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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.11.2025

Lesenswert

Februar 33
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Uwe Wittstock erzählt in Februar 33 präzise, wie sich im Februar 1933 das Leben sowohl für Deutschlands Schriftstellerinnen und Schriftsteller als auch für den Rest der Bevölkerung verändert. In einer ...

Uwe Wittstock erzählt in Februar 33 präzise, wie sich im Februar 1933 das Leben sowohl für Deutschlands Schriftstellerinnen und Schriftsteller als auch für den Rest der Bevölkerung verändert. In einer Art Tag-für-Tag-Chronik beschreibt er, wie in wenigen Wochen ein Klima der Angst, Unsicherheit und Flucht entsteht. Das Buch zeigt, wie unterschiedlich bekannte Autorinnen und Autoren wie Thomas Mann, Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler oder Alfred Döblin darauf reagieren: Während einige versuchen, abzuwarten oder sich anzupassen, packen andere sofort ihre Koffer. Besonders gelungen ist Wittstocks Nähe zu den Personen: Er schildert ihre Reaktionen ohne Wertung, aber mit Interesse für ihre Motive und Ängste.

Wer bereits die Bücher von Florian Illies über 1933 und die Manns gelesen hat, wird einiges an Inhalt und Stil wiedererkennen. Trotzdem bietet Februar 33 einen anderen Blickwinkel: weniger feuilletonistisch und verspielt, dafür stärker historisch und politisch eingeordnet, dennoch gut lesbar. Obwohl mir einiges schon bekannt war, zeigt das Buch in seiner Zusammenstellung noch einmal eindrucksvoll, wie schnell und problemlos die Demokratie innerhalb kürzester Zeit abgeschafft werden konnte und welche gesellschaftlichen Entwicklungen dazu beitrugen. Eine absolute Empfehlung!

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Veröffentlicht am 10.11.2025

Sehr spannend

Schneekinder
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Schneekinder ist ein Jugendbuch, das von der ersten Seite an eine ungewöhnlich düstere Stimmung aber auch viel Spannung entfaltet. Die Zwillinge Elin und Kjell leben in einem Dorf in Jorland, als ein schrecklicher ...

Schneekinder ist ein Jugendbuch, das von der ersten Seite an eine ungewöhnlich düstere Stimmung aber auch viel Spannung entfaltet. Die Zwillinge Elin und Kjell leben in einem Dorf in Jorland, als ein schrecklicher Nebel dafür sorgt, dass sie mit den Kindern des Dorfes fliehen müssen. Dass die Geschichte bereits mit dem Tod von drei Jungen einsetzt, hat mich für das Genre erst einmal überrascht. Diese Schwere zieht sich durch den gesamten Roman, allerdings ohne dabei erdrückend zu wirken.

Besonders gelungen fand ich den kontinuierliche Erzählrhythmus: In nahezu jedem Kapitel geraten die Figuren in eine neue Bedrohung oder müssen sich entscheiden, wem sie vertrauen können. Dadurch liest er sich schnell und fesselnd. Elin ist eine starke, glaubhafte Protagonistin. Die Welt Jorlands ist ein besonderes Highlight: Vulkane, Berge, Schnee und Geysire sorgen für ein tolles Setting.

Trotz seiner Dunkelheit bleibt Schneekinder ein Buch über Zusammenhalt, Mut und Geschwisterliebe. Auch wenn es für ein Jugendbuch stellenweise härter ist, als man vielleicht erwartet, ist es durchgehend packend und einfallsreich erzählt.

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Veröffentlicht am 09.11.2025

Silvesterroman für Menschen, die gern Dinge aufschieben

Kleine Probleme
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Lars, 49, Möchtegernschriftsteller und passionierter Aufschieber, plant den perfekten Neustart ins neue Jahr: Er will vorher noch seine gesamte To-do-Liste abhaken - Steuererklärung, Aufräumen, Möbelmontage, ...

Lars, 49, Möchtegernschriftsteller und passionierter Aufschieber, plant den perfekten Neustart ins neue Jahr: Er will vorher noch seine gesamte To-do-Liste abhaken - Steuererklärung, Aufräumen, Möbelmontage, Rauchstopp, vielleicht noch eben ein literarisches Meisterwerk. In der Praxis jedoch versickert die letzte Woche des Jahres im Nichts, und am 31. Dezember sitzt Lars im selben Chaos wie zuvor. Was folgt, ist ein wilder Ritt durch die To-do-Liste inklusive Scheitern, Selbstzweifel und gelegentliche Geistesblitze – voller Situationskomik, aber auch mit nachdenklichen Passagen.

