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Veröffentlicht am 16.07.2025

Gespenster der Vergangenheit

Mittsommer
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Sommersonnenwende. The Manor, ein exklusives Luxushotel für zahlungskräftige Gäste in den Wäldern Dorsets. Die Einweihung,, die jeden Rahmen sprengt. So hat es sich zumindest Francesca vorgestellt, als ...

Sommersonnenwende. The Manor, ein exklusives Luxushotel für zahlungskräftige Gäste in den Wäldern Dorsets. Die Einweihung,, die jeden Rahmen sprengt. So hat es sich zumindest Francesca vorgestellt, als sie gemeinsam mit ihrem Mann Owen, einem Stararchitekten, den Um- und Ausbau des geerbten Familienanwesens geplant hat. Alles soll für den großen Tag perfekt sein. Ein Mega-Event, aber nicht für die Einheimischen, denn nicht nur sie kennen die dunkle Vergangenheit des ehemaligen Familienanwesens. Und einmal mehr wird es sich zeigen, dass es nur des richtigen Zeitpunkts bedarf, um sich für lange zurückliegende Verletzungen zu rächen.

Lucy Foley baut die Handlung ihres Thrillers „Mittsommer“ langsam, aber sehr geschickt auf. Sie erzählt multiperspektivisch und bindet nicht nur durch die Auszüge eines Tagebuchs weit zurückliegende Ereignisse in die Gegenwart ein. Zusätzlich lässt sie uns nicht nur an Erinnerungen, sondern auch an den zwiespältigen Überlegungen derjenigen teilhaben, die Francesca mehr oder weniger freiwillig bei ihrem ehrgeizigen Projekt unterstützen. Koste es, was es wolle.

Es sind immer nur kleine Häppchen, mit denen uns die Autorin versorgt, aber genau diese wecken das Interesse, halten die Spannung konstant hoch und fügen Bruchstück um Bruchstück zu den anfangs vagen Vermutungen hinzu. Wir wissen zwar immer mehr als die beteiligten Personen, können aber lediglich Vermutungen anstellen, wie und warum es zu dem von Beginn an bekannten Ereignis kommen wird. Aber das Dunkel lichtet sich natürlich erst gegen Ende, das durch einige unvorhersehbare, aber durchaus logisch nachvollziehbare Wendungen eingeläutet wird und gelungen ist.

Übrigens, die im Klappentext angesprochene Mystik wird nur sparsam eingesetzt, was ich durchaus als sehr angenehm empfunden habe.

Hier heißt es zugreifen, falls ihr noch eine spannende Urlaubslektüre sucht.

Veröffentlicht am 09.07.2025

Bittersüße Geheimnisse

Bretonische Versuchungen
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In „Bretonische Versuchungen“ können wir bereits zum vierzehnten Mal Kommissar Dupin bei seinen Ermittlungen in einem höchst ungewöhnlichen Fall über die Schulter schauen. Die Mitinhaberin einer Traditionsconfiserie ...

In „Bretonische Versuchungen“ können wir bereits zum vierzehnten Mal Kommissar Dupin bei seinen Ermittlungen in einem höchst ungewöhnlichen Fall über die Schulter schauen. Die Mitinhaberin einer Traditionsconfiserie in Concarneau, bekannt für ihre exquisiten Produkte, wird in einem Bottich mit geschmolzener Schokolade tot aufgefunden. Ein Unfall kann ausgeschlossen werden, alle Spuren weisen auf Mord hin. Aber wer könnte ein Interesse an ihrem Tod haben, war sich doch die dreiköpfige Geschäftsleitung bisher in allem einig? Zumindest dem äußeren Anschein nach.

Für Dupin kommt der Fall zu rechten Zeit, kann er so doch der Konfrontationstherapie entgehen, die ihm die Angst vor der rauen See nehmen soll. Unterstützt von seiner resoluten Mitarbeiterin Nolwenn sowie dem im Hintergrund arbeitenden Team aus Rival, Le Menn und Kadeg stürzt er sich in die Ermittlungen, die ihm körperlich und mental das Äußerste abverlangen, ihn tief in den Herstellungsprozess der bittersüßen Köstlichkeiten eintauchen lassen und ihn auf den Spuren des Rohstoffs bis ins Baskenland führen…

Schaut man sich die Fälle der einzelnen Bände genauer an, lässt sich eine Gemeinsamkeit feststellen, die diese Reihe von den üblichen Urlaubskrimis unterscheidet. Natürlich arbeitet der Autor auch mit atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen, aber ihm geht es in erster Linie darum, tiefer in die regionalen Eigen- und Besonderheiten der Bretagne einzutauchen und diese seinen Leserinnen und Lesern zu vermitteln. So zumindest mein Eindruck.

