„Liebe Mrs. Bird“, ist ein wichtiger, unter die Haut gehender Roman, mit hohem Unterhaltungsfaktor, der direkt auf die Gefühlswelt der Leser zielt, ohne in kitschige Gefilde abzudriften. Einer meiner Lieblingsromane in 2018!
Liebe Mrs. BirdEmmeline Lake hat ehrgeizige Ziele, die Anwaltsgehilfin, ist eine junge Frau, die gerne Kriegsreporterin werden möchte. Ein interessanter Job, in sehr gefährlichen Zeiten, denn auch London bleibt nicht ...
Emmeline Lake hat ehrgeizige Ziele, die Anwaltsgehilfin, ist eine junge Frau, die gerne Kriegsreporterin werden möchte. Ein interessanter Job, in sehr gefährlichen Zeiten, denn auch London bleibt nicht verschont, in den Wirren des 2. Weltkriegs. Als bei einer Zeitung, eine junge Dame mit Emmelines Fähigkeiten gesucht wird, fasst sie sich ein Herz und bewirbt sich. Schnell hat sie ein Vorstellungsgespräch, bei einem Kollegen von Mrs. Bird, Emmelines zukünftiger Chefin, die durch Abwesenheit glänzt und wird eingestellt. Am ersten Arbeitstag folgt jedoch das böse Erwachen auf den Fuß. Nicht nur lernt Emmeline Mrs. Bird kennen und erkennt in dieser die garstige Frau, mit der sie am Einstellungstag vor dem Verlagsgebäude zusammenprallte; zu allem Überfluss entpuppt sich der neue Job lediglich, als leichte und stupide Schreibtätigkeit.
Emmeline ist nur eingestellt worden, um bereits geschriebene Artikel abzutippen und die eingehenden Leserbriefe an Mrs. Bird, die eine Kummerkastenkolumne betreibt, auf Tauglichkeit zu prüfen. Mrs. Bird ist nämlich äußerst streng und altmodisch, wenn es um bestimmte Themen geht und verbittet sich vor allem Leserbriefe, in denen es um Ehe, Liebe, Krieg oder anderweitige intime Dinge geht, die darin angesprochen werden. Sie verlangt von Emmeline, dass sie die aussortierten Briefe sogleich vernichtet, doch Emmeline hat Mitleid mit den verzweifelten Frauen, die sich mit dringlichen Fragen an Mrs. Bird wenden. Und so beschließt Emmeline eines Tages, einfach Briefe in Mrs. Birds Namen zu beantworten, ohne dass ihre Vorgesetzte davon erfährt.
Emmelines Antworten bleiben nicht ohne Folgen. Schnell bekommt sie Briefe in den Verlag geschickt, worüber sie sich sehr freut, auch wenn sie große Angst vor Entdeckung umtreibt.
Doch viel Zeit zu Grübeln bleibt nicht, denn in London herrscht beinahe jeden Tag Fliegeralarm und viele Bekannte und Freunde von Emmeline wurden bereits ausgebombt.
Zudem wird Emmeline von ihrem Verlobten, der an der Front kämpft, verlassen. Emmelines beste Freundin seit Kindertagen und Mitbewohnerin in London, Bunty, hält nicht viel von Emmelines Eigenmächtigkeit im Verlag und liest ihr streng die Leviten. Doch sie hat auch ein großes Herz und möchte Emmeline zu gerne mit einem interessanten jungen Mann verkuppeln. Bunty selbst ist nämlich sehr glücklich in ihrer Beziehung mit William, einem Feuerwehrmann…
Es gibt sie doch noch, Romane die den Leser gleich von Beginn an, fesseln können und Autoren, die imstande sind Geschichten, die ganz ohne Kitschfaktor auskommen, zu erzählen. Und das, obwohl „Liebe Mrs. Bird“ durchaus eine Geschichte bereithält, die sehr an den Gefühlen der Leser zu rühren vermag. Solche Romane sind rar, echte Leseperlen, doch sie zu suchen und zu finden, bereitet mir nach wie vor viel Freude.
Wir begleiten die Romanheldin Emmeline, die ihre Story aus eigener Sicht, also in „Ich-Form“, schildert und bekommen so, sehr schnell und sehr gut, tiefe Einblicke in ihre Gedanken und Gefühlswelt. Emmeline ist eine junge Frau, die sich ihre Lebenslust nicht von den stetigen Bombenangriffen auf London und dem Krieg als solches, nehmen lassen möchte. Sie trotzt den Begebenheiten, zusammen mit ihren Freunden und ist eine sehr sensible und liebeswerte Heldin. Man kann ihr eine gewisse impulsive Art nicht absprechen, doch diese macht sie so besonders. Gerade, wenn es um die Eigenmächtigkeit geht, mit der sie ans Werk geht im Verlag; eigentlich nur aus Mitleid. Emmeline legt dabei eine leichte Naivität an den Tag, die man ihr als Leser aber nur zu gerne verzeiht, denn schließlich heiligt der Zweck die Mittel.
Der Autorin ist es gelungen, die historischen Begebenheiten und Kriegsschilderungen sehr realistisch darzustellen. Das ist so manches Mal nicht einfach zu lesen, aber lesenswert- wenn man das zerbombte London, durch Emmelines Augen sieht und man kann nur ermessen, wie viele Ängste unsere Vorfahren während des Krieges ausstehen mussten und unter welchen großen Entbehrungen sie litten. Ob nun als Zivilist während der Bombenangriffe auf Städte und Ortschaften oder aber als Soldat an der Front. Man ist betroffen, leidet mit der Romanheldin und ihren Freunden mit und ehrlich gesagt ging mir die Geschichte sehr unter die Haut.
Die Idee, die Geschichte im Verlagswesen anzusiedeln und die Romanheldin als heimliche Kummerkastenvertreterin in Aktion treten zu lassen, hat mir gut gefallen. Zudem dienten die Leserbriefe nicht nur als Mittel zum Zweck und wurden nebenbei erwähnt; nein, sie wurden sorgfältig von der Autorin in Szene gesetzt und bieten zusätzliche zeitgemäße Eindrücke in die Gedankenwelt unserer Großeltern oder Urgroßeltern. Man kann hier durchaus von einem gelungenen Sittengemälde sprechen.
Kurz gefasst: „Liebe Mrs. Bird“, ist ein wichtiger, unter die Haut gehender Roman, mit hohem Unterhaltungsfaktor, der direkt auf die Gefühlswelt der Leser zielt, ohne in kitschige Gefilde abzudriften. Einer meiner Lieblingsromane in 2018!