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Veröffentlicht am 10.04.2021

Liebe und andere Katastrophen …

Sowas kann auch nur mir passieren
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Den Job verloren, den Freund mit einer anderen im Bett erwischt – für die 30jährige Georgina läuft zurzeit alles schief. Sie ist das schwarze Schaf der Familie. Das Studium abgebrochen und keine Perspektiven, ...

Den Job verloren, den Freund mit einer anderen im Bett erwischt – für die 30jährige Georgina läuft zurzeit alles schief. Sie ist das schwarze Schaf der Familie. Das Studium abgebrochen und keine Perspektiven, so hält sie sich mit Kellnerinnenjobs in Bars und Kneipen über Wasser. Ihre Pechsträhne scheint zu Ende, als sie durch Vermittlung ihres Schwagers in einem neueröffneten Pub eine Stelle erhält. Dort könnte sie sich wohlfühlen. Das Lokal, die Atmosphäre und das Publikum sind sehr angenehm und auch der Besitzer scheint sympathisch zu sein. Doch dann wird sie ihrem zukünftigen Chef vorgestellt und erkennt in ihm ihren Schulfreund Lucas, der ihre erste große Liebe war. Erinnerungen an die Zeit vor 12 Jahren werden wach, an den Abschlussball, bei dem ein Missverständnis alles zerstörte und sie fortan getrennte Wege gingen. Dass Lucas sie nicht wiedererkennt ist einerseits gut für den Job, bringt aber Georginas Gefühlsleben total durcheinander …

Die Autorin Mhairi McFarlane wurde 1976 in Falkirk/Schottland geboren. Sie studierte Englische Literatur an der Universität in Manchester und arbeitete danach als Journalistin und Reporterin bei verschiedenen Zeitungen. Im Alter von 31 Jahren begann sie ihren ersten Roman zu schreiben. „Sowas kann auch nur mir passieren“ ist ihr fünfter Roman. Heute lebt McFarlane mit ihrem Mann und einer Katze in Nottingham.

Georgina ist 30 Jahre alt und noch nicht verheiratet – dieses Thema zieht sich durch das ganze Buch hindurch. Dass es bisher noch nicht geklappt hat liegt wohl zum großen Teil daran, dass die Protagonistin sich bei Männern noch immer wie eine Achtzehnjährige benimmt. So vorlaut und keck sie bei der Arbeit ist, so schüchtern und gehemmt ist sie in der Liebe. Ständig tappt sie von einem Fettnäpfchen ins nächste, was anfangs ganz nett zu lesen ist, bald aber vorhersehbar und langweilig wird. Interessant hingegen ist der Schreibwettbewerb einer Zeitung, dessen Gewinner eine eigene Kolumne erhalten soll. Thema: Peinlichkeiten, genau passend für unsere Protagonistin. Wir erfahren von ihrem peinlichsten Arbeitstag, von ihrem schlimmsten Date und von ihrem fürchterlichsten Schultag. Bisher war die Geschichte bemüht auf Humor getrimmt, doch gegen Ende zu wird sie interessant und sogar spannend. Man erfährt endlich den Grund der damaligen Trennung und wird in eine wunderschöne Liebesgeschichte hineingezogen – was mich letztendlich mit dem ansonsten doch sehr konstruierten Geschehen etwas ausgesöhnt hat.

Fazit: Ein Buch aus der Kategorie leichte Unterhaltung – wer’s mag wird seinen Spaß haben.

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Veröffentlicht am 04.04.2021

Familienbande

Wir bleiben noch
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Victor Jarno, ein stets etwas grantiger und pessimistisch in die Welt blickender 47jähriger Wiener Sozialdemokrat, hat sich gerade von seiner Frau Iris getrennt. Er konnte ihr Gejammer wegen ihrer Kinderlosigkeit ...

