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Veröffentlicht am 21.04.2023

Kein großer (Schneeball)Wurf

Drei Frauen im Schnee
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Den Roman "heimelig" der Autorin fand ich eben das: heimelig; so war ich auch an die Lektüre von "Drei Frauen im Schnee" in der Erwartung herangegangen, hier einen Wohlfühlroman zu lesen, aber für mich ...

Den Roman "heimelig" der Autorin fand ich eben das: heimelig; so war ich auch an die Lektüre von "Drei Frauen im Schnee" in der Erwartung herangegangen, hier einen Wohlfühlroman zu lesen, aber für mich entsprach die Geschichte letztlich doch eher einem Heftroman, der auf etwas mehr Frauenpower getrimmt war. So ganz warm bin ich mit diesem Buch nun nicht geworden und das liegt nicht daran, dass das Wetter vor dem Fenster derzeit nasskalt und das Wetter in der Geschichte so richtig winter wonderland ist, sondern ich tat mich schon mit der als Erzählerin auftretenden Protagonistin Sonja schwer, bei der mir eingangs noch auffiel, dass ihre 16jährigen Töchter ja wohl bedeuten müssten, sie wäre erst spät Mutter geworden, und bei der es mich dann total überraschte, als sie kurz darauf erzählte, bald 40 zu werden. Ich hatte sie definitiv auf Mitte 50 rum geschätzt, und wenn ich darüber nachdenke, dass die Hauptfigur in diesem Roman, auch wenn die Geschichte bereits Ende 2012 spielt, ebenso alt ist wie meine Generation jetzt: Ich erkenne da einfach keine Schnittpunkte, weder zu irgendeiner der Frauen, mit denen zusammen ich aufgewachsen bin, noch mit mir. Sonjas "moderne" Schwester steht da auf einem ganz anderen Blatt, aber die Hauptfigur habe ich hauptsächlich als trutschig wahrgenommen. Nicht, dass sie mir unsympathisch gewesen wäre, aber ich fand sie eben auch nicht sonderlich sympathisch bzw. von der Hauptfigur eines Romans, in dem es laut Titel und Beschreibung vor Allem um eine Frauenfreundschaft gehen sollte, erwarte ich, dass sie auch so auftritt, dass man sich beim Lesen denkt, man würde sie gerne zum eigenen Freundeskreis zählen können.

Vor Allem hat es mich aber enttäuscht, dass die beiden anderen Frauen überhaupt erst nach der Hälfte des Romans zum ersten Mal auftraten (bis dahin beklagte eine gutgestellte Sonja hauptsächlich die festgefahrenen Weihnachtstraditionen und erwarteten Festabläufe der Familie) und auch später, "im Schnee", wird ihre Freundschaft eher so geschildert, dass sie einträchtig zusammenarbeiten und nach Feierabend mal fröhlich eine Runde Karten spielen. Ich habe im Vorfeld damit gerechnet, dass diese Frauenfreundschaft zwischen den Dreien sehr viel mehr Raum einnehmen würde; tatsächlich ging es aber in erster Linie darum, ob Sonja ihr (Liebes)Leben komplett umkrempeln würde.
Auch die Unterstützung Karins in ihrem vom Ruin bedrohten Hotel bestand eigentlich nur aus der Arbeit im Service (als ob das den Bankrott abwenden würde); da habe ich mich wirklich geärgert, dass Sonja, deren früherer Job in einer Bank erst kurz zuvor wegrationalisiert worden war, zwar sogar kurz darüber nachdachte, sich die Hotelunterlagen vor Karins anstehendem Gesprächstermin bei deren Bank nochmals anzuschauen, jenen Einfall dann aber verwarf, weil "wird schon seine Richtigkeit haben, dass das Hotel kurz vor der Pleite steht; Karin kennt ihre Finanzen schliesslich doch bestimmt genau". Stimmt schon, aber auch Karins Angst, die sie "mit Sicherheit vor diesem Termin hat", hätte man, grade als Freundin, sicherlich schmälern können, wenn man ihr zumindest nur mal angeboten hätte, so einen typischen Banktermin für eine mögliche Hypothek zu üben.

