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Veröffentlicht am 04.07.2020

Informativ, aber zu schwer für den Rucksack

HOLIDAY Reisebuch: Wo Deutschland am schönsten ist
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Die Marke HOLIDAY bei Gräfe und Unze startete 2014 mit dem Titel »Die schönsten Wochenendtrips«, der in der Vorweihnachtszeit zum Bestseller avancierte. Im Herbst 2015 folgten sechs weitere Reisebücher, ...

Die Marke HOLIDAY bei Gräfe und Unze startete 2014 mit dem Titel »Die schönsten Wochenendtrips«, der in der Vorweihnachtszeit zum Bestseller avancierte. Im Herbst 2015 folgten sechs weitere Reisebücher, die in ansprechender Gestaltung vielfältige Themen neu und anders vorstellen.

Thema
1.000 Möglichkeiten, in Deutschland seine freie Zeit auf vergnügliche Weise zu verbringen. Bundesland für Bundesland, in pointierten Texten und zahlreichen Fotos. Nirgendwo entdeckt man mehr als vor der eigenen Haustür, und es gibt kaum ein Land, das auf kürzere Entfernung stärkere Kontraste bietet. Uraltes steht neben Brandneuem, barocke Schnörkel wechseln mit klaren Kanten.

Meinung
Dieser umfangreiche Freizeitführer ist für zu Hause gedacht, um sich auf einen Ausflug oder einen Wochenendtrip vorzubereiten und einzustimmen. Der Reiseführer kann sich neben Baedeker und Marco Polo sehen lassen, ist aber nicht unbedingt für den Rucksack geeignet, dafür ist er zu schwer, aber das Buch passt in jedes Autohandschuhfach. Aus NRW stammend habe ich natürlich alle vor meiner Haustüre liegenden Tipps intensiv betrachtet. Laut diesem Buch habe ich nicht viel verpasst, das meiste habe ich gesehen, das eine oder anderen Ausflugsziel habe ich sogar vermisst. Was die Bebilderung und den Informationsgehalt betrifft, kann ich mich nicht beklagen. Alle Sehenswürdigkeiten, Hotels und Restaurants wurden gut in Szene gesetzt. Als Reiseführer zum Mitnehmen ist mir das Buch jedoch zu umfangreich, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich als Bochumerin einen Tagesausflug nach Bayern mache, oder umgekehrt - dass ein Bayer einen Tagesausflug nach Schleswig-Holstein macht, halte ich für schwindend gering. Okay, außer man besitzt einen VW-Bus oder ein Wohnmobil, dann sieht die Sache natürlich anders aus. Darum plädiere ich dafür, jedes Bundesland als eigenständiges Buch herauszugeben. Das wäre zwar in der Produktion und Herstellung aufwendiger, für mich als Verbraucher aber auf den ersten Blick günstiger, was natürlich auch nicht wahr ist, aber ist ja jetzt auch egal ... jedenfalls wäre das Buch dann schmaler und leichter und hätte endlich Platz im Rucksack oder in der Handtasche. Dies ist keine boshafte Kritik, lediglich eine konstruktive Anregung. Was Reiseführer angeht, bin ich nämlich Expertin. Außerdem habe ich bei den Übernachtungsmöglichkeiten ein Verzeichnis der Jugendherbergen und Suppenküchen vermisst.

Fazit
Zahlreich bebildert und informativ stellt die Reihe HOLIDAY nicht wirklich etwas Neues dar, sie erweitert lediglich das Repertoire von GU, eine Marke, die allgemein für Koch- und Sachbücher bekannt ist. Das quadratische Format erinnert an die Marke. Dass die Serie zu Beginn der Sommerferien neu vermarktet wird, finde ich vom Verlag ein gutes Timing. Das 480-seitige, broschierte Sachbuch mit der EAN 978-3-8342-3262-5 kostet 15.00 € und erschien am 1. Juli 2020 im HOLIDAY-Verlag. Das Preisleistungsverhältnis ist top.

