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Veröffentlicht am 21.02.2021

Hat für mich leider nicht funktioniert

Sag ihr, ich war bei den Sternen
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Madeline hat alles, was sie sich je gewünscht hat. Sie hat einen guten Job, heiratet bald den Mann, den sie über alles liebt und trägt sein Kind unter dem Herzen. Doch durch einen schweren Unfall fällt ...

Madeline hat alles, was sie sich je gewünscht hat. Sie hat einen guten Job, heiratet bald den Mann, den sie über alles liebt und trägt sein Kind unter dem Herzen. Doch durch einen schweren Unfall fällt Maddie ins Koma, und als sie schließlich erwacht, ist alles anders. Ihr Leben gehört einer anderen Frau, und jeder Tag hält neue Stolpersteine für Maddie bereit. Wofür soll sie also noch kämpfen?

Das Cover des Buches und der Klappentext haben meinen Blick auf sich gezogen und mich neugierig gemacht. Die Idee zur Geschichte klang wirklich verlockend. Erst dachte ich, es wäre eine Liebesgeschichte, aber es hat sich sehr schnell herauskristallisiert, dass das nicht der Fall ist. Jedenfalls nicht hauptsächlich.

Es dauert eine Weile, bis die Geschichte aufgebaut ist. Das ist aber verständlich, da der Leser erst einmal ein paar Hintergrundinformationen benötigt. Diese sind in einer charmanten Schreibweise verpackt, sodass man gar nicht gleich merkt, dass es noch nicht richtig losgegangen ist.

Wir schlüpfen abwechselnd in die Perspektiven von Maddie und – etwas unerwartet – Chloe. Beide Frauen haben unendlich viel zu verlieren, und Autorin Dani Atkins hat es tatsächlich geschafft, dass ich mit beiden mitgefiebert habe. Maddie und Chloe könnten unterschiedlicher nicht sein, und trotzdem gibt es viel, was sie verbindet. Ich glaube, wäre die Geschichte nur aus der Sicht von einer Person geschrieben gewesen, hätte ich die andere gut hassen können.

So gibt es in diesem Buch aber keinen Antagonisten. Sowohl Maddie als auch Chloe sind die Heldinnen der Geschichte. Natürlich gibt es einen Konflikt zwischen ihnen, aber dieser basiert eher auf Drama als auf Spannung. Die Gedanken der beiden Frauen drehten sich oft im Kreis und waren repetitiv. Das hat das Lesen für mich um einiges erschwert.

Ryan war mir zu Beginn wirklich sehr sympathisch. Mit fortlaufender Geschichte mochte ich ihn aber immer weniger. Irgendwie ist er immer hin und her gesprungen, und meiner Meinung nach hat er sich nie wirklich entscheiden können. Natürlich befindet er sich in einer absoluten Ausnahmesituation, aber seine Worte und seine Taten haben mir persönlich einfach nicht gepasst. Dafür ist mir Mitch immer mehr ans Herz gewachsen. Von ihm hätte ich mir mehr gewünscht.

Was mir ein bisschen gefehlt hat, ist ein erkennbarer Höhepunkt in der Geschichte. Es gibt viele kleine Schreckmomente, und immer wieder passiert etwas Neues, aber ich habe keinen wirklichen Wendepunkt gefunden. Einen Moment, von dem an alles anders ist. Es hat sich eher schleichend eine Tragödie entwickelt, aber es gab keinen ohrenbetäubenden Knall.

Über das Ende der Geschichte habe ich lange nachgedacht. Erst dachte ich, dass es wirklich grandiose Idee war. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber ich fand es irgendwie poetisch. Maddie wachte genau dann auf, als sie am dringendsten gebraucht wurde und erfüllt sozusagen ihren „Zweck“. Aber je länger ich überlegte, desto schlimmer fand ich die Auflösung, und Maddie tat mir nur noch unendlich leid. Was für ein Leben ist das, wenn man eben nur agieren kann, wenn man gebraucht wird? Ich hätte mir für sie einfach ein glücklicheres Ende gewünscht.

Insgesamt fand ich „Sag ihr, ich war bei den Sternen“ ziemlich anstrengend. Die Idee hat mich sofort interessiert, aber die Umsetzung hat mir persönlich einfach nicht zugesagt. Vieles hat sich wiederholt, der Spannungsbogen war eher eine flache Kurve, und das Ende hat mich nach längerem Überlegen einfach erschüttert. Vielleicht lese ich mal wieder etwas von Dani Atkins, aber in nächster Zeit wohl erst einmal nicht.

