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Veröffentlicht am 15.09.2016

Die großen Fragen

Die letzten Rätsel der Mathematik
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In der Mathematik wird eine besonders strenge Form des Beweisens betrieben. Um eine Vermutung zu einer Wahrheit werden zu lassen, reicht es nicht, sie in Tausenden oder sogar Milliarden von Fällen bestätigt ...

In der Mathematik wird eine besonders strenge Form des Beweisens betrieben. Um eine Vermutung zu einer Wahrheit werden zu lassen, reicht es nicht, sie in Tausenden oder sogar Milliarden von Fällen bestätigt zu sehen, sondern es ist eine Schritt für Schritt nachvollziehbare logische Herleitung aus bereits als gültig anerkannten Tatsachen von Nöten. Dafür ist ein einmal gefundener Beweis dann auch für alle Zeiten gültig.

Ian Stewart behandelt hier eine Reihe von Problemen, die sich über lange Zeiträume einem derartigen Beweis oder auch einer Widerlegung entzogen haben. Manche wurden inzwischen gelöst, wie etwa die Unmöglichkeit einer Quadratur des Kreises oder die Poincare-Vermutung, viele andere, wie die Riemann-Hypothese, harren noch einer Entscheidung.

Manche der aufgeworfenen Fragen sind als solche der reinen Mathematik von eher theoretischem Interesse, andere betreffen praktische Anwendungen, wie beispielsweise die Möglichkeit, effiziente Computeralgorithmen zu finden oder die Welt der Quanten zu erklären.

Dieses Buch zeigt, dass es sich bei der Mathematik um ein weit gefasstes und faszinierendes Gebiet handelt, das viel mehr zu bieten hat als die eher langweiligen Ausschnitte, die im Schulunterricht präsentiert werden. Im Laufe der Jahrtausende haben die Mathematiker immer neue Welten erkundet und immer neue Methoden entwickelt, um an die großen Probleme ihrer Zunft heranzugehen – deren Lösung dann oftmals zu einer Reihe weiterer Fragen führte.
(Deshalb halte ich den deutschen Titel – „Die letzten ...“ – nicht für so passend, das englische Original „The Great Mathematical Problems“ ist treffender.)

Auch wenn für das vollständige Verstehen sämtlicher Einzelheiten wohl gewisse Vorkenntnisse nötig sind, gelingt es dem Autor doch sehr gut, die wesentlichen Grundzüge der diversen Probleme sowie der darauf angewendeten Lösungsstrategien in allgemein verständliche Worte zu fassen. Die Verwendung komplizierter Formeln wird dabei so weit wie möglich vermieden, dafür werden die Ausführungen mittels vieler Grafiken anschaulich gemacht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannende Politik, langweilige Protagonisten

Kinder der Freiheit
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Im dritten Teil von Ken Folletts Jahrhundert-Trilogie steht wieder eine neue Generation der aus „Sturz der Titanen“ und „Winter der Welt“ bekannten Familien im Mittelpunkt.

George Jakes, der dunkelhäutige ...

Im dritten Teil von Ken Folletts Jahrhundert-Trilogie steht wieder eine neue Generation der aus „Sturz der Titanen“ und „Winter der Welt“ bekannten Familien im Mittelpunkt.

George Jakes, der dunkelhäutige Enkel von Lew Peschkow, arbeitet für die amerikanische Regierung und setzt sich für die Rechte der Schwarzen ein, während Grigori Peschkows Enkel Dimka eine wichtige Position im Kreml innehat. Dimkas Zwillingsschwester Tanja steht dem Regime jedoch sehr ablehnend gegenüber und nimmt einige Risiken auf sich, um seine Schattenseiten aufzuzeigen.
Die Nachkommen der Familie Williams haben dagegen weniger Interesse an Politik – Dave träumt davon, ein Rockmusiker zu werden, seine Schwester Evie strebt eine Karriere als Schauspielerin an.
Familie Franck sitzt inzwischen in Ostberlin fest und ist den Repressionen der Stasi ausgeliefert. Doch einige Familienmitglieder entschließen sich, die gefährliche Flucht in den Westen zu wagen.
Usw.

Obwohl hier also ziemlich viele Hauptfiguren auftreten (zu denen natürlich noch etliche Nebencharaktere kommen), hatte ich beim Lesen keine Schwierigkeiten, den Überblick über die diversen Personen, ihre Hintergründe und Beziehungen zueinander zu behalten. Dazu tragen auch die Familienstammbäume und das Personenverzeichnis am Beginn des Buches bei.
Bisweilen hatte ich allerdings den Eindruck, dass der Autor es den Lesern zu leicht machen will, der Handlung zu folgen – oft werden Ereignisse, die vielleicht 100 Seiten zuvor geschildert wurden, nochmals rekapituliert.

