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Veröffentlicht am 30.03.2023

Bühne frei für alte Geheimnisse

Schneeblind
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Ari wusste nicht, was auf ihn zukommt, als er sich für eine Stelle bei der Polizei im rauen Norden Islands entschieden hat. Endlose Nächte, Einsamkeit, eine verschworene Dorfgemeinschaft, in der Neue erst ...

Ari wusste nicht, was auf ihn zukommt, als er sich für eine Stelle bei der Polizei im rauen Norden Islands entschieden hat. Endlose Nächte, Einsamkeit, eine verschworene Dorfgemeinschaft, in der Neue erst ihren Platz finden müssen.
Kein leichter Start für den jungen Polizisten, der zu allem Überfluss kopfüber in einen alles andere als einfachen Fall stolpert. Ein alter Mann stürzt in den Tod. Ein Unfall, oder?
Doch bei seinen Ermittlungen stößt Ari schnell auf Widerstand. Denn schnell ist klar: Wenn es kein Unfall war, muss es jemand aus dem verschlafenen Fischerdörfchen gewesen sein. Und wie soll Ari Fragen stellen, ohne sich das halbe Dorf zum Feind zu machen, in dem sich die meisten Einwohner schon ihr Leben lang kennen? Doch leugnen lässt es sich nicht: Etwas Unheimliches geschieht im Dorf.

»Angst war nicht das erste Gefühl, das sie verspürte, sondern die Wut darüber, nicht bemerkt zu haben, dass etwas Seltsames in der Luft lag, dass jemand hinter ihr in der Dunkelheit stand.«

Wer Jónassons Hulda-Trilogie – ›Dunkel‹, ›Insel‹ und ›Nebel‹ – gelesen hat, kennt das besondere Gespür des Autors für Geheimnisse der Vergangenheit, glaubwürdige Charaktere und eine düstere Atmosphäre.
Doch so ideal sich das im Winter fast vom Rest der Welt abgeschnittene Fischerdörfchen auch als Schauplatz eines Verbrechens eignet, wirkt der Beginn der Dark-Iceland-Reihe ›Schneeblind‹ noch unausgereift. Vieles von dem, was Jónasson in der Hulda-Trilogie bereits meisterhaft ausgefeilt hat, ist hier bereits angelegt, doch steckt noch in den Kinderschuhen.

»Die Dunkelheit lastete über dem Dorf, als sie in den Fjord hineinfuhren.
Die Häuser mit ihren bunten Dächern waren in dieser Dunkelheit wie von einem Schleier überzogen, eine leichte Schneeschicht lag über den Gärten und Grashängen.«

Die Schicksale der Figuren erreichen nicht die gleiche menschliche Tiefe, wie der Autor dies sonst gezeigt hat. Auch der Spannungsbogen und die Kernthemen sind weniger ausgearbeitet oder facettenreich.
Nachdem ich die Hulda-Trilogie geradezu verschlungen habe, hatte es ›Schneeblind‹ auch wirklich schwer, mich zu überzeugen. Dennoch bin ich gespannt, wie sich der junge Polizist Ari im Verlauf der Reihe weiterentwickeln wird und ob der Autor mich im zweiten Band ›Todesnacht‹ wieder überzeugen können wird.

»Ein Gefühl von Schwermut hatte ihn überwältigt. Ein Gefühl, das immer schlimmer wurde, je dichter der Schnee fiel. Nichts war wahrscheinlicher, als dass die Wettergötter eine dicke Mauer um das Haus bauen würden, durch die er nie herauskommen könnte.«

›Schneeblind‹ entführt die LeserInnen in den Norden Islands zur Weihnachtszeit. Menschliche Schicksale verweben sich in dem kleinen Fischerdörfchen und wollen nach und nach aufgedeckt werden. Ich bin gespannt, wie es im zweiten Band der Dark-Icaland-Reihe weitergehen wird.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Die Welt jenseits der Mauer

Attack on Titan Deluxe 9
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Eine halbe Ewigkeit scheint vergangen zu sein, seit die Mauer gefallen ist und der kolossale und der gepanzerte Titan das Leben der Menschen verändert haben. Damals konnten Eren, Mikasa und Armin nichts ...

