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Veröffentlicht am 25.10.2023

Eine Künstlerin beweist sich

Ich bin Frida
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Frida Kahlo ist in der Mitte ihrer Jahre, als sie endlich den Durchbruch als Malerin und Künstlerin hat. Bisher stand sie als Ehefrau und Muse des bekannten mexikanischen Malers Diego Rivera stets in dessen ...

Frida Kahlo ist in der Mitte ihrer Jahre, als sie endlich den Durchbruch als Malerin und Künstlerin hat. Bisher stand sie als Ehefrau und Muse des bekannten mexikanischen Malers Diego Rivera stets in dessen Schatten, nun soll sie in einer bekannten New Yorker Galerie und danach in Paris eine eigene Ausstellung bekommen. Zum ersten Mal ist sie alleine, ohne Diego, unterwegs. Das ist künstlerisch ihre große Chance – und endlich hat sie auch die Möglichkeit, sich als selbständige Frau zu bewähren. Sie verliebt sich in den Fotografen Nickolas Muray und erlebt ein Chaos der Gefühle. Als er von ihr eine Entscheidung verlangt merkt sie, dass sie auch ihren Mann Diego immer noch liebt …

Caroline Bernard ist das Pseudonym der 1961 in Hamburg geborenen deutschen Schriftstellerin und Lektorin Tania Schlie, die auch unter einem weiteren Pseudonym Greta Hansen schreibt. Sie studierte Germanistik und Politikwissenschaften in Hamburg und Paris. Nach dem Abschluss arbeitete sie als Verlagslektorin. Sie veröffentlichte sowohl unter ihrem tatsächlichen Namen als auch unter den beiden Pseudonymen bereits zahlreiche Romane. Heute arbeitet Tania Schlie als freie Lektorin, Journalistin und Autorin. Sie hat zwei Kinder und lebt mit ihrer Familie in Glückstadt an der Elbe.

Wer hat nicht schon von Frida Kahlo gehört, gelesen oder ihre Bilder betrachtet und sich dabei gedacht, wer war diese Frau? Sehr gut recherchiert und von der Autorin ohne zu beschönigen, aber dennoch gefühlvoll und empfindsam beschrieben, ist hier ein Ausschnitt aus dem Leben dieser Aufsehen erregenden, sinnlichen Frau und vielseitig begabten Künstlerin. Hin- und hergerissen zwischen Sympathie und Ablehnung werden wir hier mit einem Überschwang an Gefühlen konfrontiert. Wir erfahren, dass Frida Kahlo zeitlebens mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte und von Schmerzen geplagt wurde. Ein verkürztes Bein, das nach überstandener Kinderlähmung zurück blieb, und etliche Brüche, die durch einen schweren Verkehrsunfall entstanden, versuchte sie stets zu verbergen – war aber dennoch voller Lebenslust.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm flüssig, sodass sich das Buch schnell lesen lässt. Sie schafft es mühelos, die historischen Personen in eine lebendige Handlung einzubauen. Leider haben sich einige Längen und Wiederholungen eingeschlichen (Frida lässt gefühlt etwas zu oft ihre Röcke schwingen, erwähnt mehrfach ihren Unfall und stöhnt häufig über ihre Schmerzen), und etliche schwülstige Passagen könnten einem seichten Liebesroman entsprungen sein. Ein kurzes Nachwort der Autorin über das weitere Schicksal der Frida Kahlo und eine Auflistung der wichtigsten in New York und Paris ausgestellten Bilder runden die Geschichte gekonnt ab.

Fazit: Wer sich für das Leben und die Bilder von Frida Kahlo interessiert, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

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Veröffentlicht am 24.10.2023

Schreibblockade und andere Kümmernisse

Rauch und Schall
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Bisher brachte eine Reise immer die gewünschte Inspiration, doch diesmal blieb sie aus. Goethe kommt zurück aus der Schweiz und seine Schreibblockade hält noch immer an. Es will ihm einfach nichts einfallen, ...