Der Roman ist mit seiner Mischung aus Humor, Melancholie und Alltagswahnsinn insgesamt sehr unterhaltsam. Manche Passagen waren für mich allerdings etwas langatmig, manche Pointen zu klamaukig. Nebenbei hat mich „Kleine Probleme“ tatsächlich motiviert, selbst noch ein paar Dinge zu erledigen, bevor das Jahr endet, um nicht so zu enden wie Lars – damit hat dieser Silvesterroman also noch einen Zweck erfüllt.

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Veröffentlicht am 07.11.2025

Interessante Erzählstimme

Die Assistentin
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Mit „Die Assistentin“ zeigt Caroline Wahl erneut, dass sie die Kunst beherrscht, Gesellschaftsbeobachtung, psychologische Genauigkeit und unterhaltsames Erzählen zu verbinden. Diesmal nimmt sie sich die ...

Mit „Die Assistentin“ zeigt Caroline Wahl erneut, dass sie die Kunst beherrscht, Gesellschaftsbeobachtung, psychologische Genauigkeit und unterhaltsames Erzählen zu verbinden. Diesmal nimmt sie sich die Arbeitswelt vor: das Machtgefüge eines Verlags.

Charlotte beginnt als Assistentin in einem Verlag in München. Was als vermeintlich vernünftiger Neustart beginnt, entwickelt sich zu einem Albtraum. Ihr Chef erkennt ihr Potenzial und nutzt es aus. Schritt für Schritt gerät Charlotte in eine Dynamik aus Druck, Anpassung und Abhängigkeit, wie sie viele aus der modernen Arbeitswelt kennen: ständige Erreichbarkeit, Überforderung, das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Ihr Chef überschreitet nach und nach immer mehr Grenzen.

Besonders interessant fand ich die Erzählstimme: eine allwissende Instanz, die kommentiert, vorwegnimmt, über das Erzählen eines Romans reflektiert und so immer wieder den Abstand schafft, den Charlotte selbst nicht findet. Dieses Spiel mit Perspektive und Metaebene hebt den Roman sprachlich deutlich von Wahls ersten Romanen ab, hat mir aber richtig gut gefallen. Die Dialoge sind dabei gewohnt pointiert und unterhaltsam, die Protagonistin ist typisch sympathisch unperfekt, während sie ihren eigenen Weg sucht. Trotz der Schwere des Themas liest sich auch dieser Roman leicht und flüssig – ein Buch, das man in einem Rutsch lesen möchte!

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Veröffentlicht am 06.11.2025

Bewegende Familiengeschichte

Großmutters Geheimnis
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Benjamin Koppels Roman „Großmutters Geheimnis“ ist ein vielschichtiger Familienroman über Schweigen, Erinnerung und die Weitergabe von Trauma über Generationen hinweg. Die Kapitel wechseln zwischen Alexanders ...

Benjamin Koppels Roman „Großmutters Geheimnis“ ist ein vielschichtiger Familienroman über Schweigen, Erinnerung und die Weitergabe von Trauma über Generationen hinweg. Die Kapitel wechseln zwischen Alexanders Perspektive im modernen Kopenhagen und Ruths nachträglichen Tonbandaufnahmen aus einem Altenheim in New York, in denen sie zum ersten Mal über ihre verdrängte Vergangenheit während der NS-Zeit spricht. Besonders Ruths Erzählstimme fand ich dabei sehr authentisch, erst nach und nach entfaltet sich ihre Geschichte. Alexanders Geschichte fand ich aber auch interessant: Es geht recht ausführlich um eine Kinderwunschbehandlung mit seiner Freundin Gry. Das hatte ich so detailliert nicht erwartet, fand es aber insgesamt dann sehr stimmig.

Koppel verbindet in seiner Geschichte so die Themen Erbschaft und Identität mit aktuellen Fragen: unerfüllter Kinderwunsch, Beziehungsdruck, emotionale Überforderung. Alexanders Unfähigkeit, seiner Partnerin Gry in der schwierigen Zeit beizustehen, wird plausibel als Ausdruck eines tieferliegenden, generationsübergreifenden Traumas erzählt. Ruths Erzählung über ihre Jugend, Flucht und das Überleben als Jüdin ist der erschütternde Kern des Romans, der von Ruths Erzählstimme lebendig und erschütternd erzählt wird. Der gemeinsame Nenner der Familienmitglieder über die Zeiten hinweg ist dabei die Musik, deren Wirkung im Roman ausführlich beschrieben wird - wer insbesondere Mahler und Verdis Requiem liebt, wird an diesen Beschreibungen seine Freude haben.

Das Ende des Romans, an dem die beiden Erzählstränge zusammengeführt werden, kann man sicher begründet kritisieren, mir hat es aber gut gefallen und es hat mich berührt. Insgesamt war für mich deshalb auch Koppels zweiter Roman nach seinem Debüt „Annas Lied“ eine tolle Lektüre und ich werde auch sein nächstes Buch sehnsüchtig erwarten.

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