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Veröffentlicht am 11.10.2021

Eine Fälscherin im Dienste der Résistance

Das Buch der verschollenen Namen
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Der jüdischen Studentin Eva Abrams gelingt 1942 nur sehr knapp zusammen mit ihrer Mutter die Flucht aus Paris, nachdem ihr Vater als polnischer Jude, verhaftet wurde. Die beiden Frauen findet Zuflucht ...


Der jüdischen Studentin Eva Abrams gelingt 1942 nur sehr knapp zusammen mit ihrer Mutter die Flucht aus Paris, nachdem ihr Vater als polnischer Jude, verhaftet wurde. Die beiden Frauen findet Zuflucht im kleinen Bergdorf Aurignon in der unbesetzten Zone, wo viele Bewohner, unter anderem auch der katholische Priester und ihre Pensionswirtin in der Résistance engagieren und Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt werden, einen Unterschlupf bieten und ihnen zu einer neuen Identität verhelfen. Dort lernt Eva auch bald den jungen Widerstandskämpfer Rémy kennen, zu dem sie sich hingezogen fühlt. Durch ihr künstlerisches Talent kann Eva bald einen wertvollen Beitrag beim Anfertigen neuer Papiere in der kleinen Fälscherwerkstatt in der katholischen Kirche leisten. Besonders die Schicksale der vielen jüdischen Kinder, die mit Hilfe einer neuen Identität ohne ihre Eltern flüchten müssen, lassen sie nicht los und sie sucht nach einem Weg, deren wahre Identität für eine Zeit nach dem Krieg bewahren, ohne die Kinder einer Gefahr auszusetzen. Zusammen mit Rémy fertigt sie verschlüsselte Aufzeichnungen an: das Buch der verschollenen Namen. Aber auch Eva und Rémy verlieren sich durch ihre Tätigkeit immer wieder aus den Augen und geraten auch in Lebensgefahr.

Ich fand die Lektüre des Romans sehr interessant, da ich aus der Perspektive Evas viel über die Arbeit der Résistance aus nächster Nähe erfahren habe, wie sie vorgegangen sind, um das Leben von Menschen zu retten, die sie gar nicht kannten. Es ist gut, dass diesen Menschen, die damals so viel für andere riskiert haben, auch heute noch Aufmerksamkeit geschenkt wird. Eva ist mir als Protagonistin sehr sympathisch. Der Roman spielt weitgehend während des Zweiten Weltkrieges in Frankreich, einige wenige Passagen aber auch im Jahr 2005, als Eva eine alte Frau ist, die nie mit der Vergangenheit abschließen konnte. Der Schreibstil der Autorin ist sehr anschaulich, fesselnd und gut lesbar, die Spannung, wie alles ausgeht und wer wirklich zu den "Guten" gehörte, blieb lange erhalten.

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Veröffentlicht am 14.08.2021

Eine große Freundschaft, ein schmerzhafter Verlust und die Auseinandersetzung mit der Schuld

Der Mauersegler
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Der Arzt Prometheus, sein erster Vorname ist eigentlich Marvin, ist seit seiner Kindheit mit Jakob befreundet. Dieser ist glücklich verheiratet, hat einen kleinen Jungen und seine Frau ist zum zweiten ...

Der Arzt Prometheus, sein erster Vorname ist eigentlich Marvin, ist seit seiner Kindheit mit Jakob befreundet. Dieser ist glücklich verheiratet, hat einen kleinen Jungen und seine Frau ist zum zweiten Mal schwanger, als bei ihm Blasenkrebs mit Metastasen diagnostiziert wird. Da Prometheus gerade eine medizinische Studie zur Immuntherapie als Alternative zur Chemotherapie bei Blasenkrebs leitet, bedrängen ihn Jakob und dessen Familie, ihn mit in diese Studie aufzunehmen und Prometheus gibt, trotz Skrupeln wegen der großen Verantwortung für das Leben seines besten Freundes, nach. Doch die Therapie schlägt nicht wie gewünscht an und Jakob stirbt, was nun vielleicht Prometheus Schuld ist. Er flüchtet vor seiner und Jakobs Familie und der Polizei ohne konkretes Ziel ans Meer nach Dänemark, wo ein älteres lesbisches Paar ihn in einer Notsituation aufsammelt und erst einmal bei sich aufnimmt.

Der neue Roman von Jasmin Schreiber ist definitiv keine leichte Kost. Er verdeutlicht auf brutalste Art und Weise, wie der Krebs Menschen, die mitten im Leben stehen, trifft und dass die Wahl der richtigen Therapie oft wie Russisch Roulette ist, auch wenn alle nur das Beste wollen. Jasmin Schreiber gelingt es mit ihrer sprachgewaltigen Ausdrucksweise wieder, die richtigen Metaphern (auch der namensgebende Mauersegler spielt dabei eine Rolle) und Vergleiche zu finden, um zumindest ansatzweise zu verdeutlichen, wie Prometheus sich fühlt, wie er mit sich und seiner Schuld hadert. Auf verschiedenen Zeitebenen werden im Wechsel die "Krankengeschichte" bis zu Jakobs Tod, Prometheus Flucht und schöne Erinnerungen an früher, die verdeutlichen, wie groß die Freundschaft der beiden war, erzählt. Es ist auf jeden Fall ein wichtiges und lesenswertes Buch, das bleibenden Eindruck hinterlässt.