Was mir zudem im Nachhinein auffiel: anfangs wurde echt sehr viel darüber geredet, sinniert, gewitzelt, dass zu Weihnachten 2012 (wieder einmal) der Weltuntergang angekündigt worden war; das war ein vergleichsweise großes Gesprächsthema, welches dann plötzlich fast wie eine heiße Kartoffel fallengelassen worden war.

Heiter oder komisch fand ich hier gar nichts; selbst die paar Quäntchen Situationskomik, die es zumindest bzgl. Weihnachtens gab, wirkten eher bemüht eingestreut. Ich würde das Buch nun zwar stattdessen auch nicht unbedingt als ernst bezeichnen, aber es kam für mich eben nie über den Status "spiessiger Groschenroman zur Weihnachtszeit" (dabei gestehe ich grad Weihnachtsgeschichten auch den allergrößten Schmonz zu) hinaus.

Veröffentlicht am 18.04.2023

Dein Herz, mein Herz

Skaterherz
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Das Herz, das in mir schlägt, ist das, mit dem ich geboren wurde; das Herz, so wie es heute in mir schlägt, ist so nicht das, mit dem ich geboren wurde; es ist geflickt, musste bereits mehrmals neu zu ...

Das Herz, das in mir schlägt, ist das, mit dem ich geboren wurde; das Herz, so wie es heute in mir schlägt, ist so nicht das, mit dem ich geboren wurde; es ist geflickt, musste bereits mehrmals neu zu schlagen beginnen…; und von all der von allerlei Komplikationen geprägten Zeit, die ich auf der Herz- und Gefäßchirurgie verbrachte, ist mir der Abend am Meisten in Erinnerung geblieben, der so unfassbar leise geworden war, als man die Bettnachbarin abholte. So leise. Bis der Rettungshubschrauber kam. Der Helikopter, über den man zuvor mitgeteilt hatte, er würde ihr Spenderherz bringen.

„Skaterherz“ ist ein Jugendbuch, das ich als Erwachsene vor meiner (geplanten) Herz-OP nicht hätte lesen sollen und das ich direkt danach nicht ertragen hätte können. Tatsächlich habe ich es bereits Mitte Dezember 2022 als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen und so neugierig ich auch auf den Inhalt war: ich habe mich nicht dazu überwinden können, es vor den danach erneut anstehenden postoperativen Routinechecks zu lesen; ich habe erst hören müssen, dass mein Herz „gut“ ist.

Die Geschichte beginnt mit dem Unfalltod Boyds, und der damit einhergehenden Transplantation Elias‘. Abwechselnd erzählen nun beide, wie es ihnen geht: Boyd, dem es erst nun dämmert, was es bedeutet, tot zu sein, und den es anfuchst, wie wenig Elias die ihm neu gegebenen Möglichkeiten nutzt, und Elias, der völlig davon überfordert ist, dass etwas körperliche Anstrengung nicht länger gleich seinen Tod bedeuten könnte, und mit Ängsten hadert, die ihn vorher geschützt haben und nun unnötig werden – was absolut authentisch dargestellt ist, ebenso wie die „Freundschaft“ zwischen Elias und Boyd, bei der zwischen den Zeilen, Elias‘ Gewissenskonflikt, das fremde Herz, im Wissen, dass jemand sterben musste, nun als seines anzunehmen, klar erkennbar ist. Dass ihm Boyd nun so klar erscheint, gibt dem Ganzen zwar etwas leicht Mystisches, was aber von Anfang an dadurch gedämpft wird, dass Elias selbst in Betracht zieht, so kurz nach der Transplantation zu halluzinieren, auch wenn er dabei letztlich nachprüfbare Fakten seines Spenders erfährt.

Das Buch, in dem die Konflikte eigentlich nur innerlich stattfanden und das generell eher eben diesen Seelenstress thematisierte; das Spitalgeschehen wirkte da eher wie ein Bilderrahmen; endet versöhnlich und ist von Akzeptanz geprägt.

