habe, vor allem nach diesen ganzen erotischen Begierden ihrem Chef gegenüber. Aber wer weiß, was sich auf den letzten 120 Seiten zugetragen hat. Vielleicht hat sie ja tatsächlich nicht nur die Liebe ihres Lebens im Körper einer Frau gefunden, sondern hat sich nach ihrem Auftrag in einen männlichen Körper transferieren lassen, da sie doch divers ist.

So oder so kommt mir dieses ganze diverse Zeug ebenso künstlich vor, wie der feministische Gedanke von Kitty Carter. Es passt einfach alles nicht in ein London von 1862, wo alles sehr viel strenger und konventioneller war. Leider hat die aktuelle Politik sich in dieses Buch eingeschlichen und mich damit rausgeworfen. Diese moderne Urban-Fantasy ist mir zu modern. Ich mag die viktorianische Zeit in Büchern, vor allem in Zusammenhang mit Steampunk.
Obwohl die Autorin im ersten Kapitel einen tollen Start hingelegt und die Atmosphäre ganz gut eingefangen hat, war der Rest einfach nur oberflächlich, Kitty zu ungestüm und das ganze enervierend.
Ich hatte große Hoffnungen in dieses Buch, die Aufmachung ist gelungen und die Grundidee spannend. Und dann kam das Moderne und Kitty Carter ist zu einem Teenager verkommen. Wenigstens passt der Name besser als zu einer 49jährigen, deren Vater sich Sorgen um den Ruf der Familie macht.

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Veröffentlicht am 14.11.2017

Alle Tränen getrocknet

Fighting to Be Free - Nie so begehrt
1

Achtung! Spoiler zu Fighting to be free – Nie so geliebt

„Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. Wenn man den Menschen findet, mit dem man zusammen sein soll, fügt sich alles andere, ...

Achtung! Spoiler zu Fighting to be free – Nie so geliebt

„Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. Wenn man den Menschen findet, mit dem man zusammen sein soll, fügt sich alles andere, und man würde alles für ihn tun.“ (S.349)

Drei Jahre sind vergangen, seit Jamie verhaftet wurde und Ellie das Herz gebrochen hat. Seitdem existiert Jamie nicht mehr. Er ist jetzt Kid Cole, denn er hat nichts mehr, wofür sich das Leben lohnt. Deswegen hat er die Organisation, die Brett ihm vermacht hat, wieder aufgebaut. Neben illegalen Autorennen und -diebstählen gibt es nichts, was ihm den nötigen Kick bringt.
Ellie ist nach ihrer Europareise nicht nach Hause zurück gekehrt. Sie ist in London geblieben und hat dort Toby gefunden. Sie sind verlobt und eigentlich könnte das Leben kaum schöner sein. Doch dann ändert ein Anruf mitten in der Nacht alles. Ellie kehrt nach Hause zurück und Jamie kann ihr nicht lange aus dem Weg gehen.

Das Ende vom ersten Teil hat mir das Herz gebrochen. Die Liebe zwischen Ellie und Jamie war so berührend, dass ich mit Ellie einen Teil meines Herzens verloren habe. Jamie ist ein beeindruckender Charakter. So wie Menschen, die keine Macht haben wollen, Macht kriegen sollten, so ist Jamie ein fantastischer Krimineller, weil er es eben nie sein wollte. Doch als Ellie wieder zurück in sein Leben tritt, ändert sich alles. Wird Ellie ihm je verzeihen können? Haben sie noch eine zweite Chance?
Auch Ellie hat sich in den letzten drei Jahren verändert. Sie ist erwachsener geworden, ohne etwas von ihrer Lebendigkeit verloren zu haben. Auch sie ist ein berauschender Charakter.
Der Schreibstil ist sehr flüssig, die Perspektive wechselt zwischen Ellie und Jamie. Die Geschichte ist sehr spannend, hat einen mehr als traurigen Anfang, dafür aber einen sehr rasanten Schluss. Ich bin zumindest sehr zufrieden mit diesem Ende.