Eine halbe Ewigkeit scheint vergangen zu sein, seit die Mauer gefallen ist und der kolossale und der gepanzerte Titan das Leben der Menschen verändert haben. Damals konnten Eren, Mikasa und Armin nichts tun außer zusehen. Doch an diesem Tag ist in den dreien etwas geboren, das ihr Leben bestimmte.
Wer ›Attack on Titan‹ noch nicht kennt oder noch nicht so weit gelesen oder geschaut hat, sollte das definitiv erst nachholen, bevor hier weitergelesen wird.
Denn jede Entwicklung der Story kann ein Spoiler sein und jeder Spoiler bei ›Attack on Titan‹ ist ein Spoiler zu viel.
Nachdem Eren und der Aufklärungstrupp die Bücher seines Vaters gefunden haben, hat sich ihre Welt vollständig verändert. Nicht nur über sich und ihre Welt haben sie Neues erfahren, auch über das, was jenseits der Mauer liegt. Somit stehen den Leser:innen mitunter die Nackenhaare zu berge, wenn in ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 9‹ Ereignisse geschehen, die aus ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 1‹ nur zu bekannt sind. Das Verhältnis hat sich geändert, doch die Folgen sind ähnlich: Kinder, deren Welt in Trümmern liegt. Außerdem kommt es im neunten Band endlich zur Aussprache zweier Charaktere, die Fans der Reihe nicht verpassen dürfen.

»Ihr habt versucht, die Welt zu retten. Habe ich recht? Ihr wart vier ahnungslose Kinder, die auf die Insel geschickt wurden. Dabei wusstet ihr nichts über diese Welt.«

In ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 9‹ wird die Welt jenseits der Mauer bekannter und auch auf die Ereignisse in der Vergangenheit wird Licht geworfen. Wie kam es dazu, dass die Menschen sich hinter den Mauer zurückzogen? Der neunte Band der Deluxe-Edition hält definitiv einige Antworten parat.

»Es ist genau, wie Willy Tybur sagt. Ich bin ein Schurke, der vielleicht die ganze Welt auslöschen wird. Aber für mich saht ihr damals auch wie Schurken aus.«

Das unbekannte Fremde wird in ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 9‹ vertrauter und menschlicher. Die Lesenden sind gezwungen, die Perspektive zu wechseln. Die Unschuld und Beweggründe des Feindes kennenzulernen, gleichzeitig die Beweggründe der eigenen Seite nur noch bruchstückhaft nachvollziehen zu können.

»Ich bin wie du. Natürlich gibt es überall schlechte und gute Menschen, aber jenseits des Meeres oder in den Mauern … wir sind alle gleich.«

Dem Anime und Manga ›Attack on Titan‹ gelingt es wie keiner anderen Geschichte, die Leser:innen und Zuschauer:innen vollständig für die Seite der Hauptfiguren einzunehmen. Mitgerissen durch Erens Schicksal und den Tod seiner Mutter, von einem Schauer gepackt durch die brutalen und mitunter fast kindlichen Titanen, die grundlos und grausam Leben zerstören. Was als klassische Schwarz-Weiß-Zeichnung beginnt, gewinnt schnell an Komplexität. Vom Wunsch nach Rache und Sicherheit getrieben, von der Frage nach dem Warum geleitet.

»Damals als die Mauer durchbrochen und meine Heimat überrannt wurde. Als meine Mutter vor meinen Augen von Titanen gefressen wurde, seitdem frage ich mich, wieso Menschen sowas durchmachen mussten … und wieso so viele Menschen bei lebendigem Leib gefressen wurden. Weil ich das einfach nicht verstehen kann.«

Doch was ist, wenn der Beginn der Schrecken für Eren nicht der Beginn des Schreckens an sich ist? Wenn alles schon so viel früher begonnen hat und doch für jede Generation an einem bestimmten Punkt ein neuer Anfang gelegt wird? Wenn die Grenze zwischen Reaktion und Aktion unsichtbar geworden ist? Wer handelt dann noch, um sich zu schützen und wer handelt schon, um anderen zu schaden? Und können diese Fragen überhaupt noch unabhängig voneinander betrachtet werden? Mit jeder Wendung nimmt die Komplexität der Geschichte zu und doch spüren die Leser:innen, dass die gesamte Geschichte schon zu Beginn angelegt war. Und immer weiter und tiefer zum Nachdenken anregt, vertraute Strukturen hinterfragt und dekonstruiert.

