Profilbild von Herbstrose

Herbstrose

Lesejury Star
offline

Herbstrose ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Herbstrose über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.09.2023

„Das Fastenmädchen“

Das Wunder
0

Wir befinden uns in Irland in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo die katholische Bevölkerung noch tief gläubig ist. Die englische Krankenschwester Lib (Elizabeth) Wright ist auf dem Weg nach Athlone, ...

Wir befinden uns in Irland in der Mitte des 19. Jahrhunderts, wo die katholische Bevölkerung noch tief gläubig ist. Die englische Krankenschwester Lib (Elizabeth) Wright ist auf dem Weg nach Athlone, einem Dorf, in dem sich angeblich ein Wunder ereignet. Die elfjährige Anna O’Donnell soll seit dem Tag ihrer Firmung vor vier Monaten keine Nahrung mehr zu sich genommen haben, mit Gottes Hilfe aber immer noch gesund und munter sein. Zusammen mit einer Nonne hat Lib den Auftrag, das Mädchen zwei Wochen lang zu überwachen und danach einem Komitee Bericht zu erstatten. Als sie aber nach einigen Tagen die Bewachung abbrechen will, da sie nicht länger zusehen kann, wie sich ein kleines Mädchen unter den Augen des Priesters, des Arztes und der bigotten Eltern zu Tode hungert, findet sie nirgendwo Gehör. Doch dann bekommt sie unverhofft Hilfe von William Byrne, einem ebenfalls angereisten Journalisten …

„Das Wunder“ (2016 The Wonder) ist der neunte Roman der kanadischen Schriftstellerin irischer Herkunft Emma Donoghue. Sie wurde 1969 in Dublin geboren, verlegte nach ihrem Studium in Dublin und Cambridge ihren Wohnsitz 1998 nach Kanada. 2004 erwarb sie die kanadische Staatsangehörigkeit und wohnt heute mit ihrer Lebensgefährtin und ihren Kindern in London/Ontario.

Wie die Autorin in einem Nachwort erwähnt ist die Geschichte frei erfunden, wirkte jedoch auf mich beim Lesen sehr realistisch. Die damalige Zeit in Irland, die nach der großen Hungersnot noch immer vom Elend geprägt war und in der sich Glaube, Aberglaube und religiöser Wahn ausbreiten konnte, ist ausgezeichnet beschrieben und sehr anschaulich geschildert. Unvorhersehbare Wendungen verleihen dem manchmal beunruhigend realen Geschehen seine Spannung und lassen den Leser seine eigenen Vermutungen anstellen. Warum verweigert Anna die Nahrung? Täuscht sie vielleicht ihre Umgebung? Steckt ihr jemand heimlich Essen zu? Wird das Mädchen vom Arzt oder gar vom Priester beeinflusst? Oder ist es vielleicht doch ein Wunder?

Die einzelnen Charaktere sind sehr lebensecht dargestellt, besonders die Beziehung zwischen Lib und Anna ist berührend in ihrer allmählichen Entwicklung. Anfangs bezeichnet die Krankenschwester das Kind noch als Betrügerin, doch nach und nach wächst Anna ihr immer mehr ans Herz und sie sorgt sich um ihr Wohlergehen. Es machen sich auch andere Emotionen breit, besonders Hass auf die gleichgültige Mutter und Ärger auf die Umgebung des Kindes, die sich offenbar keiner Schuld bewusst sind. Man ist als Leser ganz bei Lib und ihren Gefühlen und hofft ständig, dass sich alles noch zum Guten wenden wird. Sprachlich ist das Buch ganz dem Geschehen angepasst, anfangs ist der Schreibstil noch recht nüchtern, mit Fortschreiten der Geschichte wird er mehr und mehr emotional.

Fazit: Ein außergewöhnliches Thema ist hier mitreißend und spannend umgesetzt worden. Schwer verdaulich, dennoch kann ich das Buch wärmstens empfehlen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.09.2023

Faszination Raumfahrt

Höllenritt durch Raum und Zeit
0

Der Astronaut und Autor dieses Buches, der in München lebende und an der TU lehrende Inhaber des Bundesverdienstkreuzes Prof. Dr. Ulrich Walter, Jahrgang 1954, ist studierter Physiker und einer von elf ...

