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Veröffentlicht am 15.09.2016

Nicht bloß ein Liebes-, sondern ein Lieblingsroman!

Glück ist, wenn man trotzdem liebt
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Worum geht’s?
In Isabelles Leben hat alles seine Ordnung und Richtigkeit. Sie liebt ihre Gewohnheiten: ihren strukturierten Wochenplan, ihre Daily Soap und ihre Suppe zum Mittag von Mr. Lee. Doch als der ...

Worum geht’s?
In Isabelles Leben hat alles seine Ordnung und Richtigkeit. Sie liebt ihre Gewohnheiten: ihren strukturierten Wochenplan, ihre Daily Soap und ihre Suppe zum Mittag von Mr. Lee. Doch als der vietnamesische Imbiss schließt, beginnt Isabelles perfekte Struktur zu bröckeln. Der selbstsichere Koch Jens übernimmt das Restaurant und sorgt mit seiner Speisekarte für ebenso viel Wirbel in Isabelles Leben wie seine kleine Schwester Merle. Die erwischt Isabelle nämlich ausgerechnet beim Stehlen im Blumenladen. Die Drei haben wirklich keinen guten Start miteinander, aber das wahre Chaos des Lebens bricht erst noch aus! Schon bald muss Isabelle sich eingestehen, dass sie um Veränderungen nicht herumkommt – und dass nicht alle immer nur schlecht sind …

Meine Meinung:
Mit „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ erscheint nun schon der dritte Roman der deutschen Autorin Petra Hülsmann, die mit ihrem Debüt „Hummeln im Herzen“ gleich die Bestsellerlisten stürmte. Seitdem hat sie sich mit ihren humorvollen Liebesromanen eine breite und begeisterte Leserschaft erschrieben. Für mich war „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ der erste Roman der Autorin – und nach der letzten Seite kann ich mit einem großen Grinsen im Gesicht sagen: Zum Glück! Denn so habe ich noch zwei weitere Bücher dieser wunderbaren Autorin, die ich ohne Wartezeit verschlingen kann.

In „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ lernt man die liebenswürdige Floristin Isabelle Wagner kennen. Isa, die zugleich auch die Erzählerin ihrer Geschichte ist, ist eine herzliche junge Frau, an die man sofort sein Herz verliert. Sie ist sympathisch, lustig und mit ihrer verschrobenen Eigenarten so herrlich frisch und einmalig, dass sich das Lesen so anfühlt, als würde man die Geschichte von Angesicht zu Angesicht von ihr erzählt bekommen. Isabelle ist schon bald keine Protagonistin mehr, sondern eine Buchfreundin, mit der man lacht und schluchzt, die man in schlechten Zeiten drücken und bei falschen Entscheidungen schütteln möchte. Mit Isa geht man von der ersten bis zur letzten Seite durch dick und dünn!

Nicht nur Isabelle hat mir in Windeseile das Herz gestohlen: Alle Figuren wurden von Petra Hülsmann mit so viel Liebe zum Detail entworfen, dass sie sich gar nicht wie Buchcharaktere angefühlt haben. Jeder von ihnen ist ein kleines Highlight, das man so schnell nicht mehr vergessen wird: Sei es Isabelles schlimmes Date, dessen Name ich an diese Stelle lieber nicht erwähne, Merle, Jens‘ Teenie-Schwester und herzensgute Krawallbürste, oder Knut, der goldige Taxifahrer mit dem echten hamburgerischen Dialekt. Allen voran steht aber selbstverständlich Jens, der selbstbewusste und ziemlich freche Koch, der sich im Restaurant gegenüber von Isabelles Blumenladen ein Standbein aufzubauen versucht. Entgegen aller Romanklischees ist Jens weder ein Märchenprinz noch ein Bad Boy: Er ist ein charmanter Typ mit sympathischen Ecken und dämlichen Kanten. Eben ein echter Kerl, wie er im Buche steht.