Gut zu wissen!
Axel Klemmer, Jahrgang 1963, hat Geografie studiert und als gebürtiger Berliner den Süden der Republik mit dem Mittelpunkt München zur zweiten Heimat gewählt. Er schreibt für Zeitungen und Fachmagazine und ist Autor zahlreicher Reiseführer und Publikationen über Deutschland, Österreich und die Schweiz.


© 06/2020 MAD-Moiselle | Alle Angaben sind ohne Gewähr.

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Veröffentlicht am 03.07.2020

Beschämend und zum Schreien komisch zugleich!

Ozelot und Friesennerz
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Mit großer Leichtigkeit und Humor, Gespür für Tempo und Situationen erzählt Susanne Matthiessen von einer Kindheit, die außergewöhnlich und zugleich in vielem typisch ist für ihre Zeit. Auf Sylt zeigten ...

Mit großer Leichtigkeit und Humor, Gespür für Tempo und Situationen erzählt Susanne Matthiessen von einer Kindheit, die außergewöhnlich und zugleich in vielem typisch ist für ihre Zeit. Auf Sylt zeigten und zeigen sich wie unter einem Brennglas die Sehnsüchte und Widersprüche der Bundesrepublik, und nie war das Bild bunter und genauer als in den siebziger Jahren, als die Stars, Politiker und Industriekapitäne des Wirtschaftswunderlands und die Nachkommen der Kriegsgeneration am Strand den Alltag hinter sich ließen, und findige Sylter Unternehmer den Grundstein zu sagenhaftem Reichtum legten. Von ihnen allen und von denen, die heute mit diesem Erbe umgehen müssen, handelt dieses Buch.

Thema
Eine amüsant-kritische Rückblende auf die Sylter High Society der 1970er Jahre.

Meinung
Ich bin nur wenige Jahre jünger als die Autorin und habe Sylt noch nie besucht, trotzdem spielen die 1970er Jahre eine bedeutsame und prägende Rolle in meinem Leben, sodass mich das urige Cover, auf dem der damalige, wirklich entsetzlich schräge Zeitgeschmack zu bestaunen ist, ansprach. Der Schreibstil ist locker amüsant, die Sprache gekonnt eingesetzt. Die Figuren und die Charaktere werden lebendig, ohne dass die Autorin allzu sehr ins Detail gehen muss. Die Anekdoten sprechen für sich und verpassen den Personen einen individuellen Charakter. Intuitiv ordnet der Leser die Menschen in die passende Schublade. Er denkt sich halt seinen Teil.

Zwischen Prolog und Epilog, die das damalige und heutige Leben auf Deutschlands beliebtester Insel kritisch beleuchten, entführt uns Susanne Matthiessen über acht Kapitel in ihre Kindheit auf Sylt, wo ihre Eltern eine florierende Kürschnerei betreiben. Jedes der acht Kapitel ist einem anderen Pelz gewidmet. Für mich als jüngere Schwester einer gelernten Schneiderin ist diese Thematik natürlich spannend. Obwohl es sich um relativ belanglose Anekdoten handelt, sind die Geschichten teilweise zum Schreien komisch, beschämend und peinlich zugleich - wie ein Mitleser bemerkt hat: "darf man davon ausgehen, dass jede dieser Storys in irgendeiner Illustrierten bereits breit getreten worden ist und keine Fiktion darstellt. [TommyBBB]". Ein Otto Normalbürger wie Du und ich kann da nur mit dem Kopf schütteln. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen und darum belasse ich dabei.

