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Veröffentlicht am 06.11.2022

Originell, atmosphärisch, düster, ein paar Längen

Der Schattenriss
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Habt ihr euch dieses Buch ganz genau angesehen? Ist es nicht wunderschön? Allein schon das Cover und der Farbschnitt haben mich in Versuchung geführt. Ich liebe einfach die gebundenen Werke in der Festa-Lederoptik! ...

Habt ihr euch dieses Buch ganz genau angesehen? Ist es nicht wunderschön? Allein schon das Cover und der Farbschnitt haben mich in Versuchung geführt. Ich liebe einfach die gebundenen Werke in der Festa-Lederoptik! Aber dieses Buch sieht nicht nur mega aus, es macht auch inhaltlich einiges her.

Vorweg sollte euch aber eines klar sein. Fans von Purcell wissen wahrscheinlich genau, worauf ich hinaus will. So großartig Purcells Bücher sind, so anspruchsvoll sind sie eben auch. „Der Schattenriss“ liest sich nicht einfach mal eben so nebenher. Dieser Thriller braucht die volle Aufmerksamkeit seiner Leserschaft. Wenn man sich aber darauf einlässt, was vielleicht nicht immer leicht fällt, kann man in eine düstere, faszinierende Welt abtauchen, die durch Detailreichtum und Erzählkunst besticht.

Beinahe in einem präzisen Wechsel erzählt Laura Purcell die Story aus der Sicht der Scherenschnittkünstlerin Agnes, um die sich auch die Kriminalgeschichte strickt, und des 11-jährigen Mediums Pearl. Geschickt werden diese beiden Erzählstränge zu einer packenden Story verbunden, die immer wieder zum Fingernägelkauen animiert. Dabei baut die Autorin gekonnt Spannung auf, wirft an den richtigen Stellen Gruselelemente ein und schafft eine unglaublich realistische Umgebung, in der zwei Frauen, auf der Suche nach der Wahrheit, um das eigene Überleben kämpfen. Purcell hat ein Talent dafür, Szenen so zu beschreiben, dass man regelrecht Gänsehaut bekommt. Dabei findet sie immer das richtige Maß, um der Fantasie ihrer LeserInnen genügend Freiraum zu lassen. Diese wunderbar komplexe Geschichte liefert immer wieder gut konstruierte Wendungen, die zu einem unerwarteten Ende führen.

Obwohl Agnes die eigentliche Hauptperson ist, entpuppt sich Pearl für mich sehr schnell als wahre Sympathieträgerin der Geschichte. Vielleicht liegt es an ihrem kindlichen Wesen, welches Eindrücke noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive schildert. Ganz sicher ist es aber auch der Kampf mit den eigenen Geistern, den die Kleine tagtäglich führen muss und der mir einfach unglaublich ans Herz gegangen ist.

Ich persönlich hatte so meine Schwierigkeiten mit den Längen, die immer wieder mal entstanden sind. Grundsätzlich tut das dem Ganzen aber keinen Abbruch, und wahrscheinlich lieben einige von euch genau diese Erzählweise an Purcells Büchern.

Fazit: Packend, originell, atmosphärisch. Fans von viktorianisch angehauchten, düsteren Thrillern kommen hier voll auf ihre Kosten.

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Veröffentlicht am 01.11.2022

Düstere, fantasievolle Geschichte

Darryl Openworld
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In der Openworld sind Journalisten sehr angesehen. Sie werden wie Helden behandelt und regelrecht vergöttert. Bei ihnen in der Lehre sein zu dürfen, ist so ziemlich das Größte, was man sich vorstellen ...

In der Openworld sind Journalisten sehr angesehen. Sie werden wie Helden behandelt und regelrecht vergöttert. Bei ihnen in der Lehre sein zu dürfen, ist so ziemlich das Größte, was man sich vorstellen kann - natürlich abgesehen davon, selbst einer dieser begnadeten Master Journalisten zu sein. So wie Darryl, dessen Reportagen über seine Abenteuer überall bekannt sind. Und der nicht nur in der geheimen Dimension namens Openworld verweilen kann, sondern auch in der Grey World, die unserer Realität sehr nahe kommt. Er pendelt also immer hin und her auf der Suche nach einer neuen Story. Und die bekommt er auch recht flott. Wir erfahren mit Darryl, dass in Openworld ein paar Dinge so gar nicht stimmen. Irgendetwas ist da im Busch...

