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Veröffentlicht am 15.08.2017

Eine afrikanisch-amerikanische Familiensaga

Heimkehren
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Effia und Esi sind Schwestern, kennen sich jedoch nicht und wissen auch nichts von der Existenz der anderen. Während Effia bei ihrem Vater und Stiefmutter im Stamme der Fante aufwächst, lebt Esi bei ihrer ...

Effia und Esi sind Schwestern, kennen sich jedoch nicht und wissen auch nichts von der Existenz der anderen. Während Effia bei ihrem Vater und Stiefmutter im Stamme der Fante aufwächst, lebt Esi bei ihrer Mutter und Stiefvater im verfeindeten Stamm der Asante. Als die Engländer Mitte des 18. Jahrhunderts in Ghana einfallen, kooperieren die Fante bald mit ihnen. Effia wird mit einem Engländer verheiratet und wohnt nun in Cape Coast Castle, einer Festung, in deren Verlies die gefangenen Schwarzen bis zu ihrer Verschiffung als Sklaven eingesperrt werden.

Von den Asante werden viele Stammesangehörige, unter ihnen auch Esi, gefangen genommen und als Sklaven nach Amerika verschickt, wo sie unter unwürdigsten Bedingungen auf den Baumwollfeldern und in Kohlegruben ums Überleben kämpfen. Während Effias Nachfahren über Generationen in einem gewissen Wohlstand leben und vom Sklavenhandel profitieren, müssen Esis Nachkommen über Jahrhunderte als Leibeigene in Amerika schuften. Erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts beginnt sich langsam einiges zu ändern …

„Heimkehren“ ist der Debütroman der jungen, 1989 in Ghana geborenen und in den USA aufgewachsenen, Autorin Yaa Gyasi. Das Buch erschien im April 2017 unter dem Titel „Homegoing“ zuerst in den USA und erhielt bereits von National Book Critics Circle den Preis „Best First Book“ und steht auf der Shortlist für PEN/Robert W. Bingham Prize for Debut Fiction. Die Autorin studierte Englische Literatur an der Stanford University und lebt in den USA.

Anhand zweier Familiengeschichten, die in Ghana etwa Mitte des 18. Jahrhunderts beginnen, schildert Yaa Gyasi sehr eindringlich die Rechtlosigkeit und die Unterdrückung, die die schwarze Bevölkerung erleiden musste und teilweise bis in die heutige Zeit noch erleiden muss. Man erlebt mit ihnen Sklaverei, Rassenhass, Bürgerkriege und Aufstände. Dabei wird dem Leser auch klar gemacht, dass daran nicht nur die Weißen Schuld tragen, sondern die Kriege und Fehden der verschiedenen schwarzen Stämme untereinander ein Großteil zum Sklavenhandel beigetragen haben. Hin und her pendelnd zwischen den beiden Zweigen der Familie über sieben Generationen hinweg widmet die Autorin jeweils einem Nachkommen ein Kapitel. Diese sind meist sehr kurz gehalten, so dass der Leser ständig mit einer geballten Ladung unerträglichen Leids und tragischen Schicksals konfrontiert wird.

Was ich anfangs noch spannend und interessant fand, wurde im Verlauf der Geschichte doch ziemlich anstrengend. Hätte ich nicht hinten im aufgeführten Stammbaum nachsehen können, wäre mir der Überblick öfters total verloren gegangen. Leider litt dadurch auch der Lesefluss. Für mein Empfinden wurde in die Geschichte zu viel rein gepackt, zu viele Familien, zu viele Einzelschicksale, zu viel Tragik und zu viel Leid. Da konnte mich auch ein versöhnlicher Schluss nicht mehr überzeugen, der für mich einem konstruierten Zufall gleichkommt.

Fazit: Ein durchaus lesenswertes Buch, das durch flüssigen Schreibstil und gut rekonstruierte geschichtliche Tatsachen überzeugt, vom Leser aber ein gewisses Maß an Konzentration erfordert und ihn recht nachdenklich zurück lässt.

Veröffentlicht am 11.07.2017

… und alles geschieht im Namen Gottes …

Nicht ohne meine Schwestern
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Celeste, Kristina und Juliana wachsen als 2. Generation in der Sekte „Children of God“ auf, welche Ende der sechziger Jahre in Kalifornien von David Berg gegründet wurde. Anfang der siebziger Jahre trat ...

