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Veröffentlicht am 27.05.2025

Sehr experimentell

Lebensversicherung
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Sie teilt die Angst ihrer Familie vor nahezu allem, weil immer was passieren kann. Selbstverständlich hat sie eine Haftpflichtversicherung. Eine Hausrat-,private Krankenzusatz-, Berufsunfähigkeit-, Reisekranken-, ...

Sie teilt die Angst ihrer Familie vor nahezu allem, weil immer was passieren kann. Selbstverständlich hat sie eine Haftpflichtversicherung. Eine Hausrat-,private Krankenzusatz-, Berufsunfähigkeit-, Reisekranken-, Unfall- und eine Zahnzusatzversicherung, denn man weiß ja nie und der Tarif ist in der Menge günstiger. Ihre Eltern sind Versicherungsvertreter, so wie ihre Großeltern. Selbstredend hat sie die Tradition fortgeführt. Opa F war der erste Versicherungsvertreter im Dorf. Opa O war auch Versicherungsvertreter, machte sich aber im anderen Dorf selbstständig. Papa wurde Reiseversicherungskaufmann, weil er gerne die Welt kennenlernen wollte, übernahm dann die Kunden von Opa F und blieb doch im Dorf hängen. Mama wurde Versicherungskauffrau, das war praktisch, weil sie nebenbei Haushalt und Einkauf machen konnte.

Neunzehnhundertneunzig haben die Eltern ein Fertighaus ins Neubaugebiet gebaut. Im Erdgeschoss entstand Platz für ein kleines Versicherungsbüro mit Gäste-WC, einem Aktenarchiv und separatem Eingang. Die ganze Woche über empfingen die Eltern die Kunden in ihrer Niederlassung und am Wochenende klapperten sie die umliegenden Restaurants ab, um die Unterschriften für die Gebäudeversicherungen einzuholen.

Weil sie sich gut damit auskennt, denkt sie viel über Übelkeit nach. Magendruck vor dem Essen. Völlegefühl nach dem Essen. Übelkeit vor Müdigkeit. Darmkrämpfe. Sodbrennen mit leichtem sauren Reflux. Bauchweh kündigt Erkältung an. Kopfschmerz kündigt Bauchweh an. Diese Kenntnis existiert, seit sie denken kann. Warum weiß sie nicht.

Fazit: Katharina Bachs Prosadebüt verhandelt mit der Angst. Die namenlose Ich-Erzählerin blickt emotionslos auf ihre Familie und ihr eigenes Dasein, was mitunter amüsant ist. Der Text ist gespickt mit Notizen, die einzelnen Kapitel sind kurz und vielzählig. Obwohl die Autorin ihre Protagonistin immer wieder andeutungsweise zeigen lässt, dass die Familie wunderlich ist, erschließt sich das Tragische erst ganz zum Schluss und macht die Angst und das Bedürfnis nach Sicherheit völlig verständlich. Die Technik hat mich nicht wirklich mitgerissen und ich konnte mir lange nicht erklären, warum ich das Buch lese. Mir hat sich der Sinn nicht erschlossen, weil das Vergnügen fehlte. Den Schluss allerdings fand ich gelungen und erhellend.

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Veröffentlicht am 26.05.2025

Sehr lebendige Geschichte über Verlust

Durch das Raue zu den Sternen
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Arkadia Fink ist dreizehn. Vor acht Monaten und drei Wochen ging ihre Mutter kurz weg. Sie kommt gut ohne sie klar. Ihr Vater nicht so. Er sagt, dass sie ruhig traurig sein darf und dann sieht er sie enttäuscht ...

Arkadia Fink ist dreizehn. Vor acht Monaten und drei Wochen ging ihre Mutter kurz weg. Sie kommt gut ohne sie klar. Ihr Vater nicht so. Er sagt, dass sie ruhig traurig sein darf und dann sieht er sie enttäuscht an, weil sie nicht flennt. Er geht runter in seine Schreinerei und wenn er die Kreissäge anmacht, zerteilt sie sein Schluchzen. Seit acht Monaten und drei Wochen ist er nicht mehr er selbst, hat nichts mehr geschreinert. Die Rechnungen stapeln sich auf der Kommode im Flur.

