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Veröffentlicht am 26.02.2023

Enttäuschend

Malvenflug
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Malvenflug ist ein Roman, der von einer österreichischen (Groß-)Familie zur Zeit des 2. Weltkriegs und einigen Jahren danach erzählt. Doch die Familiengeschichte hat mich leider gar nicht erreicht und ...

Malvenflug ist ein Roman, der von einer österreichischen (Groß-)Familie zur Zeit des 2. Weltkriegs und einigen Jahren danach erzählt. Doch die Familiengeschichte hat mich leider gar nicht erreicht und auch überhaupt keinen Lesefluss bei mir geweckt. Positiv hervorzuheben ist zwar das Personenverzeichnis ganz am Anfang, aber meistens, wenn ich eine Person nachschlagen wollte, stand sie noch nicht einmal drin. Im ersten Teil waren es kurze, sehr spartanische Episoden aus den Leben verschiedenster Familienangehöriger, aber irgendwie waren diese komplett ohne roten Faden aneinandergereiht und wirkten wie wahllos durcheinandergewürfelt. Die zweite Hälfte des Romans wollte ich eigentlich nur noch so schnell wie möglich hinter mich bringen, aber nach 200 durchgekämpften Seiten habe ich das Buch dann 20 Seiten vor Schluss doch noch ziemlich enttäuscht abgebrochen.

Ich bin überhaupt nicht warm geworden mit dem Buch, habe weder in die Handlung reingefunden, noch haben mich die Charaktere in irgendeiner Weise interessiert. Die ständigen Perspektivwechsel fand ich enorm verwirrend, es ging die ganze Zeit kreuz und quer durch alle möglichen Familienangehörigen, und dabei wurde meist nur ein Jahr auf zwei oder drei Seiten abgehandelt. Ich hab irgendwie nichts verstanden und mich deswegen auch durchweg gelangweilt, was vor allem mit an einer sehr abgehackten, stakkatoartigen Erzählweise lag. Total schade, aber das war leider gar nichts für mich, auch wenn der Klappentext und die Leseprobe vielversprechend waren.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Nicht ganz rund für mich

Lichte Tage
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1950: Carol Judd gewinnt bei einer Tombola und hat die Wahl zwischen verschiedenen Preisen. Ihr Mann fordert sie auf, die Flasche Whisky zu nehmen, doch Carol entscheidet sich für ein Bild mit 15 Sonnenblumen ...

1950: Carol Judd gewinnt bei einer Tombola und hat die Wahl zwischen verschiedenen Preisen. Ihr Mann fordert sie auf, die Flasche Whisky zu nehmen, doch Carol entscheidet sich für ein Bild mit 15 Sonnenblumen - eine ziemlich authentische Reproduktion des berühmten Meistermerks Van Goghs. Sie hängt das Bild in die Trostlosigkeit ihrer heimischen Stube, wo es für sie zum Symbol der Sehnsucht und Ort für unausgelebte Träume wird. Ihr Sohn Ellis und sein halbverwaister Kindheitsfreund Michael wachsen mit dem Bild auf. Sie sind schon früh unzertrennlich und auf einer gemeinsamen Reise in die Provence wird aus Freundschaft bald Leidenschaft, wenngleich auch nur kurzweilig. Als wenig später eine Frau namens Annie in ihr Leben tritt, ändert sich einiges: aus dem Zweiergespann wird ein dreiköpfiges Team. Doch plötzlich trennen sich die Wege der Freunde, als Michael überstürzt und ohne viele Worte nach London zieht.

Die erste Hälfte des Buches wird aus Ellis' Perspektive erzählt. Einst wollte er Künstler werden, doch nun ist er bereits über 40, schiebt Nachtschichten in in einer Autofabrik Oxfords und klopft kleine Dellen aus den Karosserien von Neuwagen. Mittlerweile verwitwet, ist seine Einsamkeit großes Thema. Im zweiten Teil wechselt die Handlung zu einer tagebuchartigen Erzählung Michaels, der als junger Mann immer das Ziel vor Augen hatte, Dichter zu werden - und ab hier habe ich mich irgendwie verloren.

