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Marshall-Trueblood

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.11.2019

Genial

1793
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Stockholm 1793: Ein entstellter Körper in der Stadtkloake. Cecil Winge und Jean Michael Cardell begeben sich auf Mördersuche und finden mehr als ein Opfer und mehr als einen Täter.

Normalerweise habe ...

Stockholm 1793: Ein entstellter Körper in der Stadtkloake. Cecil Winge und Jean Michael Cardell begeben sich auf Mördersuche und finden mehr als ein Opfer und mehr als einen Täter.

Normalerweise habe ich für historische Krimis nicht so viel übrig. 1793 habe ich gelesen, weil ich jedes Mal in der Buchhandlung darüber gestolpert bin, und weil ich nur Gutes darüber gelesen hatte. Was hätte ich verpasst, wenn ich diesen Roman nicht gelesen hätte? Einen genialen Krimi, der die Schrecken einer längst vergangenen Zeit lebendig macht. In vier Abschnitten - Herbst-Sommer-Frühling-Winter - bin ich Menschen begegnet. Menschen, die Gefangene ihrer Zeit sind; Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft keinerlei Chance haben; das ist ganz großes Kino.

Der Roman erzählt von Grausamkeiten, er ist brutal und blutig; er erzählt von Angst, von Lügen und von Hass. Aber erzählt auch von Liebe, wie weit man für die Liebe gehen kann. Ein unglaublicher Mix, der mich voll und ganz überzeugt hat und der am Ende nicht für alle Beteiligten gut ausgeht, nicht gut ausgehen kann.

Konsequent von Anfang bis Ende: Homo homini lupus-Der Mensch ist des Menschen Wolf.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Überfrachtet

Die Vergessenen
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1944: Eine Krankenschwester entdeckt in einer Klinik Schreckliches. 2013: Ein Mann für besondere Aufträge versucht in den Besitz einiger Akten zu kommen. Eine Journalistin deckt ein Geheimnis auf.

Die ...

1944: Eine Krankenschwester entdeckt in einer Klinik Schreckliches. 2013: Ein Mann für besondere Aufträge versucht in den Besitz einiger Akten zu kommen. Eine Journalistin deckt ein Geheimnis auf.

Die Autorin hat in meinen Augen viel zu viel in einen einzigen Roman gepackt...oder hat das Lektorat geschlampt?

Euthanasie im Dritten Reich ist ein trauriges Thema, das auch nicht vergessen werden darf, aber das wird in diesem Roman einfach so nebenbei abgehandelt. Ich finde das nicht gut gemacht. Die Erzählperspektive wechselt zu oft, der Erzählstrang um Manolis Lefteris, den Mann für besondere Aufträge, wirkt zu bemüht und das, was aus der Perspektive der Krankenschwester Kathrin erzählt wird, wirkt für mich wie ein Fremdkörper im Roman, dazu ist ihr Charakter auch nicht schlüssig: Sie weiß Bescheid, hat die Fakten zur Hand, aber was macht sie? Nicht nur, dass sie nichts unternimmt, im Gegenteil, sie beginnt ein Verhältnis mit dem Oberschurken. Am Ende siegt die Gerechtigkeit, die für die Opfer im Zweiten Weltkrieg natürlich zu spät kommt, aber das Böse bekommt zumindest seine Strafe; ziemlich weichgespült und wirklich rund wird der Roman dadurch auch nicht.

Insgesamt hatte ich mir von dem Roman mehr versprochen, da die Autorin Krimis schreiben kann, die mehr als solide sind! Liebe Inge Löhnig: Bleiben Sie doch bei Kommissar Dühnfort, der hier auch seinen kleinen Auftritt hat.

Veröffentlicht am 17.11.2019

Krimi incl. Reiseführer

Cyrus Doyle und der herzlose Tod
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Auf Guernsey hat es ein Unbekannter auf Polizisten abgesehen. Zwei sind bereits tot, als Detective Chief Inspector Cyrus Doyle in seine Heimat zurückkehrt, um wieder dort zu leben und zu arbeiten. Dabei ...

Auf Guernsey hat es ein Unbekannter auf Polizisten abgesehen. Zwei sind bereits tot, als Detective Chief Inspector Cyrus Doyle in seine Heimat zurückkehrt, um wieder dort zu leben und zu arbeiten. Dabei kommt er dem Mörder selber gefährlich nahe.

Für mich wirkt Cyrus Doyle und der herzlose Tod mehr wie ein Reiseführer für die Kanalinsel Guernsey, in dem eine, zugegeben gute Krimihandlung landet. Was ich aber nicht schlimm fand, vielleicht weil ich seit Elizabeth George und Wer die Wahrheit sucht eine Schwäche für die Insel habe und sie mir so wieder als mögliches Urlaubsziel bewusst wurde. Auch wenn sich der Klappentext blutig anhört, das ist der Krimi zum Glück nicht! Die Sprache ist sehr ruhig und hat mich überzeugt, obwohl Krimihandlung hier nicht neu erfunden wird; im Gegenteil. Vielleicht habe ich auch einfach schon zu viele Krimis gelesen, aber wo der Autor hin will, war mir ab der Hälfte klar, obwohl er sich alle Mühe macht, den Verdacht von links nach rechts und von oben nach unten zu schieben. Aber das ist der erste Fall der Reihe und Potential nach oben ist in allen Bereichen vorhanden.

