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Veröffentlicht am 04.05.2022

Ein Leben in der Warteschleife

Das Fundbüro der verlorenen Träume
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Dorothy Watson, genannt Dot, arbeitet im Fundbüro von London Transport. Täglich werden zahlreiche Gegenstände abgeliefert, die in den Londoner Bussen oder U-Bahnen liegengeblieben sind. Von der abgewetzten ...

Dorothy Watson, genannt Dot, arbeitet im Fundbüro von London Transport. Täglich werden zahlreiche Gegenstände abgeliefert, die in den Londoner Bussen oder U-Bahnen liegengeblieben sind. Von der abgewetzten Jacke bis zum Luxuskoffer ist alles dabei. Dot macht es Freude, sich die Besitzer der Gegenstände auszumalen und mit besonderer Befriedigung erfüllt es sie, wenn die Gegenstände zu ihrem Besitzer zurückfinden. Eines Tages kommt ein älterer Herr ins Fundbüro, der die Ledertasche seiner verstorbenen Frau verloren hat. Für ihn war sie ein Bindeglied zu der Frau, die er offensichtlich sehr vermisst, und Dot wünscht sich nichts mehr, als ihm die Tasche zurückgeben zu können. Umso mehr freut sie sich, als sie tatsächlich abgegeben wird, doch leider ist die Adresse von Mr. Appleby unauffindbar. Mit detektivischem Spürsinn (nomen est omen!) macht sich Dot auf die Suche nach dem alten Herrn.
Abgesehen von ihrem Job hat Dot wenig Abwechslung in ihrem Leben. Ihr Vater, zu dem sie ein sehr enges Verhältnis hatte, ist tot, die zunehmend demente Mutter im Seniorenwohnheim. Zu ihrer übergriffigen und besserwisserischen älteren Schwester Philippa vermeidet sie den Kontakt, soweit möglich. Philippa ist es auch, die so schnell wie möglich die Maisonettewohnung der Mutter, in der auch Dot lebt, verkaufen möchte, was Dot ziemlich aus der Bahn wirft. Nach und nach erfährt der Leser mehr über Dots Leben. Sie war nicht immer die zurückgezogene und wie aus der Zeit gefallene Frau, die andere in ihr sehen. Vor Jahren studierte sie in Paris, war lebenslustig und hatte große Pläne für ihr Leben. Doch dann kam es zu einem Ereignis, das alles veränderte.
„Das Fundbüro der verlorenen Träume“ fiel mir zuerst wegen des wunderschönen und ausgefallenen Covers auf. Die Leseprobe hat mich positiv überrascht. Ich hatte einen seichten und vorhersehbaren Feelgood-Roman befürchtet, doch der Stil war unerwartet geistreich und witzig und der Roman hat sehr viel mehr Tiefgang als der doch etwas kitschige Titel vermuten lässt (Im englischen Original heißt das Buch ganz einfach „Lost Property“, Fundbüro). Die liebevoll gezeichneten, teils recht skurrilen Personen und überraschende Wendungen in der Geschichte haben das Buch für mich zu einem Lesevergnügen gemacht. Ein warmherziger Roman, den ich kaum aus der Hand legen konnte.

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Veröffentlicht am 02.05.2022

Raffiniertes literarisches Puzzle

Der Tote aus Zimmer 12
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Susan Ryeland, ehemalige Lektorin des Erfolgsautors der Atticus Pünd-Krimireihe, lebt mittlerweile mit ihrem Partner in Griechenland, wo sie zusammen ein Hotel betreiben. Leider läuft das Hotel nicht allzu ...