Ich bin ein bisschen zwiegespalten, weil ich vom Klappentext her irgendwie etwas anderes erwartet hatte, als einen Roman voller Erinnerungen, in dem aber handlungsmäßig gar nicht mal so viel passiert. Es geht viel um die Bände der Freundschaft, die erste Liebe, Einsamkeit und Verlust. Die Stimmung ist melancholisch, es ist die Zeit, in der Aids auch in Großbritannien um sich greift. Ich habe die Gefühle der Protagonisten verstanden, konnte mich aber trotzdem nicht wirklich in sie hineinfühlen, mir waren sie zu unantastbar und ich "fühlte" die Liebe nicht - sie war mir fast gleichgültig. Ich hätte auch gern Annie besser kennengelernt, von ihr erfährt man fast gar nichts, obwohl sie doch scheinbar auch eine tragende Rolle spielt. Und so kommt es, dass ich die ruhige, aber auch wirklich poetische Sprache der Autorin sehr viel mehr mochte, als die Handlung an sich. Während die erste Hälfte noch sehr subtil war, habe mich in der zweiten Hälfte zwar nicht unbedingt gelangweilt, aber das Gefühl schwingt mit, dass man aus der Handlung so viel mehr hätte machen können. Ich habe es vor 4 Tagen beendet und irgendwie jetzt schon wieder so ziemlich alles vergessen, was in der zweiten Hälfte passierte. Leider war das Buch für mich nichts Halbes und nichts Ganzes, hinterlässt hier und dort (für mich) unüberwindbare Lücken und hat irgendwie als Gesamtkonzept nicht ganz funktioniert. Vielleicht bekommt es aber irgendwann noch eine zweite Chance von mir.

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Schade, leider sehr schwammig

Männer sterben bei uns nicht
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"Männer sterben bei uns nicht" erzählt von sieben Frauen einer Familie, die in einem herrschaftlichen Anwesen mit Seeblick wohnen. Das Anwesen ist wahrlich riesig, ringsum eingezäunt und von einer irgendwie ...

"Männer sterben bei uns nicht" erzählt von sieben Frauen einer Familie, die in einem herrschaftlichen Anwesen mit Seeblick wohnen. Das Anwesen ist wahrlich riesig, ringsum eingezäunt und von einer irgendwie mysteriösen Aura umgeben. Insgesamt fünf Häuser stehen hier, die von den Frauen dreier Generationen bewohnt werden. Die Matriarchin des Anwesens ist die Großmutter, und wer sich ihrer Gunst nicht würdig erweist, wird entweder verbannt oder muss in Abgeschiedenheit sein mehr oder minder trostloses, einsames Dasein fristen.
Ein Haus auf dem Grundstück steht jedoch seit Jahrzehnten leer: in ihm sind die Erinnerungen an die nach und nach verlorengegangenen und totgeschwiegenen Männer der Familie gelagert - ein stilles Angedenken an das Nichtvorhandensein männlicher Familienangehöriger. Und überhaupt, Männer sterben hier grundsätzlich nicht - denn schließlich bleiben sie nie lange genug. Doch nicht nur die ehemaligen männlichen Familienangehörigen sind absolutes Tabuthema; auch allgemein wird in der Familie nicht wirklich über Empfindungen geredet - sie alle hier fremdeln miteinander.
Als Luise, die Enkelin, schließlich das pompöse Anwesen ihrer Großmutter erbt, treffen alle Frauen auf der Beerdigung der Matriarchin erstmals wieder bewusst aufeinander; nach vielen Jahren des Nebeneinanderwohnens und im Bestehen unterschiedlichster Diskrepanzen, die das Resultat jahrelang fehlender Kommunikation sind.

Dieses Zusammentreffen ist der Fixpunkt im Roman, der immer wieder durch Rückblenden in verschiedene Stationen Luises Leben unterbrochen wird. Sie ist die Protagonistin, und obwohl man von ihr noch am meisten erfährt, ist es leider doch recht wenig und nicht genug, um eine Verbindung zu ihr aufzubauen. Luise ist eine Frau, die im kindlichen Alter bereits zwei tote Frauen im See gefunden hat - welche wohl auch metaphorisch für die geheimnisvolle Verschwiegenheit innerhalb der Familie stehen. Und doch sind alle Charaktere nur karikaturenhaft skizziert, das Grundwesen der Frauen bleibt schwammig, genauso wie ihre Bedürfnisse und Geschichten.
Ich mochte das Buch anfangs eigentlich ganz gern, der Schreibstil war angenehm und leicht, es war immer wieder rätselhaft und alles insgesamt eher nebulös. Aber am Schluss war ich doch enttäuscht, da ich das Gefühl hatte, irgendwie nichts richtig verstanden zu haben. Es war im allgemeinen eine kurzweilige Erzählung einer Familie - von einer richtigen Geschichte möchte ich irgendwie nicht so ganz sprechen, da ich keine so ganz ausgefeilte Handlung entdecken konnte. Dafür gibt es leider zu viele lose Fäden, die nicht schlüssig zusammenlaufen. So gehe ich leider mit einer ziemlich vagen und unbefriedigenden Vorstellung aus dem Buch, von dem ich nur einen kleinen Überblick davon erhaschen konnte, worum es überhaupt ging.

