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Veröffentlicht am 11.04.2023

Unterhaltsam, humorig mit einer gehörigen Prise Ernsthaftigkeit

Lemmings Blues
2

„Nichts ist, wie es scheint, und alles ist vielleicht ganz anders. Aber sicher ist das nicht.“ Nein, sicher ist gar nichts, aber möglich ist alles, meistens zumindest. Ein wenig verschwurbelt? Ja, schon. ...

„Nichts ist, wie es scheint, und alles ist vielleicht ganz anders. Aber sicher ist das nicht.“ Nein, sicher ist gar nichts, aber möglich ist alles, meistens zumindest. Ein wenig verschwurbelt? Ja, schon. Es gibt noch etliche dieser Sätze, auch solche, die man ohne groß nachzudenken sofort versteht.

Der Lemming ist ein Wiener durch und durch. Er, der ehemalige Polizist, betreibt mit seinem Spezl eine Agentur. Seit nunmehr drei Jahren sind der Lemming und sein Partner Polivka detektivisch unterwegs. Alle sind ausgeflogen, nur er hält die Stellung. Seine Familie ist gen Amsterdam aufgebrochen, auch Polivka wandelt auf Freiersfüßen, als die Tür aufgeht, eine Frau in Blau hereinstürmt und ihm einen Mops regelrecht aufzwingt. So schnell kann er gar nicht schauen, ist sie wieder weg. Was war das? Und wer spricht da? Halluziniert er? Nein, es war der Mops…

Sehr unterhaltsam, sehr mysteriös und launig starte ich in „Lemmings Blues“. Auf humorige Weise sind die brennenden Themen unserer Zeit benannt. Sei es der Krieg in Osteuropa, das Virus und die Pandemie oder gar der „alternde, mit Botox aufgespritzte Rottweiler…“ und noch so vieles mehr. Man weiß sofort, was und wer hier gemeint ist.

Und ganz nebenbei gibt es auch noch eine Leiche, da ist detektivischer Spürsinn gefragt. Auch ist so mancher Verschwörungstheoretiker unterwegs, Action gibt es reichlich. Stefan Slupetzkys Schreibstil ist witzig, spritzig, schräg und immer unterhaltsam. Der Ton ändert sich minimal, als es in Richtung Verschwörung geht. Für mich ist diese ganze Thematik eher hanebüchen, eine gewisse Klientel jedoch verbreitet diese und ist sogar noch von diesen kruden Ideen überzeugt. All dies ist eingebettet in die Story um den Mops, der von gewissen Leuten unbedingt gefunden werden muss. Warum, das wird zunehmen klarer.

Ein kurzweiliger, zudem sehr vergnüglicher Lesespaß mit durchaus ernstem Hintergrund. Diese Reise nach Wien und hier unterwegs mit dem Lemming hat sich allemal gelohnt.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Gelungener Auftakt um Vito Grassi – ein Ligurien-Krimi

Abschied auf Italienisch
2

Vito Grassi ist mit seinem roten Flitzer unterwegs nach Ligurien, er hat hier ein Haus geerbt. Direkt an der Küste der so malerisch gelegenen fünf Bergdörfer, der Cinque Terre, bin auch ich gedanklich ...

Vito Grassi ist mit seinem roten Flitzer unterwegs nach Ligurien, er hat hier ein Haus geerbt. Direkt an der Küste der so malerisch gelegenen fünf Bergdörfer, der Cinque Terre, bin auch ich gedanklich bei Vito, ich mache es mir auf dem Beifahrersitz seines Elektroautos gemütlich und betrachte mir dabei das Buch näher. Es lohnt sich allemal, ist doch auf der aufklappbaren hinteren Innenseite eine Karte von diesem Küstenabschnitt zu finden. Von La Spezia bis hinauf nach Sestri liegen diese doch sehr bekannten Orte am Ligurischen Meer. Der Autor kennt sich hier aus, er lebt und schreibt hier. Im Innenteil des vorderen Umschlags beantwortet Andrea Bonetto Fragen zu seiner Hauptfigur, zu Spannungsliteratur und zu Italien überhaupt, dem la dolce vita und noch mehr.