Bisher brachte eine Reise immer die gewünschte Inspiration, doch diesmal blieb sie aus. Goethe kommt zurück aus der Schweiz und seine Schreibblockade hält noch immer an. Es will ihm einfach nichts einfallen, seine Gedanken sind wie Rauch und Schall, sein Geist ist leer. Dabei drängt die Zeit, der herzogliche Hof erwartet von ihm zur Geburtstagsfeier der Herzogin ein Festgedicht. Was tun? In seiner größten Not bietet Schwager Christian August Vulpius, ein von Goethe als Lohnschreiber verachteter Schriftsteller, seine Hilfe an. Goethe ist außer sich, das geht doch nicht. Ausgerechnet ein Schreiber seichter Romane soll sein Festgedicht schreiben, nie und nimmer! Doch er braucht dringend Hilfe …

Charles Lewinsky ist ein Schweizer Schriftsteller, der 1946 in Zürich geboren wurde. Er studierte in Zürich und Berlin Germanistik und Theaterwissenschaft. 1984 veröffentlichte er sein erstes Buch, es folgten zahlreiche weitere Romane, Theaterstücke und Drehbücher. Bei uns richtig bekannt wurde er 2020, als sein Roman „Der Halbbart“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand und er für den Schweizer Buchpreis nominiert wurde. Lewinsky wohnt in Zürich und im französischen Vereux.

„Goethe hatte Hämorrhoiden“, schon dieser erste Satz des Romans regt zum Schmunzeln an. Als „einzigartiger Lesespaß“ wird dieses Buch angepriesen - und das ist keine Übertreibung. Einfach herrlich, wie der Autor hier einerseits mit gut recherchierten Fakten und andererseits mit fantasievoll erfundenen Unwahrheiten über Goethes Schreibblockade, deren Existenz belegt sein soll, aufwartet.

Brillante Situationskomik wechselt in rascher Folge mit unterhaltsamen Gesprächen zwischen Goethe und Herzog Carl August oder Schwager Vulpius – die Weimarer Zeit und Goethes Familie, Christiane und Sohn August, sind weitere interessante Themen. Wie es zum erfolgreichsten deutschen Räuberroman des 19. Jahrhunderts – „Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann“ von Christian August Vulpius“ – gekommen sein soll, wird ebenfalls erörtert. Was man in dieser Geschichte als Wahrheit, und was man als möglicherweise ausgedacht empfindet, bleibt jedem Leser selbst überlassen.

Fazit: Großartig gelungen! Etwas störend für mich waren lediglich die vielen eingefügten lateinischen Aphorismen, die den Lesefluss etwas hemmen.

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Veröffentlicht am 17.10.2023

Szenen einer Ehe

Auf immer verbunden
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Vanda und Aldo, ein in die Jahre gekommenes Ehepaar, kehren aus dem Urlaub zurück und finden ihre Wohnung total verwüstet vor. Während der Aufräumarbeiten entdeckt Aldo längst vergessene Briefe, die Vanda ...

Vanda und Aldo, ein in die Jahre gekommenes Ehepaar, kehren aus dem Urlaub zurück und finden ihre Wohnung total verwüstet vor. Während der Aufräumarbeiten entdeckt Aldo längst vergessene Briefe, die Vanda einst an ihn geschrieben hatte. Er versinkt in Erinnerungen an die gemeinsamen Ehejahre. Sehr schnell verflog damals die Verliebtheit, zwei Kinder wurden geboren, der Alltag kehrte ein und Aldo flüchtet in eine neue Beziehung. Er verliebt sich in Lidia, eine junge, attraktive Frau, zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus und zurück bleiben die beiden Kinder und die tief verletzte Vanda. Aldos neue Liebe hält nur drei Jahre, dann kehrt er reumütig in die eheliche Bequemlichkeit zurück. Nun sind Jahrzehnte vergangen, doch die einstigen Kränkungen sind nur scheinbar vergessen …

Domenico Starnone, geb. 1943 in Saviano, ist ein italienischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist. Er ist mit der Übersetzerin Anita Raja verheiratet, über die gesagt wird, dass sie unter dem Pseudonym Elena Ferrante publiziert. Starnone schrieb zahlreiche Romane, deren Themen oft von seiner Berufstätigkeit als Lehrer geprägt sind und von denen nur wenige in Deutsch übersetzt wurden. „Auf immer verbunden“ (2018) wurde unter dem Originaltitel „Lacci“ bzw. unter dem internationalen Titel „The Ties“ im Jahre 2020 verfilmt und war als Eröffnungsfilm der 77. Internationalen Filmfestspielen von Venedig zu sehen.

