Profilbild von Karin1910

Karin1910

Lesejury Star
offline

Karin1910 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Karin1910 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.07.2019

Abenteuerroman vor interessantem Hintergrund

Der Gesang der Bienen
0

Münstertal im Jahre 1152: Seyfried ist Zeidler. Seine Tätigkeit besteht darin, aus den Stöcken wilder und halbwilder Bienen Honig, Wachs und andere wertvolle Produkte zu gewinnen. Doch sein Leben wird ...

Münstertal im Jahre 1152: Seyfried ist Zeidler. Seine Tätigkeit besteht darin, aus den Stöcken wilder und halbwilder Bienen Honig, Wachs und andere wertvolle Produkte zu gewinnen. Doch sein Leben wird auf den Kopf gestellt, als seine Frau Elsbeth zu Unrecht beschuldigt wird, für den Tod der Tochter von Marschall Gottfried verantwortlich zu sein. Das Urteil lautet auf Tod durch Köpfen. Nur 16 Tage hat Seyfried Zeit, die Hinrichtung zu verhindern. Er macht sich auf den Weg nach Bingen, um die berühmte Äbtissin, Prophetin und Heilerin Hildegard um Hilfe zu bitten.
Seine Kinder Anna und Jasper müssen derweil auf Gottfrieds Burg bleiben, wo Anna die Aufmerksamkeit eines gefährlichen Mannes auf sich zieht.

Diese Geschichte wird flott und aus mehreren verschiedenen Perspektiven erzählt. Dabei wird einige Spannung aufgebaut, wozu auch beiträgt, dass in den Kapitelüberschriften immer wieder angegeben wird, wie viele Tage noch bis zur Vollstreckung des Urteils verbleiben.
Die Handlung ist mitreißend und beeindruckt mit anschaulichen Schilderungen historischer Gegebenheiten und Lebenswelten. An manchen Stellen wird vielleicht ein bisschen zu viel Dramatik erzeugt und einige Wendungen wirken etwas unrealistisch oder sind vorhersehbar. Doch all dies bleibt im Rahmen dessen, was man in diesem Genre eben erwarten muss. Es gibt aber jedenfalls auch ein paar Überraschungen und das Ende ist insgesamt stimmig.
Außerdem sind die Protagonisten einfühlsam und facettenreich gezeichnet, sodass ich mich gut in sie hineinversetzen und mit ihnen mitfiebern konnte. Dabei sticht natürlich vor allem Hildegard heraus. Diese historische Persönlichkeit wird nachvollziehbar dargestellt, nicht nur als große Heldin, sondern durchaus auch mit Schwächen ausgestattet.
Generell sind in den Text viele interessante Informationen eingeflochten, insbesondere zur Zeidlerei sowie eben zu Leben und Werk der Hildegard von Bingen.

Es handelt sich hier also um einen rundum gelungenen historischen Roman, der sich schon allein aufgrund seines außergewöhnlichen Themas vom sonstigen Einheitsbrei abhebt.

Veröffentlicht am 11.07.2019

Keine Welt-verändernden Erkenntnisse

100 Karten, die deine Sicht auf die Welt verändern
0

Dieses Buch umfasst (wohl etwas mehr als) 100 Karten, die sich so unterschiedlichen Themen widmen wie außereheliche Geburten, Namen deutscher Frisiersalons, Auslandsreisen deutscher Bundeskanzler oder ...

Dieses Buch umfasst (wohl etwas mehr als) 100 Karten, die sich so unterschiedlichen Themen widmen wie außereheliche Geburten, Namen deutscher Frisiersalons, Auslandsreisen deutscher Bundeskanzler oder Leuchttürme in Afrika.
Beim ersten Durchblättern wirkte es daher ganz vielversprechend.