Ein wenig Fernweh ist schon auch dabei, während ich mich mit Vito an die Aufklärung der zwei Mordfälle mache. Denn nachdem der Commissario endlich das Haus gefunden und die engen Straßen bezwungen hat, wird er erstmal mit Toni konfrontiert. Und ja, er weiß schon, dass Toni das Haus hütet, aber er erwartet logischerweise einen Mann…

Das Private wird aufs unterhaltsamste dargestellt, aber er hat zu ermitteln. Und das zunächst zu einem Todesfall, der viele Rätsel aufgibt. Daneben hat er auch noch seine neuen Kollegen und Kolleginnen, auch hier muss Vito sich erst beweisen. Mit diesem ersten Todesfall kommen sie nicht recht vorwärts, da wird auch schon eine zweite Leiche eher durch Zufall entdeckt.

Die Ermittlungen und das private Geplänkel vermengen sich. Zuweilen hatte ich eher das Gefühl, dass sich die Story nach dem unterhaltsamen Auftakt zieht, sie eher dahinplätschert. Zwar nicht uninteressant, die kriminalistischen Elemente waren meist da und doch wollte ich mehr, wollte weiter, wollte die Ermittlungen vorantreiben.

Die Charaktere, allen voran Vito und Toni, sind gut nachvollziehbar gezeichnet, sie haben genug Ecken und Kanten – beide. Der Ligurien-Krimi zeichnet sich aus durch Lokalkolorit, neben den beiden Hauptakteuren mischen noch so einige andere mit, denen ich nicht näher gekommen bin, sie blieben letztendlich blass. Die Story lebt mit und durch den Commissario Vito Grassi und der eher verschlossenen, oftmals bärbeißigen Toni. Alles in allem ein kurzweiliger Trip in eine wunderschöne Gegend, ein Ligurien-Krimi, der gelesen werden will. Und gerne bin ich bei Vitos nächstem Fall wieder dabei.

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Veröffentlicht am 06.04.2023

Hochspannung auf Sylt

Zornige Flut
6

Kaum zurück in den Dienst wird Liv Lammers nach Sylt gerufen. Ein Kollege von ihr will klammheimlich abspecken, er hat sich dafür in eine Privatklinik begeben. Der Hunger nagt zu sehr an ihm, bei seinem ...

Kaum zurück in den Dienst wird Liv Lammers nach Sylt gerufen. Ein Kollege von ihr will klammheimlich abspecken, er hat sich dafür in eine Privatklinik begeben. Der Hunger nagt zu sehr an ihm, bei seinem nächtlichen Streifzug nach was Essbarem beobachtet er die Fische in dem großen Aquarium, das kurz danach in tausend Stücke zerbirst. Verborgen unter den üblichen Pflanzen und Steinen kommt ein menschlicher Schädel zum Vorschein. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als diesen Fund seinen Kollegen zu melden. Denn dass es sich hier nur um eine Gewalttat handeln kann, ist nur zu offensichtlich.

Zu wem gehört dieser Schädel, warum liegt er hier, wo ist der Rest und wer ist dafür verantwortlich? Die Suche danach gestaltet sich nicht gerade einfach. Bald stellt sich heraus, dass seit längerer Zeit Felicitas Sterl vermisst wird, die mit dem umschwärmten Chef der Fastenklinik liiert war. Mir war dieser Typ nicht ganz geheuer, auch Felicitas Ex, ein eher schmieriger Galerist, kam nicht gerade sympathisch und zudem sehr undurchsichtig rüber. Keiner jedoch scheint sich daran zu stören, dass sie schon lange kein Lebenszeichen mehr von ihr erhalten haben, selbst eine ihr nahestehende Freundin macht sich keinerlei Sorgen deswegen. Aber nicht genug damit, auch in Livs Privatleben deuten alle Anzeichen darauf hin, dass ihr jemand nach dem Leben trachtet.

„Zornige Flut“ ist der mittlerweile siebte Band um die Kriminalkommissarin Liv Lammers. Er ist in sich abgeschlossen, kann also ohne Kenntnisse der Vorgängerbände gelesen werden.