Victor Jarno, ein stets etwas grantiger und pessimistisch in die Welt blickender 47jähriger Wiener Sozialdemokrat, hat sich gerade von seiner Frau Iris getrennt. Er konnte ihr Gejammer wegen ihrer Kinderlosigkeit nicht länger ertragen. Jetzt steht der 99. Geburtstag der auf dem Land lebenden Großmutter bevor, zu dem die ganze Familie traditionell zusammen kommt. Diesmal ist auch Victors Cousine Karoline angereist, die er 30 Jahre lang nicht mehr gesehen hat und in die er schon immer heimlich verliebt gewesen ist. Auch Karoline ist von Victor angetan, der in ihrem Beisein förmlich aufblüht. Aus den beiden wird ein Paar, sehr zum Missfallen der Verwandtschaft, die eine Liebe zwischen Cousin und Cousine als Schande empfindet. Als ihnen dann die Großmutter noch ihr Haus vererbt und sie dort einziehen, ist der Skandal perfekt …

Der Autor des Romans, Daniel Wisser, ist ein österreichischer Schriftsteller und Musiker, der 1971 in Klagenfurt geboren wurde und seit 1989 in Wien lebt. Er schrieb bereits einige Romane, die viel Beachtung fanden. Für „Königin der Berge“ wurde Wisser mit dem Österreichischen Buchpreis 2018 und dem Johann-Beer-Literaturpreis ausgezeichnet. „Wir bleiben noch“ ist sein fünfter Roman.

Wie bereits in seinen vorangegangenen Romanen schneidet der Autor auch hier ein Thema an, das einen verschwindend kleinen Teil der Bevölkerung betrifft, aber dennoch nicht weniger brisant ist. Es geht um die Liebe unter Blutsverwandten, humorvoll eingebettet in die Geschichte einer Familie, die seit Generationen der Sozialdemokratischen Partei Österreichs angehört. Mehr und mehr wird klar, dass der Zusammenhalt in der Familie gestört ist, dass die Wahl der falschen Partei die Familienmitglieder entzweit und die Liebe von Cousin und Cousine nur ein Vorwand für die Feindseligkeiten ist. Der Schreibstil Wissers ist dabei recht humorvoll und beeindruckend ironisch, in dem er auf den Umgang der Politik mit den Medien und der Gesellschaft anspielt, Intoleranz zum Thema macht und ganz nebenbei noch ein weiteres Familiengeheimnis aufdeckt. Dadurch wird dem eigentlichen Problem die Schwere genommen und es bleibt ein literarisch ausgezeichnetes, gut lesbares und unterhaltsames Buch.

Fazit: Ein interessantes, etwas außergewöhnliches Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 30.03.2021

Am leben, um Leben zu retten …

Alles, was wir geben mussten
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Auf der Fahrt zu einem Spender hat Kathy ausreichend Zeit, über ihr bisheriges Leben nachzusinnen. Sie ist jetzt 31 Jahre alt und arbeitet seit über 11 Jahren als Betreuerin, doch in etwa acht Monaten ...

Auf der Fahrt zu einem Spender hat Kathy ausreichend Zeit, über ihr bisheriges Leben nachzusinnen. Sie ist jetzt 31 Jahre alt und arbeitet seit über 11 Jahren als Betreuerin, doch in etwa acht Monaten wird auch sie zum Spender werden. Sie erinnert sich an Hailsham, ein Eliteinternat, in dem sie unbeschwert mit ihren Freunden Tommy und Ruth aufgewachsen ist. Damals wussten sie noch nichts über ihre wahre Bestimmung, sie merkten nur, dass sie anders sind als die da draußen. Nach und nach klärte man sie dann darüber auf, dass sie als junge Erwachsene zu „Spender“ werden, um nach der dritten oder vierten Operation endgültig „abzuschließen“ …

Der Autor Kazuo Ishiguro wurde 1954 in Nagasaki geboren. Bereits 1960 kam er nach England, wo er Englisch und Philosophie studierte. Schon während seines Studiums machte er die Literaturszene mit Kurzgeschichten auf sich aufmerksam. Inzwischen schrieb er mehrere Romane, für die er zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhielt und die teilweise verfilmt wurden. „Alles, was wir geben mussten“ erschien als Buch erstmals 2005, der Film dazu stammt aus dem Jahr 2010. Der Autor ist seit Jahrzehnten britischer Staatsbürger, seit 1986 verheiratet und lebt heute mit Frau und Tochter in London.
2017 erhielt Ishiguro den Literatur-Nobelpreis. Die Schwedische Akademie zeichnete ihn als einen Autoren aus, der mit „starker emotionaler Wirkung den Abgrund in unserer vermeintlichen Welt-Verbundenheit aufgedeckt hat“.

Wer erinnert sich nicht noch an das Schaf Dolly, das 1996 als erstes geklontes Säugetier Schlagzeilen machte. In diesem Roman sind die Protagonisten ebenfalls Klone, die nur dazu gezüchtet und aufgezogen werden, um später als Organspender zu dienen. Eine bedrückende Vorstellung, dass dies so oder so ähnlich jederzeit irgendwo auf der Welt im Verborgenen passieren könnte.