Veröffentlicht am 10.11.2017

#GegendasVergessen

Meine Nachmittage mit Eva
1

„Wie oft dachte ich, heute schaffe ich es nicht. Wie oft dachte ich, der Tod ist besser als dieses Leben. […] Aber es gab diese andere Eva in mir. Die starke Eva, die Eva, die überleben wollte. […] Die ...

„Wie oft dachte ich, heute schaffe ich es nicht. Wie oft dachte ich, der Tod ist besser als dieses Leben. […] Aber es gab diese andere Eva in mir. Die starke Eva, die Eva, die überleben wollte. […] Die Schmerzen haben nie aufgehört, bis heute nicht. Noch heute kämpfe ich gegen Schmerzen an.“ (S.120)

„Vielleicht werde ich neunzig, innerlich bleibe ich das Kind, das seit dem elften Lebensjahr nicht mehr von seiner Mutter umarmt wurde.“ (S.49)

Dieses Buch ist nicht nur ein Zeitzeugenbericht, sondern auch die Verarbeitung der Geschichte und vor allem der Familiengeschichte der Autorin. Neben den Erzählungen von Eva gibt es viele Gedanken und Anekdoten von Bärbel Schäfer aus ihrem Leben und ihrer Familie. Sie verarbeitet nicht nur die Deutsche Geschichte, sondern auch das Schweigen ihrer Eltern und Großeltern. Sie versucht die Gründe zu verstehen, wie es damals zu Hitlers Machtergreifung kommen konnte und auch, warum es den Anschein hat, dass sich alles irgendwie wiederholt.
Der Schreibstil ist anstrengend. Die Autorin springt zwischen ihren Gedanken und den Erzählungen von Eva hin und her, und driftet manchmal etwas ab. Diese Sprunghaftigkeit stört mich sehr. Auch die Wortschöpfungen sind irgendwie nervig. Ich habe mir einen Zeitzeugenbericht vorgestellt, habe jedoch die Zweifel an der Familie der Autorin bekommen. Mir ist es noch nie so schwer gefallen, einen Zeitzeugenbericht zu lesen, doch dieses Buch konzentriert sich vor allem auf die Autorin. Nicht ganz das, was ich erwartet habe.

Veröffentlicht am 03.08.2017

Fesselnd

Fighting to Be Free - Nie so geliebt
1

Als Jamie aus dem Jugendgefägnis entlassen wird, will er sich endlich ein neues Leben aufbauen. Doch sein alter Chef, die Gesellschaft und seine Mutter machen ihm das nicht leicht. Als er eines Abends ...

Als Jamie aus dem Jugendgefägnis entlassen wird, will er sich endlich ein neues Leben aufbauen. Doch sein alter Chef, die Gesellschaft und seine Mutter machen ihm das nicht leicht. Als er eines Abends Ellie kennen lernt, schöpft er Hoffnung auf ein schöneres Leben. Denn endlich hat er einen Grund, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Doch die holt ihn schneller ein, als ihm lieb ist.

Ich kann nicht in Worte fassen, was ich von diesem Buch halte. Es ist toll, keine Frage! Jamie ist ein fantastischer Charakter. Wo man den berühmten Bad Boy erwartet, trifft man auf einen liebevollen, sanftmütigen Jungen, der einfach nur in Ruhe gelassen werden will. Er will seine kriminelle Vergangenheit hinter sich lassen, und sich ein ehrliches Leben aufbauen. Obwohl ihm so einige Steine in den Weg gelegt werden, gibt er nicht auf.
Als er dann eines Abends Ellie kennen lernt, scheint alles gut zu laufen. Doch dann führt eins zum anderen, und Jamie findet sich genau dort wieder, wo er nicht sein wollte. Doch er gibt nicht auf, und kämpft weiterhin dafür, aus diesem Milieu heraus zu kommen. Ellie hilft ihm dabei.
Was soll ich sagen? Ich liebe dieses Buch. Ich habe jede Seite verschlungen, und hatte doch Angst, dass es endet. Umso mehr freue ich mich, dass es noch weiter gehen soll. Denn ehrlich gesagt, der Epilog war ja doch etwas enttäuschend. ;)