Celeste, Kristina und Juliana wachsen als 2. Generation in der Sekte „Children of God“ auf, welche Ende der sechziger Jahre in Kalifornien von David Berg gegründet wurde. Anfang der siebziger Jahre trat der Vater der Mädchen der Sekte bei und bald wurde auch Celeste, die Älteste, geboren. Insgesamt zeugte Vater Jones mindestens 14 Kinder mit 7 verschiedenen Frauen. Die Kinder wuchsen nicht gemeinsam auf, sondern wurden zu Pflegefamilien oder in „Internate“ der Gemeinschaft gegeben, die sich an den verschiedensten Orten in Europa, Afrika und Asien befanden. Dort erwartete sie eine strenge Erziehung, harte Arbeit, Sex und Missbrauch. Die Sekte nannte sich inzwischen „Family of Love“ und handelte auch danach: Sie sollten möglichst viel Sex haben, auch mit Kindern, denn das sei der größte Ausdruck von Liebe. Fragwürdige Erziehungsmethoden, brutale Züchtigung und Prügel erwartete die Kinder, wenn sie ihre Meinung kundtaten oder nicht zu Willen waren. Da die Behörden mittlerweile auf das Treiben der Sekte aufmerksam wurden, wurden ständig Namen und Aufenthaltsorte und somit auch die Bezugspersonen gewechselt. Erst im Erwachsenenalter gelingt es den Schwestern, sich unabhängig voneinander aus den Zwängen der Sekte zu befreien …

„Nicht ohne meine Schwestern“ ist ein erschütternder Tatsachenbericht, der meine Vorstellungskraft, die ich bisher über Sekten hatte, bei weitem übertrifft. Die drei Autorinnen Celeste Jones, Kristina Jones und Juliana Buhring widmeten das Buch ihrer Schwester Davida, die an ihren Erlebnissen zerbrach und an einer Überdosis Heroin starb. In je einem Kapitel erzählen die Frauen zunächst von ihrer eigenen Kindheit und Jugend, die unabhängig voneinander doch ähnlich verlief. Da sie sich ab und zu trafen ist es nicht verwunderlich, dass einzelne Passagen ähnlich klingen und manche Ereignisse sich wiederholen. Ängste und Verluste, harte Arbeit und Gewalt, Züchtigungen, Gebete und Sex bestimmen die ersten Jahre der Mädchen, die der Willkür der Erwachsenen hilflos ausgeliefert sind. Um Geld zu beschaffen mussten sie singen, tanzen und betteln – das war ganz normal, sie kannten ja nichts anderes.

Im vierten Teil kommen die Schwestern abwechselnd zu Wort. Jede erzählt von ihren Gefühlen und von ihren ersten zaghaften Gedanken, die „Familie“, wie sich die Sekte nun nennt, zu verlassen. Doch wie sollten sie sich im „System“, wie die Welt außerhalb der Gemeinschaft genannt wurde, zurecht finden? Wie sollten sie sich von der eingetrichterten Ideologie befreien, wo doch draußen eine feindliche Welt auf sie lauert? Obwohl vor jedem Kapitel steht, welches der Mädchen gerade seine Geschichte erzählt, ist dieser Teil des Buches nicht ganz leicht zu lesen. Zeitangaben und Zeitspannen überschneiden sich und neue Namen von Bezugspersonen, von Halb- und Stiefgeschwistern tauchen auf, die man bald nicht mehr zuordnen kann. Man verliert leicht den Überblick darüber, in welchem Alter das jeweilige Mädchen gerade war, als sie von diesem oder jenem Erlebnis berichtet. Dennoch gebührt ihnen größten Respekt dafür, dass sie es geschafft haben, sich aus den Klauen der Sekte zu befreien und für ihren Mut, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen.

Veröffentlicht am 10.07.2017

Zwei große, bedeutende Männer

Und Marx stand still in Darwins Garten
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Kent, „Down House“, Frühjahr 1881. Wieder einmal erwacht Charles Darwin schweißgebadet. Alpträume stören seinen Schlaf, sein schlechtes Gewissen plagt ihn, seit er die Gesetze der Evolution entdeckt und ...