»In den letzten Jahren gab es auf Paradis eine Revolte, bei der die Friedensideologie von König Fritz aufgegeben und der Urtitan gestohlen wurde und nun steht die Welt erneut am Rand des Abgrunds. Denn ein Mann ist aufgetaucht, der sich gegen König Fritz‘ friedliche Welt auflehnt. Er ist ein Rebell gegen den Frieden … und sein Name ist … Eren Jäger!«

Wer glaubt, Anime und Mange sei etwas für Kinder, der sollte Isayamas Reihe ›Attack on Titan‹ definitiv eine Chance geben (und sie nicht Kindern unter 16 Jahren zeigen). Denn mit jedem weiteren Band sind es nicht nur die Titanen als solche, über die die Leser:innen mehr erfahren. Sie erfahren mehr über das Menschsein, Hass und Gewalt. ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 9‹ ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend, geht unter die Haut und ist wunderbar passend gezeichnet. Ich bin schon so gespannt, wie es in ›Attack on Titan Deluxe Edition Band 10‹ weitergeht.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Warum wir regelmäßig eine Kreditkarte essen und andere Fragen des Lebens

Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben
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Gesundheit – für sich und die Liebsten. Ist das nicht ein Wusch, den viele Menschen im Herzen tragen? Sicher und vergnügt aufwachsen können, im Wald spazieren, auf der Wiese Fußball spielen oder sich mit ...

Gesundheit – für sich und die Liebsten. Ist das nicht ein Wusch, den viele Menschen im Herzen tragen? Sicher und vergnügt aufwachsen können, im Wald spazieren, auf der Wiese Fußball spielen oder sich mit einem Picknick oder einem Buch entspannen. Für mich klingt das traumhaft.
In dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, konnte man mit etwas Glück ein Reh sehen, wenn man aus dem Fenster blickte.
Rebhühner auf den Feldern, ein riesiger Kirschbaum im Garten, mit dem Vater Johannisbeeren pflücken. Wenn ich dieses Haus heute besuchen gehe, steht es inmitten eines Neubaugebietes, als wäre es nicht einst mitten in der Natur gestanden. Als Kind war diese Natur und alles, was sie zu bieten hatte, jedoch ein riesengroßer Spielplatz, den es zu entdecken galt.
Vermutlich muss man nicht so aufwachsen, um den Zauber zu kennen, der von Wäldern, Mooren, blühenden Feldern oder schimmernden Flüssen ausgeht. Als Kinder hatten wir überall Lager. Entweder um dort unseren Kastanienvorrat zu verstecken oder um Pläne für den Tag zu schmieden. Vielleicht kommt einem als Kind die Natur in der Nachbarschaft noch größer vor, aber es waren glückliche Tage. Und hätte man mir als Kind gesagt, dass mein Kastanienlager verschwinden würde, wenn ich ständig Rindfleisch aß, hätte ich mich definitiv für mein Lager entschieden.
Es gibt viele Gründe, sich zu wünschen, dass die Natur nicht kaputt geht. Sich zu wünschen, dass die eigenen Kinder vielleicht auch mal ein Kastanienlager haben können, ist einer davon. Neben Wünschen, die sich an zukünftige Generationen richten, gibt es jedoch auch die, die uns selbst, unseren Körper und unsere Seele betreffen. Eckart von Hirschhausen hat es sich zur Aufgabe gemacht, begreifbar zu machen, wie stark die eigene Gesundheit und die Gesundheit des Planeten zusammenhängen.