Auch dieser Band ist komplex, die doch sehr gravierenden privaten Probleme von Liv vermengen sich mit den Ermittlungen auf Sylt. Die Person Liv ist eine hervorragende Kommissarin mit Scharfsinn und Weitblick, ihr analytisches Denken hilft ihr, Zusammenhänge zu erkennen. Nur privat ist sie viel zu vertrauensselig, da hätte ich sie am liebsten nicht nur einmal gewarnt.

Nicht nur Liv, auch all die anderen Charaktere sind aufs Trefflichste skizziert. Sie sind lebensnah, sie sind echt, sie sind Typen, die man mag oder denen man lieber nie begegnen möchte. Lange, sehr lange hat mich Sabine Weiß auf eine falsche Fährte gelockt, die Aufklärung hat mich dann doch sehr verblüfft.

Es ist ein vielschichtiger Krimi, der mir unterhaltsame Stunden beschert hat, der mich lange hat rätseln lassen. Der siebte Fall um die Kommissarin Liv Lammers ist aufgeklärt und ausgelesen, gerne bin ich gedanklich nach Sylt gereist und freue mich auf ihren nächsten Fall.

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Veröffentlicht am 06.04.2023

Beste Unterhaltung

Vinz Solo
2

In der niederbayerischen Provinz ticken die Uhren anders – zumindest meint man dies zu wissen. Und wenn man sich mit Vinzenz Bachmeier näher beschäftigt, scheint dies auch zu stimmen. Nun, er ist in Artlhofen, ...

In der niederbayerischen Provinz ticken die Uhren anders – zumindest meint man dies zu wissen. Und wenn man sich mit Vinzenz Bachmeier näher beschäftigt, scheint dies auch zu stimmen. Nun, er ist in Artlhofen, das liegt bei Landshut, aufgewachsen und hier verbringt er auch seine Jugend, hier wird er erwachsen. Das Dorf hat 853 Einwohner. „Hätte man allerdings noch Schweine und Legehühner mitgezählt, Artlhofen wäre eine Großstadt gewesen.“

Schon der Anfang verspricht viel, das Erwachsenwerden eines Pubertierenden kann nur gut und unterhaltsam werden. Und genau das ist es auch. Sebastian Beck kennt sich aus, er ist selbst auf dem Land aufgewachsen, Parallelen zu seinem Protagonisten sind durchaus vorhanden.

Gleich mal offenbart Vinz drei Wünsche, die er sich unbedingt erfüllen will. Naja, einem Fast-Kumpel die Freundin ausspannen – ob das klappen wird? Ein eigenes Auto dagegen hat er dann bald, auch wenn dies eher eine Klapperkiste ist. Ein „humorloses Spießerauto für Komödienstadel-Glotzer…“ ist sein Commodore, aber immerhin verspricht sein fahrbarer Untersatz Freiheit ohne Ende. Und mit einem ganz besonderen Modell der ersehnten E-Gitarre könnte er als Musiker ganz groß rauskommen. Auch dieser Wunsch ist nicht nur Träumerei. Vinz spielt in einer Band, sie nennen sich The Holy Shit. Schon der Bandname ist Programm. Nicht immer treffen sie jeden Ton und doch spielen sie auch mal in München, zwar nur als Vorgruppe, aber immerhin!

Es sind prägende Jahre. Das Lebensgefühl der 80er wird lebendig. Vinz lässt sich treiben, findet in Kowalczyk einen väterlichen Freund und Arbeitgeber, der ihm Halt gibt. Die Kirche hat viel Einfluss, er wird mit Drogen konfrontiert und gegen die WAA in Wackersdorf muss natürlich demonstriert werden. Er probiert sich aus, er übertreibt nicht nur ein bisschen, er geht an Grenzen und darüber hinaus. Dies alles und noch viel mehr macht „Vinz Solo“ aus. Einen Beziehungstrottel nennt er sich und doch begegnet ihm auch die Liebe, wenngleich nicht alles von Dauer ist. Es ist bei ihm genau so, wie es bei vielen, wie es bei den meisten ist. Da ist er keine Ausnahme.

