Profilbild von Kleine_Raupe

Kleine_Raupe

Lesejury Profi
offline

Kleine_Raupe ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Kleine_Raupe über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.06.2019

Interessanter Fall, aber leider mit Schwächen

Unbarmherzig (Ein Gina-Angelucci-Krimi 2)
0

„Unbarmherzig“ von Inge Löhnig ist der zweite Band der Reihe um Gina Angelucci, in der diese sich den sogenannten Cold Cases widmet, den Fällen, die nicht gelöst werden konnten und zu den Akten gelegt ...

„Unbarmherzig“ von Inge Löhnig ist der zweite Band der Reihe um Gina Angelucci, in der diese sich den sogenannten Cold Cases widmet, den Fällen, die nicht gelöst werden konnten und zu den Akten gelegt wurden. Im Buch sind seit dem letzten Fall etwa zwei Jahre vergangen, Gina war in Elternzeit und tauscht nun mit Tino die Plätze. Von nun an wird er sich um die gemeinsame Tochter Chiara kümmern, die das Down-Syndrom hat. Ginas erster Fall hat es in sich: In der Nähe eines kleinen Dorfes werden die Skelette von zwei Personen gefunden, die beiden sind vermutlich seit etwa siebzig Jahren tot. Kann man herausfinden, wer die Toten sind? War es Mord und wenn ja, lebt der Täter überhaupt noch? Der Staatsanwalt glaubt nicht daran, doch Gina wäre nicht Gina, wenn sie nicht alles daran setzen würde, um dieses Verbrechen aufzuklären. Gleichzeitig wirft ein alter Fall aus der Vergangenheit böse Schatten in die Gegenwart und das Familienglück von Gina, Tino und Chiara wird bedroht…

Inge Löhnig hat einen realen Knochenfund in der Nähe einer Munitionsfabrik als Ausgangspunkt für ihr Buch benutzt und darum ihre Geschichte gesponnen. Die Handlung reicht bis zurück in die Zeit des NS-Regimes und thematisiert Zwangsarbeit. Man merkt dem Buch die gründliche Recherche an, hier habe ich nichts zu meckern, das war interessant aufgearbeitet. Jedoch wollte bei diesem Buch im Vergleich zum Vorgänger der Funke nicht so richtig überspringen. Zwei Dinge muss ich kritisieren: Der Teil, der in der Vergangenheit spielt, ist mäßig spannend. Der Teil in der Gegenwart eigentlich gar nicht, die Ermittlungen laufen zum Teil sehr schleppend, was ja realistisch ist, da der Mord schon so lange zurückliegt. Aber um im Teil, der in der Gegenwart spielt, Spannung zu erzeugen, greift Frau Löhnig dann auf einen alten Fall zurück (mit dem ich im Übrigen nichts anfangen konnte, ich weiß nicht, auf welches Buch sich das bezieht). Das war für mich nicht rund, sondern wirkte ein bisschen zusammengeschustert. Mein anderer Kritikpunkt sind die Figuren, die alle recht blass bleiben, mal abgesehen von Gina, Tino und Kairi.

Fazit: Ein recht interessanter Fall, bei dem es mir aber an Spannung fehlte. Auf einen Teil der Geschichte hätte Frau Löhnig besser verzichten sollen, das war für mich wenig glaubwürdig. Ich vergebe 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.06.2019

Fantasievoll, aber auch etwas übertrieben

Samantha Spinner (1). Mit Schirm, Charme und Karacho
0

Paul Spinner, der Onkel von Samantha, Buffy und Nipper, verschwindet plötzlich spurlos. Er hinterlässt seinen Nichten und seinem Neffen tolle Dinge: 2,4 Milliarden Dollar, die New York Yankees und einen ...

Paul Spinner, der Onkel von Samantha, Buffy und Nipper, verschwindet plötzlich spurlos. Er hinterlässt seinen Nichten und seinem Neffen tolle Dinge: 2,4 Milliarden Dollar, die New York Yankees und einen löchrigen alten Regenschirm. Äh, einen Regenschirm? Ja, das ist auch Samanthas Reaktion, die mit ihrem Onkel zusammen am liebsten Rätsel gelöst hat. Sie ist erstmal maßlos enttäuscht, aber es dauert gar nicht lange, bis ihr klar wird, dass eben dieser alte Regenschirm Teil eines supergeheimen Rätsels ist, das sie und ihren Bruder Nipper in ferne Länder führen wird. Allerdings wird das Abenteuer nicht ganz ungefährlich, denn eine stinkende Bande von Ninjas ist ihnen dicht auf den Fersen und setzt alles daran, den Regenschirm in ihren Besitz zu bringen.