»Vielmehr muss ich die Möglichkeit nutzen, Menschen darauf hinzuweisen, welche Risiken die Klimakrise für unsere Gesundheit in sich birgt. Und dass unsere Gesundheit nicht nur an Arztpraxen, Kliniken und Tabletten hängt, sondern auch an einem gesunden Planeten.«

Hirschhausen plädiert für einen anderen Blick auf viele Aspekte, die mit der Klimakrise zusammenhängen. Denn sollte bei der Reduktion des eigenen Fleischkonsums wirklich von ›Verzicht‹ gesprochen werden, wenn wir damit uns selbst zugleich so viel Gutes tun? Sollte bei einem weniger an Autofahren und einem mehr an Radfahren wirklich von Verzicht gesprochen werden, wenn wir uns und unserer Gesundheit damit so viel Gutes tun? Wenn dies auf so viele Aspekte unseres Lebens einen positiven Effekt haben kann? Und atmen wir nicht alle lieber frische Luft als uns mit einem Skateboard vor einen Auspuff zu schnallen?
›Mensch, Erde!‹ versammelt Wissen und Gedanken zu den vielseitigsten Gebieten. Vom Trinken, über das Essen, schlechte Luft, Hitze, Konsum, Tiere und vieles mehr. Wer sich auf ›Mensch, Erde!‹ einlässt, hat eine spannende Reise vor sich. Dabei warten auf die Leser:innen spannende Fakten, interessante Gedanken und eine ordentliche Portion Humor.

»Geld kann man bekanntlich nicht essen. Aber wann haben sie zuletzt eine Kreditkarte gegessen? Ich behaupte: letzte Woche. Woher ich das weiß? Ich habe auch eine gegessen. Also nicht am Stück, sondern in kleinsten Teilchen als sogenanntes Mikroplastik.«

›Mensch, Erde!‹ ist durchgehend 4-farbig gedruckt und mit jeder Menge toller Fotografien und Illustrationen geschmückt. Eine meiner liebsten Illustrationen des Buches hat mich beispielsweise gelehrt, dass die Süßwasserschnecke für den Menschen insgesamt gefährlicher sein kann, als Wölfe, Schlangen und Krokodile zusammen. Zwar habe ich in meinem Alltag mit keiner der vier Tierarten zu tun, doch ist es spannend zu sehen, wie sehr sich die eigene Wahrnehmung irren kann.
Zusätzlich versorgt Hirschhausen in ›Mensch, Erde!‹ die Leser:innen mit jeder Menge Links und Empfehlungen, um tiefer in das Thema einzusteigen oder interaktiv zu werden, z.B. bei der Berechnung des eigenen globalen Fußabdrucks.

»Klimaschutz, Artenschutz, Gesundheitsschutz – ohne zu Verschwörungstheorien zu neigen: Da gibt es einen Zusammenhang! Daher ist dieses ›subjektive Sachbuch‹ der Versuch, einen Teil der Grenzen, in denen Themen oft verhandelt werden, aufzuheben.«

›Mensch, Erde!‹ ist ein wunderbares Buch. Vor allem für all jene, die sich gerne mehr mit den Themen auseinandersetzen wollen und noch einen Anschub brauchen. In dem Buch steckt so viel Wissen und Recherche, dass das Buch durch sein Gewicht nach dem Lesen problemlos als Waffe zur Selbstverteidigung verwendet werden könnte. Aber Hirschhausen wäre wohl nicht Hirschhausen, wenn er die Themen nicht mit einer ordentlichen Prise Humor und jeder Menge Anschauungsmaterial aufbereitet hätte.
Wem ›Mensch, Erde!‹ gefallen hat, der sollte vielleicht mal einen Blick in ›Wir sind das Klima!‹ von Jonathan Safran Foer werfen. Das Buch hatte mich zu seiner Zeit für das Thema gewinnen können und gehört definitiv zu meinen Lieblingen.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Was im Verborgenen wartet

Die Legende von Sleepy Hollow - Im Bann des kopflosen Reiters
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In Bens Welt ist das Leben der Männer freier und wilder als das der Frauen. Sie geben den Ton an, vertreten die Interessen der Familien in der Öffentlichkeit, dürfen sich prügeln und werden gerufen, wenn ...