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Veröffentlicht am 15.02.2021

Nicht das, was ich mir vorgestellt hatte

Dein erster Blick für immer
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Maya Flowers hat eine erfolgreiche Karriere in der Modebranche vor sich. Sie ist engagiert, kreativ und voller Ideen. Und sie hat sich auf den ersten Blick verliebt. Jeden Morgen fährt sie mit dem Zug ...

Maya Flowers hat eine erfolgreiche Karriere in der Modebranche vor sich. Sie ist engagiert, kreativ und voller Ideen. Und sie hat sich auf den ersten Blick verliebt. Jeden Morgen fährt sie mit dem Zug von Hazelworth nach London. Eines Tages fällt ihr ein neuer Passagier auf, der es Maya sofort angetan hat. Doch wie soll sie an ihn herankommen? An ihrem Geburtstag fasst sie den Entschluss, ihm eine Nachricht zu geben, und beginnt damit eine Reihe unglaublicher Ereignisse.

Autorin Zoe Folbigg hat einen autobiografischen Roman geschrieben, denn so wie Maya hat auch sie ihren Ehemann kennengelernt. Das hat mich beim Entdecken des Buches schon beeindruckt. Auch das Cover hat sofort meinen Blick auf sich gezogen, sowohl durch seine positiven Farben als auch durch die Darstellungen von London und dem Zug, der so eine große Rolle spielt.

Wir schlüpfen abwechselnd in die Perspektiven von Maya und James (der Bahn-Mann), die uns in ihrem Leben mitnehmen. Beide waren mir sympathisch. Während Maya mit ihren Gefühlen und ihrer Chefin zu kämpfen hat, beschäftigt sich James mit seiner scheiternden Beziehung und einer beruflichen Umorientierung. Was mir gut gefallen hat, waren die vielen Situationen, in denen die beiden am selben Ort waren, sich aber nicht wahrgenommen haben. Es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, sich zu treffen und kennenzulernen, aber weder Maya noch James wissen davon.

Velma fand ich als Nebenfigur enorm wichtig. Sie ist wie eine Mentorin für Maya, erzählt ihr von ihren Erfahrungen und gibt ihr neuen Mut. Als Velma die Geschichte „verlassen“ hat, war ich genauso traurig wie Maya. Kitty, Simon und Cressida fand ich sehr gut geschrieben. Sie waren genauso konzipiert, dass man sie sehr schön hassen konnte. Sie sind die Herausforderungen, die Maya und James zu bewältigen haben, und diese Rollen spielen sie unglaublich gut.

Wer mir so gar nicht gefallen hat, war Nena. Sie ist angeblich Mayas beste Freundin, lässt sie aber komplett für einen Kerl hängen, meldet sich nicht mehr und beeilt sich von Maya wegzukommen, um Zeit mit ihm zu verbringen. Ich hatte das Gefühl, dass Maya viel mehr in diese Freundschaft investiert, als ihr zurückgegeben wird, aber das wird überhaupt nicht aufgearbeitet.

Bis ungefähr zur Hälfte des Buches gibt es immer wieder Zeitsprünge. Wir beginnen in der Gegenwart und springen dann ständig in eine andere Zeit zurück. Ich fand das unglaublich verwirrend, weil ich irgendwann gar nicht mehr wusste, wo wir uns überhaupt befinden. Ich musste immer wieder nach Anzeichen für die Zeit suchen, und das war beim Lesen sehr anstrengend. Ab der Mitte der Geschichte befinden wir uns dann vollständig in der Gegenwart, und dann wird es auch leichter, der Geschichte zu folgen. Ganz allgemein hat mir der Schreibstil der Autorin gut gefallen. Ich mochte die Beschreibungen und die Dialoge. Vor allem haben mir die Details von Mayas Outfits gefallen.

Der Roman ist als Liebesgeschichte deklariert, aber für mich war er das nicht. Nur ganz am Anfang und ganz am Ende geht es wirklich um James und Maya. Dazwischen machen die beiden eine lange Phase der Selbstfindung durch, in der sie nichts miteinander zu tun haben. Erst als sie wirklich wissen, was sie von ihrem Leben möchten, sehen sie sich überhaupt wieder. Mir haben hier die großen Gefühle, der Zweifel und das Drama gefehlt.