Mir hat dieser kurze Roman nun sehr gut gefallen, weil er einfach so „echt“ und unaufgebauscht wirkte; ich würde ihm insbesondere auch „beteiligten Dritten“ empfehlen, die sich etwas mehr die Gefühlsachterbahn von ihnen vertrauten Patient*innen hineinversetzen können möchten, deren Umstände sich plötzlich um bis zu 180° gedreht haben und dass bzw. warum es ggf. eben auch anstrengend ist, sich mit dieser objektiv viel besseren Situation (neu) arrangieren zu müssen, wenn das strenge Diktat der Krankheit, das längst zu einem Automatismus geworden ist, mit einem Mal wegfällt und man sich deutlich freier und gedankenloser bewegen kann.

Veröffentlicht am 13.04.2023

Mau

Lass das mal den Opa machen! (Der Offline-Opa 2)
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Dem ersten Habicht-Band war ich letztlich eher mittelprächtig zugetan, da „Günter Habicht“ mir zu wenig originell und im Verlauf auch zu sehr gen Online-Omi Renate Bergmann konzentriert war, aber hatte ...

Dem ersten Habicht-Band war ich letztlich eher mittelprächtig zugetan, da „Günter Habicht“ mir zu wenig originell und im Verlauf auch zu sehr gen Online-Omi Renate Bergmann konzentriert war, aber hatte damals schon entschieden, einem zweiten Buch Günter Habichts doch auch noch eine Chance geben zu wollen, vornehmlich um herauszufinden, ob er sich doch selbst noch mehr als starke Hauptfigur etablieren würde können.
Nein, in meinen Augen hat er das absolut nicht geschafft; tatsächlich fand ich „Lass das mal den Opa machen“ nun noch etwas schwächer als „Wo kommen wir denn da hin“ und stufe diesen Band insgesamt aber als ungefähr gleichwertige Kann-man-muss-man-nicht-Drei-Sterne-Lektüre ein: Vor Allem zum Ende hin verfiel man wieder in die Unart, ständig auf Renate Bergmann zu verweisen, aber hatte man da im ersten Teil noch einige Anekdötchen beizutragen, die vor Allem dazu beitrugen, mal zu zeigen, wie die Online-Omi von ihrem Umfeld wahrgenommen wird, wurde hier eigentlich wieder und wieder zitiert, was die Online-Omi irgendwann mal in Bezug auf Kindererziehung (heute und früher) gesagt hatte, und kurioserweise war Renate Bergmann somit die Figur, die in diesem Buch am Meisten zu sagen schien, denn Günter Habicht ist absolut kein kommunikativer Mensch und selbst wenn er sich mit seiner Frau unterhielt, hatte das was häufig eher etwas von Wohngemeinschaft als von Familie. Und vor Allem in diesem Buch, in dem es doch um das Großvaterwerden geht, hat es mir echt an Herzlichkeit gefehlt (auch wenn Günter hier nun auffällig oft beiläufig betont hat, wie toll er seine Frau -noch immer- findet, aber auch diese kleinen Liebesbekundungen wirkten so konstruiert und übertrieben; wie jemand, der im Gespräch mit Dritten extralaut ist, damit es Erwähnte bloß auch mitbekommen, was er über sie zu sagen hat, denn Brigitte direkt gegenüber kam auch dem Günter eher keines dieser Komplimente über die Lippen); es geht im Übrigen tatsächlich fast ausschließlich darum, Großvater zu werden und nur wenig darum, Großvater zu sein: Da ist auch das Covermotiv missverständlich und es gibt auch nicht eine Szene, in der Günter Habicht tatsächlich selbst die Windeln des Enkels wechselt; allerdings endet das Buch auch bereits kurz nach der Geburt des Enkels. Beginnt das Buch mit dem zum ersten Mal auf den Enkel aufpassenden Günter, ist dies zugleich auch die Schlussszene: Hier erzählt Günter Habicht eigentlich nur, wie er die Schwangerschaft seiner Tochter erlebt hat und was er sich überlegt hat, wie das früher so alles war und was für ein Opa er nun gerne sein möchte.
Das „einzige Abenteuer mit Kinderwagen“, das Günter somit bisher erlebt, ist sein Gang ins Fachgeschäft, um einen Kinderwagen zu kaufen und mir war das Großvatersein letztlich hier viel zu theoretisch; vornehmen kann man sich da ja viel, und okay, eigentlich hat Günter Habicht auch nur wenig anderes getan als sich vorzunehmen, was er als Opa tun wollte, wenn das Kind überhaupt erst da wäre.