Bernhardina, ihre beste Freundin ist noch sie selbst. Sie lebt im Seniorendomizil Phoenix. Früher war sie Musiklehrerin in Namibia. Sie teilt ihre Medikamente mit ihrer Mutter, weil kein Arzt ihr welche verschreiben wollte. Wenn sie an einem rauen Februartag im Bett liegt und nicht aufstehen kann, nimmt sie eine Bernhardinawunderpille, steht auf und hört bis tief in die Nacht Frau Beethoven. „Frau“ Beethoven, weil ihre Mutter ganz genau weiß, dass die größte Tondichterin aller Zeiten eine Frau in Männerkleidung war.

Arkadia muss Bernhardina jeden Abend anrufen und sich vergewissern, dass sie noch lebt, obwohl sie von Pflegepersonal umgeben ist. Manchmal ist sie zu spät dran, dann ruft Bernhardina sie an:

Dieser Klingelton wurmt sich in deinen Kopf und klingt wie erbrochene Akustik. S. 53

Arkadia weiß, dass sie zu Höherem geboren ist, denn sie kann singen. Damit ihre Mutter zurückkommt, wird sie im berühmtesten Knabenchor Deutschlands singen. Sie wird Solistin und tritt mit dem Chor im Fernsehen auf und dann wird ihre Mutter sie sehen.

Fazit: Christopher Kloeble hat eine Erzählung geschaffen, die voller Musik steckt. Seine Protagonistin ist eine willens- und charakterstarke Persönlichkeit, die sich in den Kopf gesetzt hat, als einziges Mädchen, als Solistin in einem Knabenchor zu singen. Der Weg ist steinig und hart. Die Kinder werden gedrillt und die Jungs, die in den Stimmbruch kommen, dürfen sich mit einer Urkunde verabschieden. Das kluge Mädchen mit der großen Klappe muss sich zügeln aber gleichzeitig lernen, sich durchzusetzen. Interessant ist, wie der Autor zeigt, dass der Verlust der Mutter nur scheinbar an ihr vorbeizieht. Arkadia dissoziiert und die tatsächlichen Ereignisse lösen sich erst zum Schluss auf, als Arkadia klar wird, was wirklich passiert ist. Das Ende ist so tragisch, dass ich aufrichtig schockiert bin. Eine einnehmende, tiefgreifende Geschichte über Verlust. Der Autor erzählt bildreich und authentisch. Ja, die Heldin Arkadia könnte es so gegeben haben. Eine Jeanne d´Arc der klassischen Musik. Meine absolute Leseempfehlung für diese gefühlvolle, lebendige Geschichte.

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Veröffentlicht am 23.05.2025

Eine überaus versierte Geschichte

Gespensterfische
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Die Neunzigerjahre

Laura hatte die Gesichter in der Uni nicht mehr ausgehalten, wenn sie plötzlich im Mittelpunkt stand. Sie interpretierte die Mimik immer falsch. Erst in der Klinik verstand sie, dass ...

Die Neunzigerjahre

Laura hatte die Gesichter in der Uni nicht mehr ausgehalten, wenn sie plötzlich im Mittelpunkt stand. Sie interpretierte die Mimik immer falsch. Erst in der Klinik verstand sie, dass ein Blick, der sie trifft, sie nicht zwangsläufig sieht. Sie besorgte sich ein Diktiergerät und nahm fortan alle Gespräche heimlich auf. Nicht der Inhalt interessierte sie, sondern die Diskrepanz zwischen ihrer Wahrnehmung und der Wirklichkeit. Lukas, gerade einmal zwanzig, war Pfleger in der Janssen-Klinik. Laura sprach gern mit ihm und wenn sie sich nachts unter der Bettdecke ihre aufgenommenen Gespräche mit ihm anhörte, war da kein Unterschied. Es war genauso, wie sie ihn wahrgenommen hatte.