Insgesamt habe ich „Dein erster Blick für immer“ trotzdem gern gelesen. Ich war schnell mit den einzelnen Abschnitten durch und habe mir Gedanken gemacht. Somit hat die Geschichte mich also wirklich berührt. Trotzdem hätte ich die Zeitsprünge weggelassen. Vielleicht hätte man mit der Nachricht von Maya an James im Prolog beginnen und dann die Ereignisse chronologisch aufbauen können. Das hätte die Verwirrung verhindert und das Leseerlebnis noch angenehmer gemacht.

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Veröffentlicht am 08.02.2021

Das war nichts für mich

Der Report der Magd
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Im früheren Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika hat sich im 21. Jahrhundert die Republik Gilead gebildet. Durch radioaktive, chemische und bakterielle Verseuchung sind die meisten Menschen steril. ...

Im früheren Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika hat sich im 21. Jahrhundert die Republik Gilead gebildet. Durch radioaktive, chemische und bakterielle Verseuchung sind die meisten Menschen steril. Frauen sind vollständig enteignet und in die Klassen Ehefrau, Martha und Magd eingeteilt. Sie dienen nur noch als Gebärmaschinen und Sklavinnen.

Desfred ist eine der Mägde in dieser Welt. Sie lebt bei einem Kommandanten und seiner Ehefrau und soll für sie ein Kind austragen. Aber sie will sich nicht vollständig in ihr Schicksal fügen, und dann bietet sich ihr plötzlich die Chance, aus dem System auszubrechen.

Im Jahr 1985 schrieb Margaret Atwood ihren Roman "Der Report der Magd" und stellt sich in gar nicht so ferner Zukunft eine dystopische Welt vor. Die Idee ist wirklich außergewöhnlich, auch die Konzeptionierung ist speziell. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um mich in die Geschichte hineinzudenken und die Umgebung zu verstehen.

Die sprachliche Ausführung war für mich überaus schwierig. Die Erzählerin springt immer wieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Anführungszeichen bei wörtlicher Rede gibt es nur in der Gegenwart. Wenn von vergangen Ereignissen berichtet wird, muss man irgendwie selbst mit dem Text klar kommen. Also das war für mich alles sehr verwirrend und hat mir auch den Spaß am Lesen genommen.

Desfreds Geschichte schreitet nicht wirklich fort. Immer wieder schwelgt sie in Erinnerungen, berichtet von ihrer Mutter, Luke und Moira, nur um dann niedergeschlagen in die Gegenwart zurückzukehren. Diese ist natürlich mehr als trüb. Die Figuren in Desfreds Haushalt sind blass und unnahbar. Einzig der Kommandant und später Nick bringen ein bisschen Abwechslung in die Story.

Die Hauptfigur suhlt sich die meiste Zeit in Selbstmitleid und sucht abwechselnd Wege, um ihrem Leben ein Ende zu setzen oder aus dem System auszubrechen. Beides gelingt ihr nicht, sodass sie am Ende doch ein Opfer ihres Schicksals wird.

Das Ende lässt die Autorin vollständig offen. Wir erfahren nicht, was mit Desfred passiert und ob sie nun schwanger geworden ist oder nicht. Als Epilog wurde eine Versammlung gewählt, die die Aufzeichnungen von Desfred auswertet und analysiert. Das fand ich eigentlich eine spannende Sache, aber da gab es wieder so viele Zusatzinformationen, dass das eigentlich Wichtige, nämlich was aus Desfred geworden ist, komplett untergeht.

Der lateinische Spruch, den Desfred eingeritzt in ihrem Schrank findet, war für mich ein interessantes Detail ("Hirundo maleficis evoltat."). Die Übersetzung versteckt sich auch im Buch selbst. Allerdings wurde dieser Spruch bei der Übersetzung von Helga Pfetsch vom Englischen ins Deutsche ausgetauscht. Im Original lautet der Spruch "Nolite te bastardes carborundorum." und wird übersetzt mit "Don't let the bastards grind you down." Ich finde es schade, dass der komplette Satz ausgetauscht wurde, da er im Original viel griffiger ist und besser passt.

"Der Report der Magd" mag von vielen als literarisches Meisterwerk erkannt worden sein, ich konnte damit absolut nichts anfangen. Mir hat die Schreibweise nicht gefallen, ich konnte mich mit den Figuren nicht identifizieren, und das ewig Hin und Her in den Zeiten hat mich einfach nur verwirrt. Nicht mal das offene Ende reizt mich, den zweiten Teil zu lesen.

