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Veröffentlicht am 28.08.2019

Todessprung am Hochzeitstag

Mein Herz so schwarz
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Der Hochzeitstag sollte einer der schönsten Tage im Leben eines Menschen sein. Was aber, wenn sich die Braut eben an diesem Tag von einer Klippe ins Meer stürzt? Eine Leiche wird nicht gefunden, aber es ...

Der Hochzeitstag sollte einer der schönsten Tage im Leben eines Menschen sein. Was aber, wenn sich die Braut eben an diesem Tag von einer Klippe ins Meer stürzt? Eine Leiche wird nicht gefunden, aber es gibt Zeugen, die den Vorfall mit eigenen Augen gesehen haben. Richard, der frischgebackene Ehemann, kann nicht glauben, dass seine Frau aus eigener Veranlassung gesprungen sein soll, er glaubt eher daran, dass sie gestoßen wurde.

Nach dem dubiosen Klippensprung ihrer besten Freundin Evie, kümmert Rebecca sich um Richard, der am Tag seiner Hochzeit gleichzeitig zum Witwer wurde. Zum einen gibt sie ihm diverse Tritte in den Hintern, so dass er in seiner Trauer nicht ganz versackt, zum anderen versuchen die Beiden, den Sinn hinter diesem Selbstmord zu finden. Anfangs kann man als Leser noch denken, dass man die Hinweise falsch interpretiert, doch dann wird immer offensichtlicher, dass Rebecca die Wahrheit kennt. Warum aber lässt sie Richard trotzdem immer weiter suchen? Je mehr die Beiden herausfinden, desto klarer wird, dass auch Rebecca ihre Freundin nicht wirklich gut gekannt hat.

„Mein Herz so schwarz“ ist das 4. Buch der Autorin Jenny Blackhurst; für mich war es das 1. Buch von ihr, welches ich gelesen habe. Es ist als „Psychothriller“ gelistet, enthält aber – in meinen Augen - lediglich viel Drama und weder Psycho noch Thrill. Das Buch umfasst 400 Seiten, die sich in etwas mehr als 100 Kapitel aufteilen, was darauf schließen lässt, dass die einzelnen Kapitel sehr kurz sind. Die Kapitel werden aus der Sicht von Rebecca (Gegenwart) und Evie (Vergangenheit) erzählt, zwischendurch auch mal eines aus der Sicht von Richard, aber die Kapitel, die von Rebecca erzählt werden, überwiegen.

Von Evie erfährt man nur die Vergangenheit und auch, dass diese von ihr nicht immer nur auf geraden Wegen beschritten wurde. Sie kam mir sehr oft überzogen vor und es wunderte mich, dass Evie und Rebecca tatsächlich beste Freundinnen sein sollen, aber Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an.

Rebecca kümmert sich rührend um Richard, um nicht zu sagen aufopferungsvoll. Tut sie das wirklich nur aus Freundschaft oder steckt da nicht doch etwas anderes dahinter? Sie schubst Richard immer wieder in die Richtung, in der er ein weiteres Puzzleteil finden wird. Welche Rolle sie wirklich in diesem Spiel spielt, wird zum Schluss offenbar.

Richard ist in dieser Geschichte für mich der blasseste Charakter. Klar, er ist in Trauer, aber er hat für mich kein Charisma. Wahrscheinlich würde er die nächsten Wochen im Bett bleiben und versacken, wenn Rebecca ihn nicht immer wieder aus seiner Lethargie holen würde. Er ist ganz froh, dass es da jemanden gibt, der ihm täglich die Marschrichtung vorgibt.