Kent, „Down House“, Frühjahr 1881. Wieder einmal erwacht Charles Darwin schweißgebadet. Alpträume stören seinen Schlaf, sein schlechtes Gewissen plagt ihn, seit er die Gesetze der Evolution entdeckt und somit den Glauben an den Schöpfer verloren hat. Er ist jetzt 72 Jahre alt und fürchtet, nach seinem Ableben als „Gottesmörder“ in die Geschichtsbücher einzugehen. Die Folgen davon sind chronische Migräne, ausgeprägte Übelkeit und unerträgliche Flatulenzen, die auch die regelmäßigen Besuche seines Arztes Doktor Beckett nur unzureichend lindern können. So widmet er sich nächtelang seinem Experiment zur Erforschung des Regenwurms – seiner Frau Emma wäre es lieber, er würde sich wieder Gott zuwenden.

Etwa 20 Meilen entfernt, in London, Maitland Park Road, leidet ein anderer Mann, Karl Marx. Der staatenlose Immigrant aus Deutschland hadert mit seinem Schicksal. Die Arbeit am 2. Band von „Das Kapital“ geht nur schleppend voran, seine finanzielle Lage ist beschämend, die Revolution will und will nicht kommen, das Wetter in England ist ihm zu nass und zu kalt, und jetzt ist er auch noch ernsthaft krank. Der 63jährige liegt mit schwerer fiebriger Bronchitis danieder, sein gut betuchter Freund Friedrich Engels schickt ihm Doktor Beckett.

Der Arzt ist fasziniert von seinen beiden Patienten, dem Juden und Rabbiner-Enkel Marx und dem ehemaligen Theologie-Studenten Darwin, von ihren Theorien und Denkweisen. Es bleibt nicht aus, dass er bei dem einen über den anderen spricht und dabei feststellt, dass sie mehr Gemeinsamkeiten haben, als sie sich eingestehen wollen. Bei einem abendlichen Dinner kommt es zum Treffen, das mit einem Eklat endet …

Die Autorin Ilona Jerger hat Politologie und Germanistik studiert, war von 2001 bis 2011 Chefredakteurin der Zeitschrift „natur“ und lebt als freie Journalistin und Autorin in München. Dem Roman „Und Marx stand still in Darwins Garten“ liegt eine intensive Recherche vor Ort zugrunde, Darwins Briefe und der Briefwechsel zwischen Marx und Engels wurden ebenfalls hinzu gezogen. Historische Fakten wurden nicht verändert, allerdings sind sich Darwin und Marx nie begegnet und Doktor Beckett gab es nicht. Tatsächlich hat Marx jedoch an Darwin ein Exemplar von „Das Kapital“ mit einer sehr wertschätzenden Widmung geschickt, für welches sich Darwin seinerseits mit einem höflichen Brief bedankte. Das Buch steht heute noch in Darwins Arbeitszimmer in „Down House“, das sich im Besitz von „English Heritage“ befindet und der Öffentlichkeit zugänglich ist.

Ein informativer Roman, in dem die Autorin ihre Erzählkunst mit wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Erkenntnissen verbindet und das Portrait zweier bedeutender Männer des 19. Jahrhunderts zeichnet. Ihr Schreibstil ist klar und flüssig, gut und schnell lesbar, und von beeindruckender Präzision. Der Leser erfährt Einzelheiten aus Darwins jungen Jahren, über seine gefahrvollen, abenteuerlichen Reisen, bei denen er Erdbeben, Vulkanausbrüche und Tsunamis erlebte, und erhält Einblick in seine vielfältigen Forschungen. Dass Karl Marx aus einer Rabbinerfamilie aus Trier stammt ist ebenso interessant zu lesen wie, dass bei seiner Beerdigung Engels die Grabrede hielt und Wilhelm Liebknecht einen Kranz mit roter Schleife nieder legte.

Fazit: Ein humorvolles Portrait zweier großer Männer – für den interessierten Leser ein Gewinn.

Veröffentlicht am 10.06.2017

Auf der Suche nach dem Glauben

Der Fluch der Schriftrollen
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In Israel macht Prof. Dr. Weatherby eine sensationelle Entdeckung. Bei Ausgrabungen stößt er auf ca. 2000 Jahre alte Tonkrüge, deren Inhalt, Handschriften auf Papyrus, nahezu unversehrt ist. Benjamin ...