Dass sich der Roman so ehrlich und vertraut liest, ist aber nicht nur den liebevollen Charakteren zu verdanken, die man zwischen diesen Buchdeckeln kennenlernen darf. Petra Hülsmann verfügt über einen Schreibstil, der für das Liebesromangenre quasi maßgeschneidert wurde. Sie schreibt so witzig und charmant, so einfühlsam und mitreißend, dass man mit dem Lesen gar nicht mehr aufhören möchte. „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ ist ein echter Pageturner und entpuppt sich schnell als Lesespaß mit Kopfkino-Garantie. Eine spritzig-freche Liebeskomödie, deren Stoff eigentlich auf die große Leinwand gehört.

Man muss sich nichts vormachen: Man muss wahrlich kein Genie sein, um zu wissen, wie „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ ausgehen wird. Wenn dafür aber der gesamte Weg bis zum letzten Kapitel voller Überraschungen und Emotionen steckt, stört man sich daran überhaupt nicht. Die Geschichte von Isabelle steckt voller schicksalhafter Wendungen, wie sie nur das wahre Leben für einen bereithalten kann. Es wird furchtbar deprimierend, trist und trüb, sodass einem das Herz schwer wird, aber auch herzerwärmend und aufbauend, mit treffenden Aussagen zu den richtigen Zeitpunkten. Denn wie es der Titel schon verrät, spielt das Glück mit all seinen kleinen Momenten, die das Leben so schön und lebenswert machen, in Isabelles Leben eine entscheidende Rolle.

Hat man den letzten Satz verschlungen, schlägt man das Buch mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge zu. Einerseits setzt das Buch so viele Schmetterlinge im eigenen Bauch frei, andererseits möchte man die Charaktere am liebsten nie mehr ziehen lassen. „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ begeistert mit Sicherheit auch Leser, die sonst nicht unbedingt zu typischen Liebesromanen greifen. Die Geschichte ist so aufrichtig und offenherzig, so realistisch aus dem Leben gegriffen, dass sie zum Mitfiebern, Schmunzeln und Schwärmen einlädt, ohne sich mit künstlichen Dramen aufzubauschen oder aufgesetzt zu wirken.

Fazit:
„Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ von Petra Hülsmann ist ein waschechtes „Mittendrin“-Buch: Es fühlt sich nicht an wie eine Geschichte, die man liest, sondern wie das echte Leben. Petra Hülsmann schreibst so herrlich einfühlsam und mitreißend, so humorvoll und emotionsstark, dass man gar nicht anders kann, als sich von diesem Pageturner fesseln zu lassen. Protagonistin Isabelle wird schnell von der Erzählerin zu einer Buchfreundin, mit der man schmunzelt und schluchzt, und auch die anderen Charaktere wachsen einem so sehr ans Herz, dass man sie nach der letzten Seite nicht ziehen lassen will. Petra Hülsmann hat mit ihrem dritten Werk ein Buch voller Glücksgefühle geschrieben, das sogar die Schmetterlinge im Bauch vor Glück zum Flattern bringt. „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ ist nicht bloß ein Liebes-, sondern ein Lieblingsroman! Ich vergebe verliebte 5 Lurche.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Charaktere
  • Handlung
  • Gefühl
  • Schreibstil
Veröffentlicht am 15.09.2016

Hört alle her, kommt von fern und nah, Madame Pyms spektakulärer Wanderzirkus ist da!

Poppy Pym und der gestohlene Rubin
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Worum geht's?
Poppy Pym wurde als Baby aus einem Hut gezaubert, gleich nach einem beleidigten Huhn. Seitdem lebt sie im Wanderzirkus von Madame Pym, wo sie nicht nur Zuckerwatte und Popcorn zum Frühstück ...

Worum geht's?
Poppy Pym wurde als Baby aus einem Hut gezaubert, gleich nach einem beleidigten Huhn. Seitdem lebt sie im Wanderzirkus von Madame Pym, wo sie nicht nur Zuckerwatte und Popcorn zum Frühstück bekommt, sondern auch jede Menge verrückter Kunststücke lernt. Poppy ist überglücklich mit ihrem bunten, wunderlichen Zirkusleben – bis Madame Pym kurz vor ihrem zwölften Geburtstag beschließt, dass Poppy normale Sachen unter normalen Mitschülern lernen muss. Poppy ist davon zunächst alles andere als begeistert, stellt allerdings schnell fest, dass das Internat Saint Smithen's gar nicht so schlimm ist. Zusammen mit ihren neuen Freunden Ingrid und Kip fiebert sie nämlich einer ägyptischen Ausstellung entgegen, die an ihrer neuen Schule stattfinden soll. Mumien, antike Schätze und Artefakte – Poppy kann vor lauter Aufregung kaum ihre Füße still halten! Doch dann wird ein geheimnisvoller Rubin in das Internat gebracht, auf dem ein böser Fluch lasten soll, und plötzlich geschehen allerhand fürchterlicher Dinge im Saint Smithen's. Poppy und ihre Freunde beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen, als auf einmal alles aus dem Ruder gerät …