Der Schreibstil der Autorin ist gut zu lesen. Durch die kurzen Kapitel könnte sich der Spannungsbogen durchaus bis zum Schluss halten, was Jenny Blackhurst jedoch nicht gelungen ist. Sie baut mehrfach Spannung auf, lässt diese jedoch aufgrund der überaus kurzen Kapitel immer wieder in sich zusammenfallen. Ganz oft hatte ich ein „Hä??“ im Kopf, weil ich es nicht verstanden habe, warum der Spannungsbogen nicht weiter gehalten wurde und tatsächlich tötet das die Leselust enorm. Ab einer Stelle X fand ich es dann sehr nervig und ich habe tatsächlich nur weiter gelesen, weil ich wissen wollte, wie genau Rebecca in diesen „Selbstmord“ involviert ist und welche Wahrheit am Ende die Richtige ist.

Andere Charaktere erscheinen auf der Bildfläche und verlassen sie wieder, außer dem Polizisten ist da niemand, der bleibenden Eindruck hinterlässt. Für mich haben die handelnden Personen zu wenig Tiefe, was sehr schade ist. Das Ende ist vorhersehbar, überrascht dann aber doch noch mit einer Wendung ganz zum Schluss, mit der ich nicht gerechnet hätte. Das rettet in meinen Augen aber das Buch leider nicht.

Wie schon erwähnt ist von Phychothriller nichts zu finden, zumindest nicht für meine Begriffe, es war viel eher ein Beziehungs-Drama.

In anderen Rezensionen ist zu lesen, dass die Autorin es definitiv besser kann, weswegen ich mir in Zukunft eines ihrer anderen Thriller anschauen werde, um hier einen Vergleich zu haben. „Mein Herz so schwarz“ konnte mich jedoch nicht wirklich überzeugen.

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Veröffentlicht am 25.07.2019

Leider habe ich niemanden gefunden; dort wo die Liebe ist

Find mich da, wo Liebe ist
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Das Leben der 40jährigen Grace hätte anders verlaufen können, wäre sie vor Jahren nicht von der Musikhochschule geflogen. Die Vorkommnisse von damals haben ein tiefes Trauma in ihr ausgelöst. Grace – eigentlich ...

Das Leben der 40jährigen Grace hätte anders verlaufen können, wäre sie vor Jahren nicht von der Musikhochschule geflogen. Die Vorkommnisse von damals haben ein tiefes Trauma in ihr ausgelöst. Grace – eigentlich eine hochtalentierte Cellistin - ist seit dieser Zeit nicht mehr in der Lage, vor anderen Menschen zu spielen. Sie lässt sich stattdessen zur Geigenbauerin ausbilden, begibt sich in die Selbständigkeit und widmet sich in ihrem kleinen Laden der Herstellung und der Reparatur von Musikinstrumenten. Unterstützt wird sie dabei von der 17jährigen Nadja, deren Leben gerade auch irgendwie nicht so glatt läuft.

Privat ist Grace seit 9 Jahren mit David verbandelt – die Beiden führen eine Fernbeziehung. David lebt in Frankreich, Grace in England und ihre Treffen finden üblicherweise in Paris statt. Dass David verheiratet und Vater von 2 Kindern ist, stört Grace nicht sonderlich, sonst würde sie das nicht über Jahre hinweg aushalten, trotzdem hofft sie immer wieder, dass David endlich den Arsch in der Hose hat, seine Frau wegen ihr zu verlassen. Dann passiert etwas, dass alles bisher gewesene in Frage stellt und Grace verliert irgendwie ihre Bodenhaftung. Geerdet wird sie durch Nadja, ihren Kunden Mr. Williams und die Tatsache, dass ein von ihr erschaffenes Cello für einen hochdotierten Wettbewerb in Italien angemeldet ist.

Bekommt Grace wieder Boden unter die Füße?

„Find mich da wo Liebe ist“ ist das 1. Buch, das ich von der Autorin Anstey Harris gelesen habe. Das Cover ist wirklich wunderschön und in Zusammenwirken mit dem Klappentext habe ich zu diesem Buch gegriffen, von dem ich mir eine kurzweilige Liebesgeschichte (hoffentlich mit Happy End) versprochen hatte.