Eine nähere Betrachtung offenbart aber, dass zum einen viele Karten ziemlich banal sind, zum anderen auch die eigentlich interessanten Karten oftmals nicht wirklich durchdacht gestaltet wurden. Auch haben sich die Autoren wenig Mühe gegeben, echte Informationen zu vermitteln, und kaschieren dies bisweilen durch unnötige Texte, die wohl witzig sein sollen.
So findet sich etwa auf Seite 8 als Kommentar zu einer Karte mit ungewöhnlichen deutschen Ortsnamen, die erhellende Auskunft, dass die meisten Orte mit Bezug zum Kotzen in Bayern liegen. („Ja, diese Bayern …“ soll sich der Leser da wohl denken.) Die eigentliche Herkunft derartiger Namen zu enthüllen wäre wohl zu viel Aufwand gewesen. Eine Minute Googeln liefert die Antwort: Kotzen leitet sich von den slawischen Wörtern „cossym“ (Haarbüschel) und „cossa“ (Ziege) ab.
Auch die Karte zu den bedrohten Sprachen Europas auf Seite 25 wäre verbesserungsbedürftig. Es gibt hier zwar einen Hinweis, dass Beschriftungen den Ländern, nicht den Regionen zugeordnet sind. Dass aber beispielsweise der Begriff „Gallo-Sizilianisch“ in Norditalien steht, „Ladinisch“ dagegen etwa auf der Höhe Neapels, wirkt dennoch nicht gerade sinnvoll.

Und das sind nur zwei Beispiele!
Natürlich gibt es auch ein paar Karten, die tatsächlich gut gemacht und informativ sind. Der Gesamteindruck ist dennoch unterdurchschnittlich.

Veröffentlicht am 11.07.2019

100 ereignisreiche Jahre

100 Jahre Republik
0

Mit 20 Beiträgen verschiedener Autoren erstellt dieses Buch eine breit-gefächerte Zusammenschau des Zeitraums seit der Gründung der Ersten Republik.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Publikationen ...

Mit 20 Beiträgen verschiedener Autoren erstellt dieses Buch eine breit-gefächerte Zusammenschau des Zeitraums seit der Gründung der Ersten Republik.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Publikationen aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums wird hier auch der Zeit nach 1955 relativ viel Platz gewidmet. Nur die allerjüngste Vergangenheit (seit 2010) kommt etwas zu kurz.
Die einzelnen Kapitel geben interessante Einblicke in die Ereignisse und Entwicklungslinien, welche Österreich prägten. Sowohl wegen der unterschiedlichen Zugänge der Autoren als auch wegen der historischen Abläufe als solches gestaltet sich die Lektüre abwechslungsreich und die immer wieder eingeschobenen Zitate von Zeitzeugen tragen zur Anschaulichkeit bei und machen die Sache lebendig.
Als flott erzählter Überblick zur österreichischen Geschichte ist dieses Werk also sehr empfehlenswert.

Veröffentlicht am 11.07.2019

Fallstudien zur Krisenbewältigung

Krise
0

Wie schon in vielen seiner früheren Werke hat Jared Diamond sich auch hier ein interessantes Thema ausgesucht, das er aus einer ungewöhnlichen Perspektive betrachtet.
Er überlegt, was persönliche Krisen ...

Wie schon in vielen seiner früheren Werke hat Jared Diamond sich auch hier ein interessantes Thema ausgesucht, das er aus einer ungewöhnlichen Perspektive betrachtet.
Er überlegt, was persönliche Krisen (wie Scheidungen oder Krankheit oder Tod eines Angehörigen) mit Krisen von Staaten gemeinsam haben und inwieweit Lösungsstrategien für erstere auch auf letztere angewendet werden können.

Zunächst stellt er die Faktoren zusammen, welche jeweils den Ausgang von Krisen beeinflussen, im Falle staatlicher Krisen fallen darunter neben dem Eingeständnis, dass man sich in einer Krise befindet und dass deren Bewältigung in der Verantwortung des Staats liegt, beispielsweise nationale Identität, ehrliche Selbsteinschätzung, die Möglichkeit, andere Staaten um Hilfe zu bitten oder von ihnen zu lernen, Flexibilität, nationale Grundwerte etc.
Danach betrachtet er Fallbeispiele aus Finnland, Japan, Chile, Indonesien, Deutschland, Australien und den USA. Dabei geht es um so unterschiedliche Krisenszenarien wie Deutschlands Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, Finnlands Bedrohung durch die Sowjetunion oder den Putsch durch Pinochet in Chile. Abschließend wird dann noch ein Blick auf die gegenwärtigen Krisen, von denen die Welt als Ganzes betroffen ist, geworfen.
Die Kapitel sind jeweils so aufgebaut, dass zunächst Hintergrund und Ablauf der Krise beschrieben werden. Anschließend wird zusammenfassend rekapituliert, welche der am Anfang herausgearbeiteten Faktoren einen wie gearteten Einfluss ausübten.