Es ändern sich nicht nur die Schauplätze sondern auch die Themen, die die jeweiligen Fälle dominieren. Mal sind es außergewöhnliche bretonische Produkte, dann wieder kulturelle Mythen oder ethnografische Besonderheiten, die typisch für die Handlungsorte sind, an denen Dupin plus Team im Einsatz ist. Bemerkenswert ist die Tiefe, in der Bannalec dies en passant in die meist doch recht konventionellen, gemächlich inszenierten Storys einarbeitet und so immer wieder nicht nur auf die Bretagne neugierig macht, sondern uns damit auch einiges an Wissen vermittelt. Das trifft auch auf diesen Fall zu und ist mit ein Grund, weshalb ich immer wieder gespannt auf die Fortsetzung der Reihe warte.

Veröffentlicht am 06.07.2025

Anfänge einer Dynastie

Thronräuber
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Wenn man sich für englische Geschichte interessiert, aber keine trockenen Sachbücher lesen möchte, sollte man zu den historischen Romanen der leider 2021 verstorbenen amerikanischen Autorin Sharon Penman ...

Wenn man sich für englische Geschichte interessiert, aber keine trockenen Sachbücher lesen möchte, sollte man zu den historischen Romanen der leider 2021 verstorbenen amerikanischen Autorin Sharon Penman greifen. Bekannt wurde sie mit ihrem Roman über Richard III. „The Sunne in Splendor“, in dem sie ein erfrischend anderes Narrativ dieses dämonisierten englischen Königs präsentiert. Gelesen habe ich es vor vielen Jahren im Original und konnte diese alternative Sichtweise, insbesondere was dessen Beteiligung an der Ermordung der Prinzen im Tower anging, absolut nachvollziehen.

„Thronräuber“ ist Band 1 der im Original vierbändigen Reihe um die Anjou-Plantagenet Dynastie und behandelt den Zeitraum zwischen 1101 und 1142.

Henry I. hat zwar 23 Nachkommen gezeugt, von denen aber lediglich zwei legitime Erben des Throns sind, William und Maude. Erster kommt beim Untergang des „Weißen Schiffs“ ums Leben, bleibt nur noch die Tochter als zukünftige Herrscherin übrig. Auf Anweisung ihres Vaters mit Geoffrey Plantagenet, Graf von Anjou, verheiratet, soll sie Henry I. nach seinem Tod am 1. Dezember 1135 nachfolgen, was allerdings innerhalb des Adelskreises keine Zustimmung findet.

Eine Frau auf dem Thron? Undenkbar. Also nutzt Stephen of Blois (Henrys Neffe und Enkel von William the Conquerer) die Gunst der Stunde zu seinem Vorteil, zieht mit seinem Tross gen England, verteilt großzügig Privilegien, sichert sich so die Unterstützung von Adel, Kirche und Volk und wird am 22. Dezember 1135 in Winchester zum König gekrönt. Aber ganz so kampflos wie erwartet gibt Maud den Anspruch auf den Thron nicht auf. Auch wenn die Vertreter des Adels und der Kirche kein Vertrauen in Maud und ihre Fähigkeiten haben, will sie doch das Geburtsrecht auf die Krone zumindest für ihre Nachkommen sichern. Wenn es sein muss, auch mit Gewalt. Und so beginnt der Kampf um die Krone. Ein Bürgerkrieg, bekannt als „The Anarchy“, der fast zwei Jahrzehnte dauert und den Weg für die verschiedenen Thronfolger des Hauses Plantagenet ebnet, die immerhin bis 1485 (Tod Richard III.) herrschen werden.

Sharon Penman erzählt diese Geschichte in fast 800 Seiten und hält sich dabei eng an die historisch verbürgten Eckdaten. Dabei quält sie ihre Leser und Leserinnen aber nicht mit seitenlangen, nichtssagenden Beschreibungen, die eher den Lesefluss hemmen, als die Story zu illustrieren und deren Fortgang zu unterstützen, sondern erweckt die historischen Persönlichkeiten, die wir, wenn überhaupt, nur aus den Geschichtsbüchern kennen, samt ihrer Eigenheiten zum Leben. Sie verleiht ihnen Persönlichkeit, gibt ihnen Konturen, samt der Ecken und Kanten.

Natürlich wird bei der Personenkonstellation Maud versus Stephen auch das Frauenbild der damaligen Zeit genauer betrachtet. Und selbst wenn man es auf eine Adlige mit Anspruch auf den Thron einschränkt, zeigt es sich, dass diese ohne männliche Unterstützung und Allianzen quasi wertlos ist, Entscheidungen und Handeln, auch innerhalb ihrer Ehe, permanent auf dem Prüfstein stehen.

Der Stammbaum gleich zu Beginn ist hilfreich für die dynastische Einordnung der Personen, die Landkarte am Ende versorgt mit den geografischen Details. Außerdem gibt es für den besseren Überblick ein Verzeichnis der Dramatis Personae sowie ein Glossar ungebräuchlier Begriffe.

Ein großartiger historischer Roman ohne Zuckerguss und überflüssige Love Storys, auf dessen Fortsetzung „Thronerbe“ (ET 05.11.2025 im Heyne Verlag) ich mich schon jetzt freue.

