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Laurin_tanzt

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.04.2022

Gute Idee - Schwache Umsetzung

Liquid
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Cover:
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Das Cover fand ich genial für diese dystopische Idee: Eine Spritze mit Flüssigkeit als Gebäude in eine Stadt integriert. Und dann alles auf den Kopf gestellt. Ein toller Eyecatcher, ...

Cover:
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Das Cover fand ich genial für diese dystopische Idee: Eine Spritze mit Flüssigkeit als Gebäude in eine Stadt integriert. Und dann alles auf den Kopf gestellt. Ein toller Eyecatcher, den ich gerne als Plakat hätte.

Inhalt:
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Die Wissenschaftlerin Madeleine Alberti arbeitet in einer Stadt in der Wüste Mexikos an einem Projekt, bei dem Pflanzen so programmiert werden sollen, dass sie mit wenig Wasser auskommen. Rein zufällig entdeckt sie, dass ihr Projekt nur eine Tarnung ist und dass sie unwissentlich Teil eines viel größeren Projektes ist. In diesem geht es um die Abschaffung von Bargeld. Jeglicher Zahlungsverkehr, aber auch jegliche Überwachung des Menschen geschieht durch Injektion eines flüssigen Chips. Entsetzt darüber nimmt sie mit Richard Weigelt in Deutschland Kontakt auf, der eine Initiative gegen Bargeldabschaffung gegründet hat. Von da ab ist sie auf der Flucht.

Mein Eindruck:

"Die Menschen blieben stumm, und allgemein empfand man das Verschwinden des Bargelds als Ausdruck einer irgendwie neu entflammten Modernität, als das Einläuten einer neuen Epoche."

Das Thema fand ich sehr spannend und der Beginn des Romans, der mit der Flucht von Madeleine beginnt, war sehr spannend. Man fiebert mit, ob und wie ihr diese Flucht gelingt. Interessant fand ich auch, dass der Autor aktuelle Fakten wie die Corona-Pandemie, Impfpflicht, Flutkatastrophe sowie einige Fakten aus Vorträgen zum Thema Bargeld vs. digitalem Bezahlen in den Roman eingeflochten hat. Die Tatsache, dass die Handlung in sehr naher Zukunft, nämlich 2029 angesiedelt ist und einige VIPs der aktuellen Zeit in der Handlung eine Rolle spielen, lässt einen manchmal erschaudern. Die Vermischung aktueller Fakten mit Fiktion bringt einen zum Nachdenken.
Was mich jedoch zunehmend gestört hat, ist zum einen die Tatsache, dass die Flucht von Madeleine den überwiegenden Teil dieses Romans ausmacht und ihn dadurch sehr in die Länge zieht. Auch war ich genervt, dass die Bezeichnung der Protagonisten zwischen Vorname, Nachname und dem neuen Decknamen Madeleines beliebig gesprungen ist. Es schien, als könnte der Autor sich nicht entscheiden. Die Liebesgeschichte zwischen Madeleine und Richard erschien mir sehr unglaubwürdig. Madeleine hat ihn nie gesehen und verliebt sich sofort nach dem ersten Telefonat, Richard ergeht es fast ebenso. Die beiden benehmen sich wie naive Teenager. Dadurch konnte ich mit keinem Protagonisten warm werden. Auch reitet der Autor immer wieder auf den gleichen Fakten rum. Viele Dinge werden im Roman und auch oft innerhalb einer Szene wiederholt, als wäre der Leser dumm und würde es nicht schon beim ersten Mal verstehen oder als wollte der Autor sichergehen, dass diese Argumente vom Leser auf jeden Fall beachtet werden. Dieser erhobene Zeigefinger gefiel mir nicht und störte den Lesegenuss.

Gegen Ende wurde es dann zwar doch noch etwas spannend, aber viele Handlungsstränge wurden angerissen, jedoch nicht zu Ende geführt. Letztendlich habe ich mich zwingen müssen, das Buch zu Ende zu lesen. Es ließ mich zwar nachdenklich, aber nicht befriedigt zurück. Schade, der Autor wollte einfach zu viele Gedanken auf einmal präsentieren, was leider auf Kosten eines flüssigen und spannenden Romans ging.