Ich habe die Lektüre zwar sehr schnell beenden können; der Schreibstil war wieder eher locker, aber was den Humor angeht, hat mir das Buch eher nur einige eher müde Lacher entlocken können; tatsächlich würde ich das Buch auch eher der leichten Unterhaltung zuordnen, aber definitiv nicht unter „Humor“ kategorisieren. Ich bin mir übrigens noch unsicher, ob ich dem echten Autor hinter Bergmann/Habicht dafür Respekt zolle, so krass unterschiedliche Hauptfiguren entworfen zu haben, oder doch Zweifel daran habe, dass derselbe Autor Bücher für beide Charaktere schreibt, weil sie eben auch in der Darstellung (Bergmann eher aktiv als vorpreschende Erzählerin, Habicht eher passiv der gedankenvolle Beobachter schreibend) so völlig anders sind.
Auf ein weiteres Habicht-Buch bin ich jetzt aber überhaupt nicht mehr neugierig; von mir aus kann dieses Spin-off getrost wieder eingestellt werden.

Veröffentlicht am 09.04.2023

Mehr Drama als Romanze - und eher nix für akut von Essstörungen, oder "frischgeheilte", Betroffene

Cook For My Heart – Das Liebeschaos wird serviert
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Ich mag den Titel dieses Romans nicht und finde diesen “Das Liebeschaos wird serviert”-Untertitel ganz besonders schlimm; noch übler wird der Name für mich dadurch, dass bereits die Kurzbeschreibung keinen ...

Ich mag den Titel dieses Romans nicht und finde diesen “Das Liebeschaos wird serviert”-Untertitel ganz besonders schlimm; noch übler wird der Name für mich dadurch, dass bereits die Kurzbeschreibung keinen Zweifel daran lässt, dass die Protagonistin unter einer eindeutigen Essstörung leidet. Generell finde ich das Cover da zu schmalzig-cosy; es ist meiner Meinung nach viel zu heimelig angesichts der Thematik – die mich übrigens zunächst überlegen lassen hat, ob ich dieses Buch überhaupt lesen sollte. Denn: been there, done that. Wer selbst Erfahrungen mit bzw. eine Vergangenheit in Sachen Anorexia athletica, Sportbulimie etc. hat, läuft hier durchaus Gefahr, getriggert zu werden; mein Wendepunkt war dem von Caroline sehr ähnlich und ich habe an jener Stelle tatsächlich heulend dagesessen, obschon das alles zig Jahre hinter mir liegt. Wer in dieser Hinsicht noch fragil ist: Lest das Buch nicht! Ich denke zwar, es kann hilfreich sein, Angehörigen und Freund*innen die Intensität dieses Verhaltens und die gesamte Problematik ein wenig näherzubringen, aber ich sehe „Cook for my Heart“ vor Allem für AKUT Betroffene als völlig ungeeignet ein.