Mir sind die Figuren total ans Herz gewachsen: Darryl, den ich euch eben vorgestellt habe. Dean, der beste Freund von Darryl und als Geist unterwegs. Julianne, die in Grey World wohnt und in die sich Dean verliebt hat. Das ultimative Dreiergespann. Oder? Nun, lasst mich eines verraten: Hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Und es hat so viel Spaß gemacht, die Figuren bei ihrem Treiben zu begleiten. Bei ihren waghalsigen und gefährlichen Abenteuern. Bei dem Versuch, zwischenmenschliche Konflikte zu lösen oder an ihnen zu scheitern. Zudem liefern die Illustrationen eine Menge zum Entdecken, Gruseln und Wohlfühlen. Die Farben sind kräftig und wecken die unterschiedlichsten Emotionen beim Lesen.

Lediglich das Ende ist für mich ein kleiner Kritikpunkt, denn ich habe es nicht verstanden. Also, mir ist schon klar, was den einzelnen Figuren widerfahren ist, aber nicht, warum sie sich so und nicht anders entschieden haben. Hier und da wären ein paar zusätzliche Informationen zum besseren Verständnis sicher hilfreich gewesen.

Fazit: Man versinkt förmlich in den Seiten und darf hier eine düstere, fantasievolle Geschichte erleben, in die Themen eingeflochten wurden, die auch in unserer Welt bedeutend sind. Schaut unbedingt rein!

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Veröffentlicht am 02.10.2022

Geht ans Herz

Lake Paradise – Ein Zuhause für das Glück
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Allein das Cover vermittelt bereits einen Eindruck davon, wie idyllisch dieser Ort, Lake Paradise, sein muss. Also bitte, wenn ich mir diesen phantastischen Himmel und diese zauberhaften Häuser am See ...

Allein das Cover vermittelt bereits einen Eindruck davon, wie idyllisch dieser Ort, Lake Paradise, sein muss. Also bitte, wenn ich mir diesen phantastischen Himmel und diese zauberhaften Häuser am See betrachte, regt sich in mir ein Gefühl von Geborgenheit und zu Hause sein. Wer möchte dieses heimelige Fleckchen Erde nicht Heimat nennen?

Manuela Inusa erzählt eine herrliche Liebesgeschichte, die einige Hindernisse überwinden muss, bis das Glück der beiden Protagonisten Lexi und Aaron besiegelt werden kann. Dabei schafft es Inusa, die Realität stets im Blick zu behalten. So wie Lexi und Aaron sich kennen und lieben lernen, könnte es auch jeden von uns treffen. Die Geschichte ist zu keiner Zeit von Romantik (und Kitsch) überladen. Das schafft einen persönlichen Bezug und macht die Story sehr nahbar.

Die Autorin erzählt auf authentische Art und Weise und zeichnet ihre Figuren realistisch. So steigt man direkt in die Handlung ein und wird gänzlich mitgerissen. Lexi als Hauptfigur hat mir persönlich sehr gut gefallen. Ich habe mit ihr mitgefiebert und konnte ihr Handeln in jedem einzelnen Moment nachvollziehen. Hier wurde eine Welt erschaffen, in der das Schöne und die Liebe im Mittelpunkt stehen, das Tragische, das jeden von uns früher oder später ereilen muss, aber nicht außen vor lässt. Für mich ist mit diesem ersten Band ein grandioser, mitreißender Reihenauftakt gelungen.

Karoline Mask von Oppen ist als Sprecherin eine gute Wahl. Sie erzählt die Story um Lexi und Aaron mit einer Leichtigkeit, die die Zeit nur so dahinrasen lässt. Etwas befremdlich fand ich zwar die Stimmveränderungen, wenn die direkte Rede der männlichen Figuren eingesprochen wurde, dies hat der Erzählweise im Allgemeinen aber keinen Abbruch getan. Karoline Mask von Oppens Stimme habe ich sehr gern zugehört.