Fazit:
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Interessante Gedanken über Bargeldabschaffung und dessen Folgen - leider nicht gut umgesetzt im Roman

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Veröffentlicht am 22.03.2022

Vielschichtig und spannend

Die Kinder sind Könige
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Inhalt:
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Sam und seine jüngere Schwester Kim werden seit ihrer Geburt von ihrer Mutter Melanie gefilmt und die Filme auf YouTube und anderen Social Media Kanälen verbreitet. Das Konzept ...

Inhalt:
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Sam und seine jüngere Schwester Kim werden seit ihrer Geburt von ihrer Mutter Melanie gefilmt und die Filme auf YouTube und anderen Social Media Kanälen verbreitet. Das Konzept ist so erfolgreich, dass die Kinder immer häufiger gefilmt werden und die Familie durch die Einnahmen sehr vermögend leben kann. Dann verschwindet Kim plötzlich nach einem Versteckspiel und obwohl sie so bekannt ist, bleibt sie verschwunden. Die Polizistin Clara ist an der Ermittlung beteiligt und bekommt dabei eine Ahnung von einer Welt,die nicht so funktioniert wie die, die sie bisher kannte.

Mein Eindruck:
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"Diese Frau war weder Opfer noch Henker, sie gehörte zu ihrer Epoche. Einer Epoche, in der es normal war, dass man gefilmt wurde, noch bevor man zur Welt kam. Wie viele Ultraschallbilder wurden jede Woche auf Instagram oder Facebook veröffentlicht? Wie viele Kinder- und Familienfotos, wie viele Selfies? Und wenn das Privatleben nur noch ein überholtes, abgelaufenes Konzept war oder, schlimmer noch, eine Illusion? Wenn jemand das wusste, dann Clara."

Ich hatte schon viel von der Autorin gehört, aber dies ist das erste Buch, das ich von ihr gelesen habe. Die Thematik hat mich angelockt und meine Erwartungen wurden sogar übertroffen.
Der Roman ist sehr vielschichtig aufgebaut. Man erfährt im Wechsel zunächst etwas über die Entwicklung von der Mutter Melanie Claux sowie von Clara, der Polizistin. Die eine fühlt sich in ihrer Familie als drittes Rad am Wagen und sucht verzweifelt Liebe und Aufmerksamkeit in den Medien. Die Geburt ihrer Kinder verhelfen ihr plötzlich zusammen mit den Social Media-Instrumenten zu ihrem Traum-Leben und sie steigert sich völlig hinein. Mehr noch: sie zieht ihre Familie ohne Rücksicht auf Verluste mit. Dabei merkt sie nicht, welchen Schaden sie bei ihren Kindern, die doch als "Könige" behandelt werden, anrichtet.
Dann ist da Clara, die körperlich eher klein ist und als Polizistin zwar den Härten des Lebens trotzt, innerlich jedoch gerne lieber verschwinden möchte und sich dem Boom der Influencer sowie der zunehmenden digitalen Bewachung zu entziehen versucht. Diese beiden Charaktere treffen durch die Ermittlung um Kims Verschwinden immer wieder aufeinander. Die Autorin versteht es dabei, durch die wechselnden Einblicke in die Gefühle und Gedanken der Protagonisten Verständnis des Lesers zu wechseln, aber auch eine permanente Spannung aufzubauen.
Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen wollte, ob und wie der Fall um das Verschwinden aufgelöst wird. Zwischendurch entwickelte ich eine leise Ahnung und doch hat mich die Auflösung dann doch überrascht.
Dephine de Vegan versteht es hervorragend, ihre kritischen Gedanken zum Thema Social Media und Digitalisierung in die Handlung einzubauen. In der Regel endet ein Krimi, nachdem ein Täter gefunden ist. Tatsache ist aber, dass man hier nicht wirklich über "den Täter" reden kann und letztendlich die wahren Täter, die ihre Kinder letztendlich durch das permanente Filmen und Präsentieren seelisch missbrauchen, zunächst rechtlich ungeschoren davon kommen. In diesem Roman wird ein Ausblick auf 20 Jahre in die Zukunft gewährt, ins Jahr 2031. Man erfährt, was mit den Protagonisten bis dahin geschehen ist, welche Spuren die ständige Internet-Präsenz bei den Kindern hinterlassen hat und wie die nahe digitale (und in diesem Kontext rechtliche) Zukunft für uns aussehen kann.
Ich empfand den Roman durch die wechselnden Perspektiven und das Einstreuen von Informationen über Technik und Psychologie als unglaublich vielschichtig und spannend. Er hinterlässt beim Leser Spuren, über die aktuelle Gesellschaft und ihre Entwicklung sowie das Thema Digitalisierung und Überwachung gründlich nachzudenken. Ich werde definitiv weitere Bücher der Autorin lesen.