Der Astronaut und Autor dieses Buches, der in München lebende und an der TU lehrende Inhaber des Bundesverdienstkreuzes Prof. Dr. Ulrich Walter, Jahrgang 1954, ist studierter Physiker und einer von elf Deutschen, die bereits im Weltall waren. 1993 umrundete er im europäischen Raumlabor Spacelab an Bord der Raumfähre Columbia zehn Tage lang die Erde und berichtet hier von seinen Erlebnissen. Bereits die Schilderung vom Start lässt uns erahnen, welchen Höllenritt die Astronauten dabei durchmachen und wie gefährlich besonders die Minuten nach dem Start sind. Er erzählt uns, wie sie mit der Angst umgehen, wie sie in der Schwerelosigkeit essen, trinken und schlafen und wie dort oben ein Toilettengang vonstattengeht. Alles ist für den Laien gut erklärt und wird durch Fotos näher verdeutlicht.

„Höllenritt durch Raum und Zeit“ ist jedoch nicht nur für den Laien aufschlussreich, sondern auch für begeisterte Fans der Raumfahrt und der Erforschung des Weltalls generell. Wir erfahren mehr über die verschiedenen Möglichkeiten der Raketenantriebe, über den Warp-Antrieb, über Zeitreisen und über eventuelle zukünftige Missionen. Auch vergangenes wird zum Thema, so die Entwicklung von Wernher von Braun bis zu Elon Musk und SpaceX. Die Gefährlichkeit von Weltraummüll für die ISS und für stationäre Satelliten wird ebenso erläutert, wie auch künftige Pläne der NASA, der ESA und die Aktivitäten diverser anderer Nationen. Ein Kapitel über die Zukunft der Astronautik und einige von Ulrich Walter gesammelte Aphorismen über Raumfahrt runden das Werk gekonnt ab.

Fazit: Spannend und faszinierend - sowohl für Laien, als auch für Interessenten und Fans der Raumfahrt sehr empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.09.2023

Sieg der Wissenschaft über eine Geisel der Menschheit

Die Formel der Hoffnung
0

In bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und in den 1940er Jahren unter erschwerten Bedingungen ihr Medizinstudium in San Francisco abgeschlossen, hat es Dr. Dorothy Horstmann schwer, in der dominanten ...

In bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen und in den 1940er Jahren unter erschwerten Bedingungen ihr Medizinstudium in San Francisco abgeschlossen, hat es Dr. Dorothy Horstmann schwer, in der dominanten Männerwelt eine ihrer Ausbildung angemessene Stelle zu finden. Durch einen glücklichen Zufall, man hält sie für einen Mann, wird sie im Vanderbilt-Hospital in Nashville als Assistenzärztin angestellt. Dort wird sie hautnah mit dem Elend der weltweit grassierenden Polio-Pandemie konfrontiert, die überwiegend Kinder befällt und sie zeitlebens in den Rollstuhl oder gar in die Eiserne Lunge zwingt. Dorothy beschließt einen Impfstoff zu entwickeln, um diese heimtückische Krankheit zu besiegen. Dafür opfert sie ihre ganze Kraft und setzt dabei sogar ihr Leben und ihr privates Glück aufs Spiel …

Die US-amerikanische Schriftstellerin Lynn Cullen wuchs in Fort Wayne/Indiana in einer kinderreichen Familie auf. Nach dem Besuch der Indiana University in Bloomington und in Fort Wayne belegte sie Schreibkurse an der Georgia State University. Sie begann mit dem Schreiben von Kinderbüchern und veröffentlichte danach mehrere historische Romane, die in den USA zu Bestsellern wurden. Heute lebt die Autorin mit ihrer Familie in Atlanta.