Veröffentlicht am 05.07.2025

Die unsichtbare Frau

Die Frau des Farmers
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Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof im Lake District in Cumbria im Nordwesten Englands, hat Helen Rebanks eigentlich andere Pläne für ihr Leben. Sie verlässt diese schroffe Gegend, beginnt ein Kunst-Studium, ...

Aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof im Lake District in Cumbria im Nordwesten Englands, hat Helen Rebanks eigentlich andere Pläne für ihr Leben. Sie verlässt diese schroffe Gegend, beginnt ein Kunst-Studium, will das harte, bäuerliche Leben hinter sich lassen. Doch es soll anders kommen. Sie trifft James Rebanks, die beiden verlieben sich, heiraten, bauen sich ein gemeinsames Leben auf. Sie kehrt zurück in den Lake District, denn die ökologisch betriebene Farm, in die sie einheiratet, ist nur zehn Kilometer von Helens elterlichem Bauernhof entfernt.

Die Aufgabenverteilung ist klassisch. Helen organisiert das Drinnen mit den vier Kindern, dem Haushalt und den familiären Angelegenheiten, ihr Mann ist für das Draußen verantwortlich, insbesondere die Tierhaltung (Schafe, Rinder, Hühner), wobei sich die beiden Bereich aber durchaus auch überschneiden können.

Natürlich beschreibt Helen Rebanks nicht nur einen Tag in ihrem Leben, aber es sind die Aufgaben die sich meist täglich wiederholen. Besonderen Schwerpunkt legt sie auf die Ernährung und die Qualität der Lebensmittel, weshalb sehr viele ihrer interessanten und leckeren Rezepte in dieses Buch Einzug gehalten haben. Da dies allerdings den Lesefluss stört, hätte ich sie zwar lieber in einem Anhang zusammengefasst gesehen, aber das liegt leider außerhalb meines Einflussbereichs.

Natürlich ist sie sich dessen bewusst, dass ihre Arbeit für die Außenwelt weitestgehend unsichtbar bleibt, aber nichtsdestotrotz genauso wichtig wie die ihres Mannes ist, der dies ebenfalls schätzt. Getrieben werden sowohl Helen als auch James von ihrer Verantwortung gegenüber der nachfolgenden Generation, für die sie ihren Bauernhof mit aller Kraft erhalten wollen. Kein leichtes Unterfangen, sind die Probleme der englischen Landwirte und Viehzüchter insbesondere durch die erfolgreiche Prime-Serie „Clarkson’s Farm“ in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

„Die Frau des Farmers“ bietet die lesenswerte Innenansicht einer unsichtbaren Frau und eines nicht immer einfachen bäuerlichen Lebens, das nicht nur für englische Bauernfamilien gültig ist und mit den romantischen Vorstellungen der Stadtbewohner vom Landleben aufräumt.

Veröffentlicht am 29.06.2025

Lennard Lombergs neuer Fall

Die Victoria Verschwörung
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Ein neuer Fall für den Kunstsachverständigen Lennard Lomberg, in dem sich alles um ein Gemälde dreht, welches 1965 Queen Elizabeth II. bei ihrem ersten Staatsbesuch in der damaligen BRD als Gastgeschenk ...

Ein neuer Fall für den Kunstsachverständigen Lennard Lomberg, in dem sich alles um ein Gemälde dreht, welches 1965 Queen Elizabeth II. bei ihrem ersten Staatsbesuch in der damaligen BRD als Gastgeschenk überreicht wurde.

2016 erreicht Lomberg eine Nachricht aus London. Sein Freund Peter, Leiter des Royal Collection Trust, bittet ihn um Hilfe. Seine Expertise wird dringend benötigt, denn ein Erpresser behauptet, selbiges Bild sei eine Fälschung und droht damit, diese Information an die Öffentlichkeit zu bringen. Eine Peinlichkeit sondergleichen, sollte sich diese Aussage bewahrheiten, nicht nur für die königliche Sammlung und ihren Verantwortlichen, sondern auch für die damaligen Gastgeber. Lombergs Interesse ist geweckt, und so macht er sich auf den Weg nach London, seine (und meine) Lieblingsstadt, um dort mit Unterstützung seiner Tochter Julie und Sina Röhm, Kriminalrätin und seine Lebensgefährtin, die Ermittlungen aufzunehmen.

Actionszenen a la James Bond sucht man hier vergebens, dafür erwartet den Leser eine verschachtelte Story auf drei klar getrennten Zeitebenen (1940, 1965 und 2016), in denen der Autor sehr gelungen und gut recherchiert reale historische Ereignisse und Personen mit der aktuellen politischen Gegenwart verknüpft (man beachte das hilfreiche ausführliche Personenverzeichnis am Ende des Buches).

Ein anspruchsvoller, informativer, aber nichts desto weniger spannender Kriminalroman, dessen Komplexität gerade durch die Verknüpfungen der Ereignisse auf verschiedenen Ebenen aufmerksames Lesen fordert. Nachdrücklich sowohl historisch interessierten Leser/innen als auch Freund/innen der britischen Lebensart empfohlen.