Weniger das Klonen, sondern vielmehr die Ergebenheit der Protagonisten in ihr Schicksal, ist das hervorstechende Merkmal dieses Romans. Zumindest die erste Hälfte liest sich wie ein ganz normaler Jugendroman. Kathy, eine der drei Freunde, erzählt über das Leben im Internat, über Unterricht und Sport, über Freundschaften und Gefühle, wie sie alle jungen Leute mehr oder weniger erleben. Erst viel später, als die Jugendlichen bereits auf dem Weg zur Selbständigkeit sind, kommt etwas Spannung auf. Ein Aufbegehren gegen ihr Schicksal erwartet man jedoch vergeblich, vielleicht wirken die Personen gerade deshalb so authentisch. Der Sprachstil ist dem Alter der Akteure angepasst und lässt sich gut und zügig lesen, wenn auch einige langatmige Passagen etwas Durchhaltevermögen erfordern.

Fazit: Eine Dystrophie, die sich beängstigend realistisch liest, einfühlsam und berührend.

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Veröffentlicht am 24.03.2021

Kriminaltango …

Fast ein bisschen Frühling
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In ihrem Wohnort Wuppertal sehen die beiden arbeitslosen Ingenieure Kurt Sandweg und Waldemar Velte keine Perspektive für die Zukunft, sie wollen nach Indien. Auf dem langen Weg dorthin wird noch schnell ...

In ihrem Wohnort Wuppertal sehen die beiden arbeitslosen Ingenieure Kurt Sandweg und Waldemar Velte keine Perspektive für die Zukunft, sie wollen nach Indien. Auf dem langen Weg dorthin wird noch schnell in Stuttgart eine Bank überfallen und der Kassierer erschossen, bevor sie im schweizerischen Basel landen. Es ist kurz vor Weihnachten 1933, als sie im Kaufhaus Globus in der Schallplattenabteilung bei Tangomusik die Verkäuferin Dorly kennen lernen, und sich Waldemar in sie verliebt. Die Weiterreise wird vorläufig aufgeschoben und man verabredet sich für den nächsten Abend zum Spaziergang am Rhein. Zu ihrer Sicherheit bringt Dorly ihre Freundin Marie mit, die spätere Großmutter des Erzählers. Bald werden diese harmlosen abendlichen Spaziergänge zur Gewohnheit. Doch die Idylle währt nicht lange, denn die beiden Männer werden wegen des Stuttgarter Bankraubs von der Polizei gesucht. Als ihnen dann noch das Geld ausgeht, und sie eine weitere Bank überfallen, geht eine gnadenlose Jagd auf die beiden los …

Der Autor Alex Capus wurde 1961 in der Normandie als Sohn einer Schweizerin und eines Franzosen geboren. Seine ersten fünf Lebensjahre verbrachte er in Paris. 1966 zog seine Mutter mit ihm in die Schweiz, wo er später an der Universität Basel Geschichte, Philosophie und Ethnologie studierte. Er ist Verfasser zahlreicher Romane, Kurzgeschichten und Reportagen, für die er zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhielt. Sorgfältig recherchierte und geschichtlich überlieferte Tatsachen verknüpft Capus gerne mit fiktiven Geschichten, die überwiegend in der Schweiz spielen. Mit seinem wohl bekanntesten Roman „Léon und Louise“ war er 2011 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Alex Capus ist verheiratet und Vater von fünf Söhnen, er lebt heute als freier Schriftsteller in Olten in der Schweiz.

Wie aus Aussagen des Autors zu entnehmen ist hat er über zehn Jahre gebraucht, um aus den Akten in Polizei- und Zeitungsarchiven, Protokollen von Zeugenaussagen und Gesprächen mit Überlebenden diesen Roman zu schreiben, dem ein realer Kriminalfall zugrunde liegt. Entstanden ist „Fast ein bisschen Frühling“, die Geschichte zweier Bankräuber aus den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts, zweier Freunde auf der Flucht vor dem Nazi-Regime, auf der Suche nach einem besseren Leben. Als Erzähler wählt er den späteren Enkel von Dorlys Freundin Marie, den er das Geschehen nüchtern und sachlich, dabei jedoch unglaublich spannend, schildern lässt.

