Profilbild von Karin1910

Karin1910

Lesejury Star
offline

Karin1910 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Karin1910 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.06.2023

Auf den Spuren der (alten) DNA

Hybris
0

Dieses Buch handelt davon, wie sich die Menschheit von ihren Ursprüngen in Afrika aus in zahlreichen Wellen um die ganze Welt verbreitet hat. Es erzählt von Begegnungen mit Neandertalern und Denisovanern, ...

Dieses Buch handelt davon, wie sich die Menschheit von ihren Ursprüngen in Afrika aus in zahlreichen Wellen um die ganze Welt verbreitet hat. Es erzählt von Begegnungen mit Neandertalern und Denisovanern, den diversen Einwanderungswellen, die Europa prägten, der Ausbreitung der Landwirtschaft, der Besiedlung von Amerika, Australien oder Polynesien, dem Einfluss der Steppe und vielem mehr. Es geht um großartige Triumpfe, aber auch um Tragödien wie Klimakatastrophen oder Epidemien.
Beschrieben wird dies alles auf eine Weise, die vor wenigen Jahren noch nicht möglich gewesen wäre. Erst seit Methoden zur Sequenzierung und Analyse von aus fossilen Knochen gewonnener DNA entwickelt wurden, wobei das Institut, an dem Johannes Krause arbeitet, eine Vorreiterrolle eingenommen hat, können beispielsweise DNA-Fragmente einer 50.000 Jahre alten Neandertalerin, eines 15.000 Jahre alten Marokkaners oder eines 1500 Jahre alten Awaren mit der DNA früherer und heutiger Bevölkerungsgruppen verglichen werden. So kann man Jahrtausende alte Wanderungsbewegungen nachvollziehen und beobachten, wie sich Menschen und Kulturen um den Erdball bewegten.

Die Ausführungen sind dabei allgemein verständlich gehalten. Teilweise zwar eher oberflächlich, die wesentlichen Punkte werden aber jedenfalls klar und nachvollziehbar dargestellt. Die Autoren verhehlen auch nicht, dass noch nicht alle Fragen zur Menschheitsgeschichte beantwortet werden können.
Außerdem gibt es am Beginn jedes Kapitels eine Landkarte, welche die dort beschriebenen Fundstellen und Routen illustriert.

Der Titel ist allerdings nicht ganz passend: Die Hybris des Menschen wird erst im letzten Kapitel thematisiert.
Insgesamt wird hier ein interessanter Überblick über den aktuellen Forschungsstand der Archäogenetik geboten. Es ist schon faszinierend, wie viele neue und teilweise überraschende Erkenntnisse durch deren Methoden innerhalb relativ kurzer Zeit gewonnen werden konnten.

Veröffentlicht am 30.06.2023

Zeitreisen durch Hunderte Jahrmillionen der Geschichte des Lebens

Urwelten
0

Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von informativen und unterhaltsamen Ausflügen zu lang vergangenen Landschaften und Lebensgemeinschaften. Vom Alaska des Pleistozäns geht es rückwärts in der Zeit ...

Dieses Buch enthält eine Zusammenstellung von informativen und unterhaltsamen Ausflügen zu lang vergangenen Landschaften und Lebensgemeinschaften. Vom Alaska des Pleistozäns geht es rückwärts in der Zeit bis hin ins Ediacarium, aus dem die ältesten Fossilien mehrzelliger Tiere stammen.
Die jeweils ca 20 Seiten langen Kapitel befassen sich immer mit einem ganz bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit und stellen die Lebewesen vor, welche die damalige Welt prägten. Ausgewählt wurden die Orte, entweder weil ihre Fossilien besonders gut erhalten sind oder weil sie bedeutsame Entwicklungsstufen illustrieren. Der Autor ist denn auch darauf bedacht, die Lebensgemeinschaften in ihrer Gesamtheit darzustellen. Er beschreibt nicht nur ihre spektakulärsten Mitglieder, sondern holt auch unscheinbarere Lebewesen vor den Vorhang, die für die weitere Entwicklung aber oft weitaus wichtiger waren. So kommen in den Kapiteln zum Mesozoikum relativ wenige Dinosaurier vor, dafür beispielsweise frühe Säugetiere, Lebensgemeinschaften in den Meeren des Jura oder die ersten Blütenpflanzen.

Es ist interessant, durch die Zeit zu reisen und zu beobachten, wie unterschiedliche Klimaverhältnisse und sonstige Rahmenbedingungen sich auf die Tier- und Pflanzenwelt auswirkten, mit welchen Problemen bis hin zu Massenaussterben das Leben zu kämpfen hatte und wie es sich immer wieder davon erholte und an neue Gegebenheiten anpasste.
Man hat das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein, wenn sich etwa auf dem Gebiet des ausgetrockneten Mittelmeers im Miozän Zwerge und Riesen bilden, Huftiere durch das Grasland im Chile des Oligozäns streifen, Räuber in den Wüsten des Perm auf Beutejagd gehen oder im Kambrium die ersten Augen entstehen. Dabei sorgt die Vielfalt an Schauplätzen für Abwechslung und es werden spannende Hintergrundinformationen zu den Mechanismen der Evolution eingestreut.

