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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.04.2024

Toller Plot

Die Stadt der Schattenschläfer und die Melodie der Albträume
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Elly ist Außenseiterin und fühlt sich alleine. Ein Metal-Mädchen in einer Stadt, in der alle nach dem Takt von Blasmusik marschieren, in der niemand aus der Reihe tanzen soll. Das alleine wäre schon ein ...

Elly ist Außenseiterin und fühlt sich alleine. Ein Metal-Mädchen in einer Stadt, in der alle nach dem Takt von Blasmusik marschieren, in der niemand aus der Reihe tanzen soll. Das alleine wäre schon ein Plot für einen Jugendroman. Im Prolog flüchtete allerdings schon ein junges Mädchen aus einem Schacht, der in einen Brunnen im Wald mündete, und kurz vor ihrem Entkommen wurde es von einer Kreatur eingeholt, die ihr ihre Stimme stahl. Toll!

Mich hat das Buch durchaus gepackt. Die Zusammenhänge entfalten sich erst nach und nach. Lange ist nicht klar, wer gut und wer böse ist, warum die Dinge laufen wie sie es tun. Die Figuren sind allesamt interessant, nicht nur die Hauptcharakteren, auch die Nebenfiguren haben ihre eigenen kleinen Storys.

Nur mit dem Schluss haderte ich etwas. Es bleiben Fragen, es wird nicht alles aufgeklärt. Mein Eindruck war, dass das Buch der erste Teil einer Serie werden sollte. Mir fehlte am Ende ein Stückchen der Zufriedenheit, die sich einstellt, wenn sich nach einer letzten Seite alle Fäden zu einem Ganzen verwoben haben.

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Veröffentlicht am 21.02.2024

Die spannende Geschichte von Charakterbildung durch Leben

Wir sitzen im Dickicht und weinen
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Die Mutter erhält eine Krebsdiagnose, der Sohn möchte ins Ausland. Abschied als ein emotionales Thema. Damit habe ich auch zu tun, das beschäftigt mich selbst in meinem Leben. Deshalb sprach mich die Inhaltsbeschreibung ...

Die Mutter erhält eine Krebsdiagnose, der Sohn möchte ins Ausland. Abschied als ein emotionales Thema. Damit habe ich auch zu tun, das beschäftigt mich selbst in meinem Leben. Deshalb sprach mich die Inhaltsbeschreibung an. Deshalb interessierte ich mich für das Buch, trotz des sperrigen Titels und trotz des wenig aussagekräftigen Covers.

Ich habe es nicht bereut, denn dieses kurze Buch (nur 208 Seiten) ist reich an eindrücklichen Szenen und behandelt noch viel mehr große Fragen als nur die nach dem Umgang mit Abschied: Wie wird man, wer man ist, was macht mich zu mir? Wie entsteht, was man gemeinhin »Generationenkonflikt« nennt? Wie eng sind familiäre Bande, gibt es eine Pflicht zur Dankbarkeit?

Über die Kindheit meiner Eltern weiß ich wenig. Über die Kindheit meiner Großeltern eigentlich nichts. Dieser Roman erzählt die Leben und dabei die Charakterbildung der Eltern und Großeltern der Ich-Erzählerin. Es erzählt von Ereignissen, die diese Menschen prägten, was direkte und indirekte Auswirkungen auf die jeweils nächste Generation hatte; so wie alles was wir tun und wie wir zu wem sind Auswirkungen auf unsere Nächsten haben kann.

Ich brauchte anfangs einen Notizzettel, damit ich bei den vielen Personen und Zusammenhängen den Überblick behalten konnte. Die Kapitel sind kurz. Es finden ständige Wechsel zwischen den Erzählsträngen statt. Innerhalb der Stränge springen die Handlungen chronologisch Sprünge um mehrere Jahre. Das braucht Aufmerksamkeit, ist letztlich aber nicht zu kompliziert. Im Gegenteil hält es die Erzählung schnell, spannend.

Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen und wünschen ihm viele Leserinnen und Leser. Ich denke, ein weniger sperriger Titel und ein besseres Cover hätte dazu noch beitragen können.

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Veröffentlicht am 05.12.2022

Ein Märchen für Erwachsene

Unsterblich sind nur die anderen
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Auf dieses Buch muss man sich einlassen. Von Beginn an weiß man nicht so recht, woran man ist. Nach der letzten Seite ist einiges klar, längst aber nicht alles.

Die Geschichte beginnt ein wenig wie die ...

Auf dieses Buch muss man sich einlassen. Von Beginn an weiß man nicht so recht, woran man ist. Nach der letzten Seite ist einiges klar, längst aber nicht alles.

Die Geschichte beginnt ein wenig wie die Unendliche von Michael Ende, in der sich Bastian in ein Buch, in das Buch, verliert. Hier verliert sich jemand in ein Buddelschiff, in das Buddelschiff, dem man später wieder begegnet. Kurz darauf fahren zwei »normale Frauen« drei verschwundenen »normalen Typen« hinterher. Eine dieser Frauen wird letztlich zur Protagonistin, mit der wir das Schiff und seine Merkwürdigkeiten entdecken; die ein Kind hat, um das sie sich sorgt, die sich verliebt, die kämpft und Entscheidungen treffen muss.