Klappentext und Cover dieses Buches haben mich direkt angesprochen, die Umsetzung konnte mich dann allerdings nicht hundertprozentig überzeugen. Der Autor Russell Ginns sprüht auf jeden Fall nur so vor Ideen. Es handelt sich hier um eine wirklich fantasievolle Geschichte, die Figuren sind alle sehr skurril, ebenso die Abenteuer, die Samantha und Nipper erleben. Anfangs hat mir das alles sehr gut gefallen, zum Beispiel die Magbahn, eine unterirdische Magnetbahn, mit der man unglaublich schnell durch die Welt reisen kann. Toll fand ich auch die kurzen Hintergrundinfos zu verschiedenen Bauwerken, Gemälden oder ähnlichen Dingen, die es im Buch gibt, sowie die Rätsel. Genau das Richtige für die Zielgruppe ab 9 Jahren. Irgendwann wurde es mir aber zu viel mit all den Einfällen und Ideen, mir schwirrte geradezu der Kopf davon. Wie schon ein anderer Rezensent schrieb, kam es mir so vor, als würde ich das sehr actiongeladene Drehbuch zu einer neuen Zeichentrickserie für Kinder lesen. Manche Dinge fand ich wiederum einfach nur albern, wobei das sicher Geschmacksache ist, bei der Zielgruppe kann der Autor damit ja möglicherweise punkten.

Fazit: Eine fantasievolle und skurrile Geschichte, jedoch wäre hier weniger manchmal mehr gewesen. Der Geschichte hätte etwas mehr Ruhe gut getan, auch hätte ich mir gewünscht, dass die Figuren besser eingeführt und genauer charakterisiert werden. Die stinkenden Ninjas hätte ich nicht gebraucht. Ich weiß noch nicht, ob ich den zweiten Band lesen werde und vergebe 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.06.2019

Ein warmherziges und kluges Buch über das Leben mit dem Asperger-Syndrom

Mein Leben als Sonntagskind
0

Jasmijn Fink ist ein eher ungewöhnliches Mädchen: Sie spielt nicht gerne mit anderen Kindern, sondern lieber mit ihrer Hündin Senta. Sie schafft es meistens nicht, mit unbekannten Erwachsenen zu reden ...

Jasmijn Fink ist ein eher ungewöhnliches Mädchen: Sie spielt nicht gerne mit anderen Kindern, sondern lieber mit ihrer Hündin Senta. Sie schafft es meistens nicht, mit unbekannten Erwachsenen zu reden oder ihnen in die Augen zu sehen, die Späße von anderen versteht sie nicht und wenn es zu laut, zu voll oder zu hell ist, bekommt sie Migräneanfälle. So kann ein Kindergeburtstag für sie schon mal zum Albtraum werden. Wir begleiten Jasmijn in diesem Buch beim Erwachsenwerden, vom Vorschulkind bis zur jungen Frau. Die Protagonistin versucht während all dieser Jahre, die Welt zu verstehen, die ihr fortlaufend Rätsel aufgibt. Warum sind alle anderen Menschen so anders als sie? Welches Verhalten wird wann von ihr erwartet? Die Welt beziehungsweise die Menschen versuchen unterdessen, Jasmijn in eine Schablone zu pressen, Mitschüler und Lehrer fragen sich, warum Jasmijn nicht „normal“ ist. Von ihrer Familie wird Jasmijn angenommen, wenn auch nicht unbedingt verstanden. „So ist Jasmijn nun mal.“ So kommt es, dass bei ihr das Asperger Syndrom (eine Form von Autismus) erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird. Bis dahin liegt ein langer und steiniger Weg vor ihr, den Jasmijn aber trotz aller Hürden und Rückschläge mutig und schließlich auch selbstbewusst geht.

Das Buch hat über 600 Seiten und keine davon war langweilig! Es gehört ab sofort zu meinen Lieblingsbüchern. Das Buch hat autobiografische Züge, auch bei der Autorin wurde im Erwachsenenalter das Asperger-Syndrom diagnostiziert. Ich weiß nicht, welche Dinge in diesem Buch der Wahrheit entsprechen und welche Fiktion sind. Beim Lesen waren jedenfalls Autorin und Protagonistin für mich eins, ich bin komplett abgetaucht in Jasmijns Welt und habe alles ganz genau vor mir gesehen. Eigentlich ist das Buch unspektakulär, wir begleiten ein Mädchen beim Erwachsenwerden. Der Autorin gelingt es jedoch, ihre Geschichte so einfühlsam, lustig, spannend und warmherzig zu erzählen, dass alle Figuren für mich lebensecht waren und ich keine Sekunde daran gezweifelt habe, dass sich alles genauso zugetragen hat. Ich habe mit Jasmijn mitgelitten, mitgefühlt und mich mit ihr gefreut, wenn es ihr gelang, über ihren Schatten zu springen, Freundschaften zu schließen oder wenn es der Welt gelang, Jasmijn ein kleines bisschen besser zu verstehen.