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Veröffentlicht am 07.02.2023

Ein Leben an der See

Zur See
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"Zur See" spielt auf einer kleinen, nicht benannten Insel in der Nordsee. Hier kennt Jeder kennt Jeden - mal abgesehen von den vielen Erholungstouristen, die für ein paar Tage Seeluft, Wellness und Achtsamkeit ...

"Zur See" spielt auf einer kleinen, nicht benannten Insel in der Nordsee. Hier kennt Jeder kennt Jeden - mal abgesehen von den vielen Erholungstouristen, die für ein paar Tage Seeluft, Wellness und Achtsamkeit anreisen. Vordergründig geht es um die Sanders, eine Familie, in der die Seefahrt seit vielen Generationen Tradition hat. Die Männer wurden schon im jungen Alter zur See geschickt, während die Mütter gleichwohl wie später dann die Ehefrauen, sehnsuchtsvoll auf die Rückkehr ihrer Liebsten warteten.
Doch mittlerweile wohnt die Mutter der Familie alleine im alten reetgedeckten Haus, verlassen vom Vater ihrer drei Kinder. Der einstige Kapitän hat sich in eine zugige Stelzenhütte am Deich zurückgezogen, aus welcher er in aller Abgeschiedenheit die Vögel beobachtet. Der älteste Sohn trat schon früh sein Familienerbe auf See an, doch mittlerweile fährt er nur noch die Inselfähre und betäubt sich tagtäglich mit reichlich Alkohol. Der jüngere Sohn der Familie hat mit den alten Bräuchen gar nichts mehr am Hut; er baut aus Schwemmgut Skulpturen, die er ziemlich erfolgreich an Neu- und Kurzzeitinsulaner verkauft. Und Tochter Eske ist nur noch genervt von der maritimen Inszenierung der Insel, mit ihren blau-weißen Souvernirshops, den bärtigen Seemännern am Hafen und den urigen Kombüsenkneipen mit klischeehafter Fischernetzdeko und Messinglampen in den Fenstern. Jeder Ur-Insulaner spielt hier nur noch seine Rolle für die Touristen, während Eske im Seniorenheim der Insel die einstigen, wahren Seemänner und deren Frauen pflegt.

Wir Leser begleiten die Familie durch einige tiefe Zerwürfnisse, die sich während der Zeit aufgetan haben, denn trotz der augenscheinlichen Idylle am Wattenmeer läuft das Leben auch hier nie so richtig rund. Da es keine so ganz stringente Handlung gibt, treten hier die kleinen, aber bedeutenden zwischenmenschlichen Geschichten besonders deutlich zutage. Meist steht dabei die Einsamkeit im Vordergrund, oft daraus resultierend, dass die einstige Seefahrerkultur durch die Touristenströme immer mehr zur Farce und sich zeitgleich sehr nostalgisch an die alten Zeiten zurückerinnert wird. Aber auch die See selbst kommt in diesem Inselportrait natürlich nicht zu kurz und wird oft Thema, das die Handlung durchbricht und bestimmt.

Bei Dörte Hansens Roman handelt sich um eine insgesamt leichte Lektüre mit ziemlich melancholischer Erzählstimme, die mich schon allein wegen der Atmosphäre überaus stark unterhalten (und ja, auch gut entschleunigen) konnte. Schöne, greifbare Figuren mit Ecken und Kanten, von denen sehr gefühlvoll erzählt wird, runden das Buch ab, und doch hat mir in Bezug auf die Handlung zwischendurch ein bisschen mehr Tiefgang gefehlt. Es war interessant, dem Werdegang einer Familie zu folgen, die zwar Nachkommen sturmerprobter und kälteresistenter Seefahrer sind, aber trotzdem in den dunklen Wellen der modernen Gesellschaft treibt. Denn auch wenn der Fischfang nicht mehr im Mittelpunkt ihrer Leben steht, das Leben an der Küste wird fortwährend stark von der See bestimmt.

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Veröffentlicht am 04.02.2023

Ein Land vor unserer Zeit

Urwelten
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"Landschaften zu betrachten, die vor langer Zeit existierten, weckt die Lust auf Zeitreisen." (S. 23)

Thomas Halliday ist Paläontologe. Das heißt, er erforscht ausgestorbene Tiere und Pflanzen unterschiedlichster ...