Fazit: Diese Story geht ans Herz ohne dabei zu sehr auf Kitsch und Klischees zu setzen. Das doch etwas offen gehaltene Ende war für mich der perfekter Schlusspunkt. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass es zumindest am Rande auch im zweiten Teil ein Wiedersehen mit Lexi und Aaron geben wird. Lesens- und hörenswert!

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Veröffentlicht am 21.09.2022

Dystopie mit Tiefgang

Rules of Vicinity - Sieben Sekunden
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Ich habe diesen Roman im Buddyread gelesen, weil ich Sorge hatte, dass er mich schnell langweilen würde. Warum? Weil ich seltener Dystopien lese und noch seltener über den Tellerrand gucke, um meine Wohlfühlzone ...

Ich habe diesen Roman im Buddyread gelesen, weil ich Sorge hatte, dass er mich schnell langweilen würde. Warum? Weil ich seltener Dystopien lese und noch seltener über den Tellerrand gucke, um meine Wohlfühlzone zu verlassen. Meine Güte, was lag ich hier falsch. Die Sorge war völlig unbegründet! Und nicht nur das, ich habe hier tatsächlich ein Jahreshighlight entdeckt.

Novalee, kurz Nova, ist gerade von ihrem Zuhause ausgezogen und in eine Siedlung für Unverheiratete gewechselt. Falls ihr jetzt denkt: "Was? Sowas gibt es?", kann ich euch sagen: Yes, und es ist wahrlich kein schöner Ort für eine junge Erwachsene. Für gar niemanden. In AurA Eupa, dem einstigen Europa, wird nämlich streng nach Aussehen sortiert. Da würden viele von uns heute aufschreien und Argumente einbringen wie: "Es kommt doch nicht nur auf das Äußere an." Oder: "Die inneren Werte zählen." Oder: "Das ist Diskriminierung!" Vermutlich denken das auch einige Bewohner von AurA Eupa, aber sie dürfen es nicht aussprechen, dürfen sich nicht gegen das System stellen und nicht negativ auffallen. Wer das tut, hat verdammt schlechte Karten.

Es war so spannend, die einzelnen Figuren kennenzulernen und ihre Schicksalsschläge mitzuverfolgen. Nova liefert den Stoff für den ersten Erzählstrang, Crish für den zweiten. Zu ihnen gesellen sich weitere Charaktere, die - wie die Hauptpersonen - gründlich ausgearbeitet und authentisch dargestellt wurden. Dabei wurden so unterschiedliche Merkmale deutlich, dass es nie langweilig wurde. Die Figuren sind zickig, gutgläubig, taff, selbstbewusst, einige werden mit der Zeit mutiger und stärker, anderen werden ständig Steine in den Weg gelegt. Wahnsinn, was man da mitgefiebert, mitgelitten und an Gefühlsachterbahnfahrten durchgemacht hat!

Besonders interessiert hat mich das Grundthema. Hier finden sich sozial- wie auch gesellschaftskritische Aspekte wieder, über die man nicht nur während des Lesens nachdenken sollte, sondern auch darüber hinaus. Ist jemand glücklich, nur weil er gut aussieht? Und hat man schlechte Gene, wenn man nicht dem Ideal entspricht? Sollten die Hübschen und Reichen unter sich bleiben? Wer legt eigentlich die Definitionen von Schön und Hässlich fest? All das spielt hier vorder- und hintergründig eine Rolle. Dazu thematisiert die Autorin jugendliche Leichtigkeit, das Zusichselbstfinden und Outing. Allerdings verzichtet sie dabei auf kitschige Übertreibungen, sondern beschreibt ihre Figuren wie dich und mich. Ganz normal und wie aus dem wirklichen Leben gegriffen.

Einige Fragen blieben offen und sorgten während des Buddyreads für unterhaltsamen Austausch. Wir hoffen, dass sie uns in den Folgebänden beantwortet werden. Jedoch möchte ich betonen, dass sie keineswegs den Lesefluss störten und somit eher als Randnotiz wahrgenommen werden sollten.