Der überwiegende Teil der Geschichte wird von Grace, David, Nadja und Mr. Williams bestritten, erst zum Schluss hin tauchen weitere Protagonisten auf, die jedoch durch die gedanklichen Rückblicke von Grace keine unbekannten Personen sind.

Ich weiß nicht so genau, was ich zu Grace sagen soll. Das, was ihr auf der Musikhochschule passiert ist ist schlimm, keine Frage. Ich habe mich jedoch die ganze Zeit gefragt wie Grace gestrickt sein muss, dass sie durch diese Vorkommnisse ein so schlimmes Trauma mitbekommen hat, dass sie über Jahre hinweg kein Instrument mehr vor fremden Leuten spielen kann ??!! Ich bin kein emotionaler Panzer, ganz sicher nicht, ich bin sogar sehr empathisch, aber hier habe ich nicht wirklich verstanden, was genau für Grace so traumatisierend gewesen sein soll. Bis zum Schluss ist dem Leser auch eigentlich gar nicht wirklich klar, was damals passiert ist. Vielleicht liegt mein Nichtverstehen auch daran, dass ich zu Grace als Person nicht wirklich Zugang gefunden habe. Sie bleibt für mich leider sehr blass und nicht greifbar, in dem was sie tut.

Für ihre Affaire mit David habe ich teilweise Verständnis – sie liebt ihn und sie kann und will nicht von ihm lassen. Gegen Gefühle ist man machtlos, meistens jedenfalls. Trotzdem verstehe ich nicht, wie sie sich immer wieder von David einlullen lässt . Dann erfährt sie Dinge über ihn, die sie zutiefst verletzen, sie verliert kurzfristig die Bodenhaftung, vernichtet fast ihre eigene Existenz und fängt sich dann doch wieder. Ob und wie es mit David weitergeht, verrate ich hier natürlich nicht.

Zu David möchte ich gar nicht viel schreiben. David ist ein Mann, der sich seine Welt so (schön) macht, wie sie ihm gefällt. Ob er dafür betrügen und Wahrheiten verbiegen muss ist egal, Hauptsache seine Bedürfnisse werden gedeckt. Bei allem was er tut, nimmt er angeblich nur Rücksicht auf seine Kinder, mit seiner Frau hat er ein Arrangement getroffen. Ah ja …. wenn man ihn so behandeln würde, wie er andere Menschen behandelt, wäre er tödlich getroffen.

Nadja ist 17 und arbeitet im Laden von Grace. Selbst eine begnadete Geigerin, sucht sie gerade ihren Platz im Leben und hat sich eine Auszeit von der Schule gegönnt. Grace ist nicht ganz ohne Einfluss, aber Nadja muss ihren Weg selbst finden und als sie dann auch noch herausfindet, dass Grace ihr Vertrauen missbraucht hat, zieht sie sich zuerst einmal zurück um dann zu merken, dass es ohne Grace auch nicht geht. Auch Nadja ist jetzt nicht die Protagonistin, die mir lange im Gedächtnis bleiben wird.

Mr. Williams ist nicht von Anfang an präsent, er wird nur hin und wieder mal als Kunde erwähnt, zum Schluss hin nimmt er dann aber doch eine wichtige Rolle ein und durch seine ruhige und besonnene Art, hilft er Grace aus der Krise. Mit 86 Jahren erfüllt er sich dann auch endlich seinen eigenen Traum.

Die Autorin hat einen schönen Schreibstil, das Buch lässt sich gut und flüssig lesen. Zwischendurch lässt sie immer mal wieder Erklärungen zum Geigenbau einfließen, was für meinen Geschmack an manchen Stellen deutlich zu ausufernd war und den Lesefluss dann schon sehr gestört hat. Die Geschichte wird aus der Sicht von Grace erzählt, mal in der Gegenwart, mal in der Vergangenheit – der Wechsel der Zeiten war leider nicht immer ganz einfach zu erkennen, was ab und an zu Verwirrung geführt hat.