Ich hätte mir nur etwas mehr Bilder gewünscht, um mir die beschriebene Fauna und Flora besser vorstellen zu können. Außerdem ist die verwendete Zeitform bisweilen missverständlich. Bei manchen im Präsens verfassten Sätzen war zumindest für mich nicht auf Anhieb klar, ob der Autor die gerade beschriebene Epoche oder die Gegenwart meint.

Für an Paläontologie oder Evolution Interessierte dennoch eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.06.2023

Aneinanderreihung von Banalitäten

Mary Shelleys Zimmer
0

Die 16-jährige Mary Godwin sitzt auf einem Friedhof und wartet auf ein Date mit Percy Bysshe Shelly, einem aus reichem Haus stammenden Enfant terrible. So beginnt dieser Roman, der hauptsächlich Marys ...

Die 16-jährige Mary Godwin sitzt auf einem Friedhof und wartet auf ein Date mit Percy Bysshe Shelly, einem aus reichem Haus stammenden Enfant terrible. So beginnt dieser Roman, der hauptsächlich Marys Leben folgt, daneben aber auch zahlreiche andere Schauplätze während der Jahre1815 und 1816 besucht und so wohl das Panorama eines Kontinents bieten soll, der aufgrund eines Vulkanausbruchs auf der anderen Seite der Welt, das kälteste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen erlebt.
Mary überwirft sich schließlich mit ihrem Vater, reist mit Percy und ihrer Stiefschwester Claire durch Europa und landet irgendwann in einer Villa am Genfer See, wo sie inspiriert durch einen von dem berühmten Dichter Lord Byron ausgerufenen Wettbewerb die Idee zu ihrem zwei Jahre später erscheinenden Roman „Frankenstein“ hat.
Daneben treten hier unter anderem Johann Wolfgang von Goethe, Napoleon, Turnvater Jahn oder der Maler Caspar David Friedrich auf. Manche dieser „Prominenten“ kommen regelmäßig vor, andere werden nur ein paar Mal erwähnt und „verschwinden“ dann wieder. Dazwischen sind gelegentlich kurze Episoden aus dem Leben der normalen Leute eingestreut. Diese nehmen aber zu wenig Raum ein, um wirklich deutlich zu machen, wie dramatisch die Auswirkungen der Klimakrise waren. Großteils dreht sich die Handlung doch um sehr privilegierte Personen. Das wird bei Marys Clique besonders deutlich, die in ihrer Villa dem Hedonismus frönt, während rundum Hunger und Not herrschen.
Wahrscheinlich ist auch dies ein Grund dafür, dass ich mit der Handlung bzw den Protagonisten nicht warmgeworden bin. Außerdem haben mich die fehlenden Datumsangaben gestört. Es ist oft nicht nachvollziehbar, wie viel Zeit zwischen den Kapiteln vergangen ist oder in welcher Jahreszeit wir uns befinden.

Fazit: Dieses Buch ist weder eine historische Abhandlung (dazu gibt es zu viele Ungenauigkeiten und Anachronismen), noch eine Liebesgeschichte (dafür werden nicht genug Gefühle transportiert), noch die Entstehungsgeschichte eines Werkes der Weltliteratur (dafür spielt Marys literarisches Schaffen eine zu geringe Rolle), noch ein „Endzeitdrama“ (dafür geht es den meisten Personen zu gut.) Es handelt sich vielmehr bloß um eine Zusammenstellung von allerlei Begebenheiten, die jede für sich eher banal sind.

Veröffentlicht am 30.06.2023

Reicht nicht ganz an die Vorgänger heran

Talberg 2022
0

Im finalen Teil der Trilogie ist Talberg im Jahr 2022 angekommen, was man vor allem durch ein paar Anspielungen auf die Corona-Krise merkt. Davon abgesehen ist der Ort aus der Zeit gefallen und abgeschieden ...

Im finalen Teil der Trilogie ist Talberg im Jahr 2022 angekommen, was man vor allem durch ein paar Anspielungen auf die Corona-Krise merkt. Davon abgesehen ist der Ort aus der Zeit gefallen und abgeschieden wie eh und je – diesmal sogar noch mehr als sonst. Denn nach einem verheerenden Unwetter sind sämtliche Zufahrtsstraßen unpassierbar.
Daher ist Polizist Adam Wegebauer zunächst auf sich allein gestellt, als unter einem umgestürzten Baum die Knochen eines Kindes gefunden werden. Bald steht fest, dass der Bub vor über 30 Jahren gewaltsam zu Tode gekommen war.
Adam muss sich gemeinsam mit der zu Fuß nach Talberg gelangten Kripo-Beamtin Eva (Engler) dem auf dem Ort lastenden Fluch und der eigenen Vergangenheit stellen.