Susan Ryeland, ehemalige Lektorin des Erfolgsautors der Atticus Pünd-Krimireihe, lebt mittlerweile mit ihrem Partner in Griechenland, wo sie zusammen ein Hotel betreiben. Leider läuft das Hotel nicht allzu gut, deshalb kommt ihr der Vorschlag des britischen Ehepaars Treherne gerade recht: Susan soll in England nach der verschwundenen Tochter der Trehernes suchen. Diese hatte ein Buch aus der Atticus Pünd-Reihe gelesen und darin einen Hinweis darauf gefunden, wer vor Jahren im Hotel der Trehernes einen Mord begangen hat. Zwar wurde damals ein im Hotel angestellter Rumäne festgenommen, doch die Tochter, Cecily, war von Anfang an überzeugt, dass der Falsche im Gefängnis sitzt. Der Roman, um den es sich handelt, basiert auf Ereignissen, die sich damals im Hotel der Trehernes abspielten. Der Autor der Reihe, Alan Conway, kann nicht mehr dazu befragt werden, da er mittlerweile gestorben ist.
Da Susan das großzügige in Aussicht gestellte Honorar gut gebrauchen kann, lässt sie sich auf den Vorschlag ein. Sie wird im feudalen Landhotel des Ehepaars, „Branlow Hall“, untergebracht und beginnt mit ihren Nachforschungen. Wer hätte ein Interesse daran, dass Cecily verschwindet? Und wer hatte damals vor acht Jahren ein Motiv, den Mord zu begehen? Die Liste der Verdächtigen ist lang. Natürlich muss Susan auch den Roman „Atticus unterwegs“ noch einmal lesen, in der Hoffnung, den Hinweis zu finden, auf den Cecily gestoßen ist. Der Roman ist in seiner gesamten Länge abgedruckt, man liest also praktisch einen Roman im Roman. Das ist einerseits raffiniert und interessant – denn als Leser versucht man natürlich auch, das Rätsel zu entschlüsseln – andererseits auch etwas verwirrend mit den vielen Namen, die in den beiden Handlungssträngen auftauchen. Ein Personenregister wäre für diesen Roman eine gute Idee gewesen und hätte die Lektüre erleichtert. Dem Lesevergnügen taten die vielen Personen allerdings keinen Abbruch. Im übrigen ist dies der zweite Roman um Susan Ryeland. Den ersten Band, „Die Morde von Pye Hall“ hatte ich auch gelesen, doch konnte ich mich leider an die Details nicht mehr erinnern. Für die Lektüre dieses Romans ist jedoch kein Vorwissen erforderlich.
Horowitz‘ neuester Roman ist ein klassischer „Whodunnit“, dessen Lektüre mir sehr viel Spaß gemacht hat. „Der Tote aus Zimmer 12“ ist ein intelligentes und geistreiches, wenn auch nicht allzu spannendes Buch, doch Horowitz lese ich auch nicht der Spannung wegen. Kurz gesagt, ein großes Lesevergnügen. Uneingeschränkte 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 24.04.2022

Im Visier der Stasi und des BND

Die Diplomatenallee
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Heike Holländer lebt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern ein beschauliches Leben in Bonn. Früher hat sie Graphologie studiert, doch ihr Studium ohne Abschluss abgebrochen, warum, wird erst nach und ...

Heike Holländer lebt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern ein beschauliches Leben in Bonn. Früher hat sie Graphologie studiert, doch ihr Studium ohne Abschluss abgebrochen, warum, wird erst nach und nach klar. Jetzt tritt ihr alter Professor wieder an sie heran und will ihre Hilfe bei der Beurteilung von handschriftlichen Dokumenten. Heike will mit ihm eigentlich nichts mehr zu tun haben, trotzdem lässt sie sich darauf ein, denn ihr alter Dozent Buttermann hat angeblich Informationen über Heikes verschwundenen Bruder.

Die Geschichte spielt im Bonn des Jahres 1974. Die Hauptstadt ist ein Dorf, jeder scheint jeden zu kennen und der kleine Schreibwarenladen der Familie Holländer ist ein Umschlagplatz für Informationen. So ist beispielsweise von Annemarie Renger oder von „Günther“ die Rede, Willi Brandts persönlichem Referenten, der sich dann als Stasi-Spitzel herausstellte, was zu Brandts Rücktritt führte.

Das Eintauchen in die Zeitgeschichte war interessant und auch das Thema Graphologie fand ich sehr spannend. Bis etwa zur Mitte des Buchs hat mich „Die Diplomatenallee“ gefesselt. Doch dann ist Heike Holländer plötzlich im Visier sowohl der Stasi als auch des BND. Es geschehen fingierte Unfälle, Menschen werden versehentlich angeschossen, Heike wird erpresst und zusammengeschlagen. Vieles ist kolossal verwirrend und man weiß nie, was ist wahr und was gelogen. Leider werden manche Handlungsstränge bis zuletzt nicht aufgelöst, was ich als äußerst unbefriedigend empfunden habe. Auch die persönlichen Lebensumstände der Familie Holländer und die Beziehungen untereinander sind sehr seltsam. Am Schluss hatte ich das Gefühl, die Autorin wusste nicht so recht, wie sie die Geschichte zu Ende führen soll, so konstruiert wirkt das Ganze. Ein Buch, das stark beginnt und äußert schwach endet. 2,5 Sterne und leider keine Leseempfehlung von mir.

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Veröffentlicht am 21.04.2022

Der Stellenwert des Waldes

Das Lied des Waldes
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Veronika, die in einem Forsthaus im Nürnberger Reichswald groß geworden ist, nach dem Abitur jedoch froh war, dem Wald und ihrer ländlichen Heimat den Rücken zu kehren, will das Elternhaus samt dem dazugehörigen ...