Fazit
Bei Ozelot und Friesennerz von Susanne Matthiessen handelt es sich im wahrsten Sinne des Wortes um Unterhaltungsliteratur. Es hat wenig Sinn, die Lektüre interpretieren zu wollen. Gerade weil ich mich so königlich über die Geschichten amüsiert habe, vergebe ich fünf Friesennerze. Die Autorin hat meinen persönlichen Geschmack getroffen, denn ihr ist es gelungen, auf freche und zugleich sympathische Art und Weise ihre Kindheitserinnerungen auf Sylt lebendig werden zu lassen. Ich bedanke mich ganz herzlich beim Ullstein-Verlag dafür, dass ich dieses Buch lesen durfte. Die 256-seitige Hardcover Ausgabe mit der ISBN 978-3-550-20064-9 kostet 20.00 € und erschien am 15. Juni 2020 im Ullstein-Verlag.


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Veröffentlicht am 03.07.2020

Jeder hat sein Päckchen zu tragen

Der Gepäckträger
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Thema
Der Gepäckträger ist eine Erzählung über die Kunst, unbeschwert zu leben. Was uns belastet, ist nicht unser Gepäck, sondern die Entscheidung, es zu tragen. Thematisch verwand mit dem Buch "Der Wald, ...

Thema
Der Gepäckträger ist eine Erzählung über die Kunst, unbeschwert zu leben. Was uns belastet, ist nicht unser Gepäck, sondern die Entscheidung, es zu tragen. Thematisch verwand mit dem Buch "Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich", aber sehr viel überzeugender und nachhaltiger umgesetzt.

Meinung
Das helle, freundliche Cover ist zwar schlicht, aber dennoch sehr ausdrucksstark. Hier wurde das Motiv passend zum Thema ausgewählt. Sprache und Schreibstil sind erwartungsgemäß gekonnt, zeitnah und unkompliziert. Die Charaktere wurden überzeugend ausgearbeitet: Gillian ist oft unzufrieden, weil sie ihr Leben immer mit dem der anderen vergleicht (Der Rasen auf der anderen Seite ist halt immer grüner als der eigene), der aufbrausende David hat Job- und Eheprobleme, die ihm Magenbeschwerden bereiten, und der junge Michael, die dritte Person im Bunde, möchte seinen Vater nicht enttäuschen. Diese drei überforderten Menschen lässt David Rawling nun auf den freundlichen Gepäckboy treffen, der ihnen Rat gebend zur Seite steht. Da die Figuren sehr authentisch wirkten, konnte ich zu jeder eine emotionale Verbindung herstellen.

Der Gepäckträger ist eine charmante Erzählung, von der sich viele Menschen persönlich angesprochen fühlen oder sich sogar mit dem einen oder anderen Protagonisten identifizieren dürften. Dreh- und Angelpunkt der Story ist das Gepäckdepot, in dem die drei Reisenden ihre Koffer wieder abholen möchten. Für jeden der drei Personen bricht zunächst eine Welt zusammen, als sie bemerken, dass sie den falschen Koffer erwischt haben, denn sie sind auf den Inhalt angewiesen. Erst als sie zur Abholung ihres Gepäcks auf den Kofferboy treffen, wird einem bewusst, dass es hier um mehr als nur ein Vertauschen geht. Jeder macht dabei seine eigene Erfahrung mit dem Gepäckträger, der dabei helfen möchte, sich von einer quälenden Last zu befreien. Der einfühlsame Angestellte hält den Kofferbesitzern einen Spiegel vor, damit sie erkennen können, wie sie sich von ihrer Last befreien können, um ein glücklicheres Dasein führen zu können. Das Buch lässt sich wirklich sehr schön lesen und regt zum Nachdenken über das eigene Leben an.


Fazit
Eine hübsche Geschichte über drei Personen, deren persönliches Gepäck ihr Leben erschwert. Das Buch ist schnell gelesen, wirkt aber nach. Von mir gibt es eine eindeutige Leseempfehlung, weil mir der Autor mit dieser Geschichte wunderschöne Lesemomente beschert hat. Das broschierte, 171-seitige Buch mit der ISBN 978-3-96362-150-5 kostet 12.95 € und erschien am 3. Juni 2020 im Verlag der Francke-Buchhandlung. Übersetzt aus dem australischen Englisch von Julian Müller.


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