Erneut hat der Ken Follett seine Protagonisten an entscheidenden Stellen der Zeitgeschichte platziert, um mittels ihrer unterschiedlichen Lebensgeschichten den Zeitraum von 1961 bis 1989 (und dabei vor allem die 1960er Jahre) zu illustrieren.
Diese Lebensgeschichten wirken allerdings öfters ziemlich konstruiert, damit jemand beispielsweise immer genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein kann, um historisch bedeutsame Ereignisse miterleben zu können.

Weiters sind die Protagonisten eher flach gezeichnet, scheinen mehr Prototypen als echte Menschen zu sein und ihr Leben verläuft großteils ziemlich vorhersehbar. Außerdem ist es unrealistisch, wie leicht es den meisten fällt, erfolgreich zu sein, und dass selbst Rückschläge und Probleme bald wieder vergessen sind.
Dafür hat sich der Autor aber offenbar viel Mühe bei der Recherche gegeben, bei vielen heiklen politischen Entscheidungen (zB während der Kuba-Krise) hat man das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein.

Der Erzählstil ist gekonnt und flüssig, und trotz seiner 1200 Seiten ist der Roman nie langweilig, richtig begeistern konnte er mich allerdings auch nicht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Geschichte der Kartografie

Die Geschichte der Welt in zwölf Karten
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Karten begleiten die Menschheit wohl seit ihrem Anbeginn. Sie helfen uns dabei, uns ein Bild von der Welt zu machen, werden aber natürlich auch von dem Weltbild ihres Herstellers beeinflusst.

Jerry Brotton ...

Karten begleiten die Menschheit wohl seit ihrem Anbeginn. Sie helfen uns dabei, uns ein Bild von der Welt zu machen, werden aber natürlich auch von dem Weltbild ihres Herstellers beeinflusst.

Jerry Brotton hat hier zwölf Karten aus verschiedenen Epochen ausgewählt – von Ptolemäus bis Google Earth. Er erzählt von deren Erstellern und Auftraggebern, von den historischen Hintergründen ihrer Entstehung sowie von den Auswirkungen, die sie in der Folgezeit haben sollten.
Dabei entsteht eine spannende Geschichte der Kartografie, welche die Persönlichkeiten, durch die diese Wissenschaft geprägt wurde, in den Focus rückt und auch die Probleme, die mit der Schaffung einer Landkarte verbunden sind, darstellt, von der theoretischen Frage, was die beste Methode ist, ein dreidimensionales Objekt wie die Erdkugel auf einer zweidimensionalen Fläche abzubilden, bis hin zu praktischen Schwierigkeiten bei der Beschaffung der für die Erstellung der gewünschten Karte notwendigen Informationen.
Von einem Abstecher nach China und Korea abgesehen haben sich die meisten der hier beschriebenen Ereignisse in Europa zugetragen.

Dennoch entsteht der Eindruck eines umfassenden Überblicks, der wie die ausführlichen Fußnoten beweisen sehr gut recherchiert ist.

Trotz des interessante Inhalts gestaltet sich die Lektüre aber bisweilen etwas zäh, da der Text doch sehr sachlich gehalten ist.
Dafür werden die Ausführungen durch eine Vielzahl, oftmals farbiger, Abbildungen illustriert.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Drei Geschichten aus Barcelona

Der Duft der Träume
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Die Grundidee hinter diesem Buch wäre auf jeden Fall vielversprechend: Das „Leben“ einer Schokoladenkanne wird rückwärts über die Jahrhunderte verfolgt. Auch weist die Gestaltung einige kreative Elemente ...

Die Grundidee hinter diesem Buch wäre auf jeden Fall vielversprechend: Das „Leben“ einer Schokoladenkanne wird rückwärts über die Jahrhunderte verfolgt. Auch weist die Gestaltung einige kreative Elemente auf. So erinnert das Inhaltsverzeichnis an ein Theaterstück oder eine Oper (mit „Akten“, „Zwischenspielen“ etc), die Kapitelüberschriften in einem Abschnitt sind allesamt Namen von Opern, etc.

Im ersten Akt begegnen uns Sara, die Inhaberin einer traditionsreichen Confiserie ist, und ihr Ehemann Max, die sich auf den Besuch ihres gemeinsamen Freundes Oriol vorbereiten Dies versetzt Sara in helle Aufregung, sind die Gefühle, die sie für Oriol hegt, doch weit mehr als nur freundschaftlicher Natur.
Der zweite Akt führt ins 19. Jahrhundert, wo das Dienstmädchen Aurora unter den Lauen ihrer Herrin und „Freundin“ Candida zu leiden hat. Die Welt der Reichen, die es sich leisten können, gemütlich eine Tasse heiße Schokolade zu trinken, scheint von ihrer Lebensrealität unendlich weit entfernt zu sein.
Der dritte Akt besteht aus einem Bericht, den Victor Guillot verfasst hat, der in der Mitte des 18. Jahrhunderts als Mitglied einer französischen Delegation Barcelona besucht. Dort lernt er Mariana Fernandez kennen, deren verstorbener Gatte eine revolutionäre Maschine zur Herstellung von Schokolade erfunden hatte, hinter der die halbe Welt her zu sein scheint.