"Landschaften zu betrachten, die vor langer Zeit existierten, weckt die Lust auf Zeitreisen." (S. 23)

Thomas Halliday ist Paläontologe. Das heißt, er erforscht ausgestorbene Tiere und Pflanzen unterschiedlichster Erdzeitalter. In seinem Sachbuch nimmt er uns bis zu 550 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit, sozusagen in ein Land vor unserer Zeit - oder besser gesagt sogar in 16. Denn in insgesamt 16 Kapiteln erzählt er uns von 16 einander noch so unterschiedlichen Erdzeitaltern sowie deren Vegetationen und Lebewesen, schickt uns Leser dabei immer weiter zurück in die Vergangenheit unseres blauen Planeten, in Urwelten, die Eine noch faszinierender als die Andere. Halliday berichtet, wie die Welt über ihre Zeitgeschichte hinweg fortlaufend durch Gletscher, globale Eiszeiten, vulkanische Aktivitäten, Hitzeperioden und Meteroiteneinschläge geformt wurde. Er berichtet davon, wie sich die Erde durch tektonische Verschiebung aufwirft und Gebirge faltet, wie sie erschafft und zerstört, wie Leben konserviert wird und uns abermillionen Jahre später noch häppchenweise Hinweise darüber serviert, wie sie vor unserem ersten Erscheinen auf der Bildfläche aussah. Einige Welten muten vertraut an, andere klingen beinahe zu fantastisch, um real zu sein. Die Reise reicht bis vor die Entstehung von Gräsern, bis vor die ersten Blütenpflanzen. Dorthin, wo die Wälder noch still waren und nur Wind, Wasser und der Klang von Insektenflügeln hörbar war - da die Singvögel noch gar nicht existierten.
Wir sind dabei, wie neue Ökosysteme entstehen, wie Lebewesen gänzlich neue Welten für sich entdecken, etwa mittels Inselflößen (Baumstämme oder Küstenabbrüche), die Monate lang den Atlantik überqueren.
Gleichzeitig macht Halliday auf die Grenzen der Forschung aufmerksam, ruft uns ins Gedächtnis, wie viel wir eigentlich immer noch nicht wissen und womöglich auch nie erfahren werden; schildert uns dabei von unerklärlichen Lücken im Fossilbericht, die selbst Forscher zuweilen an Über- oder Unnatürliches glauben lassen.

Das Buch ist faktengesättigt, bringt diese in zwar anspruchsvoller, mitunter auch poetischer Sprache jedoch weitestgehend ausgesprochen bildlich und verständlich rüber. Zuweilen können wir quasi actionreichen Szenen zwischen Dinosauriern auf Futtersuche und bei Kräftemessen beiwohnen. Oder auch einem Flugsaurier beim Gleiten über eine abendrote Lagune zusehen - und dabei, wie er in einem unvorsichtigen Moment durch einen schwarzen Schatten, der im Meer auf seine Chance gelauert hat, aus der Luft gegriffen wird. Diese Verbildlichungen geben dem Buch zwischendurch immer wieder einen epischen Charakter, der die Faktenflut auflockert. Ergänzt wird das Buch außerdem durch Illustrationen jeweiliger Urwelt-Bewohner und Kartografien der jeweiligen Zeit, die Aufschluss über das Aussehen der entsprechenden Welt geben.

Hin und wieder mal zwischendurch, aber vor allem im Epilog, versucht der Autor aufzuzeigen, was wir aus der Erdgeschichte in Bezug auf den heutigen Klimawandel mitnehmen können. Dass wir in der Lage sind, durch Blicke in die Vergangenheit zu lernen, angeeignetes Wissen zu nutzen und daraus Hoffnung zu ziehen. Auf jedes Massensterben in der Erdzeit folgte neues Leben in einer ganz anderen, prachtvollen Vielfalt, so als ob die Erde einen Reset macht. Doch die Ökosysteme sind fragil, und "was [...] existiert, kann immer nur von dem kommen, was vor ihm da war" (S.222). Die Frage ist nur, ob wir Menschen daran Teil nehmen werden, oder ob die Erde ihren Neustart irgendwann ohne unsere Spezies macht. Zweifelsfrei beeinflusst das noch so ferne Gestern unsere Gegenwart - und wir selbst letztendlich unsere Zukunft. Ich hatte nicht wenige "aha"-, "oh"- und "wow"-Momente, und ich glaube das fasst es ziemlich treffend zusammen. Wärmste Empfehlung von mir!

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