Die Produktbeschreibung des Verlages, in der die drei Hauptfiguren charakterisiert werden, hatte mich zudem mutmaßen lassen, dass der Roman letztlich von allen Dreien erzählt werden würde; tatsächlich erfährt man aber nur die Perspektive Carolines und generell würde ich den Roman auch eher unter „Jugenddrama“ als unter „NA Romance“ einstufen, denn der Fokus lag doch sehr eindeutig auf Carolines Körper(nicht)bewusstsein und ihrer Selbstwahrnehmung bzw. den Auswirkungen, die ihr Essverhalten auf die mitunter sehr authentisch hilflos wirkende Familie hatte. Dass sie nun zum ersten Mal überhaupt romantische Gefühle entwickelte, war da eher Beiwerk und auch, wenn Simon eindeutig ein gewisses Interesse an Caroline entwickelte, war eigentlich vom ersten Kapitel an klar, dass Caroline sich total in Mitchel verkuckt hatte, dass ich die künstlich aufgebauschte „Für welchen Kerl wird sie sich entscheiden?“-Frage völlig unnütz fand. Ich fand es da die deutlich entscheidendere Frage, ob Caroline das Ende der Geschichte selbst überhaupt noch lebend erleben würde bzw. ob nicht das Interesse beider Jungs an Caroline schlagartig erlöschen würde, wenn sie erstmal das wahre Ausmaß ihres Verhaltens und die damit auch für sie einhergehende Belastung (bitte lasst uns nicht so tun als wäre der Umgang mit einer Essstörung nicht auch für das engste Umfeld des/der direkt Betroffenen eine Herausforderung) erkannten.

Wie gesagt: Es gab zum Schluss hin eine Art Wendepunkt, nach dem aber für mich alles „zu leicht“ geschildert wurde, und ganz generell räume ich ein, dass ich diesen Roman; als Drama, nicht als Romanze!; sehr gerne gemocht habe, aber nun wirklich kurz überlegt habe, ihm wegen des ganzen Endes doch einen Stern abzuziehen, da es mir einfach nur zu abrupt kam. Ich habe einfach selten einen eigentlich in sich geschlossenen Roman gelesen, dessen Ende dabei doch so laut nach einer Fortsetzung rief, weil eben doch nicht so einfach so schnell alles so gut sein könne.

Veröffentlicht am 23.03.2023

Was lange währt, hört endlich auf.

Das Sanatorium
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Wie man bei totaler Ahnungslosigkeit ein Cover gestaltet: unbedingt eine aufregende Catch Phrase gut sichtbar platzieren, wie z.B. „Du willst hier gar nicht mehr weg. Bis es zu spät ist.“ Völlig egal, ...

Wie man bei totaler Ahnungslosigkeit ein Cover gestaltet: unbedingt eine aufregende Catch Phrase gut sichtbar platzieren, wie z.B. „Du willst hier gar nicht mehr weg. Bis es zu spät ist.“ Völlig egal, dass die mit ihrem Lebensgefährten anreisende Protagonistin schon während der Anreise die abgelegene Lage des neuen Luxushotels verflucht, und der ganze Aufenthalt davon geprägt ist, dass man hofft, möglichst bald wieder von dort wegzukommen. Ganz zu schweigen von der als total unangenehm empfunden beschriebenen Atmosphäre des Hotels, in dem sich immer mal wieder Memorabilien in Form altertümlicher medizinischer Instrumente finden, die früher im Sanatorium Anwendung fanden und im Hotel nun als sehr eigentümliche Dekoobjekte herhalten – klar wer gibt nicht gerne ein paar Hundert Franken pro Hotelübernachtung aus, um am Frühstücksbüffet dann genau diejenigen Stahlspitzen zu bestaunen, die genau dort, wo jetzt der Brötchenkorb steht, ein paar Jahrzehnte zuvor Leuten zwecks Lobotomie ins Hirn gerammt wurden? Da dürfte Elin Warner, Hauptfigur und derzeit freigestellte britische Kriminalbeamtin, nicht die Einzige sein, die dem gegenüber ein gewisses Unbehagen verspürt.
Generell wird das Gebäude übrigens auch an nicht einer Stelle so beschrieben als dass es Ähnlichkeit mit dem auf dem Cover gezeigten Anwesen haben könnte, sondern merkwürdigerweise wie ein so lieb- und trostloser Kasten, dass ich mich teils schwertat, mir ein umgebautes Sanatorium vorzustellen anstelle eines abgerissenen Sanatoriums, das durch einen hässlichen Betonklotz ersetzt worden war.

