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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.05.2018

Der Neue auf dem Schulhof

Der Neue
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Das tragische Schicksal von Shakespeare’s Othello scheint in der heutigen Zeit leider wieder fast aktuell: aufgrund seiner Hautfarbe einerseits interessant, andererseits aber vor allem geringgeschätzt, ...

Das tragische Schicksal von Shakespeare’s Othello scheint in der heutigen Zeit leider wieder fast aktuell: aufgrund seiner Hautfarbe einerseits interessant, andererseits aber vor allem geringgeschätzt, verguckt er sich in die allseits beliebte Desdemona, die bei Tracy Chevalier Dee heißt, und gerät dadurch in ein gefährliches Intrigenspiel, das schlussendlich nur Opfer kennt. „Der Neue“ ist als Teil des Hogarth Shakespeare Projekt die Neuinterpretation des Othello und wird von Tracy Chevalier, die einfach einen tollen Schreibstil hat, wunderbar in die Moderne übertragen. Chevaliers Othello heißt Osei, kurz O, und kommt als Neuer an die Schule. Dieser Schauplatz für die Othello-Geschichte ist meiner Meinung nach ideal gewählt, denn durch das Setting unter Halbwüchsigen werden die Urinstinkte des Menschen, die in der Pubertät den zwischenmenschlichen Umgang regieren können, wunderbar deutlich und die Konflikte der Figuren entstehen nicht nur vor einem rassistischen Hintergrund. Ausgrenzung, Cliquenbildung und Mobbing greifen in unserer Gesellschaft nicht nur in der Schule um sich, finden dort aufgrund der verschiedenen Charaktere und Unsicherheiten jedoch besonders guten Nährboden.
Mir gefällt an Tracy Chevaliers Plot nicht nur die Aktualität, sondern auch die Tiefe der Figuren. Obwohl die gesamte Handlung an einem Tag spielt und das Buch eher dünn daherkommt, gewinnt die Figur des Ian (Jago im Original) hier beispielsweise an Tiefe, da auch seine Perspektive menschlicher beleuchtet wird. Bei einem Kind oder Jugendlichen ist man als Leser einfach mehr geneigt, schlechtes Handeln zu verzeihen und trennt Verhalten und Charakter möglicherweise noch besser. Wie die Protagonisten im Buch hätte auch ich die Geschichte in einem Tag durchleben können, habe mich jedoch zwischendurch gezwungen, das Buch nochmal wegzulegen. Das Ende ist mir eine Spur zu offen, vielleicht auch ein wenig zu frei, daher gibt es einen kleinen Abzug. Für Fans von Chevaliers gutem Schreibstil und modernen Klassikern kann ich das Buch in jedem Fall weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 18.05.2018

Eine Lady zwischen Büchern

Das Versprechen der Jahre
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Lady Celia Lytton ist zwar von edler Geburt, heiratet jedoch ihrem Herzen folgend einen Londoner Verleger. Mit ihm stürzt sie sich nicht nur ins eigene Familienleben, sondern auch in das Verlagsgeschäft. ...

Lady Celia Lytton ist zwar von edler Geburt, heiratet jedoch ihrem Herzen folgend einen Londoner Verleger. Mit ihm stürzt sie sich nicht nur ins eigene Familienleben, sondern auch in das Verlagsgeschäft. Mit ihren guten Ideen macht sie sich bald einen eigenen Namen, ahnt aber noch nicht, dass sie in der Zeit des ersten Weltkriegs auf einmal das ganze Unternehmen lenken muss...
"Das Versprechen der Jahre" ist der Auftakt einer neuen Reihe, die dieses Jahr im Goldmann-Verlag erscheint und spielt im wunderbaren London. Um die Jahrhundertwende ist die Welt dort noch in Ordnung und der Buchhandel läuft gut. Mir hat gefallen, wie man als Leser trotz der vielen Jahre, die dieser erste Teil umspannt, immer gut folgen konnte und nie das Gefühl hatte, etwas zu verpassen. Große Zeitsprünge sind oft etwas, was mich an Romanen dieser Art stört, hier ist es aber ideal gelöst. Die Geschichte ist bevölkert von spannenden und durchweg sehr authentischen Figuren. Es gibt die, die man einfach mögen muss und jene, die einem das Leben wirklich schwer machen ;) Gerade Protagonistin Celia schwankte für mich zwischen beiden Kategorien, da sie auf der einen Seite eine bewundernswert starke und kluge Frau ist, aber an manchen Stellen auch schrecklich unvernünftig und emotional. Und gerade das macht sie für mich so lebensecht - sie ist einfach wie jede von uns, die um ihre Ziele kämpft, aber öfter auch von ihren Emotionen übermannt wird. Eine weitere starke Frau ist ihre Schwägerin LM, die für viele emanzipierte Frauen ihrer Zeit steht und deren Leben nicht immer einfach verläuft. Die Männer in der Geschichte haben auch ihre Reize, stehen aber klar im Hintergrund. Der heimliche Star ist für mich Celias Mutter, Lady Beckenham, die kein Blatt vor den Mund nimmt und sich nicht scheut, Leute vor den Kopf zu stoßen. Dennoch hat sie eigentlich ein großes Herz.
Ein großer Aufhänger der Geschichte sind die Kinder von Celia - diese sind für mich auch einer der Gründe, warum ich den zweiten Band ebenfalls gerne lesen möchte. Die Geschichte ist sehr spannend, kann aber für mich auch als abgeschlossener Roman einzeln gelesen werden. Gerade weil man aber merkt, dass die Familie noch lange nicht zur Ruhe kommt, freue ich mich auf den nächsten Teil.
Insgesamt ist "Das Versprechen der Jahre" ein gut geschriebener und interessanter Roman. Es wird nicht mein Lieblingsbuch werden, auch das sage ich ehrlich, weil mir dafür einige der Figuren doch zu anstrengend waren. Dennoch habe ich es durchweg gerne gelesen und gebe 3,5-4 Sterne!