In Bens Welt ist das Leben der Männer freier und wilder als das der Frauen. Sie geben den Ton an, vertreten die Interessen der Familien in der Öffentlichkeit, dürfen sich prügeln und werden gerufen, wenn etwas im Ort nicht mit rechten Dingen zugeht.
Das Leben als Frau findet weniger in der Öffentlichkeit statt. Sittsamkeit und Ehre dürfen keinen Gefahren ausgesetzt werden. Auch der Vorwurf der Hexerei geht noch allzu leicht über die Lippen.
Vor allem in einem Ort wie Sleepy Hollow. Wer die Verfilmung mit Johnny Depp und Christina Ricci von 1999 oder die Serie mit Tom Mison kennt, weiß um die Besonderheiten dieses Ortes. Aberglaube, unheimliche Geschehnisse und uralte Geheimnisse. Auch wer die Erzählung The Legend of Sleepy Hollow (1820) von Washington Irving gelesen hat, dürfte den Namen Ichabod Crane noch in Erinnerung haben.

»Ich hatte keine Hexen oder Kobolde oder den kopflosen Reiter zu Gesicht bekommen. Aber ich hatte jemanden meinen Namen flüstern gehört und gespürt, wie mich etwas an der Schulter berührte, kalt wie der Wind, der im Herbst den Schnee ankündigt.«

Christina Henrys ›Die Legende von Sleepy Hollow‹ setzt 30 Jahre nach Ichabod Cranes Verschwinden ein. Einige der Figuren sind Kenner:innen des Stoffes bereits vertraut, alle anderen dürfen sich darüber freuen, sie kennenlernen zu können.
Ob es sich um Bens besten Freund Sander handelt oder um Bens Großeltern Brom und Katrina – Henry hat ein wunderbares Händchen für markante, authentische und liebenswerte Figuren. Doch nicht nur für Figuren, ›Die Legende von Sleepy Hollow‹ ist super atmosphärisch, düster und geheimnisvoll.

»Anderswo mochte so etwas kaltherzig klingen, aber in Sleepy Hollow wurde viel Seltsames Wirklichkeit, und manchmal streckte dieses Seltsame seine Klauen nach uns aus. Es war den Leuten nicht gleichgültig, aber sie akzeptierten den Schrecken im Tausch gegen das Wunder.«

Doch mit ›Die Legende von Sleepy Hollow‹ geht Henry weit über die vielleicht bekannten vorherigen Adaptionen des Stoffes hinaus. Denn Ben muss nicht nur gegen die Geheimnisse des Ortes kämpfen, sondern auch gegen dessen Normen.
Ein Kampf um Identität und das Leben, das im tiefsten Innern zu einem passt und gehört. Gut, wenn man dabei so liebenswerte Verbündete hat wie Ben, doch auch die Gefahren von Sleepy Hollow sind nicht zu unterschätzen.

»Für einen Moment hatte ich den Eindruck, als sähe ich Augen, die mich anblickten, Augen, die nicht da sein konnten, weil da kein Mensch war und kein Mensch solche Augen haben konnte – Augen, die glühten, Augen, die zogen, Augen, die an meiner Seele zerrten und sie aus meinem Mund herauszuziehen schienen.«

›Die Legende von Sleepy Hollow‹ ist für mich zweifellos das beste Buch von Henry, das ich bislang gelesen habe. Das Setting, die Geheimnisse, der düstere Ort und die besonderen Figuren führen immer tiefer hinein in die Geschehnisse Sleepy Hollow von vor 30 Jahren und von heute.
Wer ›Die Legende von Sleepy Hollow‹ gerne gelesen hat, sollte einen Blick auf ›Die Chroniken von Peter Pan‹ oder ›Die Chroniken der Meerjungfrau‹ werfen.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Von Liebe, Einsamkeit und Gier

Die Chroniken der Meerjungfrau - Der Fluch der Wellen
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Meerjungfrauen faszinieren seit Generationen. 1837 schrieb Hans Christian Andersen das Märchen ›Die kleine Meerjungfrau‹, 1989 erschien der Disney-Film ›Arielle, die Meerjungfrau‹ und noch heute steht ...