An Bord und beim Lesen begegnen einem Zauber und Mystik, Liebe und Eifersucht. Begegnen einem Zeiten- und Perspektivwechsel, viele Zigaretten, Schönheit, Drogen, Gruppensex und die ganz großen Fragen der Philosophie. Das alles wechselt in hohem Tempo, wird mit klarer, direkter Sprache erzählt. Die Geschichte ist leicht zu lesen, aber nicht lapidar. Man bekommt derart viele Interpretationsansätze geschenkt, dass dieses Buch nur einmal zu lesen kaum reichen kann. Dabei bleibt es jederzeit spannend. Man mag die Protagonistin begleiten. Man will wissen, wie es ausgeht.

Ich las, dass Simone Buchholz bislang Krimis geschrieben hat. Ich mag keine Krimis. Ich verließ mich auf den Satz in der Kurzdarstellung, dass »die Krimi-Autorin mit diesem Roman zu neuen Ufern aufgebrochen« sei. Ich bin nach der Lektüre hochzufrieden.

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Veröffentlicht am 30.05.2022

Schöne Bilder, aber eine anstrengende Protagonistin

Sommerschwestern
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Ich mag die Niederlande und ich mag das Meer. Beides ist der Rahmen der Handlung dieses Buches, und beides ist gut in Szene gesetzt. Die Autorin weiß Stimmungen zu beschreiben und skizziert kurze Augenblicke ...

Ich mag die Niederlande und ich mag das Meer. Beides ist der Rahmen der Handlung dieses Buches, und beides ist gut in Szene gesetzt. Die Autorin weiß Stimmungen zu beschreiben und skizziert kurze Augenblicke stark, so dass die Gefühle des Moments beim Leser ankommen.

Das sind meine Highlights im Roman »Sommerschwestern«. Wenn die Frauen die Düne hochrennen, wie sie es als Mädchen getan haben. Oder wenn eine von ihnen durch das niederländische Städtchen spaziert und sich ihre Gedanken macht, ob sie hier vielleicht leben wolle.

Alle Schwestern - vier an der Zahl - sind eingeladen, von ihrer Mutter, an den Ort, wo einst ihr Vater verunglückte. Jede trägt ihre Probleme mit sich, keine ist unbeschwert; wie es so ist, unter Erwachsenen. Daraus hätte eine tiefsinniges soziales Geflecht gesponnen werden können. Aber weil es an jeder Stelle irgendwie »spannend« bleiben soll, weil Erklärungen immer wieder aufgeschoben werden, empfand ich diese Geschichte als sehr anstrengend.

Dass Yella, die Protagonistin, 33 Jahre alt, Mutter zweier Kinder, sich von ihrer älteren Schwester und von ihrer Mutter wiederholt antwortlos stehen ließ, konnte ich schlecht ertragen. Einer Protagonistin, der ständig Unglück widerfährt, die sich zu keiner Haltung aufraffen kann, mag ich nicht durch das Buch folgen. Das strengt mich an, da ist mir eher nach Fremdscham als dass es mein Mitfühlen hervorruft.

Mein Eindruck war, dass dieses Buch bereits mit Blick auf eine TV-Verfilmung geschrieben wurde. Sehr unterschiedliche Schwestern, so dass sich fast jede Zuschauerin wiederfinden kann. Eine Handlung, die nicht auf den Punkt kommt, die durch das Auslassen von Antworten die Spannung hochzuhalten versucht. Und am Ende gibt's bestimmt ein Happy End. Aber das weiß ich nicht so genau, bis dahin bin ich nicht gekommen.

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Veröffentlicht am 20.03.2022

Ein bisschen wie »Schtonk!«. Aber eben nur ein bisschen.

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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In Maxim Leos neuen Roman »Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße« will erst ein Journalist, dann sein Magazin und plötzlich das ganze Land unbedingt einen Helden. Der Auserkorene war das nie, die Heldentat ...

In Maxim Leos neuen Roman »Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße« will erst ein Journalist, dann sein Magazin und plötzlich das ganze Land unbedingt einen Helden. Der Auserkorene war das nie, die Heldentat im Heute war ein damaliges Versehen. Die sich daraus entwickelnde Lügengeschichte ist ungemein unterhaltsam.

Es ist ein Roman über Ost und West, über Medien, über Politik, über Ehrlichkeit und über die »Wahrheit« im Blick auf die Historie. Große Themen, die beiläufig daherkommen, während klar gezeichnete Figuren miteinander in Beziehung treten und die Story des Buchs entwickeln. Keine Figur bleibt blass, alle bekommen ihren kurzen Scheinwerfer-Auftritt, alle werden in ihrem Handeln nachvollziehbar. Das führt dazu, dass die Erzählung nie oberflächlich daherkommt, obwohl sich die Handlung so schön leicht anfühlt. Dabei sorgen kurze Kapitel für Tempo. Die Geschichte fließt von Szene zu Szene, ohne jegliche Längen, ohne alles, was es nicht gebraucht hätte. Derart flott, dass sie auch einen unterhaltsamen Film abgeben würde. Ein bisschen wie »Schtonk!«. Aber eben nur ein bisschen.

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