Fazit:
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Psychologisch vielschichtig und spannend geschrieben - Gefahren von Social Media werden hier emotional greifbar

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.07.2021

Weltraumwissen für Erstleser

Wieso? Weshalb? Warum? Erstleser, Band 4: Weltraum
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Cover:
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Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet, man kann auf den ersten Blick erfassen, um welche Reihe und welches Thema es sich handelt, dass es für Erstleser geeignet ist und es zur Motivation ...

Cover:
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Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet, man kann auf den ersten Blick erfassen, um welche Reihe und welches Thema es sich handelt, dass es für Erstleser geeignet ist und es zur Motivation Sticker und Rätsel gibt. Der Astronaut im Vordergrund begleitet den Leser durchs weitere Buch und schaut einen freundlich an.

Inhalt:
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Dieses Sachbuch über den Weltraum führt Erstleser in kurzen und gut verständlichen Sätzen in die Thematik ein. Auf der Wissensreise wird das Kind von einem Astronauten begleitet, der wie eine Comic-Figur zu dem Kind spricht. Das Oberthema Weltraum ist in die Unterthemen Weltraum, Sonnensystem. Fliegen ins Weltall sowie Erforschen des Weltraums eingeteilt und die einzelnen Themengebiete sind farblich markiert, sodass man sich schnell zurechtfindet. Am Ende eines jeden Unterthemas kann das gelesene mithilfe von Leserätseln spielerisch vertieft werden. Und am Ende des Buches gibt es ein Lesequiz sowie ein Leselotto, für das man leider das Buch zerschneiden muss. Das Gleiche gilt für den Stickerbogen am Ende, der dazu dient, das Bild der Raumstation in der Mitte des Buches zu vervollständigen.

Mein Eindruck:
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Ich habe das Weltraumbuch zusammen mit meiner Tochter (fast 8 J., erste Klasse) erkundet. Am besten haben uns die verständlichen und kurzen Kapitel sowie die schönen farblichen Illustrationen gefallen. Auch ich habe beim Lesen einiges dazu gelernt bzw. besser verstanden. Etwas bedauert hat meine Tochter, dass der begleitende Astronaut keine Frau war bzw. man hätte hier geschlechtsneutral auch abwechselnd einen Mann und eine Frau oder ein Astronautenteam aus beiden Geschlechtern als Begleitperson wählen können. Das wäre etwas zeitgerechter gewesen. Die Rätsel haben ihr viel Spaß gemacht, allerdings brauchte sie manchmal meine Unterstützung. Was uns beiden nicht so gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass man im Buch bzw. mit dem Buch arbeitet und das Buch somit nicht einfach später an ein anderes Kind weitergeben kann. Einmal gebraucht, bietet es für ein zweites Kind nur den halben Nutzen.
Ich habe daher die Rätsel und das Leselotto kopiert und wir haben mit den Kopien gearbeitet. Hier würde ich mir wünschen, dass der Verlag alternativ die Arbeitsmittel dieses Buches per Download zur Verfügung stellt. Dann könnte man das Buch auch gut im Rahmen von Unterricht einsetzen. Dafür und für die mangelnde Geschlechtsneutralität ziehen wir einen Punkt ab.
Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Erstleser-Reihe sehr gelungen ist, um Erstklässlern komplizierte Themen altersgerecht nahe zu bringen und dabei den Spaß am Lesen und Schreiben weckt. Gerne mehr davon!