Der Schluss war vorhersehbar (was ja per se nichts schlimmes ist), aber das künstlerische Event bzw. wie es dazu kam, fand ich dann doch ein wenig „tooo much“.

Alles in allem ist „Find mich da wo Liebe ist“ ein nettes Buch, für mich hätte es jedoch mehr Tiefgang haben dürfen. Geschichten mit „Frau liebt verheirateten Mann“ habe ich schon 100 x gelesen und es bedarf zwischenzeitlich ein wenig mehr, dass mich ein Buch begeistert.

Veröffentlicht am 14.06.2019

Ein dunkler Teil deutscher Geschichte spannend verpackt

Die Vergessenen
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Vera Mändler ist Journalistin und arbeitet für „Amélie“, einer Frauenzeitschrift mit Zielgruppe fünfzig plus. Als ihre Tante mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird und Vera in Kathrins ...

Vera Mändler ist Journalistin und arbeitet für „Amélie“, einer Frauenzeitschrift mit Zielgruppe fünfzig plus. Als ihre Tante mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird und Vera in Kathrins Wohnung etwas abholen soll, findet sie diese verwüstet vor. Hier hat definitiv jemand etwas gesucht – kurioserweise finden sich aber keinerlei Einbruchspuren. Auf dem Sofa im Wohnzimmer liegt ein geöffnetes Fotoalbum. Das Bild auf der aufgeschlagenen Seite zeigt eine Gruppe von Krankenschwestern und die Unterschrift unter dem Foto lautet „Adele und ich in Winkelberg“. Dem Zeitpunkt nach, zu dem dieses Foto aufgenommen wurde, kann es sich nur um die „Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg“ gehandelt haben. Selbst Veras Mutter - und somit Kathrins Schwester Annemie - weiß nichts darüber, dass Kathrin in dieser Anstalt gearbeitet haben soll. Was also hat Kathrin mit Winkelberg zu tun? Vera wäre nicht Journalistin, wenn sie diese Ungereimtheit auf sich beruhen lassen würde.

Manolis Lefteris ist Besitzer eines Autohauses, arbeitet ab und an jedoch auch als „Mann für besondere Fälle“ für einen befreundeten Anwalt. Er arbeitet unauffällig, korrekt und stellt nicht viele Fragen. Sein neuester Auftrag scheint einfach zu sein: Er soll jemanden überwachen, der auf der Suche nach einem Dossier ist. Sobald dieser das Dossier gefunden hat, soll Lefteris es ihm entwenden, an den Auftraggeber aushändigen und fertig. Doch so einfach wie es scheint, ist es nicht. Der Mann, den Lefteris überwachen soll, heißt Christian Wiesinger …….. und ist der Neffe von Vera Mändler.

„Die Vergessenen“ ist das 2. Buch der Autorin, welches ich gelesen habe, es war jedoch das 1. Buch, das die Autorin unter ihrem Pseudonym Ellen Sandberg veröffentlicht hat. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich die Krimi-Autorin Inge Löhnig, die unter ihrem Klarnamen Kriminalromane um den Münchner Ermittler Konstantin Dühnfort schreibt.

In diesem Buch, das unter der Bezeichnung „Spannungsroman„ läuft, geht es um die juristische Aufarbeitung bzw. Nicht-Aufarbeitung von NS-Verbrechen. Gibt es 70 Jahre nach Ausübung dieser Kriegsverbrechen überhaupt noch irgend eine Art von Gerechtigkeit?

Die Handlung in „Die Vergessenen“ spielt auf 2 Zeitebenen. Zum einen befindet sich der Leser im aktuellen Handlungsstrang um Vera und Kathrin Mändler, Christian Wiesinger und Manolis Lefteris im Jahr 2013 und parallel dazu der 2. Strang, der sich zu Zeiten des Nationalsozialismus abspielt und aus dem Leben der Kathrin Mändler erzählt, die 1944 ihren ersten Job nach Beendigung der Ausbildung angetreten hat. Dieser neue Job führt sie in die Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg, in der man für behinderte/kranke Patienten eine ganz besondere Art der „Pflege“ anwendet. Ausgerechnet mit ihrem Vorgesetzten lässt Kathrin sich auf eine Beziehung ein; aber nicht jede Beziehung entsteht aus Liebe, manchmal ist es auch nur die Anziehungskraft zweier Menschen.