In Israel macht Prof. Dr. Weatherby eine sensationelle Entdeckung. Bei Ausgrabungen stößt er auf ca. 2000 Jahre alte Tonkrüge, deren Inhalt, Handschriften auf Papyrus, nahezu unversehrt ist. Benjamin (Ben) Messer, Professor für Orientalistik an der Universität von Kalifornien in LA, ist begeistert, als er den Auftrag erhält, diese zu entziffern und zu übersetzen. Zu seiner Überraschung handelt es sich nicht, wie er zunächst vermutete, um religiöse Texte, sondern um eine Art Schuldbekenntnis, das ein Jude namens David Ben Jona als Vermächtnis für seinen Sohn verfasst hatte. Bereits die erste Schriftrolle enthält einen entsetzlichen Fluch, der den unrechtmäßigen Besitzer der Schriften treffen soll. Bald beginnt sich Benjamins Leben dramatisch zu verändern. Er glaubt Gemeinsamkeiten zwischen sich und David zu erkennen und immer mehr verwischen sich Gegenwart und Vergangenheit …

Barbara Wood ist eine international bekannte Bestseller-Autorin. Ihre Werke wurden in ca. 30 Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage ihrer Romane allein im deutschsprachigen Raum liegt weit über 13 Mio. Sie wurde 1947 in der Nähe von Liverpool geboren. 1954 ließen sich ihre Eltern mit ihr und ihrem Bruder in den USA in Kalifornien nieder, wo sie auch heute noch lebt. Im Jahr 2002 erhielt sie den Corine-Preis für ihren Roman >Himmelsfeuer<. In vielen ihrer Werke ist die Heldin eine emanzipierte Frau.
„Der Fluch der Schriftrollen“ mit Untertitel „Eine sensationelle Entdeckung beim Entziffern antiker Texte“ – das klingt doch nach Spannung, und das Cover dazu mit der Ansicht auf Jerusalem lässt mancherlei Abenteuer erwarten. Dass dabei einiges an Hintergrundwissen vorausgesetzt wird, z.B. über die Qumran-Schriftrollen, über den Fluch Mose im AT, über das Judentum, den jüdischen Glauben und ihre Gebräuche sowie über alte Sprachen und Schriften, ist für den interessierten Leser selbstverständlich.

Zu Anfang konnte mich das Buch durchaus begeistern. Es war interessant zu erfahren, was den Verfasser der Texte vor beinahe 2000 Jahren zum Schreiben veranlasste und sein Leben zur damaligen Zeit zu verfolgen. Diese Texte sind in kursiver Schrift jeweils zwischen dem Tagesablauf des Übersetzers Benjamin Messer eingefügt. Doch bald begann mich die Geschichte zu langweilen. Über die Ausgrabungen in Israel ist leider nichts zu erfahren, die gefundenen Texte kommen als Fotos per Post zu Ben, die dieser täglich sehnsüchtig erwartet. In dieser Phase hängt das Buch dann längere Zeit fest. Einer Endlosschleife gleich wiederholt sich das Geschehen: Ben wartet auf die nächste Lieferung, spürt währenddessen eine innere Unruhe, sein Charakter beginnt sich zu verändern und er empfindet euphorische Gefühle, wenn die ersehnte Post aus Israel endlich eintrifft. Es wird richtig metaphysisch, als Ben sich mehr und mehr als David fühlt und dessen Eigenheiten annimmt. Als er aber dann auch noch seine Augenfarbe von blau in braun änderte, da war für mich der Punkt erreicht, an dem ich es nur noch lächerlich fand! Das hat mit einem Fluch nichts mehr zu tun!

Logisch und nachvollziehbar klingt hingegen das Leben, das David Ben Jona im alten Jerusalem führte. Man erfährt viel über den jüdischen Glauben und die Entstehung des frühen Christentums. Ob es historisch korrekt ist, kann ich nicht beurteilen, es könnte sich jedoch so zugetragen haben. Gut gelungen ist der Autorin auch die Verknüpfung der Leben der beiden Hauptakteure – recht unspektakulär und ziemlich abrupt ist hingegen das Ende der Geschichte.

Fazit: Nicht schlecht, aber Barbara Wood hat auch viel Besseres geschrieben.