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Wehret den Anfängen

Heimatsterben
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"Heimatsterben" spielt in naher Zukunft, im Jahr 2023. Hanna Ahrens, Ende 30, lebt in New York und arbeitet dort als Journalistin, als sie erfährt, dass ihre Oma Tilde in Deutschland im Sterben liegt. ...

"Heimatsterben" spielt in naher Zukunft, im Jahr 2023. Hanna Ahrens, Ende 30, lebt in New York und arbeitet dort als Journalistin, als sie erfährt, dass ihre Oma Tilde in Deutschland im Sterben liegt. Sie verspricht Tilde, besonders auf ihre Schwester Trixie aufzupassen. Deren Mann Felix Graf von Altdorff ist Kanzlerkandidat einer nationalistischen Partei, deren Mitbegründer er war. Dafür hatte er quasi auch den "Segen" von Tilde, bei der seine Frau Trixie und Hanna aufwuchsen. Obwohl Hanna sich immer sehr gut mit ihrer Oma verstand, hatte diese in vielen Bereichen nämlich ebenfalls sehr konservative Ansichten, geprägt durch ihre Kriegs- und Fluchterfahrung. Überraschend bittet Felix die eigentlich liberal und pro-europäisch eingestellte Hanna dann auch noch, ihn bei seiner politischen Arbeit zu unterstützen. So ist Hanna hin- und hergerissen zwischen ihren eigenen Werten und dem Versprechen am Sterbebett ihrer Großmutter.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Obwohl die Geschichte fiktiv ist und die Handlung ins Jahr 2023 verlegt wurde, weist sie dennoch erschreckend viele Bezüge zur aktuellen politischen Situation auf und vieles erscheint nicht komplett unrealistisch. In Hanna als Protagonistin mit ihrer Zerissenheit zwischen ihrer Familie und ihren eigenen Idealen kann ich mich sehr gut hineinversetzen und auch die weiteren Charaktere wurden überzeugend ausgestaltet und in manch einer Person erkennt man Züge von Menschen aus dem eigenen persönlichen Umfeld oder der Politik wieder. Der Roman macht auf eine erschreckende Weise deutlich, wie schnell der Wahlerfolg einer nationalistischen Partei, die sich nach außen hin den Anschein gibt, demokratisch zu sein und deren Führungsriege vielleicht nicht einmal komplett unsympathisch ist, dazu führen kann, dass Grundrechte nicht mehr gelten. Der Titel des Roman ist sehr passend gewählt und auch der Sinn der Covergestaltung erschließt sich im Rahmen der Lektüre. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar und fesselnd.

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Ein neues Leben

Wir für uns
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Die 41-jährige Sozialpädagogin Josie ist ungeplant von Bengt schwanger, einem verheiraten Zahnarzt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat, der aber keine weiteren Kinder mehr möchte. Josie selbst ...


Die 41-jährige Sozialpädagogin Josie ist ungeplant von Bengt schwanger, einem verheiraten Zahnarzt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat, der aber keine weiteren Kinder mehr möchte. Josie selbst ist sich unsicher, ob sie das Baby auch gegen den Willen Bengts bekommen möchte. Durch einen Zufall lernt sie Kathi kennen, die mit 70 ihren Mann Werner beerdigen musste und sich nun ziemlich einsam fühlt. Ihr Sohn Max ist aus dem Haus und es sind wohl keine Enkelkinder mehr zu erwarten. Den Dorfladen, der einmal ihr Lebensinhalt war, hat sie vor zwölf Jahren auf Werners Wunsch hin auf gegeben. Die beiden Frauen stellen fest, dass sie einen Draht zueinander haben und so ergeben sich neue Perspektiven. Dazu tragen auch Melanie und ihre Tochter Nela, die mit Trisomie 21 geboren wurde und der verwitwete Familienvater und Biobauer Tom bei. Außerdem beginnen beide Frauen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen, um mit dieser abschließen zu können.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen, besonders in Josie kann ich mich sehr gut hineinversetzen, aber auch Kathi kann ich gut verstehen. Mir gefällt es, wie auf den ersten Blick recht verschiedene Menschen einander finden und sich gegenseitig gut tun und sich so etwas zutrauen, was sie ohne einander vielleicht nicht gewagt hätten. Der Roman weist auch eine ordentliche Portion Tiefgang auf, es ist kein seichter Liebesroman, auch wenn das Thema Liebe natürlich auch eine Rolle spielt. Ich finde es auch gut, wie das Thema Trisomie 21 und die Möglichkeit, vorab mit einem Bluttest die Gewissheit über einen Gendefekt zu bekommen, angesprochen werden, ohne dies moralisch zu bewerten. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar, sodass ich das Buch quasi in einem Rutsch durchgelesen habe.
Die 41-jährige Sozialpädagogin Josie ist ungeplant von Bengt schwanger, einem verheiraten Zahnarzt, mit dem sie seit neun Jahren eine Affäre hat, der aber keine weiteren Kinder mehr möchte. Josie selbst ist sich unsicher, ob sie das Baby auch gegen den Willen Bengts bekommen möchte. Durch einen Zufall lernt sie Kathi kennen, die mit 70 ihren Mann Werner beerdigen musste und sich nun ziemlich einsam fühlt. Ihr Sohn Max ist aus dem Haus und es sind wohl keine Enkelkinder mehr zu erwarten. Den Dorfladen, der einmal ihr Lebensinhalt war, hat sie vor zwölf Jahren auf Werners Wunsch hin auf gegeben. Die beiden Frauen stellen fest, dass sie einen Draht zueinander haben und so ergeben sich neue Perspektiven. Dazu tragen auch Melanie und ihre Tochter Nela, die mit Trisomie 21 geboren wurde und der verwitwete Familienvater und Biobauer Tom bei. Außerdem beginnen beide Frauen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen, um mit dieser abschließen zu können.