Wie die Autorin im Nachwort ausführt, handelt es sich hier um einen Roman und nicht um eine Biografie. Das Leben der Dorothy Horstmann (1911-2001) wie es hier geschildert wird beruht auf dem, was sie aus Artikeln, Briefen, Büchern, Erzählungen und mündlichen Quellen zusammentragen konnte – die anderen Charaktere beruhen teils auf realen Vorbildern >Dr. Jonas Edward Salk (1914-1995) und Dr. Albert Bruce Sabin (1906-1993)<, oder sie sind teils komplett erfunden. Jedenfalls könnte der Kampf gegen die Kinderlähmung so oder so ähnlich passiert sein. Man darf daher keine wissenschaftliche Abhandlung erwarten, sondern eine gefühlsbetonte Geschichte über 20 Jahre im Leben einer Ärztin und Wissenschaftlerin, die maßgeblich an der Entwicklung des Impfstoffes gegen Polio beteiligt war.

Der Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, die Suche nach einem Impfstoff ist sehr spannend und auch für den medizinischen Laien gut verständlich beschrieben. Es wird klar hervorgehoben, dass wir Frau Dr. Dorothy Horstmann sehr viel zu verdanken haben, auch wenn die männliche Ärzteschaft letztendlich die Lorbeeren ihrer Arbeit einsammeln konnte. Eine Auflistung am Ende des Buches über die in der Geschichte handelnden Personen ist sehr hilfreich und trägt zum guten Verständnis bei.

Fazit: Spannender Roman über das Leben der Ärztin Dr. Dorothy Horstmann, ohne die es den Impfstoff gegen Polio nicht gegeben hätte. Interessant und sehr empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.09.2023

Im Zwiespalt der Gefühle

Nightbitch
0

Sie hatte große Pläne und ein attraktives Berufsleben als Galeristin in Aussicht – bis sie Mutter wurde. Jetzt ist sie mit der harten Realität als Hausfrau und Betreuerin ihres 2jährigen Sohnes konfrontiert ...

Sie hatte große Pläne und ein attraktives Berufsleben als Galeristin in Aussicht – bis sie Mutter wurde. Jetzt ist sie mit der harten Realität als Hausfrau und Betreuerin ihres 2jährigen Sohnes konfrontiert und verbringt ihre Zeit zwischen Windeln und Holzeisenbahn. Sie ist frustriert und kann sich mit ihrer Rolle nicht abfinden, zumal ihr Mann beruflich fünf Tage die Woche unterwegs ist. Sie sehnt sich nach Freiheit, nach Unabhängigkeit, und steigert sich mehr und mehr in diese Gedankenwelt – bis diese plötzlich real wird und sie vermeintlich als Hund nachts unterwegs ist und auch ihren Jungen wie einen Welpen aufzieht …

Rachel Yoder ist eine amerikanische Schriftstellerin, die durch ihren Roman „Nightbitch“ bekannt wurde. Mit diesem Debüt gelang ihr ein aufsehenerregender Erfolg. Das Buch wurde in mehreren amerikanischen Medien zum besten Buch des Jahres gekürt und soll auch verfilmt werden. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Iowa City.

Den Lobeshymnen, wie sie in amerikanischen Gazetten zu lesen sein sollen, kann ich mich absolut nicht anschließen. Eine Mutter, die ihr Kind liebt (was immer wieder erwähnt wird), es aber dann aus Pfützen „saufen“ und aus dem Hundenapf „fressen“ lässt, ist für mich ein Monster. Sie selbst beißt Katzen und Hasen tot und „frisst“ deren Eingeweide, teils vor den Augen des kleinen Jungen. Nein, diese Frau ist für mich (bin selbst Mutter) nicht normal und hat es nicht verdient, Mutter zu sein. Darüber zu lesen finde ich abstoßend und ekelhaft. Ich kann deshalb keine Empfehlung für dieses Buch aussprechen, wobei ich leider befürchte, dass es gerade aufgrund meiner negativen Rezension eine große Leserschaft haben wird.

Fazit: Für mich war es verschwendete Lesezeit!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.09.2023

Gedanken eines Chaoten

Kleine Probleme
0

Seinen Beruf hatte er vor langer Zeit schon aufgegeben, nennt sich jetzt Schriftsteller und möchte sein Lebenswerk schreiben, der neunundvierzigjährige Lars Cornelius Messerschmitt. Er hat viele Pläne ...