Capus‘ Stil ist beinahe beschwingt, ein romantisches Road-Movie mit anrührenden Ereignissen, die die beiden naiven Gangster schon beinahe sympathisch machen. Dabei wird jedoch nichts beschönigt, es wird keine Stellung zu den Taten der Protagonisten bezogen, das wird dem Leser überlassen. Alle Personen kommen sehr authentisch rüber, ihre Gemütsverfassungen wie Wut und Hass, Angst und Verzweiflung, aber auch Spaß und Freude, Liebe und Zuneigung, sind deutlich zu spüren und machen das Lesen zum Erlebnis.

Fazit: Ein kleines Büchlein mit viel Inhalt – meine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 22.03.2021

Schwimmen und nachdenken, nachdenken und schwimmen …

Aus der Mitte des Sees
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Seit sein bester Freund und Mitbruder Andreas weg ist, geheiratet hat und nun auch Vater geworden ist, zweifelt der 38jährige Benediktinermönch Lukas an sich, seiner Berufung und seiner Bestimmung. Er ...

Seit sein bester Freund und Mitbruder Andreas weg ist, geheiratet hat und nun auch Vater geworden ist, zweifelt der 38jährige Benediktinermönch Lukas an sich, seiner Berufung und seiner Bestimmung. Er ist einsam, fühlt sich verlassen, und so geht er immer wieder zum Schwimmen an den See. Dort kann er sich ganz seinen Gedanken und Gefühlen hingeben, fühlt sich umarmt und getragen vom Wasser. Dort am See ist es auch, als plötzlich Sarah auftaucht. Lukas fühlt sich von der jungen Frau magisch angezogen. Sie ist körperlich präsent und schenkt ihm ihre ganze Aufmerksamkeit. Als ihm dann die Leitung des Klosters angeboten wird muss er sich entscheiden, welchen Weg er zukünftig einschlagen will …

Der Autor Moritz Heger wurde 1971 in Stuttgart geboren, studierte Freie Kunst in Saarbrücken und anschließend in Mainz Germanistik, Evangelische Theologie, Pädagogik und Theaterwissenschaften und gewann bereits mehrere regionale Literaturpreise. Neben dem Schreiben arbeitet er als Gymnasiallehrer für Deutsch und Religion in Stuttgart. „Aus der Mitte des Sees“ ist sein zweiter Roman.

Dass der Autor sich regelmäßig eine Auszeit im Kloster nimmt, wie er in einem Interview am Ende des Buches sagt, ist der Geschichte anzumerken, denn er kennt sich mit den Abläufen und Gepflogenheiten des Klosterlebens gut aus. Leider kommt diese Perspektive etwas zu kurz, ich hätte gerne etwas mehr darüber gelesen. Stattdessen überwiegen die Gedanken des Protagonisten, die abwechselnd an verschiedene Personen gerichtet sind und sich oft um ganz banale Dinge, oft auch um seine Berufung, seinen Glauben, den Zölibat und um Gott drehen. Diese wiederholen sich immer und immer wieder, und oft weiß mal als Leser zunächst nicht, an welche Person seine Grübeleien gerade gerichtet sind. Als er dann Sarah begegnet vermisse ich seinen Gewissenskonflikt, den er als Benediktinermönch und Prior eines Klosters zweifellos haben müsste.

Schreibstil und Satzbau dieses Romans sind sehr gewöhnungsbedürftig - es werden viele Insider-Begriffe und Fremdwörter verwendet, die nicht in jedermanns Wortschatz vorhanden sein dürften. Die vielen gedanklichen Monologe des Bruder Lukas, teils wirr formuliert, waren für mich weder philosophisch, noch poetisch oder tiefsinnig, sondern eher irritierend und ermüdend. Wir begleiten ihn während ein paar Tagen im Sommer, zu kurz als dass ich mir ein genaueres Bild von ihm machen könnte. Auch die anderen Figuren bleiben blass in meiner Vorstellung. Einzig greifbar ist für mich der See und dessen Schönheit, an den es Lukas immer wieder zieht und an dem sich ein Großteil der Handlung abspielt. Das Ende kommt überraschend schnell und ist nach meiner Meinung etwas unwahrscheinlich. Es bleiben einige Fragen offen, die auch durch den Epilog nicht ganz geklärt werden können.

Fazit: Ein interessanter Plot, von dessen Umsetzung ich mir mehr versprochen hatte.

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