Meine Meinung:
Hört alle her, kommt von fern und nah,
Madame Pyms spektakulärer Wanderzirkus ist da!

Meine Damen und Herren, liebe Kinder – hereinspaziert, hereinspaziert! Treten Sie ein in Madame Pyms spektakulären Wanderzirkus! Vergessen Sie den grauen Alltag und lassen Sie sich von Poppy Pyms fantastischem Zirkusleben verzaubern. Genießen Sie den märchenhaften Lesespaß der Spitzenklasse und das abenteuerliche Programm. Manege frei!

Märchenhaft, verrückt und bunt – das ist das Leben, dass sich die Debütautorin Laura Wood für ihre Protagonistin Poppy Pym ausgedacht hat. Als Baby aus einem Hut gezaubert, ist Poppy in einem Wanderzirkus aufgewachsen, in dem sie von ihrer skurrilen Familie allerhand verschiedener Zirkustricks gelernt hat. Fächer wie Geschichte, Chemie oder Botanik standen nie auf Poppys Stundenplan, doch das soll sich nun ändern. Im Internat Saint Smithen's soll Poppy Pym normale Dinge lernen, normale Freunde finden, normalen Umgang pflegen. Aber schon auf der ersten Seite wird einem als Leser klar: Zwischen diesen Buchdeckeln schlummert alles andere als eine normale Geschichte! Mit „Poppy Pym und der gestohlene Rubin“ findet eine grandiose Serie ihren Anfang, die man einfach gelesen haben muss.

Poppy Tomate Pym, so der volle Name der fast zwölfjährigen Hauptartistin, ist eine Protagonistin, die so schnell niemand mehr vergisst. Das fröhliche Zirkusmädchen mit dem großen Herzen strotzt vor Talent und steckt einen mit ihrer unbändigen Lebenslust an, sodass man mit einem Dauergrinsen an den Seiten ihrer Geschichte klebt. Poppy Pym weiß genau, wie sie ihre Leser in Atem hält, und erzählt ihr Abenteuer mit so viel Witz und Charme, dass man gar nicht anders kann, als sein Herz an sie zu verlieren. Sie hat mich mit ihrer quirligen und tapferen Art im Handumdrehen um den Finger gewickelt und so begeistert, dass ich „Poppy Pym und der gestohlene Rubin“ nach der letzten Seiten am liebsten sofort nochmal gelesen hätte!

Aber nicht nur Poppy konnte mich verzaubern, im Gegenteil: Ich habe an jeden Charakter aus ihrer Geschichte einen Teil meines Herzens verloren. Ihre verrückte und bunt zusammengewürfelte Zirkusfamilie sowie ihre Schulfreunde Ingrid und Kip sind so liebenswürdig, einzigartig und entzückend, wie man sie nur selten trifft. Laura Wood hat für ihr Debüt grandiose Charaktere geschaffen, die einen so sehr verzaubern, dass man gar ein wenig trauriger darüber ist, nicht zu ihnen in das Buch schlüpfen zu können. Sie alle sind so wunderbar außergewöhnlich und herzig, so unvergleichlich und drollig – und dass trotz ihrer großen Anzahl und ihrer vergleichsweisen kurzen Zeit im Scheinwerferlicht! Allein Poppys Zirkusfamilie besteht aus 13 weiteren Mitgliedern. Verwechslungsgefahr besteht hier allerdings nie, dafür sind die Figuren so individuell und verschieden.