Ich liebe Locked-In-Thriller gemeinhin, erst recht wenn sie eine Eingeschneit-Thematik beschreiben; und ich habe Reese Witherspoons Buchclub-Empfehlung tatsächlich im Vorfeld als echte Empfehlung verstanden, aber: „Das Sanatorium“ war für mich ein echter Reinfall.
Gleich am Anfang wird eine Figur verschleppt, was niemand mitbekommt, und zunächst einmal geht es nur darum, dass Elin aufgrund eigener Flashbacks ihren Bruder verdächtigt, in ihrer Kindheit ein als Unfall getarntes Verbrechen begangen zu haben, und dass nun irgendwie geklärt wissen will, aber mit ihrem Bruder reden will sie andererseits auch nicht. Kurz: Es passiert nichts. Schneesturm, Lawine, knapp 40 Leute konnten nicht rechtzeitig evakuiert werden und sitzen da nun gemeinsam fest, aber in „Das Sanatorium“ spielt nur eine Handvoll dieser Menschen eine Rolle. Der Rest tritt überhaupt nicht in Erscheinung, sondern sitzt ganz ruhig im Hintergrund und selbst als dann, nachdem der Roman schon fast halb rum ist, doch zumindest mal ein erstes Mordopfer entdeckt wird, findet nicht einmal ein „Die Anderen werden allmählich unruhig.“ Erwähnung.
Es bleibt nicht bei einem Opfer und ich habe noch nie einen Thriller gelesen, in dem es derart gleichgültig bis völlig abgebrüht aufgenommen wurde, dass da plötzlich mehrere „frische“ Mordopfer umherlagen.

Elin hat als britische Polizistin in der Schweiz natürlich gar keine Befugnis, aber nun ist sie halt als „Profi“ schon vor Ort und sonst kann ja grad keiner mehr dahinkommen. Profi in Anführungszeichen, denn Elins Überlegungen, ob sie überhaupt in den aktiven Dienst zurückkehren soll, sollten rational gesehen einfach nur zu einem „Gott bewahre! Bloß nicht!“ führen: sie ist die mieseste Ermittlerin, die ich je erlebt habe, und ich denke nicht, mich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich behaupte jeder Hobby-Detektivin könnte problemlos mit ihr konkurrieren.
Natürlich löst sie den Fall letztlich korrekt auf (allerdings wirklich auch erst als Zweite) – aber erst nachdem sie ihn bereits drei, oder waren es gar vier, Mal falsch gelöst hatte. Jedes noch so kleine Indiz führte sehr schnell zu: „Heureka, ich hab’s: XY war’s!“, ehe unmittelbar darauf deutlich wurde, dass XY es eben keinesfalls gewesen sein konnte.

Nach 60% des Romans, und ich kann mir ehrlich gesagt selbst nicht erklären, dass ich ihn bis dahin nicht längst abgebrochen hatte, nahm die Geschichte Fahrt auf und wurde überhaupt erstmal zum Thriller und Whodunnit; bis dahin war es meiner Meinung nach in erster Linie echt nur ein quälend undurchsichtiges Geschwisterdrama; da war ich tatsächlich gespannt, wie das alles aufgedröselt werden würde und wer der Bösewicht war - der ganz zum Schluss übrigens höchstpersönlich groß und breit ausführen musste, was er warum getan hatte und wie die ganzen Zusammenhänge waren, damit das überhaupt offensichtlich und verständlich wurde. Denn Elin hatte sich auch hier wieder rein auf Indizien verlassen und wusste eigentlich gar nichts außer dass dies nun ganz bestimmt (also vielleicht) der wahre Bösewicht sein müsste.
Kurz: sämtliche Ermittlungsarbeit war im Grunde genommen einfach nur ein Ins Blaue raten.

Der Epilog ließ nun darauf schließen, dass es noch weitere Bände rund um Elin Warner geben soll, aber für mich gilt auch da lediglich: „Gott bewahre! Bloß nicht!“