Wer gerne dystopische Geschichten mit einem besonderen Setting und gut ausgetüftelten Figuren liest, sollte hier unbedingt zugreifen. Ich bin ein neuer Fan der Autorin und werde sie garantiert im Auge behalten!

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Veröffentlicht am 20.09.2022

Gelungene postapokalyptische Geschichte mit queeren Passagen

Wilder Girls
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Während ich diese Zeilen schreibe, huscht mein Blick immer wieder in Richtung Cover. Ich hatte mich vor dem Lesen gefragt, warum ausgerechnet dieses gewählt wurde, was es mir sagen soll. Nun weiß ich es. ...

Während ich diese Zeilen schreibe, huscht mein Blick immer wieder in Richtung Cover. Ich hatte mich vor dem Lesen gefragt, warum ausgerechnet dieses gewählt wurde, was es mir sagen soll. Nun weiß ich es. Im Nachhinein kann ich sagen, dass es all das widerspiegelt, was ich als Beobachterin miterlebt habe. Und lasst euch bloß nicht von den zarten Blüten und den harmonischen Farben blenden. Der Plot hat es faustdick hinter den Ohren.

"Wir sollten nicht hier sein. Dieser Ort gehört nicht mehr uns." (Zitat S. 51)

Wir befinden uns auf Raxter Island; genauer gesagt in einem Mädcheninternat vor Ort. Reese, Hetty und Byatt sind mit ein paar anderen Mädchen in Quarantäne und dürfen das Schulgelände nicht verlassen. Zu gefährlich ist die sogenannte Tox, die sich ausbreitet und von Mensch, Tier und Umgebung Besitz ergreift. Die Autorin hat die Veränderungen so detailliert beschrieben, dass ich eine Gänsehaut bekam. Bei jedem Mädchen zeigen sich die Folgen des Virus ganz unterschiedlich: Sie bekommen Blasen, die aufplatzen; ihnen wächst das Rückgrat nach außen; sie verlieren Augen; einige zerbrechen regelrecht an der Tox. Body Horror und Dystopie - kann das funktionieren? Es kann! Die bedrückende Stimmung wurde noch zusätzlich verschärft, als klar wurde, dass alles noch viel schlimmer kann. Hunger. Durst. Einsamkeit. Probleme, mit denen die Mädchen, ihre Schulleiterin und die letzte verbliebene Lehrerin kämpfen müssen. Und dann passiert etwas, was mich so arg berührt hat, dass ich kurz innehalten musste. Mein Kopfkino und die Tatsache, dass ich sehr empathisch bin, sorgten dafür, dass ich mir die schrecklichen Szenen bildlich vorgestellt habe. Weil ich gar nicht anders konnte. Man wird einfach sogartig mitgerissen, leidet mit, ist genauso verzweifelt wie alle Figuren in der Geschichte, sucht nach einem Hoffnungsschimmer, möchte einfach runter von dieser gottverdammten Insel. Puh!

"An manchen Tagen ist es okay, an anderen zerbricht es mich fast. Die Leere am Horizont, der Hunger und die Frage, wie wir das hier überleben sollen, wenn wir einander nicht überleben." (Zitat S. 47)

Apropos Figuren: Mir sind die drei Hauptcharaktere - Reese, Hetty und Byatt - sehr ans Herz gewachsen. Obwohl ihnen etwas mehr Tiefe sicher gut getan hätte, konnte ich dennoch einen Bezug zu ihnen herstellen, mich in sie hineinversetzen und mitfühlen. Jede von ihnen hat besondere Merkmale, und es war manchmal nicht leicht, zu akzeptieren, was mit ihnen geschehen ist und wie sie zu "Wilder Girls" wurden.

Fazit: Eine gefährliche Seuche, die sich immer weiter ausbreitet und alles Leben gravierend verändert. Ein Thema, das an sich nicht neu ist, hier jedoch super spannend und berührend umgesetzt wurde. Beim Lesen hatte ich mehrmals eine Gänsehaut und musste das Grauen erst einmal sacken lassen. Für mich eine überaus gelungene postapokalyptische Geschichte mit queeren Passagen, die es auch auf die große Leinwand schaffen sollte.

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