Obwohl nur ein kleiner Teil der Geschichte tatsächlich im Zirkus spielt, spannt sich die gelungene Manegen-Atmosphäre über das gesamte Buch. Sobald sie sich mit dem Internatssetting und der geheimnisvollen Stimmung des ägyptischen Fluchs mischt, ist das Lieblingsbuch-Gefühl perfekt! Die Handlung entwickelt sich schnell zu einem mitreißenden Abenteuer voller Spannung und Humor, das man nicht aus der Hand legen kann. Poppy Pym hat mich bestens unterhalten, mich zum Lachen gebracht und atemlos an den Seiten kleben lassen. Ich bin restlos begeistert, verzaubert und verliebt! Dieses Buch gehört definitiv zu meinen Lieblingsbüchern und ist ein unverzichtbares Mustread für alle, deren Herz für einmalige Geschichten schlägt. Ich hoffe inständig, dass Laura Wood uns noch mit einigen hinreißenden Fortsetzungen zu „Poppy Pym“ versorgen wird!

Fazit:
Kunterbunt und verrückt, herzallerliebst und mitreißend, einzigartig und unvergesslich: Laura Wood vereint in ihrem Romandebüt und Serienauftakt „Poppy Pym und der gestohlene Rubin“ alles, was ein gutes Buch ausmacht. Zwischen den Buchdeckeln erwartet die Leser die unvergleichliche Geschichte des Zirkusmädchens Poppy, das im Internat Saint Smithen's normale Dinge lernen soll. Aber was ist schon normal, wenn Poppy mitmischt?! Ein spannendes und aufregend verzwicktes Abenteuer, das mit einem bösen ägyptischen Fluch mächtig für Stimmung sorgt, und eine witzig-charmante Erzählweise sorgen für Lesespaß der Extraklasse. Am liebsten wäre ich selbst in das Buch eingetaucht, um Poppy, ihre Familie und ihre Freunde kennenzulernen! „Poppy Pym und der gestohlene Rubin“ hat mich in jeglicher Hinsicht aus den Socken gehauen und sich seinen Platz im Lieblingsbuch-Regal absolut verdient. Ich vergebe 5 Lurche!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Poetische Wortgewalt

Da vorne wartet die Zeit
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Worum geht's?
In der Stadt am Waldrand leben Menschen, die nicht wissen, wie eng ihre Schicksale miteinander verwoben sind. Vielleicht wollen sie es auch einfach nicht wahrhaben. Denn in der Stadt am Waldrand ...

Worum geht's?
In der Stadt am Waldrand leben Menschen, die nicht wissen, wie eng ihre Schicksale miteinander verwoben sind. Vielleicht wollen sie es auch einfach nicht wahrhaben. Denn in der Stadt am Waldrand geschehen schreckliche Dinge und der Tod ist allgegenwärtig.

Meine Meinung:
"Da vorne wartet die Zeit" erzählt eine Geschichte, die wiederum selbst eine Geschichte erzählt. In der Stadt am Waldrand, einer scheinbar friedvollen und wunderschönen Stadt, leben Menschen, die alle ihre eigene Geschichte zu erzählen haben. Dabei merken sie nicht, dass sie alle unmittelbar und unweigerlich miteinander verbunden sind. Es gibt zwar eine grobe Handlung, die über allen Schicksalen schwebt, aber tatsächlich spielt sie kaum eine Rolle. Viel mehr sind es die komplexen und verstrickten Beziehungen der Charaktere, die zusammen ein dichtes, wunderschönes und zerbrechliches Netz aus schrecklichen Geheimnissen und düsteren Machenschaften ergeben.

Einen Einstieg in die Geschichte zu bekommen fällt einem zu Beginn sehr schwer. Mit jedem Kapitel lernt man einen neuen Charakter kennen. Nur einen kurzen Moment, einen Bruchteil seines Lebens darf man miterleben, ehe man sich wieder verabschieden muss. Zunächst wirken die Kapitel und ihre Bedeutung sehr willkürlich. Dass die Szenen viel mehr sind als kurze Einblicke in fremde Leben, wird einem erst im Verlauf des Romans wirklich bewusst. Alles, jeder noch so kleine Augenblick hat in "Da vorne wartet die Zeit" eine Bedeutung inne, dessen Gewicht man nicht einmal erahnen kann.