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Veröffentlicht am 04.02.2021

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QualityLand (QualityLand 1)
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In QualityLand lautet die Antwort auf alles: OK. Superlative bestimmen die Kultur der Bewohner, und alles ist vernetzt, digital und automatisch. So passiert es sogar, dass ein Androide - ein vermenschlichter ...

In QualityLand lautet die Antwort auf alles: OK. Superlative bestimmen die Kultur der Bewohner, und alles ist vernetzt, digital und automatisch. So passiert es sogar, dass ein Androide - ein vermenschlichter Roboter - als neuer Präsident für QualityLand kandidiert. Die Menschen sind jeweils nach den Berufen ihrer Eltern benannt: Mädchen nehmen die Berufsbezeichnung ihrer Mutter an, Jungen die Berufsbezeichnung des Vaters. So gibt es zum Beispiel Henryk Ingenieur oder Melissa Sexarbeiterin. Mein absolutes Highlight ist und bleibt aber Hannibal Lektor.

In dieser Welt lebt Peter Arbeitsloser, der eine eigene Schrottpresse betreibt, gleichzeitig aber aussortierte Roboter vor ebendieser rettet. Dadurch hat er mittlerweile eine beträchtliche Anzahl an Mitbewohnern. Mit ihm leben beispielsweise ein Sexroboter mit Erektionsstörung, eine Drohne mit Flugangst und ein Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung. Eigentlich ist Peter mit seinem Leben zufrieden, bis er eines Tages eine Lieferung erhält, die er gar nicht haben möchte. Er beginnt, das System zu hinterfragen und sich zu beschweren, doch er landet immer wieder in einer Sackgasse. Bis Kiki Unbekannt auf einmal in sein Auto einsteigt und nichts mehr so ist, wie es war.

Autor und Kabarettist Marc-Uwe Kling hat eine satirische Dystopie geschrieben, in der er die Ansätze und Möglichkeiten der bereits heute bestehenden Digitalisierung auf die Spitze treibt. Obwohl er viel Witz eingebaut hat, blieb für mich doch immer ein dunkler Unterton, der ständig spürbar war. Das liegt wahrscheinlich auch einfach an dem Wahrheitsgehalt, der bereits jetzt in der Gesellschaft verankert ist, was die Digitalisierung angeht.

Während der Geschichte begleiten wir drei Protagonisten. Im Wesentlichen verfolgen wir die Ereignisse rund um Peter Arbeitsloser, aber es gibt ebenso Ausflüge zu Martyn Vorstand, der etwas glücklos durch seine Partei und seine Ehe schlittert, und Aisha Ärztin, die die Wahlberaterin des Androiden John of Us ist.

Die Story an sich ist nicht sonderlich hochtrabend. Das muss sie aber auch gar nicht sein, da der Fokus natürlich auf der Satire liegt. Und diesen Bogen hat der Autor absolut raus. Auch sprachlich ist das Buch kein literarisches Meisterwerk. Ich muss aber dazu sagen, dass es wahrscheinlich wieder viel besser gewirkt hätte, wenn ich das Hörbuch gehört hätte, denn der Autor lässt seinen trockenen Humor immer in seine Lesungen einfließen.

Zwischen den Kapiteln ist mehr als amüsante Werbung eingestreut, sogar mit Kommentaren der Bewohner von QualityLand, Rechtschreibfehler inklusive. Das ist eine äußerst clevere Art, den Leser am Leben von QualityLand teilnehmen zu lassen. Außerdem macht die Aufmachung wirklich etwas her.

Mir haben besonders die Anspielungen auf Marc-Uwe Klings Känguru-Chroniken gefallen. Jeder, der die Bücher kennt (ich habe die vom Autor selbst eingelesenen Hörbücher gehört), wird immer wieder Verweise und Insiderinformationen entdecken. Bezüglich des QualityPads "Pink" und der Figur, die sich "der Alte" nennt, hatte ich so meine Vermutungen. Auf der allerletzten Seite des Buches werden diese auch bestätigt. Also klappt das Buch nicht nach dem letzten Satz zu, sondern blättert bis ganz zum Schluss.

Insgesamt habe ich "QualityLand" gern gelesen. Ich mag den schwarzen Humor von Marc-Uwe Kling sehr gern, mir haben die Anspielungen auf das Känguru gefallen und ich mochte die Aufmachung des Buches. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ich mir den zweiten Teil auch noch zu Gemüte führe.