Für Fans von Krimireihen, in denen den Ermittlern viel Platz eingeräumt wird und für die, die es gerne nicht so blutig mögen.

Veröffentlicht am 05.11.2019

Solider Regionalkrimi

Börsentöpfchen
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Eine Frau mit Vergangenheit. Ein Mafia-Pate. Bankkunden, die viel Geld verloren haben. Ein toter Banker. Wie passt das alles zusammen? Birthe Schöndorf und Carlo Oltmann ermitteln.

Ein Regionalkrimi aus ...

Eine Frau mit Vergangenheit. Ein Mafia-Pate. Bankkunden, die viel Geld verloren haben. Ein toter Banker. Wie passt das alles zusammen? Birthe Schöndorf und Carlo Oltmann ermitteln.

Ein Regionalkrimi aus Osnabrück, der gut geschrieben ist, der ohne Gemetzel auskommt. Sympathisches Personal, guter Spannungsbogen. Selbst der für Krimis schwierige Mittelteil ist gut gelungen. ich habe schon deutlich Schlechteres gelesen. Das ist alles solide, aber aus der Masse ragt der Krimi nicht gerade raus. Und die ganz große Begeisterung stellt sich bei mir nicht ein. Warum? Vielleicht, weil die Autorin sehr zu Klischees neigt (Asiaten, die kein R sprechen können (die Abschnitte waren schwer zu lesen und nicht wirklich witzig); Russen sind immer die Bösen; Putzfrauen haben schlichte Gemüter)? Vielleicht, weil sie ihre Schwarz-Weiß-Malerei ein bisschen dick aufträgt? Vielleicht, weil die Auflösung schon relativ früh zu erahnen ist?

Trotz der Schwächen bin ich geneigt, weitere Fälle mit Birthe Schöndorf zu lesen; mit der Hoffnung, mich beim nächsten Fall nicht an den gleichen Fehlern zu stören.

Veröffentlicht am 04.11.2019

Wenn Sprache allein nicht ausreicht

Hier sind Löwen
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Eine alte Familienbibel. Eine Buchrestauratorin in Jerewan. Eine Reise in die Geschichte Armeniens und zu den blinden Flecken des eigenen Lebens. (Klappentext)

Den ersten Kontakt mit Hier sind Löwen hatte ...

Eine alte Familienbibel. Eine Buchrestauratorin in Jerewan. Eine Reise in die Geschichte Armeniens und zu den blinden Flecken des eigenen Lebens. (Klappentext)

Den ersten Kontakt mit Hier sind Löwen hatte ich im Leseprobenheft für den Deutschen Buchpreis. Von der Leseprobe war ich total begeistert und hatte mich deshalb nicht gewundert, dass es mein heimlicher Favorit nicht auf die Shortlist geschafft hatte. Nachdem ich jetzt den ganzen Roman gelesen habe, habe ich mich doch gewundert: Darüber, dass es der Roman überhaupt auf die Longlist geschafft hat.

Was mir sehr gut gefallen hat, ist die Sprache im Roman. Die wechselt von sperrig zu gefällig, von blumig zu karg und von ganz rational zu bildhaft. Die Dialoge machen immer wieder deutlich, und das ist gar nicht so einfach, wie zwei Menschen miteinander und doch aneinander vorbei reden können. Das ist richtig gut gemacht.

Leider gelingt der Autorin der Inhalt nicht halb so gut. Ich habe mich an mancher Stelle gefragt, was sie eigentlich noch alles erzählen will. Beispiele: Helene, die Protagonistin, macht sich auf die Suche nach ihrer verlorenen Familie, was sie aber absolut halbherzig, ja fast desinteressiert, betreibt. So endet das auch in einer Sackgasse, was Helene aber auch nicht weiter stört. Warum wird das also erzählt? Die Liebesgeschichte: Geschenkt! Die Geschichte Armeniens: Da hätte ich mir mehr gewünscht, aber das bleibt leider auf der Strecke. Der zweite Handlungsstrang: Bleibt unaufgelöst und für mich sehr unbefriedigend. Einzig die Abschnitte über die Arbeit als Buchrestauratorin waren wirklich interessant.

Am Ende bleiben bei mir blinde Flecken und die Frage, was will mir die Autorin damit sagen? Dass wir alle blinde Flecken in unserer Vita haben und einfach damit leben müssen? Ziemlich dünne Aussage in meinen Augen! Für mich ist der Roman ein sehr gutes Beispiel dafür, dass a) gute Sprache allein kein Buch retten kann und b) dass eine sehr gute Leseprobe keine Garantie für ein sehr gutes Buch abgibt.

Insgesamt: Enttäuschend!