Der Tod zieht sich durch die gesamte Handlung und sorgt für eine melancholische Atmosphäre, die das Herz rasen und stillstehen, die einem heiß und kalt werden lässt. Das Leben hat mit den Bewohnern der Stadt am Waldrand kein Mitleid und setzt sie extremen Schicksalsschlägen aus. Wer dem Tod nicht persönlich begegnet, bekommt ihn in unmittelbarer Nähe zu spüren. "Da vorne wartet die Zeit" ist ein emotionaler Roman über den Tod, der einem deutlich macht, wie zerbrechlich das Leben ist und welche Bedeutung selbst kleine Entscheidungen haben können. Lilly Lindner bringt ihre Leser zum Nachdenken und zwingt jeden, der das Buch an sich heranlässt, auf zärtliche und zugleich brutale Weise dazu, in sein eigenes Herz zu schauen.

Lilly Lindner hat in "Da vorne wartet die Zeit" keine feste Hauptfigur. Mit jedem neuen Kapitel stellt sie einen weiteren Charakter vor, indem sie einen kleinen, aber entscheidenden Splitter seines Lebens beschreibt. Im Grunde lernt man sogar nur ein Fragment ihrer Persönlichkeit kennen und obwohl diese Momente nur sehr kurz sind, wirken die Figuren lebendig und authentisch. Für einen Augenblick darf man diesen Fremden ganze nahe sein und das Gefühl bekommen, sie zu kennen, zu verstehen. Doch wer sie wirklich sind, zeigt sich erst im Verlauf des Romans, wenn die verschiedenen Schicksalsstränge sich endlich zu einem komplexen Bild zusammensetzen.

"Da vorne wartet die Zeit" ist jedoch kein Buch, das man an einem Stück durchlesen sollte. Es ist ein Roman über schwere Schicksale, die berühren und bedrücken. Jeder einzelne Charakter hat seine eigene Geschichte, die es verdient hat, gewürdigt zu werden, und die man erst einmal sacken lassen muss, ehe man weiterlesen kann. Wer das Buch in einem Rutsch durchliest, setzt sich der Gefahr aus, nicht die volle Bandbreite der Gefühle zu spüren zu bekommen oder gar den Überblick über die zahlreichen Figuren zu verlieren.

Lilly Lindners Schreibstil ist besonders und speziell, hält aber für jeden, der sich darauf einlässt, jede Menge Gänsehaut parat. Die junge Autorin schreibt poetisch, ausdrucksstark und bildgewaltig zugleich und geht ihren Lesern damit direkt unter die Haut. Wer ein Lindner-Neuling ist, wird zu Beginn sicher ein paar Schwierigkeiten haben und sich nicht auf Anhieb in diesen sonderbaren Schreibstil verlieben. Sobald sich die berührende Atmosphäre erst einmal aufgebaut hat, möchte man "Da vorne wartet die Zeit" aber am liebsten auf jeder Seite mit Post-Its bestücken, um die schönsten Textpassagen nicht aus den Augen zu verlieren.

Fazit:
"Da vorne wartet die Zeit" von Lilly Lindner ist ein berührendes Buch über eine Stadt voller Schicksale, die alle miteinander verwoben sind und sich in ihrem zerbrechlichen Leben dem Tod stellen müssen. Die junge Autorin schreibt ihren Lesern mit ihrer poetischen und wortgewaltigen Sprache direkt ins Herz und lässt sie mit unzähligen Gedanken und Gefühlen zurück, die man nicht in Worte fassen kann. "Da vorne wartet die Zeit" ist ein Buch, das man selbst erleben muss. Ein Buch, das verändert. Für "Da vorne wartet die Zeit" vergebe ich 5 Lurche, die dem Buch nicht einmal ansatzweise gerecht werden können.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine herzerwärmende Geschichte über das Leben und seine Tücken

Das Jahr, in dem wir alles wagen
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Worum geht's?
Silvester ist der Tag der neuen Vorsätze. Für Gemma, die tagtäglich mit dem ganz normalen Familienwahnsinn zu kämpfen hat, Caitlin, die nach dem Tod ihrer Mutter in ihre Heimat zurückkehrt, ...