Jede dieser Geschichten bietet interessante Ansatzpunkte, man kann mit den Protagonisten (mal mehr, mal weniger gut) mitfühlen und stellenweise entsteht sogar eine gewisse Spannung.

Ich hatte allerdings den Eindruck, dass der Roman das vorhandene Potential nicht richtig ausschöpfen kann. Die drei Handlungsstränge werden einfach aneinander gereiht, auf jeweils weniger als 150 Seiten, sodass sie sich nicht richtig entfalten können. Irgendeine Art von abschließender Synthese findet nicht statt und es bleiben für meinen Geschmack zu viele Fragen offen. Dazu kommt noch, dass die an sich durchaus ergreifende Geschichte von Aurora in einem eigenartigen Stil, es soll sich da wohl um eine Art „rückblickendes Selbstgespräch“ handeln, erzählt wird.
Die einzige greifbare Verbindung zwischen den „Akten“ ist eben die Schokoladenkanne, deren Rolle aber doch zu wenig prominent ist, um dieser Aufgabe wirklich gerecht zu werden.

Ich bin davon überzeugt, dass sich die Autorin bei der Komposition ihres Werkes viel Mühe gegeben hat. Schade, dass dennoch nur ein eher mittelmäßiger Eindruck bleibt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Jean Louise wird erwachsen

Gehe hin, stelle einen Wächter
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Als im September 2014 ein verschollen geglaubtes Manuskript von Lee Harper, deren einziges zuvor erschienenes Werk „Wer die Nachtigall stört“ ein wahrer Klassiker der Gegenwartsliteratur ist, wiederentdeckt ...

Als im September 2014 ein verschollen geglaubtes Manuskript von Lee Harper, deren einziges zuvor erschienenes Werk „Wer die Nachtigall stört“ ein wahrer Klassiker der Gegenwartsliteratur ist, wiederentdeckt und publiziert wurde, galt dies als große literarische Sensation. Ein gewaltiges Rauschen im feuilletonistischen Blätterwald folgte.
Nachdem ich das Buch nun gelesen habe, kann ich einerseits verstehen, warum es ursprünglich unveröffentlicht geblieben ist, halte die mit ihm einhergehende Aufregung allerdings für stark übertrieben.

Ich würde jedem Leser empfehlen, es möglichst unabhängig von der „Nachtigall“ zu sehen, als einen Roman, der „zufällig“ am selben Schauplatz angesiedelt ist und dessen Protagonisten teilweise die selben Namen haben, der ansonsten aber nicht übermäßig viel mit dem Vorgänger (oder Nachfolger) zu tun hat.

Im Mittelpunkt der Handlung steht hier Jean Louise Finch, die seit Jahren in New York lebt, ihren Urlaub aber dazu nützt, ihre Familie im ländlichen Alabama zu besuchen. Dort nimmt sie mit Unbehagen wahr, dass Maycomb, der Ort ihrer Kindheit und Jugend, sich in letzter Zeit stark verändert hat. Vor allem der zunehmende Rassismus, dem sich auch ihr Vater Atticus anzuschließen scheint, erfüllt sie mit Entsetzen.

Diese Ausgangssituation ließe auf eine interessante Handlung schließen. Mich konnte der Roman aber nie richtig fesseln.
Schon der Erzählstil macht es schwer, bei der Sache zu bleiben, er ist zu umständlich und es gibt oft seitenlange Dialoge, die nie auf den Punkt kommen und nirgendwo hin führen.
Vor allem aber gelang es mir nicht, eine Verbindung zur Hauptperson aufzubauen. Jean Louise wirkt viel zu unreif, weiß oft selbst nicht, was sie eigentlich will, ist aber immer schnell bereit, fast alles und jeden in Maycomb zu kritisieren. Aus diesem Grund habe ich ihr auch nicht ganz abgekauft, dass es ihr wirklich um die Rechte der Neger geht. Jede beliebige andere Frage, bei der sie und ihr Vater unterschiedlicher Meinung sind, hätte dieselbe Reaktion hervorrufen können.

Fazit: Falls dieses Buch überhaupt eine tiefere Aussage haben sollte, ist diese bei mir nicht angekommen.