Fazit:
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Weltraumwissen für Erstleser altersgerecht präsentiert - motiviert zum selber lesen und macht Spaß!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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  • Handlung
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Veröffentlicht am 09.07.2021

Höhen und Tiefen des Vanlife sowie ein spannendes Beziehungsexperiment

Happy Road
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Cover:
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Das Bild wirkt im ersten Moment etwas trostlos: überall Schnee, der Van abgerutscht am Straßenrand und davor die Autorin dick in Wintersachen eingepackt und nicht glücklich aussehend. Gepaart ...

Cover:
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Das Bild wirkt im ersten Moment etwas trostlos: überall Schnee, der Van abgerutscht am Straßenrand und davor die Autorin dick in Wintersachen eingepackt und nicht glücklich aussehend. Gepaart jedoch mit dem humorvollen und glücksverheißenden Titel, vor allem mit dem leicht abgekippten "y" macht das Buch schon wieder neugierig. Es strahlt irgendwie finnischen Humor aus.

Inhalt:
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Sarah wollte sich gerade von einer langjährigen Beziehung erholen, da lernt sie im Österreich-Urlaub den Skilehrer Mathias kennen. Es funkt zwischen beiden und als Sarah erneut von Berlin zu Mathias nach Österreich reist, schauen sie gemeinsam eine Sendung über Leute, die mit einem Van durch die Gegend reisen. Spontan beschließen sie, dies auch zu versuchen. Es soll ein Abenteuer werden und gleichzeitig der Test, ob ihre Beziehung Bestand hat. Praktischerweise ist Mathias' Wagen gerade kaputt gegangen und ein neuer muss her. Also gleich mit Hilfe seines Bruders einen passenden VW-Bus besorgt, umgebaut und losgefahren.

Mein Eindruck:
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Als ich die Beschreibung las, war ich sofort gepackt. Ich fand das Beziehungsexperiment sehr spannend, zum einen sind da die "Kulturunterschiede" Österreich-Deutschland, die es zu überwinden gilt, zum anderen versprach es spannend zu werden, wie die beiden miteinander auf engstem Raum auskommen, obwohl sie sich bis dato kaum kennen.
Was mir direkt auf den ersten Seiten gut gefiel, ist die Ehrlichkeit und auch der Humor, mit dem die Autorin ihre gemeinsame Reise beschreibt. Sie romantisiert nicht, sondern schildert auch ehrlich ihre Konflikte und negativen Gefühle. Auf den ersten Blick sind die beiden wie Feuer und Wasser - chaotisch skeptisch versus organisiert optimistisch und doch oder deshalb ergänzen sie sich so gut. Allerdings haben sie trotz der anfänglichen Spontanität ihres Entschlusses doch viele Eventualitäten und Details vor der Reise miteinander besprochen.

"Uns war von Anfang an klar, dass diese Reise auch der Lackmus-Test für unsere Beziehung werden würde und wir hatten beschlossen, mit allen Mitteln ein positives Testergebnis herbeizuführen: Das hieß in erster Linie viel Kommunikation, Rücksichtnahme und Toleranz gegenüber den guten wie schlechten Angewohnheiten des jeweils anderen. " (S. 111)

Das kommt ihnen auf ihrer Reise auch zugute. Das Gleiche gilt für die Van-Ausstattung, die sie vorher genau besprochen und geplant haben. So bekommt der Leser nebenbei auch jede Menge praktische Tipps zum Thema Wäsche waschen im Van, Outdoordusche und wie man am besten dem Toilettenproblem unterwegs begegnet.

Doch auch wenn vieles vorausgeplant war, so treten auf der Reise doch ungeahnte Probleme auf, die ihre Beziehung und ihre Reisefreudigkeit auf eine harte Probe stellen, wie z. B. Mathias' Glutenunverträglichkeit, die ihm häufig Magenschmerzen beschert und schließlich die zunehmende Dunkelheit und Kälte am Nordkap, die sie fast dazu zwingen, die Reise abzubrechen. Die Schilderungen und die dazu geführten Gespräche gibt die Autorin offen wieder und lässt den Leser somit teilhaben an ihren Gefühlen. Das hat mir sehr gut gefallen, man war dadurch mittendrin im Geschehen. Zwischendurch gibt es auch immer wieder viele Momente zum Lachen, vor allem wenn Sarah die Dialoge mit ihrem "Lieblingsösterreicher" wiedergibt, wenn sie auf hochdeutsch redet und er mit seinem Dialekt kontert. Sein "Ge, Sarah, scheiß di ned oa!" Wird zum Running Gag in diesem Buch und ich kann mich jedes mal köstlich darüber amüsieren. Interessant sind auch die vielen Zufallsbekanntschaften und damit verbundenen Erlebnisse der beiden. Sarahs Beobachtungsgabe zeugt dabei von humoriger Scharfsicht und auch über ihr eigenes (Gemüts)Leben denkt sie ehrlich und ungeschönt nach.

"Diese Beobachtungen bringen mich zu der Überlegung, wo Mathias und ich auf diesem Spektrum einzuordnen sind. Irgendwo zwischen Teilzeit-Aussteigern, digital Nomads und Vollzeitreisenden, nehme ich an. Fakt ist, dass ich noch lange nicht reisemüde bin und mir dieser Lebensstil von Tag zu Tag mehr zusagt. Andererseits halte ich die Krankenversicherung für eine der bedeutendsten und wichtigsten Errungenschaften der Menschheit und meine Fähigkeiten im Jonglieren oder Seifenblasen machen sind äußerst beschränkt. Und arbeitslos könnte ich ebenfalls nicht lange sein, habe ich doch bereits auf dieser Reise gemerkt, wie viel Freude es mir bereitet, unterwegs für Zeitungen und Magazine zu schreiben" (S. 229-230)

Gut gefällt mir auch die Gestaltung und Aufteilung der Kapitel: Jedes Kapitel erzählt über einen bestimmten Ort bzw. einem bestimmten Erlebnis dort und zwischen den Kapiteln befinden sich immer wieder schöne, stimmungsvolle Fotos der Reise. Das ist schöner als bei vielen Büchern, bei denen die Fotos nur am Ende oder in der Mitte gebündelt zu finden sind. Abgerundet wird das Erzählte durch Literaturtipps am Ende, in denen man noch mehr Informationen über das Leben von Vanlifern bekommen kann. Ergänzend zum Buch kann ich auch die Homepage der beiden empfehlen, auf der man noch mehr praktische Tipps und schöne Fotos von ihren Touren zu sehen bekommt.

Fazit:
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Humorvoller und authentischer Roadtrip mit praktischen Tipps fürs Vanlife- und Beziehungs-Leben

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Veröffentlicht am 24.06.2021

Eine Familie sucht und (er)findet sich neu

Wir-Zeit
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Cover:
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Auf dem Cover ist die mittlerweile fünfköpfige Familie zu sehen, offenbar auf einem Fels mit Blick aufs Meer. Man spürt die Natur und das Gefühl von Freiheit und es weckt Sehnsucht ...

Cover:
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Auf dem Cover ist die mittlerweile fünfköpfige Familie zu sehen, offenbar auf einem Fels mit Blick aufs Meer. Man spürt die Natur und das Gefühl von Freiheit und es weckt Sehnsucht beim Betrachter. Sehr schön!

Inhalt:
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Die Autorin Susanne Dyrchs und ihr Mann Chris reiben sich zwischen Karriere und Familie auf. Die beiden Kinder Joe und Frieder sind häufig unterwegs in der Kita, bei Freunden, Hobbys oder den Großeltern. Alle sehen sich kaum, Joe leidet zudem an Neurodermitis, die kaum in den Griff zu bekommen ist. Susanne und ihr Mann beschließen, dass sich etwas ändern muss. Ein Jahr vor Joes Einschulung vermieten sie ihre Wohnung, geben den Hund zu Freunden und starten mit ihren Kindern eine Weltreise. Sie wollen runterkommen, sich neu als Familie kennenlernen und neu definieren und dabei die Welt und neue Kulturen erkunden.