Worum geht's?
Silvester ist der Tag der neuen Vorsätze. Für Gemma, die tagtäglich mit dem ganz normalen Familienwahnsinn zu kämpfen hat, Caitlin, die nach dem Tod ihrer Mutter in ihre Heimat zurückkehrt, um das geerbte Haus vermietbar zu machen, und Saffron, die in der englischen Kleinstadt nach einer kleinen Auszeit sucht, war das Leben in der letzten Zeit nicht leicht zu meistern. Als sie sich auf Gemmas Silvesterparty zufällig kennenlernen, verstehen die drei Frauen sich auf Anhieb prächtig und schließen einen Pakt: Das neue Jahr wird das beste, das sie je erlebt haben! Das Jahr, in dem sie alles wagen. Doch die kommenden Monate meinen es nicht gut mit ihnen. Schicksalsschläge prasseln auf die drei Frauen herein – und plötzlich muss sich jede von ihnen der Entscheidung stellen, ob ein Neuanfang tatsächlich das Richtige für sie ist …

Meine Meinung:
„Das Jahr, in dem wir alles wagen“ von Lucy Diamond ist eines jener Bücher, zu denen man allein der Message wegen greift. Wie oft hat man sich schon selbst vorgenommen, dass das nächste Jahr das beste, erfolgreichste, alles verändernde werden soll, nur um sein euphorisches Vorhaben nur wenige Tage später müde zu belächeln? Lucy Diamond erzählt in ihrem Roman die Geschichte dreier Frauen, die sich in dem Jahr, in dem sie alles wagen wollen, ihren bisher größten Herausforderungen stellen müssen. Drei Leben, die in der schicksalhaftesten Nacht des Jahres zu einander finden und seither untrennbar miteinander verbunden sind.

Lucy Diamond lässt einen allwissenden Erzähler ans Werk, der die Gedanken und Gefühle der Protagonistinnen vermitteln kann. Die Geschichten der drei Frauen Gemma, Caitlin und Saffron werden parallel zueinander erzählt, Kapitel für Kapitel findet ein Perspektivwechsel statt und eine andere der drei Frauen steht im Fokus. Lucy Diamond verzwickt die drei unterschiedlichen Handlungsstränge auf geschickte Weise, sodass keiner von ihnen zu kurz kommt. Sie ergeben als harmonisches Miteinander eine gelungene Geschichte. Die häufigen Perspektivwechsel wirken niemals verwirrend, dafür auf eine gewisse Art frustrierend, die der Autorin jedoch nur Pluspunkte einbringt: Sie erzählt die Schicksale so mitreißend, dass man die kleinen Cliffhanger am Ende eines Kapitels kaum erträgt.

Gemma ist die erste der drei Protagonistinnen, die man kennenlernen darf. Gemma Bailey führt ein Leben, um das sie viele nur beneiden können: Sie ist liebende Mutter zweier gesunder Kinder, hat einen wundervollen Mann, der ihr die Welt zu Füßen legt, und wohnt in einem Haus, das zwar nicht perfekt, aber ein echtes Zuhause ist. Gemma ist mit Leib und Seele Hausfrau und Mutter, und das merkt man ihrem strahlenden Wesen an. Sie ist zudem eine talentierte Schneiderin, die sich auch ihr Kleid für die Silvesterparty geschneidert und dafür so manche bewundernde Blicke geerntet hat. Gemma ist herzensgut und liebenswürdig, wird durchaus aber auch von Selbstzweifeln geplagt, über die wohl jede Frau nur mitfühlend seufzen kann. Ihre natürliche Art macht sie äußerst sympathisch. Doch schon bald ist es nicht ihr herzliches Lachen, sondern ihr unbezwingbare Stärke, die Gemma in der Geschichte strahlen lässt.

Caitlin stammt ebenfalls aus dem kleinen englischen Dorf Larkmead, ist aber schon vor vielen Jahren weggezogen, um ihr eigenes Leben beginnen zu können. Ihren Eltern zuliebe hat sie eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht, mittlerweile geht sie aber ihrem Herzensjob als Webdesignerin nach. Caitlin ist kreativ und hat immer eine zündende Idee parat. Zu Beginn der Geschichte kehrt sie in ihre Heimat Larkmead zurück, um das Haus ihrer kürzlich verstorbenen Mutter auf Vordermann zu bringen. Sie will es vermieten, muss dafür aber ordentlich entrümpeln und die persönlichen Gegenstände ihrer Mutter sichten. Dabei stößt Caitlin auf Ungereimtheiten – und plötzlich bricht ihr der sichere Boden unter den Füßen weg.

