✎ Peter Härtling - Oma
OmaVon Peter Härtling kenne ich einige Titel, aber gelesen hatte ich bisher nur „Ben liebt Anna“ & „Das war der Hirbel“. Ein paar seiner Bücher stehen noch ungelesen im Regal und diesmal war „Oma“ an der ...
Von Peter Härtling kenne ich einige Titel, aber gelesen hatte ich bisher nur „Ben liebt Anna“ & „Das war der Hirbel“. Ein paar seiner Bücher stehen noch ungelesen im Regal und diesmal war „Oma“ an der Reihe.
Beim Aufschlagen habe ich gemerkt, dass meine Ausgabe wohl schon älter ist und als Schullektüre diente: alte Rechtschreibung und einige Stellen waren unterstrichen.
Inhaltlich zeigt Härtling eindrucksvoll, wie eine enge Beziehung zwischen Enkel und Großmutter entstehen kann, obwohl sie aus völlig unterschiedlichen Lebenswelten stammen. Gerade diese Nähe zwischen Kalle und seiner Oma ist etwas, das mich berührte, weil ich mich dabei oft an meine eigene Kindheit und die Zeit mit meiner Uroma und Oma erinnert habe.
Trotzdem bin ich an manchen Stellen ins Stolpern geraten. Vor allem die Art, wie die Oma über Kalles Mutter spricht, konnte ich schwer ertragen. Sie äußert sich sehr abwertend über eine Frau, die nicht nur verstorben, sondern eben auch Kalles Mutter ist. Das wirkt nicht nur geschmacklos, sondern zerstört für mich auch etwas von der Wärme, die die Beziehung zwischen Oma und Enkel eigentlich ausmacht.
Was die Spannung angeht, war das Buch für mich manchmal ein wenig zäh. Es gibt kleine Momente, in denen man neugierig ist, wie es weitergeht, aber insgesamt plätschert die Handlung dahin. Gerade weil das Buch relativ kurz ist, hatte ich erwartet, schneller durchzukommen und doch fiel es mir nicht immer leicht, dranzubleiben. Zu wenig Dynamik, zu viel Alltag.
Auf der anderen Seite gelingt es Härtling sehr gut, ein Stück Zeitgeschichte einzufangen. Der Alltag, die Erziehungsmethoden, die Art, wie Kinder damals groß wurden - all das wirkt authentisch. Gleichzeitig sind diese Themen für heutige Kinder nicht unbedingt leicht zugänglich. Besonders die Erfahrungen mit Tod, Krankheit und strengen Erziehungsstilen können junge Lesende überfordern, wenn niemand da ist, der das Gespräch dazu sucht. Ich halte es daher für wichtig, dass Erwachsene das Buch begleiten und die schwierigen Aspekte mit den Kindern besprechen.
Eine Stelle hat mich besonders beeindruckt: Als Kalle von seinen Mitschülern als Türke beschimpft wird, reagiert die Oma erstaunlich klar und direkt. Sie nimmt ihren Enkel ernst, benennt Vorurteile und hält ihm den Rücken frei. Diese Szene zeigt, wie stark Härtling gesellschaftliche Fragen in eine scheinbar einfache Geschichte einfließen lässt - und gerade das macht das Buch auch heute noch relevant.
Für mich bleibt „Oma“ also ein Buch, das durchaus seine Stärken hat, das berührt und wichtige Themen anspricht, aber nicht ohne Schwächen ist. Als Schullektüre oder im Familienkreis mit begleitenden Gesprächen kann es seinen Wert entfalten. Ob es Kinder von heute noch genauso fesselt wie frühere Generationen, bleibt offen, aber genau das macht die Auseinandersetzung damit vielleicht so spannend.
©2025 Mademoiselle Cake
Zitat:
»Warum hast du ihnen nicht gesagt, daß du ein Türke aus dem Ruhrgebiet bist?
Mein Gott, die Kinder sind schon so dumm wie ihre Eltern.
Die glauben, daß ein Türke ein schlechter Mensch ist, nur weil er ein Türke ist.« (S. 18)