Es ist ganz schön, Talberg wieder zu besuchen und zu sehen, wie sich der Ort in den Jahrzehnten seit „Talberg 1977“ weiterentwickelt hat. Etwas schade nur, dass einige Familien, die in den vorherigen Bänden eine größere Rolle spielen, diesmal nicht oder nur in Form von Nebenfiguren auftauchen. Wirklich präsent ist vor allem die Familie Wegebauer, deren Mitglieder einiges zu ertragen haben. Die auftretenden Personen sind überwiegend interessant gezeichnet. Es gibt wenige Sympathieträger und keine großen Helden. Gerade Adam wirkt eher bemitleidenswert, was ihn aber auch nahbar macht. Es werden allerdings doch auch ein paar Klischees bedient.

Der Kriminalfall lässt einige Spannung aufkommen und die Verknüpfung von Episoden aus Gegenwart und Vergangenheit sorgt für zusätzliche aufschlussreiche Perspektiven. Zwischendurch gibt es aber auch Längen und manches wiederholt sich. (Beispielsweise die Rückblicke in Adams schlimme Kindheit oder die ständigen Verwüstungen durch den Regen.) Außerdem ist die Auflösung ziemlich unglaubwürdig, wodurch sich der Gesamteindruck doch verschlechtert. Immerhin gibt es am Ende noch eine gelungene Überraschung.

Fazit: In Relation zu den übrigen Teilen der Reihe (insbesondere zum ersten) konnte mich die Geschichte diesmal weniger packen. Es gibt einerseits zahlreiche unrealistische Elemente, andererseits ist aber auch vieles vorhersehbar. Auch wirkt der Schauplatz langweiliger als sonst.

Veröffentlicht am 30.06.2023

Interessanter Inhalt in mangelhafter Ausführung

Wo sind sie alle?
0

Angesichts der Tatsache, dass es allein in unserer Galaxie eine Milliarde erdähnlicher Planten gibt und sich im sichtbaren Universum 200 Milliarden Galaxien befinden, sollte man allein aufgrund der großen ...

Angesichts der Tatsache, dass es allein in unserer Galaxie eine Milliarde erdähnlicher Planten gibt und sich im sichtbaren Universum 200 Milliarden Galaxien befinden, sollte man allein aufgrund der großen Zahlen und der langen seit der Entstehung des Universums vergangenen Zeit davon ausgehen können, dass es mannigfaltige extraterrestrische Zivilisationen gibt, von denen uns viele technisch weit überlegen sind. Warum haben wir dann noch keine Belege für ihre Existenz?
Dieses (nach einem italienischen Physiker benannte) Fermi-Paradoxon bewegt Wissenschaftler und Laien schon seit Jahrzehnten und wird immer mysteriöser, je besser unsere Methoden zur Beobachtung des Weltraums werden und je eher wir daher in der Lage wären, fremde Zivilisationen aufzuspüren.

Der renommierte Physiker Stephen Webb hat hier 50 Lösungsvorschläge zusammengestellt, denen jeweils einer der Denkansätze “Sie sind (oder waren) schon hier“, „Es gibt sie, wir haben sie bloß noch nicht gesehen (oder gehört)“ oder „Es gibt sie nicht“ zugrunde liegt. Dabei wird eine Vielzahl interessanter Themen angesprochen. Einige Lösungen sind einander jedoch so ähnlich, dass sie eigentlich auch unter derselben Überschrift abgehandelt hätten werden können. Es wirkt bisweilen so, als wären von der Grundidee gleichartige Überlegungen auf mehrere Punkte aufgespalten worden, um auf 50 zu kommen.
Im letzten Kapitel wird enthüllt, welcher Lösung der Autor zuneigt, und es gibt außerdem spannende Überlegungen dazu, wie man überhaupt wissen kann, was eine wirklich große Zahl ist.

Rein vom Inhalt her hätte das Buch trotz ein paar kleiner Schwächen fünf Sterne verdient gehabt.
Die Gestaltung, zumindest der deutschen Ausgabe, lässt allerdings sehr zu wünschen übrig: Nicht nur, dass sich in den Text zahlreiche Fehler (vor allem fehlende Abstände zwischen Wörtern) eingeschlichen haben. Es ist auch nicht möglich, Literaturangaben nachzuvollziehen, da diese in den Anmerkungen nur als Nummern angeführt sind, es aber nirgends eine Liste gibt, die diesen Nummern konkrete Werke zuordnet. Außerdem hat es der Übersetzer mit seinen Anmerkungen übertrieben. Es handelt sich gefühlt bei jeder zweiten um eine „Anm. d. Ü.“, die häufig überflüssig sind und öfters dem Autor (und gelegentlich auch sich selbst) widersprechen.
Gerade vom Springer-Verlag hätte ich eine sorgfältigere Bearbeitung erwartet.