Saffron ist die dritte im schicksalhaften Bunde und die einzige der Frauen, deren Leben nicht in Larkmead verwurzelt ist. Sie ist nur zu Besuch und hat sich eher zufällig Urlaub in dem Dorf gebucht, um ihrem Leben im stressigen London entfliehen zu können. Sie arbeitet als Pressereferentin, ist Karrierefrau durch und durch. Doch als sie eine unerwartete Nachricht bekommt, brennen bei Saffron die Sicherungen durch. Sie braucht Zeit für sich, Zeit zum Überlegen, wie sie mit der Neuigkeit umgehen soll, die nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Familie in absolutes Chaos stürzen könnte.

Drei Schicksale starker Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch perfekt zueinander passen. „Das Jahr, in dem wir alles wagen“ hat sich schnell als Leseerlebnis entpuppt, das seine Leser mitnimmt und bewegt. Dank Lucy Diamonds Schreibstil rauscht man geradezu durch die Seiten. So bewegend und Mut machend dieser Roman auch sein mag, im Laufe der Geschichte hätte eine unerwartete Wendung noch mehr Dynamik in das Geschehen bringen können. Vieles an der Handlung lässt sich erahnen, wie auch ihr Ausgang. Der Weg bis zur letzten Seite ist aber fraglos eine gelungene Mischung aus Unterhaltung und Dramatik, die für mitreißende Lesestunden sorgt. An Spaß, Witz und Gefühl fehlt es „Das Jahr, in dem wir alles wagen“ nicht!

Fazit:
Drei Frauen, drei Schicksale: „Das Jahr, in dem wir alles wagen“ von Lucy Diamond ist eine herzerwärmende Geschichte über das Leben und seine Tücken. Gemma, Caitlin und Saffron sind Protagonistinnen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Doch das Jahr, das das beste ihres Lebens hätte werden sollen und sich als ihre größte Herausforderung entpuppt, schweißt die drei Frauen zusammen. Zwischen diesen Buchdeckeln wartet eine ehrliche Geschichte, die mit Charme und jeder Menge Gefühl zu punkten weiß, auf ihre Leser. Nicht nur zum Jahreswechsel ein lesenswertes Buch! Für „Das Jahr, in dem wir alles wagen“ vergebe ich 4 Lurche.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein schmales Büchlein, das es mächtig in sich hat

Schneeflockensommer
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Worum geht's?
Für die 14-jährige Marie gibt es kein Zurück. Zu groß ist die Schuld, die auf ihren Schultern lastet. In einem kleinen Städtchen am Ende der Welt trifft Marie auf „Eisen-Berta“, eine grimmige ...

Worum geht's?
Für die 14-jährige Marie gibt es kein Zurück. Zu groß ist die Schuld, die auf ihren Schultern lastet. In einem kleinen Städtchen am Ende der Welt trifft Marie auf „Eisen-Berta“, eine grimmige alte Frau, die keine Fragen stellt. Sie bietet Marie Kost und Logis für ihre Hilfe. Marie geht auf das Angebot ein. Doch ihre Schuld ist auch am Ende der Welt allgegenwärtig – bis Marie einen Entschluss fasst …

Meine Meinung:
Marie muss weg – und es gibt kein Zurück. Ohne Erklärungen wirft Barbara Schinko ihre Leser in „Schneeflockensommer“ mitten in ein Geschehen, das geradezu verstört. Man beobachtet Protagonistin Marie, die verwahrlost und voller Verzweiflung sogar das Katzenfutter von einer Veranda stiehlt, um ihren Hunger zu stillen. Was ist dem Mädchen zugestoßen? Warum ist sie fortgelaufen?

So unscheinbar „Schneeflockensommer“ auf den ersten Blick auch wirken mag: Dieses Büchlein hat es mächtig in sich. Es ist eine Geschichte über dramatische Schicksalsschläge, über grausame Traumata und unverzeihliche Fehler. Mit knapp 150 Seiten ist „Schneeflockensommer“ wirklich kein dicker Schmöker, aber Barbara Schinko erzählt ihre Geschichte nicht ausschließlich über ihre gedruckten Worte zwischen den Buchdeckeln. Es steckt unheimlich viel zwischen den Zeilen, sodass man schon sehr konzentriert und aufmerksam lesen muss, um alle Ebenen der Geschichte zu begreifen. Leichte Lektüre holt man sich mit diesem Buch nicht ins Regal!