Während Manolis Lefteris sich der Frage widmet, was genau an diesem Dossier für seinen Auftraggeber so wichtig sein könnte, möchte Vera Mändler gerne wissen, welche Rolle ihre Tante in Zusammenhang mit diesen Vorkommnissen gespielt hat. Hatte sie eine aktive oder passive Rolle oder wusste sie von nichts? Da Kathrin im Koma liegt, kann sie selbst diese Fragen leider nicht beantworten.

Beide bringen auf ihre Art und Weise die Wahrheit ans Licht und zum Schluss gibt es eine Enthüllung, die wahrscheinlich so niemand erwartet hätte.

Es hat ein wenig gedauert, bis ich in der Handlung des Buches richtig drin war. Zu Beginn werden Fragmente aus dem Leben des Manolis Lefteris thematisiert, die 18 Jahre vor seiner Geburt stattgefunden haben und seinen Vater und dessen Familie in Griechenland betreffen. Zu diesem Zeitpunkt ist das alles noch nicht zu verstehen, der Sinn erschließt sich dem Leser erst in Richtung Ende des Buches. Man versteht dann aber auch Lefteris‘ Vorgehensweise in seinem aktuellen Fall. Also, auch wenn man sich durch die ersten Seiten ein wenig durch“quälen“ muss, lohnt es sich doch, diese Zeilen zu lesen und nicht zu überspringen.

Wie immer interessiert mich die Handlung in der Vergangenheit mehr, als die Gegenwart. Auch wenn die Geschichte der Kathrin Mändler und der sonstigen agierenden Personen fiktiv ist, stützt sie sich doch auf Geschehnisse, die im Nazideutschland tatsächlich passiert sind und einiges an Abscheulichkeit zu bieten haben.

Während des Lesens stellt man sich unweigerlich die Frage: Was hätte ich an Stelle von Kathrin Mändler gemacht? Hätte ich mein Leben riskiert um diese Greueltaten aufzudecken und öffentlich zu machen? Hätte ich mich gegen meinen Vorgesetzten gestellt, um dann auf direktem Wege in einem KZ zu landen? Hätte ich das Unrecht gedeckt und meinen Mund gehalten? Oder hätte ich sogar – zum Selbstschutz – diese abscheulichen Dinge ausgeführt? Vom Sofa aus ist es einfach, hier eine Antwort zu finden und Menschen „aus der Ferne“ zu verurteilen – damals war es sicherlich nicht ganz so einfach eine Entscheidung zu treffen.

Die Autorin hat alle Charaktere realistisch und lebensecht angelegt, so dass sie sich im Laufe der Geschichte entsprechend weiterentwickeln können. Die Geschehnisse zu Zeiten des 2. Weltkriegs sind gut recherchiert und schlüssig, wenn sie auch beim Leser eher ungute Gefühle entstehen lassen und meiner Meinung nach hat das Buch die Bezeichnung „Spannungsroman“ durchaus verdient.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm flüssig und auch wenn das Thema von Spaß weit entfernt ist, hat es mir großen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen.

Veröffentlicht am 21.05.2019

Nicht immer ist alles so, wie es zu sein scheint

Die Entführung
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Die beiden Freundinnen Leni und Ronja verbringen einen Teil der Sommerferien mit Ronjas Vater in einem Haus am Chiemsee. An ihrem letzten Ferientag möchten die Beiden nochmal mit dem Rad zum See. Ihre ...