Seinen Beruf hatte er vor langer Zeit schon aufgegeben, nennt sich jetzt Schriftsteller und möchte sein Lebenswerk schreiben, der neunundvierzigjährige Lars Cornelius Messerschmitt. Er hat viele Pläne über die er ausgiebig nachdenkt, doch dabei ist es bisher immer geblieben. Sein Studium der Philosophie und Theaterwissenschaften brach er ab, arbeitete dann und wann beim Fernsehen und blieb dann, als die Kinder kamen, zu Hause, um sich dem Schreiben seines Lebenswerkes zu widmen. Seit einem halben Jahr ist er alleine, die Kinder sind bereits aus dem Haus und seine Lebensgefährtin Johanna hat sich eine Auszeit in Lissabon genommen. Heute, am 31. Dezember, wird sie zurück erwartet. Lars weiß, um sie nicht zu verlieren muss alles ordentlich sein, und hat deshalb eine ToDo-Liste erstellt, von der jedoch bis jetzt noch nichts abgearbeitet ist. Er gerät daher ordentlich in Stress als er sich dessen gewahr wird und versucht nun, in der kurzen noch verbleibenden Zeit alles zu erledigen. Die Wohnung ist vermüllt und verdreckt und sollte geputzt werden, ein Bett muss aufgebaut werden, die Steuererklärung ist noch nicht geschrieben und die Dachrinne noch nicht gereinigt – und zudem hat Johanna ihn am Telefon gebeten, einen Nudelsalat zuzubereiten. Doch Lars wäre kein Chaot, wenn das alles reibungslos klappen würde …

Nele Pollatschek, geb. 1988 in Berlin, ist eine deutsche Schriftstellerin, Publizistin und Journalistin. Sie studierte Englische Literatur und Philosophie in Heidelberg, Cambridge und Oxford, wo sie 2018 promovierte. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie bereits 2016, ein Sachbuch folgte 2020, bevor der Verlag Kiepenheuer & Witsch 2023 „Kleine Probleme“ herausbrachte. Nele Pollatschek erhielt einige Förderpreise und 2022 den Deutschen Reporterpreis. Sie schreibt für die Süddeutsche Zeitung und lebt im Odenwald und in Oxford.

Sehr emotional, beinahe philosophisch, und mit einem guten Schuss Humor beschreibt die Autorin eine alltägliche Geschichte, die jeden von uns irgendwie betrifft. Wer hat nicht schon anstehende Arbeiten vor sich hergeschoben und gehofft, es würde sich alles alleine erledigen? Eine ToDo-Liste kann sehr hilfreich sein, wenn man sie auch abarbeitet. Unser Held ist ein Chaot und bringt nichts auf die Reihe, aber seine Gedanken über Putzen und Hausarbeit sind einfach großartig, seine Pläne als Schriftsteller und seine Angewohnheit alles auf später zu verschieben und erst mal eine Zigarette zu rauchen sind einfach brillant.

Der Schreibstil der Autorin ist der Hektik des Geschehens wunderbar angepasst. Man ist während des ganzen Romans nur bei Lars, hört ihm zu und folgt seinen Gedankengängen, wodurch man emotional tief mit ihm verbunden ist. Die anderen Figuren lernt man nicht persönlich, sondern nur durch Lars Erinnerungen und Erzählungen kennen. Man leidet mit ihm wenn er alles, aber auch alles versucht, die anstehenden Aufgaben noch rechtzeitig vor Mitternacht zu erledigen. Doch zuvor muss er natürlich noch Kräfte sammeln, sich ausruhen und noch eine Zigarette rauchen, obwohl er es sich doch abgewöhnen wollte. Ob er es schafft, alles auf seiner Liste abzuhaken? Bis dahin erleben wir einige aufregende, aber auch vergnügliche Lesestunden und sagen dann ganz entspannt: „Frohes Neues Jahr“.

Fazit: Ein Roman, der gut unterhält und uns ermahnt, anstehende Aufgaben jetzt zu erledigen und nicht auf später zu verschieben. Meine Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere