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Veröffentlicht am 28.10.2025

Düstere Zukunftsprognose

Das Dream Hotel
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Sara erlebt einen Alptraum. Auf dem Rückweg einer Dienstreise wird sie plötzlich angehalten, denn ihr Risikowert für potentielle Straftaten ist erhöht. Plötzlich findet sie sich in einem Einbehaltungszentrum ...

Sara erlebt einen Alptraum. Auf dem Rückweg einer Dienstreise wird sie plötzlich angehalten, denn ihr Risikowert für potentielle Straftaten ist erhöht. Plötzlich findet sie sich in einem Einbehaltungszentrum wieder, nahezu ohne Rechte, karg, eingeschlossen und vor allem abgetrennt von ihrer Familie und ihrem alten Leben.

Laila Lalami schafft es am Beispiel von Sara und einigen ausgewählten anderen Einbehaltenen die Stimmung an diesem Ort hervorragend zu zeichnen. Wie sie alle unter Verdacht stehen und es trotz engmaschiger Überwachung Freundschaften gibt. Wie versucht wird, Lücken auszunutzen und wie dafür gebüßt wird.
Doch nicht nur das Verhalten, sondern die seelische Verfassung der Frauen steht im Vordergrund. Ungläubigkeit, Zuversicht, Resignation, Wut und Verzweiflung bis sie sich schließlich anpassen aus Angst vor weiteren Repressalien („Sie hat so gut gelernt, eine neutrale Maske aufzusetzen, dass sie befürchtet, diese Maske könnte eines Tages ihr einziges Gesicht sein.“ S. 212). Das mitzuerleben macht wütend und traurig zugleich.

Auf den knapp 500 Seiten gibt es äußerst wenig Wiederholungen, vielmehr wird die Geschichte der Sara immer weiterentwickelt. Das fand ich großartig, befürchtete ich doch, dass die Geschichte sich irgendwann auserzählt.

Während des Lesens fragte ich mich immer, wie weit bzw. nah wir tatsächlich an den technischen Möglichkeiten sind, die im Buch beschieben erzählt werden. Was passiert, wenn Träume wirklich ausgelesen werden können? Wer darf überhaupt solche Daten nutzen? Wie sehr wollen wir uns überwachen und beeinflussen lassen von der Technik? Laila Lalami wirft diese Fragen durch das Handeln und Denken ihrer Protagonistinnen auf. Nie erzählt sie mit erhobenem Zeigefinger. Gerade das macht das Buch so eindringlich. Bei mir jedenfalls wirkt es lange nach.

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Veröffentlicht am 26.10.2025

Zeitreise in die 70er Jahre

Die Frau der Stunde
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Wer eintauchen will in die 70er Jahre im damaligen Westdeutschland ist bei Heike Specht genau richtig. Der Zeitgeist von damals wird hervorragend transportiert. Es wird geraucht, getrunken, getanzt. Die ...

Wer eintauchen will in die 70er Jahre im damaligen Westdeutschland ist bei Heike Specht genau richtig. Der Zeitgeist von damals wird hervorragend transportiert. Es wird geraucht, getrunken, getanzt. Die gängigen Musiktitel finden ebenso Erwähnung, wie einige typische sprachliche Besonderheiten dieser Zeit.

Drei Frauen stehen im Mittelpunkt der Geschichte: Catharina, die aufgrund eines Fehlverhaltens ihres Vorgängers plötzlich Außenministerin wird, Azadeh, die den politischen Umbruch im Iran unterstützen und begleiten möchte und Suzanne, die zwischen ihrem Job als Journalistin und Mutter fast zerrissen wird.
Immer wenn die 3 Frauen interagieren, ist eine gewisse Dynamik da und der Zeitgeist lebt auf. Ich mochte es, wie die drei trotz aller Unterschiedlichkeit füreinander da sind. Leider blieben aber alle drei Charaktere auf sehr wenige Eigenschaften beschränkt, die in unermüdlichen Wiederholungen an die Leserin gebracht werden.