Ich habe den Roman sehr gerne gelesen, besonders in Josie kann ich mich sehr gut hineinversetzen, aber auch Kathi kann ich gut verstehen. Mir gefällt es, wie auf den ersten Blick recht verschiedene Menschen einander finden und sich gegenseitig gut tun und sich so etwas zutrauen, was sie ohne einander vielleicht nicht gewagt hätten. Der Roman weist auch eine ordentliche Portion Tiefgang auf, es ist kein seichter Liebesroman, auch wenn das Thema Liebe natürlich auch eine Rolle spielt. Ich finde es auch gut, wie das Thema Trisomie 21 und die Möglichkeit, vorab mit einem Bluttest die Gewissheit über einen Gendefekt zu bekommen, angesprochen werden, ohne dies moralisch zu bewerten. Der Schreibstil der Autorin ist gut lesbar, sodass ich das Buch quasi in einem Rutsch durchgelesen habe.

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Veröffentlicht am 03.08.2021

Werden Dora und Curt sich wiederfinden?

Die Heimkehr der Störche (Die Gutsherrin-Saga 2)
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Bei "Die Heimkehr der Störche" handelt es sich um den zweiten Teil von Theresia Graws Gutsherrin-Saga. Während der erste Teil weitgehend in den Wirren des Zweiten Weltkrieges in Ostpreußen und während ...

Bei "Die Heimkehr der Störche" handelt es sich um den zweiten Teil von Theresia Graws Gutsherrin-Saga. Während der erste Teil weitgehend in den Wirren des Zweiten Weltkrieges in Ostpreußen und während der Flucht vor den Russen spielte, sind Dora und ihre Familie mittlerweile seit mehreren Jahren auf einem Hof in der Lüneburger Heide untergekommen, wo sie hart mit anpacken müssen.

Dora fühlt sich dort sehr unwohl, ihre Familie wird von den Dorfbewohnern als Flüchtlinge beschimpft und ausgegrenzt und sie vermisst auch ihre große Liebe den Fotografen Curt, den sie 1944 zuletzt gesehen hat. Als sie 1952 endlich ein Lebenszeichen von ihm in Form einer Meldebescheinigung, dass er kurz nach dem Krieg im Ostteil von Berlin lebte, erhält und zudem einen Studienplatz für Tiermedizin in Ost-Berlin angeboten bekommt, überlegt sie nicht lange und zieht mit Curts Tochter Clara, die sie quasi adoptiert hat, dort hin. Dadurch, dass sie eigentlich von einem ostpreußischen Gutshof stammt, begegnet man ihr in der sozialistischen DDR mit einer gewissen Portion Skepsis und auch Dora kann nicht ganz vergessen, welche Erfahrungen sie mit den Russen gemacht hat. Manchmal gelingt es ihr dann auch nicht, ihre Meinung zu verbergen. Außerdem scheint Curt in der DDR im Gefängnis zu sitzen, ohne dass es ihr möglich ist, Kontakt zu ihm aufzunehmen.

Ich habe bereits den ersten Teil gelesen und mich sehr über das "Wiedersehen" mit Dora und ihrer Familie gefreut. Zu Beginn musste ich erst einmal wieder in die Handlungen hineinkommen, aber das gelang mir recht schnell. Grundsätzlich würde ich auf jeden Fall empfehlen, auch den ersten Teil zu lesen, um mit der Vorgeschichte vertraut zu sein. Die Protagonist:in Dora ist mir auf jeden Fall sehr ans Herz gewachsen, wie sie für ihre berufliche Zukunft und ihre Liebe kämpft. Ich fand es auch spannend, in diesem Band aus Doras Perspektive die entbehrungs- und ereignisreichen Nachkriegsjahre und die Gründungsjahre der DDR mit allen Problemen und Ungerechtigkeiten, aber auch mit gewissen Vorzügen, wie dem gleichberechtigtem Zugang zu einem Studium für Frauen, miterleben zu können. Der Schreibstil ist sehr angenehm lesbar und die Handlung hat mich gefesselt, sodass ich das Buch kaum aus der Hand legen wollte.

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