Veröffentlicht am 04.06.2017

Was geschah in der Sandwood Bay?

Wenn du mich tötest
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Detective Sergeant John Gills aus Inverness wird zur Unterstützung der dortigen Polizei nach Kinlochbervie, seinem Heimatort, abberufen. Seine Ortskenntnis ist gefordert. Der deutsche Urlauber Julian Tahn ...

Detective Sergeant John Gills aus Inverness wird zur Unterstützung der dortigen Polizei nach Kinlochbervie, seinem Heimatort, abberufen. Seine Ortskenntnis ist gefordert. Der deutsche Urlauber Julian Tahn hat seine Ehefrau Laura als vermisst gemeldet. Das Paar war beim Campen in der Sandwood Bay, einem einsamen Ort an der Atlantischen Küste, von wo die Ehefrau angeblich spurlos verschwand. Gills ist skeptisch, er glaubt den Aussagen des Deutschen nicht. Ein Fischer berichtet ihm, dass die Eheleute bei ihrer Ankunft vor einigen Tagen einen heftigen Streit hatten und die Polizei findet Blutspuren im Zelt, die auf ein Verbrechen schließen lassen. Hat Tahn seine Frau vielleicht getötet? Dann wird eine Frauenleiche angeschwemmt – jetzt scheint der Fall klar …

Karen Winter ist eine erfolgreiche Spannungsautorin, die seit vielen Jahren mit ihren Thrillern auch die Leser in Frankreich und den Niederlanden begeistert. Sie lebt in Hamburg. Zusammen mit ihrem Mann bereist sie, beruflich wie privat, die Welt. Ihre abenteuerlichen Reisen sind die perfekte Inspirationsquelle für ihre abgründigen psychologischen Romane und äußerst brisanten Thriller (Quelle: Verlag Droemer).

„Wenn du mich tötest“ ist ein eher leiser Psychothriller, der mit wenig Action, ohne Gemetzel und kaum Blutvergießen auskommt. Dennoch hat man als Leser ständig das Gefühl, dass etwas Schlimmes passiert sein muss oder das Grauen erst noch beginnt. Durch Gedanken und Erinnerungsfetzen der Protagonisten, die immer wieder gekonnt eingestreut sind, erfährt man nach und nach Einzelheiten über deren zwiespältige Vergangenheit. Einem Mosaik gleich versucht man, Geschehenes zu rekonstruieren und sich ein Urteil zu bilden, um jedoch kurz darauf festzustellen, dass man wieder einmal auf der falschen Fährte war. Neue Namen und Personen tauchen auf, bei denen man vermutet, sie könnten etwas mit dem Fall zu tun haben. Aber was? Das perfide Spiel von Liebe und Hass, Schuld oder Unschuld, Täuschung und widersprechender Gefühle nimmt unaufhaltsam seinen Lauf und steuert auf ein Ende zu, das so nicht vorherzusehen war.

Unbedingt hervorzuheben in diesem Buch sind die wunderbaren Beschreibungen der Landschaft Schottlands, die einsamen Highlands, die schroffen Küsten und die lieblichen Buchten und Sandstrände. Gut akzentuiert sind auch die Eigenarten der dort lebenden Menschen. Die Autorin weiß wovon sie schreibt, hat sie doch, wie sie in der Danksagung am Ende des Buches erwähnt, die Gegend besucht und zwei Nächte in der Sandwood Bay am Strand gezeltet. Überzeugend beschrieben sind auch die Charaktere, alle wirken sehr authentisch. Allen voran Julian, der innerlich zerrissene Ehemann, dessen Gefühle in beängstigender Eindringlichkeit geschildert werden - als Gegenspieler tritt John Gills auf, der sympathische Ermittler, der sich verbissen um den Fall kümmert, obwohl er auch das eine oder andere private Problem mit sich rumschleppt. Einige Einwohner Kinlochbervies und ein paar Kollegen Gills‘ ergänzen die überschaubare Anzahl Mitwirkender. Passend zur Geschichte ist auch das Cover, das sofort einen Eindruck der Einsamkeit vermittelt und das Geschehen gut abrundet.

Fazit: Kein actionreicher Thriller, dennoch eine interessante, spannende Geschichte mit unvorhergesehenen Wendungen, die viel Raum für eigene Spekulationen lassen.