Der Klappentext verspricht: „Mit ihrer eingeschworenen Frauen-Clique, einigen Gin Tonics und noch mehr Zigaretten manövriert sich die Politikerin Catharina Cornelius im Bonn der späten 70er hinreissend klug durch den Sumpf der Altherren-Elite.“ Und genau diese Manöver werden im Buch zwar als ebensolche erwähnt, was aber tatsächlich passiert, wie genau sie agiert, was ihre Schachzüge sind, bleibt unerwähnt. Und genau das hätte für mich den Reiz eines Buchs inmitten der Politik der späten 70er ausgemacht. Stattdessen lese ich, wie sich Katharina den Chignon richtet.

Sehr schade, denn die ganze Anlage des Buchs von fiktiven Personen in realen zeitgeschichtlichen Geschehnissen gefällt mir gut. Auch die Tatsache dass man einen Teil der (verfremdeten) Politiker dennoch zu erkennen glaubt, macht für mich die Geschichte durchaus lesenswert.

Das Cover des Buchs spielt ebenso wie der Titel auf bestimmte Momente im Buch an und gefällt mir sehr gut.

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Veröffentlicht am 26.10.2025

Großartige Weiterentwicklung der Reihe

Bodenfrost
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Als bekennender Fan der Reihe um Kreuthner und Wallner bin ich auch von „Bodenfrost“ wieder begeistert. Chapeau für den Autor Andres Föhr, dass er das Niveau der Reihe auf Dauer so hochhält. Ich spüre ...

Als bekennender Fan der Reihe um Kreuthner und Wallner bin ich auch von „Bodenfrost“ wieder begeistert. Chapeau für den Autor Andres Föhr, dass er das Niveau der Reihe auf Dauer so hochhält. Ich spüre keine Abnutzungserscheinungen, weder bei den Figuren noch bei meiner Lesebegeisterung. Im Gegenteil, die Figuren werden immer noch ein Stückchen weiterentwickelt, ohne dass es zu viel Raum einnimmt.

Was Raum einnimmt, sind die Eigenarten der Personen. Das Schlitzohrige am Kreuthner, wie er sich selbst mit voller Geschwindigkeit in die Bredouille bringt und wieder raus schlawinert. Das Korrekte am Wallner, der irgendwie versucht, seine Truppen zu leiten und zunehmend zu schätzen weiß, was Kreuthner da so ermittelt. Und der auf einmal selbst Gesetzesgrenzen übertritt. Das Liebenswerte an Manfred, der es faustdick hinter den Ohren hat und der mich immer wieder rührt ob seiner Menschlichkeit.

Der Fall? Der erzählt sich wie immer so dahin. Es wird abgelenkt, vertuscht und gelogen. Man ahnt ein bisschen, wohin die Reise geht, aber kriegt es doch noch nicht ganz zusammen. Was für mich wichtig ist, die Auflösung ist dann stimmig.

Im Grunde freue ich mich jetzt schon auf den nächsten Fall, wenn es wieder hin und her geht zwischen Gaunerei in der Mangfallmühle und Polizeiarbeit auf dem Revier.

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Veröffentlicht am 12.10.2025

Tiefe Einblicke in ein (Kletter)leben

Frei am Fels
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Mich hat dieses Buch von Alex Megos und Andreas Thamm nachhaltig beeindruckt. Es ist ehrlich und begeisternd zugleich.

Alex Megos, inzwischen Anfang 30, nimmt uns mit auf seine Reise als Kletterer. Vom ...

Mich hat dieses Buch von Alex Megos und Andreas Thamm nachhaltig beeindruckt. Es ist ehrlich und begeisternd zugleich.

Alex Megos, inzwischen Anfang 30, nimmt uns mit auf seine Reise als Kletterer. Vom jugendlichen Anfänger bis hin zum erfahrenen Olympioniken – in diesem Buch wird nichts ausgelassen. Erfolge werden ebenso erzählt wie Niederlagen.