Fazit: Ein wunderbares, kluges Buch über den schwierigen Prozess des Erwachsenwerdens, über Freundschaft, Familie und das Leben mit dem Asperger-Syndrom. Ich habe dieses Jahr schon viele gute Bücher gelesen, aber „Mein Leben als Sonntagskind“ zählt definitiv zu den Besten! Von mir gibt es eine begeisterte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 12.06.2019

Spannender Krimi und kunstvolle Studie einer Kleinstadt

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
0

Der Polizist Jesse Rosenberg steht kurz vor der Pensionierung. Er gilt als der „Hundertprozentige“, weil er alle seine Fälle gelöst haben soll. Doch eines Tages tritt die Journalistin Stephanie Mailer ...

Der Polizist Jesse Rosenberg steht kurz vor der Pensionierung. Er gilt als der „Hundertprozentige“, weil er alle seine Fälle gelöst haben soll. Doch eines Tages tritt die Journalistin Stephanie Mailer an ihn heran und fragt, ob sie ihn den „Neunundneunzigprozentigen“ nennen dürfe, denn einen Fall habe er nicht gelöst. Es handelt sich um einen brutalen Vierfachmord, der vor zwanzig Jahren in der Stadt Orphea begangen wurde. Der damalige Bürgermeister, seine Familie und eine Joggerin wurden umgebracht, am Abend als die Premiere eines Theaterfestivals stattfinden sollte. Rosenberg und sein Freund und Kollege Derek Scott wurden mit den Ermittlungen betraut. Nach einiger Zeit konnten sie den Mörder ermitteln, jedenfalls haben sie das zwanzig Jahre lang geglaubt. Doch Stephanie Mailer hat Informationen, die das Verbrechen in neuem Licht zeigen. Ihre Andeutungen lassen Jesse keine Ruhe. Als Stephanie verschwindet, nimmt er trotz Widerständen die Ermittlungen auf. Zeitgleich soll es in Orphea wieder ein Theaterfestival geben, was einen ganzen Rattenschwanz an Problemen nach sich zieht…

„Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ ist mein zweites Buch von Joel Dicker, ich kannte bereits „Die Geschichte der Baltimores“, welches ich nur mittelmäßig fand. Meine Erwartungen an dieses Buch waren also nicht besonders hoch. Im ersten Drittel hatte das Buch auch ein paar Längen, ich musste anscheinend erstmal in Orphea ankommen und mit den zahlreichen Personen warm werden. Es hat mich ein bisschen verwirrt, dass es so viele Perspektivwechsel gibt. Die Abschnitte sind immer mit dem Namen einer Person überschrieben, aber innerhalb des Abschnittes wechselt der Blickwinkel noch oft. Wenn man sich aber erstmal daran gewöhnt hat, ist es eher faszinierend als störend. Der Roman ist wie ein Puzzle, dass der Autor nach und nach für den Leser zusammensetzt. Ich lese viele Krimis und weiß oft schon früh, wer der Mörder ist. Hier hatte ich einen Verdacht, habe mich dann aber sehr gefreut, dass der nicht bestätigt wurde. Den Mörder/die Mörderin (wer weiß…) hatte ich nicht auf dem Schirm!

Meine Inhaltsangabe oben ist auch keineswegs vollständig, es gibt noch zahlreiche weitere Figuren und Nebenhandlungen. Ein weniger talentierter Autor hätte sich vielleicht in den vielen Handlungssträngen verloren, nicht so Joel Dicker. Ihm gelingt es, die Stränge am Ende zu einem kunstvollen Ganzen zu verweben. Das Buch liest sich wie ein Krimi, ist aber doch eher Charakterstudie einer Kleinstadt und ihrer Bewohner. Ich fand es ungewöhnlich und faszinierend. Am Ende beweist der Autor auch noch, dass er Humor hat! Ich habe erst laut gelacht und das Buch dann mit einem Lächeln zugeklappt.

Fazit: Ein Buch, welches seinem Leser zahlreiche Rätsel aufgibt und ihn in Atem hält, nicht nur durch unvorhergesehene Wendungen, sondern auch durch toll gezeichnete Personen und vor allem meisterlich miteinander verwobene Handlungsstränge. Für mich ein Lesehighlight 2019!