Die beiden Freundinnen Leni und Ronja verbringen einen Teil der Sommerferien mit Ronjas Vater in einem Haus am Chiemsee. An ihrem letzten Ferientag möchten die Beiden nochmal mit dem Rad zum See. Ihre übliche Abkürzung durch den Wald wird jedoch von einem Kleinlaster blockiert und beim Versuch diesen Kleinlaster zu umgehen, springen maskierte Männer aus dem Auto und kidnappen die beiden 15jährigen Mädchen. Schnell stellt sich heraus, dass die Erpressung dem millionenschweren Unternehmer Karl Festing gilt, Lenas‘ Vater.

Die Lösegeldforderung beläuft sich auf 3 Millionen DM und wird von einer Person eingefordert, die sich „Der Vollstrecker“ nennt. Die erste Kontaktaufnahme zwischen Festing und dem Entführer entwickelt sich zur Machtprobe, denn Festing möchte zum einen einen Betrag in dieser Höhe nicht zahlen und zum anderen glaubt er, dass der Vollstrecker nach seiner Pfeife zu tanzen hat und nicht anders herum. Nur der Einwirkung eines nahestehenden Mitarbeiters hat Leni es zu verdanken, dass ihr Vater dann doch bereit ist, die volle Summe für sie zu zahlen und die Bedingungen der Entführer zu akzeptieren. Trotzdem verlieren im Zusammenhang mit dieser Entführung mehrere Menschen ihr Leben.

Mit diesem nicht so ganz einfachen Fall (oder aber auch mit den nicht so ganz einfachen Menschen) setzen sich dieses Mal die Kriminalhauptkommissare Eva Schaller und Jakob Schuster auseinander.

Die Handlung im Buch ist in 2 Teile gegliedert.

Die Entführung selbst spielt im Jahr 2000 und aus diesem Grund fordern die Entführer ihr Lösegeld auch noch in DM und nicht in Euro. Am Ende dieses Abschnittes ist eine Person tot, die Entführung ist vorbei, es wurde jemand für diese Tat verurteilt und der Fall ist abgeschlossen. Aber ist er das auch wirklich?

Auch wenn man Traumata irgendwie verarbeiten kann und die Entführung schon 17 Jahre zurück liegt, so wird man als Betroffener wahrscheinlich niemals ganz mit dem Erlebten abschließen können. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass eine plötzlich aufgetauchte Leiche, ein achtlos hingeworfener Satz, eine unbedacht gemachte Aussage in einem Gespräch oder ein Mann, der auf einmal regelmäßig in einem Café auftaucht aber niemals etwas verzehrt, alles in Frage stellt, was vor 17 Jahren passiert ist. Nach und nach kommt die Wahrheit ans Licht – und diese Wahrheit ist eine andere als die im Jahr 2000.

Mit „Die Entführung“ habe ich nunmehr den 4. Krimi aus der Feder von Petra Johann gelesen. Sie gehört zu den wenigen Autorinnen, bei denen ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen kann, dass das Buch mich begeistern wird. So auch hier wieder.
Die Produktbeschreibung des Verlags sagt: „Petra Johann wird Sie in die Irre führen – bis zur letzten Seite“. Und genau das tut sie. Neben ihrem sehr angenehmen und lockeren Schreibstil verfügt sie über die Fähigkeit, winzige Details in ihren Sätzen unterzubringen, die man als Leser tunlichst nicht überlesen sollte. Manche dieser Details sind wichtig um die Geschichte der einzelnen Personen verstehen zu können, manche Details führen den Leser näher zum Täter, aber einige Details führen einen auch ganz einfach eine Zeit lang in die falsche Richtung.

Wie in jedem Krimi gibt es „die Guten“ und „die Bösen“ und die, die sich später dann als etwas anderes herausstellen, als sie zuerst zu sein scheinen. Die von der Autorin erschaffenen Charaktere mit ihren Hintergrundgeschichten sind lebensecht und man kann sich durchaus mit ihnen identifizieren (wenn auch nicht immer mit ihren Handlungen).