Die Nullerjahre

Lukas wollte Meeresbiologie studieren und hatte eine Zusage aus Husum. Dann war seine Mutter gestürzt, ausgerechnet über seine Schuhe. Sie lag den ganzen Nachmittag im Flur, bis er wieder heimkam. Der Arzt, der sie untesuchte sagte es sei bloß gut, dass nichts passiert war, die Rettung würde die Mutter wohl kaum durch die Türe transportiert bekommen. Lukas war nicht bewusst gewesen, dass seine Mutter nicht mehr durch die Tür passte, ihr schon. Eigentlich wollte er aus dem Sozialbau Hudekamp, den er mit ihr bewohnte, aussteigen, doch dann zerriss er die Zusage aus Husum in kleine Fetzen.

Die Achtzigerjahre

Als der neue Arzt das Haldol bei Olga Rehfeld absetzte, das ihre Nerven jahrzehntelang torpediert hatte, begannen die Zuckungen, das Schmatzen und Züngeln. Noll hatte ihr die Literatur zurückgebracht, als Olga wieder denken konnte. Wenn die Neuzugänge kamen, sortierte sie ihr Besteck sechsunddreißig Mal hin und her. Sie musste hierbleiben. Mit dieser Situation hatte sie sich arrangiert, im betreuten Wohnen würde sie untergehen, das wusste sie.

Fazit: Svealena Kutschke hat überaus versiert eine Geschichte zusammengetragen, die am Ende das Bild einer Psychiatrie im Laufe von hundert Jahren zeigt. Mit großer Beobachtungsgabe hat sie Ärzte, eine Psychologin, Pflegekräfte, Patientinnen und deren Angehörige porträtiert. Ihre Kapitel sind unterteilt in die Jahrzehnte und die Person, die gezeigt wird. Die Kapitel springen scheinbar unwillkürlich hin und her und das, was ich erfahre, macht die Geschichte am Ende rund. Alle Mitwirkenden sind emotional versehrt. An jeder Ecke lauert der Tod (Thanatos lässt grüßen) und dann fällt die Tatsache, dass ein Leben tatsächlich endet vom Himmel wie die Klinge der Guillotine und trifft mich wie ein Schlag. Die Autorin zeigt sehr genau, wie ein psychisch kranker Mensch sich in seinem Zustand fühlt, wie er es erlebt. Aber nicht nur das, sie bindet auch ganz leicht, wie zufällig die Geschichte der Psychiatrie ein. Von der Euthanasie und „Wir wussten nicht, wohin die Menschen deportiert wurden“ über heute umstrittene Behandlungsmethoden und Medikamententestungen noch nicht zugelassener Arzneimittel. Und dann hat Svealena Kutschke auch noch Platz gelassen für viele unglaublich kluge Lebensweisheiten: „Empathie als Überlebensstrategie“ oder auch „Die Wirklichkeit ist nur eine Vereinbarung“. Das liest sich spannend und macht nachdenklich. Sie hat mich von der ersten bis zur letzten Seite mitgerissen.

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Veröffentlicht am 22.05.2025

Feinfühlig und melancholisch

Was ich von dir weiß
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Kairo 1961-2001

Tarek ist zwölf, als sein Vater ihn fragt, was er denn einmal werden möchte. Tarek beobachtet seine Schwester Nesrine, die auf diese Frage mit nahezu zwanzig Ideen antwortet. Tarek schweigt. ...

Kairo 1961-2001

Tarek ist zwölf, als sein Vater ihn fragt, was er denn einmal werden möchte. Tarek beobachtet seine Schwester Nesrine, die auf diese Frage mit nahezu zwanzig Ideen antwortet. Tarek schweigt. Dabei ist sein Lebensplan schon vergeben, er wird in die Fußspuren seines Vaters treten und die gut situierte Praxis des angesehenen Arztes übernehmen, wenn es soweit ist. Der Vater möchte, dass Tarek selbst darauf kommt, deshalb wird er ihm diese Frage immer wieder stellen.