Veröffentlicht am 09.04.2018

Zauberhafter Wohlfühlroman

Das Leben ist ein Seidenkleid
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Viele kennen Tanja Wekwerth bereits durch ihre Heldin Madame Cléo (Madame Cléo und das große kleine Glück) als Autorin mit Herz und Fingerspitzengefühl für liebenswerte Figuren.
Wer ihren Stil mag, wird ...

Viele kennen Tanja Wekwerth bereits durch ihre Heldin Madame Cléo (Madame Cléo und das große kleine Glück) als Autorin mit Herz und Fingerspitzengefühl für liebenswerte Figuren.
Wer ihren Stil mag, wird auch von diesem Buch nicht enttäuscht werden! "Das Leben ist ein Seidenkleid" ist eine zauberhafte Geschichte mit einer sehr sympathischen Protagonistin, die aber vor allem von den vielen unterhaltsamen Nebencharakteren lebt. Maja lebt nicht nur für Farben und Stoffe, sondern merkt durch den liebenswerten Leo und dessen Sohn Jack auch, dass Menschen, auf die man sich verlassen kann, im Leben das Wichtigste sind. Ohne zu viel von der Geschichte verraten zu wollen, kann ich sagen, dass mich gerade die älteren Leute, um die sich Maja liebevoll kümmert, sogar zu einem Tränchen gerührt haben.
Tanja Wekwerths frischer und authentischer Schreibstil tut sein Übriges - das Buch macht einfach Spaß und ich konnte es nicht aus der Hand legen, bis das letzte Kleid entworfen und genäht war ;)
Von mir eine klare Leseempfehlung für Fans von Wohlfühlromanen für einen kuscheligen Abend auf der Couch!

Veröffentlicht am 19.03.2018

Sehr spannend

Memory Wall
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Was passiert, wenn wir unsere Erinnerungen verlieren - sind wir dann überhaupt noch wir selbst? Und was wäre, wenn man diese Erinnerungen aufnehmen und immer wieder abspielen könnte, ja, schlimmstenfalls ...

Was passiert, wenn wir unsere Erinnerungen verlieren - sind wir dann überhaupt noch wir selbst? Und was wäre, wenn man diese Erinnerungen aufnehmen und immer wieder abspielen könnte, ja, schlimmstenfalls sogar allen Menschen zugänglich machen würde? Mit diesem fast schon wie Science Fiction anmutenden Szenario beschäftigt sich die frisch als Taschenbuch erschienene Novelle Memory Wall von Anthony Doerr. Eine wirklich spannende und sehr gut geschriebene Geschichte, die genau die richtige Länge hat. Dennoch bleibt Manches ungesagt...für mich vielleicht ein wenig zu viel. Keine komplette Begeisterung, aber durchaus eine Leseempfehlung von mir. Was die Schnecken auf dem Cover damit zu tun haben? Nicht nur Menschen, sondern auch Fossilien spielen in dieser Erzählung eine wichtige Rolle!

Veröffentlicht am 18.03.2018

Einfach grandios!

Die Liebenden von Leningrad
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Russland - endlose Weiten, klirrend kalte Winter und schon immer viele politische Unruhen. Die Liebenden von Leningrad, der Start der im Heyne Verlag neu aufgelegten Reihe um die junge Russin Tatiana und ...

Russland - endlose Weiten, klirrend kalte Winter und schon immer viele politische Unruhen. Die Liebenden von Leningrad, der Start der im Heyne Verlag neu aufgelegten Reihe um die junge Russin Tatiana und den Offizier Alexander, wirkt im ersten Moment wie ein Liebesroman, schildert aber in Wahrheit vor allem den harten Überlebenskampf der Leningrader Bevölkerung im Kriegswinter 1941/42, der von Hunger, Gewalt und Angst geprägt war. Die Geschichte hat mich gleichermaßen erschreckt und bewegt - selten, dass 750 Seiten so schnell vorbeiziehen. Der Schreibstil von Paullina Simons hat mir sehr gefallen und obwohl ihre Figuren auch durchaus schwierige Charaktereigenschaften haben, bewegt jedes einzelne Schicksal extrem. Trotz der Vielzahl der Charaktere hatte ich zu keinem Zeitpunkt Schwierigkeiten, die Übersicht zu behalten. Von mir eine absolute Leseempfehlung und große Erwartungen an den zweiten Teil.
Die Russland-Saga möchte ich allen (historisch) Interessierten definitiv ans Herz legen!