Alex ist ein Teenager, als er die faszinierende Welt des Kletterns in hohen Schwierigkeitsgraden für sich entdeckt. Er erzählt von Reisen, da mag man sich gar nicht ausdenken, wie es den Eltern daheim ging. Er erzählt von bezwungenen Routen und er erzählt von seiner Besessenheit und Unruhe. Ein Tag ohne Klettern ist für ihn ein verlorener Tag. Er legt sich zwanghafte Regeln auf und gleitet in eine Magersucht. Die dazu gehörenden Gedanken werden im Buch nachvollziehbar dargelegt und auch der weite Weg, der notwendig ist, Gedankenspiralen zu verändern. Ich bin total beeindruckt, wie offen Alex diese Geschichte erzählt, wie er uns Leser teilhaben lässt an Gefühlen und Gedanken.

Für diejenigen, denen die Kletterwelt fremd ist, werden Kletterbegriffe nicht nur im Glossar aufgeführt, sondern auch im Text auf eine gut verständliche Weise erklärt. Auch das muss man erstmal schaffen, hat diese Welt doch ein eigenes Vokabular. Insgesamt finde ich das Buch sprachlich und strukturell richtig gut.
Mir gefällt sehr, dass Weggefährten, Unterstützer und Förderer im Buch ebenso ihren Platz bekommen, wie Konkurrenten oder Legenden. Nicht viele Kletterer schaffen es, auch den Sichernden zu erwähnen, ohne den es keinen Erfolg gäbe.

Hut ab vor dieser Karriere, Hut ab davor, wie Alex sich im Leben entwickelt hat und danke für diesen schonungslosen Einblick in ein Kletterleben.

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Veröffentlicht am 12.10.2025

Spannend, zum miträtseln und mit plausibler Auflösung

Bittere Nacht
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„Bittere Nacht“ ist der zweite Krimi des Autorenduos Kuhl + Sandrock um das Ermittlerduo Juha und Lux. Man kann das Buch sehr gut lesen, ohne den ersten Teil zu kennen.

Es ist ein spannender Fall, den ...

„Bittere Nacht“ ist der zweite Krimi des Autorenduos Kuhl + Sandrock um das Ermittlerduo Juha und Lux. Man kann das Buch sehr gut lesen, ohne den ersten Teil zu kennen.

Es ist ein spannender Fall, den sich die beiden da ausgedacht haben. Zwei Leichen an zwei Tatorten, der Zusammenhang liegt schnell auf der Hand. Was aber wirklich hinter den Morden steckt, wird ganz langsam und in mühsamer Kleinarbeit aufgedeckt. Mir gefällt es ganz ausgezeichnet, dass hier die Kleinteiligkeit der Polizeiarbeit, die vielen Beteiligten, die Sackgassen, der Stillstand und dann die kleinen und großen Durchbrüche gezeigt werden. Und so ermittele ich mit, verfange mich in falsch gelegten Fährten und habe doch im Hintergrund immer so ein Gefühl, wer hier falsch spielt.

Die einzelnen Mordfälle sind ausgeklügelt und sehr unterschiedlich angelegt. Dabei werden die Szenen ebenso wie die Hamburger Gegend äußerst plastisch beschrieben. Ich fühle mich mittendrin in der Handlung und kann mir das Geschehen bildlich vorstellen. Dieses Szenische liegt den Autoren vermutlich durch ihre Arbeit als Drehbuchschreiber im Blut.

Nicht ganz warm werde ich mit dem Ermittlerduo. Irgendwie finde ich ihr Verhältnis sehr eigen. Auch die Art der Dialoge stören mich, ich kann die (für mich) harsche Sprache teilweise nicht nachvollziehen. Man spürt, dass die Geschichte Teil einer Serie ist, denn das Privatleben der Ermittler und somit die Weiterentwicklung der Figuren spielt schon eine zentrale Rolle. Das war mir manchmal ein bisschen zu viel Begleitwerk.

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