"Ist es das wert? Oder kritisch gefragt: die Weltreise als Problemlöser? Laufen wir einfach nur weg oder laufen wir uns frei? Ist das eine Blase, in der wir nun seit Monaten leben, und die wir, sobald sie platzt, wieder verlassen, bis wir langsam wieder auf dem Boden der Tatsachen landen? Oder verändert uns diese Reise nachhaltig?" (S. 198)

Mein Eindruck:
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Ich muss gestehen, dass es mir zu Beginn schwer fiel, mit der Autorin warm zu werden, da der Lebensstil dieser Familie sich sehr stark unterschied von dem, was meine Familie praktiziert. Doch nach und nach gefiel mir die Ehrlichkeit der Autorin sowie die Entschlossenheit, mit der sie und ihr Mann sich über die skeptischen Meinungen ihres Umfeldes hinwegsetzten. Die Planlosigkeit, mit der sich die Familie ins Abenteuer stürzt, hat mich dann des Öfteren einfach nur Schmunzeln lassen. Zudem hatte ich vor der Courage großen Respekt und war erstaunt, auf welche Art und Weise sie ihre Aufenthalte gestaltet und finanziert haben. Ich wusste bis dato nicht, dass man durch Hilfe auf Biofarmen sowie Pet- und Housessitting auch als Familie im Ausland über die Runden kommen kann. Auch hat mich die Offenheit des Ehepaars und die ihrer Kinder gegenüber anderen Kulturen sehr beeindruckt. Als Leser wird man immer mehr Teil der Reise und erlebt hautnah mit, wie sich in der Familie und ihrem Lebensstil eine Wendung vollzieht. Am Ende habe ich realisiert, dass ich einige Erkenntnisse, die Frau Dyrchs hatte, bereits jetzt schon lebe, aber gleichsam hatte ich auch die Erkenntnis, dass ich selber toleranter gegenüber anderen Lebenseinstellungen werden sollte und jeder Mensch seine Weise und sein Tempo hat, sich zu verändern.

"Viele Familien hätten sicher keine Reise um die Welt gebraucht. Das Reisen ist nicht der richtige Weg, denn jede Familie ist einzigartig, hat ihre eigene Geschichte, ihre spezifischen Wirkungskreise, ihre individuellen Herausforderungen und Charaktere. Für unsere Familie aber ist diese Wir-Zeit der Schlüssel zu einem neuen Kapitel unseres Lebens." (S. 218)

Dennoch beschönigt die Autorin nichts, sondern schildert realistisch auch die nicht so angenehmen Seiten des Reisens:

"Wir-Zeit ist auch Arbeitszeit. Organisation, Logistik und Kinderbetreuung sind unterwegs aufwendiger als wir vorher dachten. Auch die Auseinandersetzung mit dem »Wir« erfordert Kraft! Es ist wie eine kleine Familien-Operation am offenen Herzen. Unsere Wir-Zeit soll kein Adrenalinrausch sein, sondern ein gemeinsames Durchatmen. Und gerade die Zeiten zwischen den sogenannten Highlights unterwegs stellen sich als wahre Familienschätze heraus." (S. 194)

Als die Familie auf die Reise geht, sind sie noch zu viert, bei ihrer Rückkehr zu fünft. Die Art und Weise, wie die Autorin mit ihrer Schwangerschaft umging, hat mir sehr imponiert. Ich bin mir sicher, dass ich diesen Mut nicht gehabt hätte. Vielleicht zeigt es aber auch, dass wir uns hierzulande viele zu viele Gedanken über Schwangerschaft und Geburt machen und mehr auf uns und unseren Körper hören sollten.
Im Laufe der Lektüre konnte ich mich auf das mentale Mitreisen immer mehr einlassen, habe viel über andere Länder und Kulturen gelernt, aber auch über das Zusammensein und Neu-Erfinden als Familie. Frau Dyrchs hat mir mit ihren offenen Gedanken viel Stoff zum Nachdenken gegeben.
Am Ende der Reise versucht sich die Familie vergeblich wieder in ihr altes Leben zu integrieren. Das letzte Kapitel fühlt sich für mich nicht so ganz rund an. Hier hat mir noch ein kurzer Einblick in das aktuelle Leben der Familie gefehlt. Den letzten Teil des Buches füllt ein langer Foto-Abschnitt mit Momentaufnahmen von Familienmitgliedern auf Reisen. Die Fotos wirken sehr natürlich und wecken bei mir die Reisesehnsucht.
Wünschenswert wären noch ein paar Webseitentipps gewesen, die der Familie auf ihrer Reise hilfreich waren.

Fazit:
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Ein ehrlich geschriebenes Buch über das Reiseabenteuer einer Familie, die sich dabei selbst neu kennenlernt und ihr gemeinsames Leben neu findet.

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