Von Anfang an ist es die seltsame, aber äußerst einnehmende Stimmung des Romans, die die Geschichte trägt. Barbara Schinko verfügt über einen intensiven, bildstarken Schreibstil, dem man sich nicht entziehen kann und der einem sogar jene Bilder vor das innere Auge zaubert, die man gar nicht sehen will. „Schneeflockensommer“ ist kein heiterer Jugendroman, will es mit seiner Geschichte aber auch gar nicht sein. Die teils sehr harte Thematik wird in Kombination mit Schinkos Erzählweise sicherlich nicht jedem Leser zusagen, aber es lohnt sich definitiv, mal einen Versuch zu wagen und einen Blick in das Buch zu werfen.

Barbara Schinko verpackt ihre düstere Erzählung in einer Art modernem Märchen. Vor allem die Leseatmosphäre erinnert mit ihrem kühlen, distanzierten und trotzdem faszinierenden Wesen an die altbekannten Volksmärchen. Aber auch innerhalb der Geschichte gibt es unzählige Anspielungen und Querverweise, die jeden Märchenfan aufhorchen lassen werden. Ganz „Schneeflockensommer“ hat etwas Surreales an sich und nicht selten stellt man sich als Leser die Frage, ob das eben Gelesene wirklich geschehen ist oder ob Barbara Schinko bloß die Konnotationen ihrer Leser geschickt ausnutzt, um die Geschichte in eine gewisse Richtung zu lenken und Hinweise zu liefern. Ich kann nur immer wieder betonen: „Schneeflockensommer“ spielt mit vielen stilistischen Mitteln, erzählt viel zwischen den Zeilen und ist damit alles andere als seichter Lesestoff, den man schnell von der Hand liest.

Bücher, die ihre Geschichten auf mehreren Ebenen erzählen, haben ihren ganz eigenen Reiz, besonders in Kombination mit der Märchen-Atmosphäre, die in „Schneeflockensommer“ stets präsent ist. Was bei der Handlung wunderbar funktioniert, entpuppt sich bei den Figuren jedoch als kleine Herausforderung. Sie wirken alle sehr kalt und reserviert und es benötigt einiges an Lesezeit, ehe man eine gewisse Beziehung zu ihnen aufbauen kann und man das Gefühl bekommt, sie zu verstehen. Das Durchhaltevermögen wird aber belohnt: Vor allem Protagonistin Marie ist ein starker, tiefgründiger Charakter, der beeindruckt.

Im Grunde fordert „Schneeflockensommer“ seine Leser zu einem Geben und Nehmen auf: Wer nicht dazu bereit ist, dem Büchlein seine volle Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe zu schenken, wird auch nur mit einer oberflächlichen Handlung belohnt werden. Ganz wie im Märchen: Während die fleißigen Protagonisten belohnt werden, stehen die faulen Charaktere am Ende ahnungslos und unzufrieden dar. Barbara Schinko hat wirklich jedes märchenhafte Klischee genutzt.

Fazit:
„Schneeflockensommer“ von Barbara Schinko ist ein schmales Büchlein, das es mächtig in sich hat! Die Geschichte der 14-jährigen Marie, die vor der Last ihrer Schuld flüchtet, ist eine intensive und bewegende Leseerfahrung, die sicherlich nicht jedermanns Geschmack trifft, aber definitiv einen genaueren Blick verdient hat. Tragisch, berührend und knallhart, aber zeitgleich auch zart und feinfühlig beschreibt Barbara Schinko hier eine Geschichte, zwischen deren Zeilen mindestens so viel steckt wie in ihren gedruckten Worten. Aufmerksamkeit und Konzentration sind hier ein Muss! Viele Märchenandeutungen und Querverweise machen „Schneeflockensommer“ ebenso magisch wie tiefgründig. Für „Schneeflockensommer“ vergebe ich gute 4 Lurche.