Sebastian Beck erzählt mit Witz und Hintersinn von Vinz, ich bin ihm gerne gefolgt, habe des Öfteren geschmunzelt und zuweilen laut gelacht. Aber nicht nur das, nicht alles ist Spaß, es wird ernst, bitterernst. Auch diese Seite des Lebens bekommt er zu spüren.

Ein prägendes Stück seines Weges habe ich Vinz begleitet, er hat mich bestens unterhalten. Der Zeitgeist der 80er Jahre auf dem Lande ist gut eingefangen. Sich finden, seinen Weg suchen ist gar nicht so einfach, die Dörfler und ihr zuweilen eingeschränkter Blickwinkel, ihre kleine Welt, sind aufs Beste dargestellt. Der locker-leichte, humorige Schreibstil hat ein Übriges getan, es waren kurzweilige und vergnügliche Lesestunden.

Vinz, machs guad, du wirst es schon packen, das Leben. Mit allen Höhen und Tiefen, eh klar.

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Veröffentlicht am 04.04.2023

Samuel Finzi hat viel Interessantes zu erzählen

Samuels Buch
2

Samuel Finzi – ich kenne und schätze ihn als Schauspieler, sein privates Ich war mir komplett unbekannt. Und nun hat er von sich erzählt, von seiner Kindheit, von seiner Herkunft, von seiner Jugend in ...

Samuel Finzi – ich kenne und schätze ihn als Schauspieler, sein privates Ich war mir komplett unbekannt. Und nun hat er von sich erzählt, von seiner Kindheit, von seiner Herkunft, von seiner Jugend in Bulgarien. Es waren kurzweilige Stunden, genauer: 5 Stunden und 31 Minuten lang hat er mich gut unterhalten und ein mich wenig hinter die Kulissen schauen lassen.

„Ich sitze in meiner Berliner Küche und betrachte den Boden. Es ist ein Boden aus Terrazzo. Das tue ich oft und mit Nachdruck. Die bunten Zementsteinchen beginnen sich zu drehen, ein Wirbel saugt mich ein und ich lande auf der Terrasse des Hauses meiner Großeltern…“ In den Balkan geht er gedanklich zurück, eine spannende Zeitreise beginnt.

Er wuchs in einer jüdischen Familie auf. Der Vater war ein bekannter Theaterschauspieler, der sich eher am Rande für ihn zu interessieren schien, seine Mutter war Pianistin. Eine Künstlerfamilie - was liegt da für ein Kind näher, als einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Er war umgeben von Künstlern, sein Interesse galt schon früh dem Schauspiel. Er blickt zurück in seine Kindheit und Jugend und endet, als er 23 ist.

Autobiografische Romane lese bzw. höre ich selten. Ganz einfach deshalb, weil ich nicht zu sehr in das Leben bekannter Persönlichkeiten eindringen, nicht unbedingt ganz private Details wissen möchte. Samuel Finzi hat mich jedoch durchweg positiv überrascht. Etwa mit der Schilderung seines Weges hin zum Schauspieler, wie er den Wunsch hatte, ein anderer zu sein. Finzi erzählt unterhaltsam und humorvoll, gibt Einblick in das kommunistische Bulgarien seiner Kindheit und der damit einhergehenden nicht sehr rosigen Zukunft, die er, so bald es ihm möglich war, zurücklassen wird.

„Samuels Buch“ ist eine unterhaltsame Reise zurück mit interessanten Anekdoten von dem kleinen Samuel, der schon früh begreift, dass er als Dirigent oder Diplomat der Enge seines Heimatlandes entfliehen könnte und es später dann auch geschafft hat, als renommierter Schauspieler im Westen anzukommen. Einige wenige Aspekte habe ich herausgegriffen, das selber Hören bzw. Lesen bietet kurzweilige und nachdenkliche Stunden. Samuel Finzi erzählt über das Erwachsenwerden an sich, über seine Familie, seine Freunde, seine Heimat und seine Sehnsucht nach Freiheit. Sehr offen und warmherzig. Ich habe ihm gerne zugehört, habe die Stunden mit ihm genossen.

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