Veronika, die in einem Forsthaus im Nürnberger Reichswald groß geworden ist, nach dem Abitur jedoch froh war, dem Wald und ihrer ländlichen Heimat den Rücken zu kehren, will das Elternhaus samt dem dazugehörigen Wald nach dem Tod der Mutter so schnell wie möglich verkaufen. Ihr Leben steht an einem Wendepunkt. Mit ihrer Ehe steht es nicht zum Besten (ihr Mann nimmt sich gerade eine Auszeit in Südamerika) und die erwachsene Tochter ist ebenfalls für ein Jahr im Ausland. Zu allem Überfluss hat Veronika ihren Job in einer Frankfurter Werbeagentur verloren. Mit dem Geld aus dem Verkauf des Elternhauses will sie sich eine eigene Agentur aufbauen.
In einem zweiten Handlungsstrang lernen wir Anna Stromer kennen, die im 14. Jahrhundert in Nürnberg lebte. Als 8jähriges Kind ging Ana im Nürnberger Reichswald verloren und lebte monatelang in einer Waldhütte bei einer Zeidlerin. Dort lernte sie den Wald kennen und lieben, was ihr Leben für immer geprägt hat. Trotz ihres jungen Alters war sie überzeugt, dass der Wald nicht nur ausgebeutet, sondern geschützt werden muss, eine zur damaligen Zeit ganz und gar abwegige Idee.
Das Buch behandelt einige interessante Themen rund um das Thema Wald, beispielsweise trifft Veronika in ihrem Waldstück auf Ben, der mithilfe von Mikrofonen die Sprache der Bäume hörbar macht. Auch war mir nicht bewusst, dass der Wald in früheren Jahrhunderten nicht als Erholungsort, sondern vielmehr als „terra inculta“, als wildes, unbebautes Land, vor dem sich die Menschen fürchteten, galt.
Die Geschichte der Anna Stromer, die im übrigen historisch belegt ist, wenngleich sich die Autorin nicht an alle historischen Fakten gehalten hat, fand ich ganz interessant. Trotzdem blieb mir die Person Anna fremd. Veronikas Handlungsstrang hat mich weniger interessiert. Sie wird als Mensch dargestellt, dem vor allem die Wirkung auf andere wichtig ist. So erzählt sie niemandem, dass sie ihren Job verloren hat, denn das würde einen Gesichtsverlust für sie bedeuten. Der Entschluss ihres Mannes, allein nach Südamerika zu reisen, verletzt sie zutiefst, doch tut sie so, als ob alles in Ordnung wäre. Diese Unehrlichkeit Veronikas hat mich sehr gestört.
Über weite Strecken plätschert die Geschichte so vor sich hin, am Schluss überschlagen sich allerdings die Ereignisse auf eine Art, die auch nicht glaubhaft wirkt. Nachdem mir Klara Jahns letztes Buch ganz hervorragend gefallen hatte, war ich sehr auf „Das Lied des Waldes“ gespannt, aber leider konnte es meine Erwartungen nicht erfüllen.

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Veröffentlicht am 16.04.2022

Äußerst unterhaltsam

Der Tod macht Urlaub in Schweden
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Nach einer Reihe von Ohnmachtsanfällen beschließt der Stockholmer Kriminalkommissar Peter Vinston, einen ruhigen und erholsamen Sommer in Österlen, in der Nähe seiner Ex-Frau und Tochter zu verbringen. ...

Nach einer Reihe von Ohnmachtsanfällen beschließt der Stockholmer Kriminalkommissar Peter Vinston, einen ruhigen und erholsamen Sommer in Österlen, in der Nähe seiner Ex-Frau und Tochter zu verbringen. Dumm nur, dass kurz nach seiner Ankunft dort eine Frau ums Leben kommt. Es handelt sich um die von vielen gehasste Immobilienmaklerin Jessie Anderson, die einen ruhigen Strandabschnitt mit Luxusvillen - hässlichen Betonklötzen, die ganz und gar nicht in die ländliche Gegend passen - bebauen wollte. War es wirklich ein Unfall? Oder doch Mord? Die örtliche Polizeidirektion bittet Peter Vinston um Mithilfe, denn mit einer eventuellen Mordermittlung haben die örtlichen Beamten keinerlei Erfahrung. Die leitende Ermittlerin Tove Esping ist allerdings alles andere als begeistert, diesen Stockholmer Schnösel im feinen Zwirn und handgearbeiteten Schuhen an ihrer Seite zu haben. Als ein zweiter Unfall geschieht, der sich schnell als Mord herausstellt, ist klar: das beschauliche Österlen wird von einem Serienmörder heimgesucht. Trotz der anfänglichen Vorbehalte auf beiden Seiten bilden Vinston und Esping mit der Zeit ein gutes Team. Gemeinsam schaffen sie es, diesen verzwickten Fall aufzuklären.
Mir hat die Lektüre von „Der Tod macht Urlaub in Schweden“ sehr viel Spaß gemacht. Die Personen sind gut gezeichnet, die Handlung ist spannend, die Dialoge amüsant. Den Buchtitel finde ich jedoch ziemlich albern und auch die Klassifizierung „cosy crime“ (noch schlimmer: Häkelkrimi!) wird diesem Krimi nicht gerecht. Auf die weiteren Bände der Reihe freue ich mich schon.

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