Wahrlich keine neue Geschichte, die der Autor hier erzählt, aber wie er sie erzählt ist einfach großartig. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Zunächst lesen wir Vandas Briefe, die sie zu der Zeit als er sie verlassen hatte, an ihren Mann geschrieben hatte. Im zweiten Teil kommt Aldo zu Wort. Seine Sicht der Dinge ist für den Leser wesentlich ehrlicher und glaubwürdiger als die hasserfüllten Briefe seiner Frau. Wir erfahren vom Glück mit einer anderen Frau, aber auch von seinen Schuldgefühlen, besonders seinen Kindern gegenüber, und von seiner reumütigen Rückkehr ins Familienleben. Im dritten Teil schließlich lernen wir die beiden mittlerweile erwachsenen Kinder besser kennen. Ob man ihr Verhalten, das zu einem überraschenden, tragikomischen Ende der Geschichte führt, billigen kann, sei dahingestellt.

Bei der Schilderung seiner Protagonisten zeigt der Autor überraschend viel Feingefühl. Er ergreift nie Partei, sondern überlässt es dem Leser, sich selbst ein Urteil zu bilden. Durch seinen empathischen und analysierenden Schreibstil werden die Abgründe dieses Ehelebens in den Vordergrund gerückt, was das Lesen nicht gerade einfach macht. Das Gelesene wirkt noch längere Zeit nach, indem es den Leser schmerzhaft dazu anregt, über seine eigene Ehe und sein Verhalten nachzudenken.

Fazit: Von der großen Liebe zur Hölle auf Erden – schonungslose Analyse einer Ehe. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 15.10.2023

Ein Tag wie jeder andere, alles ganz normal?

Das Vermächtnis unsrer Väter
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Es geschah vor 20 Jahren auf der kleinen, abgeschiedenen schottischen Hebriden-Insel Litta, als John Biard unversehens zur Schrotflinte griff und seine Frau Katrina, seinen 10jährigen Sohn Nicky, seine ...

Es geschah vor 20 Jahren auf der kleinen, abgeschiedenen schottischen Hebriden-Insel Litta, als John Biard unversehens zur Schrotflinte griff und seine Frau Katrina, seinen 10jährigen Sohn Nicky, seine einjährige Tochter Beth und sich selbst erschoss. Nur der 8jährige Tommy überlebte im Kleiderschrank versteckt das Massaker. Er wurde von Malcolm, dem Bruder seines Vaters, und seiner Frau Heather aufgenommen und lebte bei ihnen, bis er als Halbwüchsiger die Insel verließ. Jetzt ist er plötzlich zurückgekehrt, was für viel Aufregung unter den Bewohnern sorgt. Schuldgefühle und verdrängte Erinnerungen kehren zurück. Welche Schuld trifft Freunde und Verwandte? Hätte man das unbegreifliche Geschehen verhindern können?

Die Autorin Rebecca Wait wurde 1988 geboren und war als Kind viel in den schottischen Highlands und auf den Hebriden. Sie studierte an der Oxford University und schloss ihr Englischstudium 2010 mit Bestnote ab. Für ihre Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke gewann sie bereits zahlreiche Preise. Sie lebt in London und arbeitet dort als Lehrerin.

In dem 2021 beim Kein & Aber erschienenen Roman „Das Vermächtnis unsrer Väter“ erzählt uns die Autorin ein Geschichte von Schuld, verdrängten Erinnerungen und von Verantwortung gegenüber seiner Familie und gegenüber sich selbst. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten, dem längsten Teil, nehmen wir Teil am Familienleben der Biards, lernen die Nachbarn und Freunde kennen und erfahren einiges über das Leben auf der einsamen, abgeschiedenen Insel – und lesen über die für alle unfassbare Tat. Der zweite Teil versetzt uns zurück in das kurze Leben der Mutter Katrina, von ihrer Kindheit bis zur Heirat mit John, die ihr plötzlich jegliche Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit nahm. Der dritte Teil dann bringt etwas mehr Aufklärung in die Geschichte, die bis dahin viele Fragen aufwarf. Wir erfahren von der Gewissenslast, die Tommy als Erwachsener immer noch mit sich rumschleppt, aber auch von Schuld und Unterlassung anderer Inselbewohner.