Leni – lebt bei ihrem wohlhabenden Vater, der sich mehr um seine Geschäfte kümmert als um seine Tochter. Sie ist eher zurückhaltend und unsicher, im Falle der Entführung entwickelt sie jedoch ihre ganz eigene Stärke.

Ronja – lebt auch bei ihrem Vater, der sich als Journalist seinen Lebensunterhalt verdient. Sie ist selbstbewusst, zielstrebig und an einigen Stellen zu forsch in ihrem Auftreten.

Karl Festing – Vater von Leni, ehemaliger Boxer, millionenschwerer Unternehmer und im ersten Anlauf nicht bereit das Lösegeld für seine Tochter zu zahlen. Was für ein Vater !?

Corinna Festing – Mutter von Leni und liebt wahrscheinlich nur sich selbst

Stefan und Birgit Aurich – Eltern von Ronja, getrennt lebend, lieben ihre Tochter über alles und würden alles tun, damit ihrer Ronja nichts passiert.

Gloria Bauer und Nathan Müller: Haushälterin und Buchhalter von Karl Festing und die engsten Bezugspersonen von Leni

Weiterhin noch ein paar Mitarbeiter von Karl Festing, die mehr oder weniger oft durch die Szenen laufen.

Auch die beiden Kriminalbeamten Eva Schaller und Jakob Schuster bringen ihre eigenen Geschichten/Schicksale mit und die Beziehung zwischen den Beiden wird thematisiert, während sie sich mit den mehr oder weniger anstrengenden Angehörigen der Entführungsopfer auseinandersetzen müssen. Während Jakob mir von Anfang an sympathisch ist, braucht Eva da ein bisschen länger um mich zu überzeugen. Letzten Endes schafft aber auch sie es, dass ich sie mag. Die Beiden machen einen guten Job und sind auch bei der Aufklärung 17 Jahre nach der Entführung aktiv bei der Aufklärung dabei.

Das Buch ist von Anfang bis Ende unterhaltsam. Die Aufklärung des Falles kommt ganz anders als gedacht daher und das macht die Geschichte so spannend. Immer wieder hat man jemand anderen als Täter im Visier und ist dann in der Regel doch auf der falschen Fährte.

Petra Johann zeigt, dass man auch ohne großes Blutvergießen einen spannenden Kriminalroman schreiben kann.

Veröffentlicht am 09.05.2019

Das entbehrungsreiche Leben auf der Alb

Die Fotografin - Die Zeit der Entscheidung
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Laichingen 1911: Mimi Reventlow lebt auf der Schwäbischen Alb, im kleinen Weberdorf Laichingen, wo sie auf ihrem Weg als Wanderfotografin Station bei ihrem Onkel gemacht hat, der an Tuberkulose erkrankt ...

Laichingen 1911: Mimi Reventlow lebt auf der Schwäbischen Alb, im kleinen Weberdorf Laichingen, wo sie auf ihrem Weg als Wanderfotografin Station bei ihrem Onkel gemacht hat, der an Tuberkulose erkrankt ist. Seine Erkrankung schreitet unaufhörlich voran, so dass Mimi nun auch noch in die Pflege eingebunden ist, statt nur – wie bisher – den Haushalt am Laufen zu halten. Um den Lebensunterhalt für sich und ihren Onkel zu bestreiten, hat sie Josefs Fotoatelier wieder eröffnet, die Kundschaft bleibt jedoch weitestgehend aus. Zum einen liegt das daran, dass nicht viel Geld für „Schnickschnack“ übrig ist, zum anderen sind die Tage der Laichinger voll mit Arbeit und es bleibt keine Zeit für einen Besuch beim Fotografen. Mimi begegnet diesem Umstand damit, dass sie ihr Atelier auch am Sonntag öffnet – das bringt ihr tatsächlich mehr Kunden und somit mehr Einnahmen, ruft aber auch den Webereibesitzer Gehringer auf den Plan, dem Mimi durch ihre offene Art sowieso von Anfang an ein Dorn im Auge ist. Lässt Mimi sich von Gehringer einschüchtern?