Tarek schaut den Erwachsenen gebannt zu. Die lachenden Männer, worüber lachen sie? Die Frauen, die den Männern entrüstete Blicke zuwerfen und auf die Kinder zeigen. Damals wusste er noch nicht, dass er sich vor diesen Männern mit weißen Haaren und Hang zu Alkohol, die Dinge behaupteten, als wüssten sie es, sich vor Fremden fürchteten und eigentlich Kinder geblieben waren, fürchten sollte.

Die Mutter wollte den Vater nicht wecken und sich seinen Zorn zuziehen. Sie stieg leise aus dem Bett und ging ins Bad. Als sie zurückkam, schlief er immer noch, ganz untypisch für ihn. Sie wägte ab, ob seine Vorwürfe schlimmer wären, weil sie ihn weckte, oder weil sie es nicht tat. Als sie um das Bett schlich und seine Schulter sanft bewegte, traf sie seine Leblosigkeit wie ein Stein.

Die Kondolenzbesuche waren gespickt mit pflichtschuldigen Floskeln. Seine Hände wurden geschüttelt, die seiner Mutter, seiner Schwester. Erst als er nach Tagen auf seinem Zimmer allein war, weinte er. Vor allem aber um sich, weil der Druck der Verantwortung, die die Lücke, die sein Vater in ihrer Gemeinschaft hinterließ, auf ihm lastete. Er fühlte sich wie ein Heuchler, der den Vater um die wohlverdienten Tränen brachte.

Fazit: Éric Chacour hat zehn Jahre an seinem Debüt gearbeitet und das hat sich absolut gelohnt. Er schickt seinen Protagonisten in eine behütende, traditionsreiche Familie mit bewegter Vergangenheit. Seine Eltern waren aus Damaskus geflüchtet, und obwohl sie „nur ägyptisiert“ waren, bauten sie sich in Kairo eine gesicherte Zukunft auf. Die Rollenverteilung ist klar vergeben. Die manipulative, dominante Mutter kümmert sich im Hintergrund um Haus und Familie. Der patriarchale Vater um seine Patienten, die Tochter wird heiraten und der Sohn das Imperium weiterführen. Doch der Sohn folgt zuerst unfreiwillig anderen Regeln, schlittert in eine ganz andere Lebenswirklichkeit und das Drama beginnt eine Entwicklung, die sowohl gefährlich als auch unvorhersehbar ist. Der Autor hat sich in großen Teilen für die ungewöhnliche Du-Form entschieden und lässt mich ihm lauschen, als erzähle er mir aus meinem eigenen Leben. Zum Ende wird klar, warum diese Form so gut passt. Die Stimmfarbe finde ich sehr besonders. Darin schwingt Zartheit und Feinfühligkeit, aber auch Melancholie. Gut herausgearbeitet finde ich auch die Scham und die Selbstzweifel, die so niederdrückend sind. Eine ganz und gar runde, gelungene Geschichte, die mich tief berührt hat. Chapeau!

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Veröffentlicht am 20.05.2025

Lebendiger und lesenswerter Briefroman

Über den Hass hinweg. Briefe zwischen Tel Aviv und Teheran
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Sohrab kommentierte eines ihrer Instagram-Postings. Es dauerte nicht lange, bis sie begriff, dass er ihr aus dem Iran auf ihren Account #gutenmorgentelaviv schrieb. Zwischen ihnen lagen knapp zweitausend ...

Sohrab kommentierte eines ihrer Instagram-Postings. Es dauerte nicht lange, bis sie begriff, dass er ihr aus dem Iran auf ihren Account #gutenmorgentelaviv schrieb. Zwischen ihnen lagen knapp zweitausend Kilometer. Es machte sie stutzig, dass er sich so freundlich aus Teheran meldete. Israel online zu unterstützen galt in Iran als Verbrechen.

Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2024 (finanziert und militärisch ausgerüstet durch den Iran) ist Sohrab einer der wenigen, die ihr echtes Mitgefühl schenken. Sie vermisst das bei ihren weltweiten, aber vor allem deutschen Freunden. Die Deutschen, die sie nicht frontal angreifen und ihre Nachtruhe rauben, halten sich einfach zurück. Sie hat Muskelschmerzen, eigentlich 7. Oktober-Schmerzen. Ihre Physiotherapeutin sagt, dass die Faszien, die Muskeln und Bindegewebe umhüllen, emotionalen Stress speichern und ermüden. Mit diesem Phänomen kämen jetzt viele zu ihr.

Sie schreiben sich E-Mails, weil das für Sohrab sicherer ist. Er schreibt von seiner Depression und seinem Wunsch zu sterben, weil er die Zustände in seinem Land nicht mehr erträgt. Seit dem Angriff des IR (Islamische Republik Iran) auf das US-Militär in Jordanien und Syrien ist der US-Dollar sprunghaft angestiegen. Die Preise seien in den letzten Jahren um das 12-15-fache gestiegen. Alle haben Angst. Es ist gefährlich, in der Öffentlichkeit über die Mullahs zu reden. Die Unberechenbarkeit des Systems bereitet ihm Panikattacken. Trotz der Women-Life-Freedom-Bewegung ist es immer noch brandgefährlich, ohne Hidschab auf die Straße zu gehen. Zur Zeit verbiete man Frauen ohne Kopfbedeckung das Autofahren.

Fazit: Die Autorin Katharina Höftmann Ciobotaru wurde in Rostock geboren, konvertierte zum Judentum und zog mit ihrem Mann nach Tel Aviv. Der Autor Sohrab Shahname (Pseudonym) wurde im Iran geboren und lebt in Teheran. Beide tauschten sich über sechs Monate per E-Mail aus und es entstand eine Freundschaft, die auf gegenseitigem Verständnis, der Sorge um die/den andere*n und tiefem Mitgefühl für die jeweilige Lebenssituation. Katharina erzählt über ihre Zerrissenheit in einem Land zu leben, das eine so andere Kultur lebt als ihre Deutsche. Sie liebt Tel Aviv und ihre Freiheit, die Menschen, die trotz aller traumatischer Erfahrungen ihr Leben feiern, als wäre es der letzte Tag. Sie lebt in einem freien Land, das täglich angegriffen werden kann. Sohrab lebt in einer Diktatur, in der noch immer Menschen gesteinigt werden. Durch Katharina kann ich den Schmerz, die Verzweiflung und die tiefe Trauer verstehen, die der Hamasangriff am 7. Okt. hinterließ. Eine perfidere öffentliche Zurschaustellung, (gefilmte Massenvergewaltigung, Abtrennung von Gliedmaßen) von Hass hat die Welt zuvor noch nicht gesehen. Ebenso schwer wird mein Herz, wenn ich mir Sohrab in einem Land vorstelle, in dem er für die Korrespondenz mit Israel getötet werden würde, erführen es die richtigen. Diese Zustände sind alle en détail gezeigt. Doch nicht nur das. Ich erfahre ganz viel über beide Kulturen, über Musik, Essen, Filme und Architektur. Sohrab schreibt auch viel über die Politik in seinem Land und die geschichtlichen Ereignisse. Und genau da liegt für mich die Krux. Es ist nicht zu leugnen, dass Iran seit Jahrzehnten extremen Machtmissbrauch am Volk begeht, beherrscht von irren Allmachtsfantasien und Größenwahn. Sohrab kritisiert die Herrscher seines Landes und riskiert dafür verschleppt oder getötet zu werden. Von der Autorin hätte ich mir auch etwas mehr Kritik an der eigenen Regierung gewünscht. Zum Beispiel über die Siedlungspolitik auf palästinensischem Gebiet wurde kein Wort verloren. Nichtsdestotrotz ist dieses Buch absolut lesenswert und lebendig erzählt.

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