Der Schreibstil ist sehr gut dem jeweiligen Geschehen angepasst und zieht den Leser förmlich rein in die Geschichte. Man fragt sich unwillkürlich, welche Schuld Verwandte, Freunde und Nachbarn auf sich geladen haben. Sind unsere Charaktermerkmale angeeignet, Veranlagung oder sind sie vererbt? Tragen wir tatsächlich die Fehler unserer Väter (oder Mütter) in uns? Spannende Fragen, dem sich der Protagonist und auch wir stellen müssen und die letztendlich jeder für sich selbst entscheiden muss.

Fazit: Ein lesenswerter Roman der uns anregt über die Umstände nachzudenken, die uns zu dem Menschen gemacht haben, der wir heute sind.

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Veröffentlicht am 08.10.2023

Rom, die Ewige Stadt - und eine vergängliche Liebe

Der letzte Sommer in der Stadt
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Um der Tristesse seines Elternhauses in Mailand zu entfliehen, nimmt der beinahe 30jährige Leo Gazzarra einen unbedeutenden Job als Korrespondent bei einer medizinisch-literarischen Zeitschrift in Rom ...

Um der Tristesse seines Elternhauses in Mailand zu entfliehen, nimmt der beinahe 30jährige Leo Gazzarra einen unbedeutenden Job als Korrespondent bei einer medizinisch-literarischen Zeitschrift in Rom an. Die mäßige Bezahlung nimmt er gerne inkauf, wichtig ist ihm das Flair der Stadt und die Nähe zum Meer. Doch bald wird das Büro geschlossen und Leo ist ohne Einkommen, Gelegenheitsjobs halten ihn nun über Wasser. Von Freunden, die beruflich einige Zeit im Ausland leben müssen, darf er die leer stehende Wohnung benutzen und kann auch deren Alfa Romeo übernehmen. Jetzt kann er sich ganz dem Dolce Vita hingeben, an der Piazza Navona herumhängen, das Nachtleben der Stadt genießen, betrunken durch die Bars ziehen und die Tage verkatert am Strand von Ostia vertrödeln. Er lernt Arianna kennen und lieben. Die junge Frau ist exzentrisch und labil, sie lockt ihn immer wieder an, um ihn gleich wieder wegzustoßen, denn sie hat andere Pläne. Sie ist auf der Suche nach einem reichen Villenbesitzer, mit einem Verlierer wie Leo sieht sie keine Zukunft. Als auch noch sein bester Freund stirbt, verliert Leo jeden Halt …

Gianfranco Calligarich, geb. 1947 in Asmara/Eritrea, ist ein italienischer Schriftsteller und stammt aus einer Triester Familie. Er wuchs in Mailand auf, zog dann nach Rom, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. Die Originalausgabe seines Romans „Der letzte Sommer in der Stadt“ erschien bereits 1973, wurde aber jetzt erst ins Deutsche und in weitere zwanzig Sprachen übersetzt.

Gleich zu Beginn des Romans sitzt Leo in seiner Lieblingsbucht am Meer, wo wir ihn auch am Ende der Geschichte wieder antreffen. Dazwischen erzählt er uns über seine Zeit in Rom, seine Erlebnisse, seine Hochs und Tiefs. Wir erfahren vom Zauber Roms, von Sehnsüchten und Wunschträumen – und von gescheiterten Existenzen. Wir begleiten ihn in durchzechten Nächten und an sonnenheißen Tagen, treffen vermeintliche Freunde und teilen mit ihm Schicksalsschläge und psychische Probleme.
Der Schreibstil des Autors ist ausgezeichnet, sehr intensiv und voll poetischer Sehnsüchte. Im Ich-Erzähler kann man einiges aus der Vita Calligarichs erkennen, auch er zog von Mailand nach Rom, um sich dort als Autor zu etablieren. Sehr vielschichtig und differenziert, mit all ihren menschlichen Schwächen und Fehlern, sind die handelnden Personen dargestellt. Die Beschreibung der wunderschönen Stadt, der romantischen Bucht am blauen Meer und der südländischen Atmosphäre weckt die Sehnsucht nach Urlaub und Abenteuer, die aber durch die Melancholie und Tristesse, die das ganze Buch unterschwellig durchzieht, wieder gemildert wird.

Fazit: Ein wunderbarer Roman, ein kleines Meisterwerk, das wiederentdeckt und nun endlich ins Deutsche übersetzt wurde – empfehle ich gerne weiter!

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