Diese Analysen gewähren viele spannende Einblicke und machen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Akteuren deutlich. Ich konnte dabei auch manches Neue über historische Ereignisse erfahren.
Da Diamond Länder ausgewählt hat, in denen er entweder selbst einige Zeit lebte oder die ihm zumindest aufgrund familiärer Verbindungen vertraut sind, kann er seine Ausführungen immer wieder mit persönlichen Erlebnissen oder mit Anekdoten würzen.

Ansonsten ist der Text allerdings eher trocken gehalten und häufig wiederholend.
Außerdem tritt der Autor selten als neutraler Beobachter auf, sondern betrachtet die Vorgänge in anderen Ländern zu sehr aus seinem persönlichen bzw einem US-amerikanischen Blickwinkel. Manche Aussage hätte da schon differenzierter ausfallen können. (Wenn beispielsweise mehr Einwanderung als Gegenmittel für die Überalterung der Japanischen Bevölkerung vorgeschlagen wird – ohne zu erwähnen, dass auch die jungen Einwanderer eines Tages alt sein werden.)
Gemildert wird dieser Eindruck aber immerhin dadurch, dass sich auch zwei Kapitel mit der derzeitigen Situation in den USA befassen und kritisch auseinandersetzen.

Alles in allem gelingt es diesem Buch sehr gut, zum
Nachdenken anzuregen über vergangene und zukünftige Krisen sowie über Möglichkeiten zu deren Bewältigung. Wenngleich es diesbezüglich hinsichtlich einiger Faktoren, wie insbesondere einer realistischen Einschätzung der Situation oder der Bereitschaft, von anderen zu lernen, derzeit noch etwas hapert, wird durch die zahlreichen positiven Beispiele doch ein gewisser Optimismus geweckt.

Veröffentlicht am 15.06.2019

Ungewöhnlicher Krimi mit interessantem Antiheld

Das Verschwinden der Adèle Bedeau
0

Nach „Sein blutiges Projekt” ist dies der zweite Roman, den ich von Graeme Macrae Burnet gelesen habe. Auch hier versucht er wieder ein Spiel mit Fiktion und Realität, das diesmal aber erst im Nachwort ...

Nach „Sein blutiges Projekt” ist dies der zweite Roman, den ich von Graeme Macrae Burnet gelesen habe. Auch hier versucht er wieder ein Spiel mit Fiktion und Realität, das diesmal aber erst im Nachwort stattfindet und etwas gezwungen wirkt.

Die eigentliche Handlung ist um das Jahr 1980 herum in einer Kleinstadt im Elsass angesiedelt. Das eigenbrötlerische und einer strikten Routine folgende Leben des 36jährigen Bankdirektors Manfred Baumann gerät aus den Fugen als die junge Kellnerin seines Stammlokals plötzlich verschwindet. Er macht der Polizei gegenüber falsche Angaben und gerät daher in den Fokus von Kommissar Gorski. Baumann und Gorski ahnen nicht, dass ihrer beider Vergangenheit von demselben Ereignis überschattet wird.

Für einen Krimi schreitet diese Geschichte eher gemächlich voran. Es gibt wenige wirklich spannende Szenen. Außerdem bleiben am Ende relativ viele Fragen offen.
Dennoch hat mir die Lektüre gut gefallen. Das Leben in einer Kleinstadt mit all seinen tatsächlichen oder eingebildeten Einschränkungen wird anschaulich porträtiert und die Protagonisten sind interessant und mit psychologischem Feingefühl gezeichnet. Es kommt keine wirklich sympathische Person vor, gerade davon geht jedoch eine gewisse Faszination aus. Vor allem Manfred Baumann ist ein gelungener Antiheld. Es ist reizvoll, sich in ihn hineinzuversetzen und seine verqueren und oftmals unnötig komplizierten Gedankengänge mitzuerleben. Doch auch sein Gegenspieler ist vielschichtiger als es zunächst scheint.

Für Leute, die gern ungewöhnliche Perspektiven einnehmen und einen Krimi ohne richtige Auflösung akzeptieren können, bietet dieses Buch daher Lesevergnügen abseits des in diesem Gerne üblichen Einheitsbreis. Ich freue mich schon auf das nächste Werk des Autors!