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Veröffentlicht am 31.01.2021

Arrowood reicht leider nicht an Sherlock Holmes heran

Arrowood - In den Gassen von London
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Die reichen Bürger gehen zu Sherlock Holmes, alle anderen gehen zu William Arrowood. Im Süden Londons nimmt der Detektiv Aufträge an und kämpft um sein Überleben.

Als eine junge Französin zu ihm kommt ...

Die reichen Bürger gehen zu Sherlock Holmes, alle anderen gehen zu William Arrowood. Im Süden Londons nimmt der Detektiv Aufträge an und kämpft um sein Überleben.

Als eine junge Französin zu ihm kommt und ihn mit der Suche nach ihrem Bruder beauftragt, wittert er schnelles Geld. Gemeinsam mit seinem Assistenten Norman Barnett macht er sich an die Arbeit. Doch je tiefer sie graben, desto dunkler werden die Geheimnisse, die ans Tageslicht kommen. Bis sie schließlich eine Verschwörung aufdecken, die bis in die höchsten Regierungskreise reicht.

Arrowood als Gegenspieler zu Sherlock Holmes zu etablieren halte ich für genial. Auch als großer Sherlock-Holmes Fan habe ich es genossen, wie Arrowood auf bekannte Fälle Bezug nimmt und diese zerpflückt. Ganz allgemein gibt es viele Parallelen zwischen Holmes und Arrowood, und es war amüsant diese zu entdecken.

Es war offensichtlich, dass Autor Mick Finlay versucht hat, Arrowood genauso brillant - wenn nicht sogar noch brillanter - erscheinen zu lassen als Sherlock Holmes. In meinen Augen ist ihm das leider nicht geglückt. Arrowood zieht viele richtige Schlüsse und stellt Verbindungen her, aber trotzdem kommt er einfach nicht an den berühmten Meisterdetektiv heran.

Trotzdem mochte ich Arrowood und Barnett gern. Anders als Holmes und Watson sind sie auf einer Wellenlänge und bearbeiten ihren Fall tatsächlich gemeinsam. In dieser Hinsicht ist Arrowood das komplette Gegenteil von Holmes, denn er kann seine Wertschätzung seinem Freund gegenüber deutlich zeigen.

Die Geschichte an sich ist clever durchdacht. Es gibt einige Intrigen und ein großes Lügengeflecht, das erst einmal aufgedröselt werden muss. Es war spannend zu lesen, wie es Arrowood und Barnett nach und nach schaffen, jeder Lüge auf die Spur zu kommen. Allerdings war der Weg dahin äußerst schwierig. Viele Ermittlungsschritte haben sich wiederholt, es gab immer wieder Gespräche mit denselben Leuten und Rekapitulationen bereits erreichter Erfolge und Misserfolge. Sogar das Verschwinden des kleinen Neddy hat sich wiederholt. Daher ist es dem Autor nicht zu jeder Zeit gelungen, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten.

Was mir aber gut gefallen hat, waren die vielen kleinen Nebenschauplätze. Sowohl Arrowood als auch Barnett haben nicht nur beruflich sondern auch privat zu kämpfen. Genauso geht es Neddy und Ettie, sodass es nicht die ganze Zeit nur um den Fall geht. Nach und nach erfahren wir mehr über die Figuren und ihre Hintergründe, ohne dass wir komplett aus der Geschichte herausgerissen werden.

Was mir gefehlt hat, war der große Knall am Ende des Falles. Wenn der Protagonist so stark an Sherlock Holmes angelehnt ist, dann vergleicht man auch unwillkürlich die Fälle miteinander. Bei Holmes gab es immer einen Schreckmoment, wenn er die Auflösung verkündet hat ("Waaaas? Da wäre ich nie drauf gekommen!"). Das bleibt bei Arrowood komplett aus. Von Anfang an ist so ziemlich klar, wer der Böse ist, wodurch dieses ganz besondere Herzklopfen einfach nicht stattfindet.

Ich musste mich ein bisschen durch dieses Buch quälen. Die Idee fand ich toll und auch die Hauptfiguren haben mir gefallen. Aber es gab wirklich Durststrecken, in denen nichts passiert ist und sich alles wiederholt hat. Für mich gab es auch keinen Höhepunkt in der Geschichte, weil alles vorhersehbar war. Schade trotz hohen Potentials!

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