Der 2. Teil „Die Zeit der Entscheidung“ der Fotografinnen-Saga schließt unmittelbar an Band 1 „Am Anfang des Weges“ an und somit verpasst man keinen Moment im Leben der Fotografin Mimi Reventlow.
Die handelnden Personen sind identisch mit den Charakteren, die die Autorin in Band 1 dem Leser liebevoll und realistisch nahegebracht hat, weswegen es sich empfiehlt, die Bücher in Reihenfolge zu lesen.

Mimi fasst langsam Fuß in Laichingen. Durch ihre Arbeit als Fotografin, aber auch durch ihre offene und unkomplizierte Art, öffnen sich ihr nach und nach die Menschen und es entwickeln sich Bekanntschaften, die durchaus das Potential haben, zu Freundschaften zu werden. Vor allem bei der Dorfjugend steht Mimi hoch im Kurs, bestärkt sie diese doch darin, ihren Träumen zu folgen und die eingefahrenen Traditionen zu durchbrechen. Um ihre Ziele zu erreichen, schmieden Alexander, Anton und auch Christel Pläne – ob sie jedoch auch zum Erfolg führen ..... ??

Pünktlich zum Pfingstmarkt kehrt Johann Merkle nach Laichingen zurück. Eigentlich wollte er nie mehr wieder in seinen Heimatort zurückkehren, tut es aber dennoch und arbeitet in der Weberei Gehringer. Als Gewerkschafter möchte er natürlich gegen die dort herrschenden, unzumutbaren Arbeitsbedingungen angehen, es wird aber wahrscheinlich noch eine Zeit lang dauern, bis sich die Weber gegen ihren Arbeitgeber auflehnen.

Mimi hatte Johann in Ulm als „Hannes“ kennengelernt und sie hegt ihm gegenüber mehr als freundschaftliche Gefühle, er lässt sie jedoch so ein klein wenig am ausgestreckten Arm verhungern. Gibt es da noch eine andere Frau in seinem Leben?

An Eveline und ihrem Mann Klaus beschreibt Petra Durst-Benning sehr eindrucksvoll das tägliche Leben der Familien in Laichingen. Klaus arbeitet 10 Stunden und mehr am Tag in der Weberei, Eveline kümmert sich um den Haushalt und die Kinder, den Acker, der mehr als 1 Stunde Fußmarsch von Laichingen entfernt ist, und abends stickt sie für Gehringer Motive auf Kissenbezüge, trotzdem reicht das Geld hinten und vorne nicht. Das Leben ist hart, mühsam und entbehrungsreich und es wundert nicht, dass Klaus immer schwermütiger wird.

Um Mimi unter Kontrolle zu haben, lässt Gehringer sich einiges einfallen. In einer Sache hat sie nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, das bedeutet aber nicht, dass sie sie sich einreiht in die Schlange derer, die vor Gehringer aus Angst um ihren Arbeitsplatz kuschen. Mimi ist eben Mimi.

Der Schreibstil der Autorin ist, wie gewohnt, angenehm und flüssig. Neben den Beschreibungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen auf der Alb, bekommt man auch einen kleinen Einblick in die Arbeit der Fotografen und die damals schon vorhandene Möglichkeit der Retusche. Die Charaktere sind alle sehr gut ausgearbeitet, handeln entsprechend der Zeit, in der der Roman angesiedelt ist und entwickeln sich (mehr oder weniger) weiter. Dass auch Erwachsene nicht immer alles richtig machen, verleiht der ganzen Geschichte in meinen Augen etwas ehrliches.

Das Ende dieses Buches ist anders als erwartet, ist aber zur Weiterentwicklung der Protagonisten wahrscheinlich die einzige Möglichkeit und nun bleibt es nur noch, die Zeit bis zum 3. Band der Reihe „Die Fotografin“ zu überbrücken, der im Frühjahr 2020 erscheint.