Meerjungfrauen faszinieren seit Generationen. 1837 schrieb Hans Christian Andersen das Märchen ›Die kleine Meerjungfrau‹, 1989 erschien der Disney-Film ›Arielle, die Meerjungfrau‹ und noch heute steht eine Bronzefigur mit dem Titel die ›Kleine Meerjungfrau‹ in Kopenhagen.
Nun hat auch Christina Henry den Stoff in ›Die Chroniken der Meerjungfrau‹, dem fünften Band der ›Dunklen Chroniken‹, verarbeitet. Am Meer lebt ein Mann, der es mehr liebt, als er je einen Menschen lieben könnte. Doch keine Frau teilt seine Liebe oder will ein Teil seiner rauen Welt sein.
Eines Tages jedoch findet er in seinem Netz eine Frau, die Teil des Meeres ist. Und trotz seiner Einsamkeit und seinem Wunsch nach einer Frau lässt er sie frei. Doch seine Einsamkeit hat die Frau berührt und sie entscheidet sich für ein Leben mit ihm.

»Es war einmal ein Fischer, ein einsamer Mann, der an einer kalten, rauen Küste lebte und keine Frau davon überzeugen konnte, ihre Heimat zu verlassen, um mit ihm an diesem unwirtlichen Ort zu leben. Er liebte das Meer mehr als jeden Menschen, und so gelang es ihm nicht, eine Frau zu finden, denn Frauen sehen klarer ins Herz eines Mannes, als Männer sich das vielleicht wünschen.«

Die beiden sind so unterschiedlich wie man nur sein kann und doch eint sie ihre Beziehung zum Meer. Doch während der Fischer älter wird und eines Tages nicht mehr mit seinem Boot zurückkommt, altert sie nicht. Und die Gerüchte über die Frau am Meer, die nicht älter wird und ewig gleich aussieht, dringen bald nach außen.
Doch obwohl der Fischer fort ist, bleibt sie in seiner Hütte und lebt am Land. Aber ein Teil des Lebens an Land kann sie nie ganz werden. Und bald muss sie feststellen, dass nicht alle an Land nur Gutes für sie wollen.

»Eines Abends, als er nach einem langen Arbeitstag sein Netz einholte, fand der Fischer eine Frau darin – oder zumindest ein Wesen, das einer Frau ähnelte, mit schwarzem Haar und Augen so grau wie die stürmische See und einem glänzenden Fischschwanz.«

In ihrer Reihe die ›Dunklen Chroniken‹ verarbeitet Henry bekannte Stoffe und formt sie zu etwas Neuem und zugleich vertraut scheinendem. Ihr Schreibstil ist einfühlsam, schön und stimmungsvoll. Die Geschichte ist unglaublich atmosphärisch und dicht, die Charaktere facettenreich und tief.
›Die Chroniken der Meerjungfrau‹ lässt sich problemlos lesen, ohne dass man die anderen Bände der Reihe kennt. Der fünfte Band hängt nicht mit den anderen Teilen zusammen. Aber wer auf den Geschmack von Henrys Schreibstil gekommen ist und gespannt darauf ist, wie sie den Stoff anderer Geschichten verarbeitet hat, sollte einen Blick auf die anderen Bände werfen, wie ›Die Chroniken von Peter Pan‹.

»Sie blieb in dem kleinen Haus auf den Klippen, Jahr um Jahr. Das Holz des Häuschens wurde weiß vom Wind und der salzigen Gischt, und Amelias Kleider wurden dünn, genau wie ihr Gesicht, aber sie zog nicht fort.
Und sie wurde auch nicht älter.«

›Die Chroniken der Meerjungfrau‹ ist bislang mein liebster Teil der Reihe. Ich mag das Setting total gern und die zum Teil träumerisch erscheinenden Figuren. ›Die kleine Meerjungfrau‹ ist außerdem ein faszinierendes Märchen. Ich bin schon sehr gespannt, welchen Stoff Christina Henry für den sechsten Band der ›Dunklen Chroniken‹ wählen wird.

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